Ich habe damals für meine 5jährige Araberstute (mit tonnigem Rumpf), als das Reiten dann nicht nur aus mich tragen bestehen sollte, einen neuen, extra für mein Pferd angefertigten Schleese Sattel um € 3.750,00 gekauft, weil mir beim Verkauf ausdrücklich zugesichert wurde, dass man diesen Sattel immer wieder verändern kann und er praktisch mit dem Pferd mitwächst - an und für sich ja ein schöner Gedanke, dass man nicht bei jeder körperlichen Veränderung des Pferdes potentiell wieder eine Sattelodyssee starten kann
Ich hatte den Sattel dann ca 1 Jahr in Verwendung im ca 4maligem Anpassen und das Pferd ist gut gelaufen mit dem Sattel, aufgrund des Ausbildungsstandes mit möglichst langem und tiefem Hals, alles wunderbar.
Ich weiß nicht genau, wie es angefangen hat, aber jedenfalls nach ungefähr einem Jahr, klappte irgendwie gar nichts mehr beim Reiten und das Pferd wurde auch widerwillig beim Satteln. Auch das Anpassen nützte nicht wirklich was. Irgendwie war da der "Hund" drinnen. Nach ca. 1,5 Jahren hat mir dann von einer Schleese-Händlerin gesagt, dass sich mein Pferd so toll verändert hat, dass der Sattel jetzt zu lang wäre und man da kürzere Kissen draufmachen müsste. Das wurde dann ausprobiert, aber angeblich war der Sattel dann immer noch zu lang und außerdem konnte ihn diese Händlerin nicht mehr in Balance bringen. Ich habe dann die ursprüngliche Schleese-Verkäuferin kontaktiert und diese meinte, der Sattel passe perfekt. Naja, wird sich zeigen...
Ich habe mich dann intensiv mit dem Thema Sattel auseinandergesetzt um weitere Fehlkäufe zu vermeiden.
Das Prinzip grundsätzlich: Der Sattelbaum muss in seiner Form möglichst genau der Rückenlinie des Pferdes entsprechen, muskuläre Entwicklungen sollen über das Polster ausgeglichen werden.
Nachdem die Plastik-Sattelbäume von Schleese (wie auch von anderen Herstellern) im Spritzgussverfahren hergestellt werden und die Erstellung der Spritzformen sehr kostenintensiv ist, ist nachvollziehbar, dass jeder Sattelhersteller nur eine beschränkte Anzahl an verschiedenen Sattelbäumen hat, meist unterscheiden sie sich nur in der Länge. Und auf diese Sattelbäume wird dann nach dem Baukastenprinzip mehr oder weniger individuell der restliche Sattel zusammengebaut.
Wenn jetzt der „Standard-Sattelbaum“ des Sattelherstellers der Rückenlinie nicht gut folgt, muss man immer wieder über das Kissen versuchen das auszugleichen und kommt eben irgendwann meist unweigerlich an den Punkt, dass der Sattel nicht mehr passend gemacht werden kann (und keiner weiß warum…, obwohl man doch das Kopfeisen und das Kissen so toll verändern kann). Das ist bei vielen Sätteln das Hauptproblem, warum sie irgendwann nicht mehr passen.
Schleese und seine Händler blenden dieses Problem gekonnt aus und orientieren sich nur an der Schulter. Jetzt es ist zumeist so, dass eine Schulter mehr ausgeprägt ist und die Schleese Händler passen dann das Kopfeisen an diese asymmetrische Schultermuskulatur an. Wenn das Pferd dann die Bemuskelung wechselt, wird wieder das Kopfeisen angepasst. Dadurch entsteht auf daher ein hin und her biegen und ich wage zu bezweifeln, dass man den Sattel jemals wieder komplett symmetrisch eingestellt bekommt.
Durch die extrem schmale Taillierung, welche das Sitzen darin so angenehm macht ist der Sattelbaum genau im Bereich des Trapezmuskels sehr schmal, ebenso ragt die verlängerte Sturzfeder, welche das Reiterbein schön in die richtige Position bringt, genau in diese Trapezmuskelregion. Dies wird versucht durch hohe Kissen auszugleichen, sodass es immer wirkt, als ob der Sattel über dem Pferd thront und man teilweise auch das Gefühl hat, weit weg vom Pferd zu sitzen.
Zudem hat Schleese den Schwerpunkt des Sattels – weil das Frauenbecken angeblich den Schwerpunkt weiter vorne hat – nach vor verlagert und so möglicherweise den Sattel aus der Balance bringt. Das bedeutet, wenn das Kopfeisen paralell zum Schulterblattwinkel eingestellt ist und man den Sattel angurtet und z.B. ein Leckerli in den tiefsten Punkt des Sitzes legt und dann dem Pferd den Rücken ein wenig aufwölbt, dann bewegt sich das Leckerlie ein gutes Stück nach vorne (dies wird noch unterstützt dadurch, dass Schleese im Mittleren Drittel, also in der Trapezmuskelregion mehr polstert als vorne und hinten).
Wenn ich dann Reite ergibt sich folgendes Gefühl: solange Pferd auseinandergefallen daher latscht ist alles ok, sobald aber Bewegung in das Tier kommt, stößt mich der Sattel nach vorne und man arbeitet dann die ganze Zeit gegen den Sattel.
Und nun zu meiner persönlichen Schlussfolgerung, warum das mit dem Sattel am Anfang ca ein Jahr lang super funktioniert hat:
Beim Kauf waren Pferd und ich wenig ausgebildet und Pferd ist vorzugsweise mit hohlem Rücken gelaufen, sodass sich der „bauchige“ Sattel gut an den Rücken angepasst hat. Außerdem hat der nach vor verlagerte Schwerpunkt mein Reitergewicht eher auf die Schultern des Pferdes gebracht, sodass mein Pferd dann in einem vermeintlichen vorwärts-abwärts mit „schön gedehntem Hals“ ganz gut gelaufen ist. Als die „vorwärts-abwärts-Phase“ meiner damaligen RL allerdings aufhören sollt und das Pferd inzwischen gelernt hat, dass es seinen Rücken nach oben gewölbt feststellen kann, um mit steifen Hinterbeinen auf die Schultern zu schieben (bei trotzdem „schöner“ Halshaltung), haben die Probleme angefangen. Durch den nach vor verlagerten Schwerpunkt in Kombination mit der stärkeren Polsterung im mittleren Drittel des Sattels hat mich der Sattel eher in den Spaltsitz gedrückt und das Pferd auf die Schultern. Außerdem ist der Sitz arg tief und einzementiert – ich habe die Pauschen ganz abmontiert, damit ich ein wenig mehr Freiheit erlangen konnte.
Ich bin dann eine Zeit lang ohne Sattel geritten und dabei war es wesentlich einfacher, das Pferd in ein etwas horizontaleres Gleichgewicht zu bekommen. Zur Zeit reite ich in einem alten Passier-Springsattel mit sehr flachem Sitz, aber mittig gehaltenem Schwerpunkt und in diesem Sattel kann ich das Gleichgewicht des Pferdes viel besser beeinflussen.
Zu den regelmäßigen Anpassungen: Ich war damals übervorsichtig bei dem Sattelthema und wollte jemand kompetenten, der regelmäßig die Passform überprüft. Ich hatte insgesamt 3 verschiedene Schleese-Händler am Sattel (Bayern/Schweiz, Frankfurt, Belgien) und jeder hat indirekt und ganz vorsichtig immer über die Arbeit des Vorgängers gemeckert, sodass ich dann auch nie wusste, wer da jetzt mehr Ahnung hat...
Allerdings sollte man sich klar sein, dass das regelmäßige Anpassen schon ziemlich ins Geld geht. Darüber hinaus haben die Schleese-Leute die Tendenz alles über das Einstellen des Kopfeisens lösen zu wollen und so ständig daran herumgebogen wird, mal in die eine, dann in die andere Richtung, weil das eben auch schneller und einfacher geht, als eine sorgfältige Ab- oder Aufpolsterung im Kissen vorne durchzuführen.
Fazit: Sehr bequeme, schöne Sättel mit sehr guter Marketingstrategie, allerdings sollte man sich klar sein, dass der Reiterkomfort (schmale Taille, verlängerte Sturzfeder) möglicherweise auf Kosten des Pferdes zustande kommt. Ebenso sollte man sich nicht auf das „mitwachsen“ des Sattels verlassen, weil wenn der Sattelbaum nicht grundsätzlich schon mal gut zur Rückenform des Pferdes passt, dann enden auch bei einem Schleese Sattel die Anpassungsmöglichkeiten möglicherweise sehr schnell oder man doktert eben gleich rum wie bei anderen Sätteln. Darüber hinaus würde ich – entgegen den Empfehlungen der Schleese-Leute, das Kopfeisen nicht asymmetrisch einstellen lassen, weil man sich sonst in eine arge Abhängigkeit begibt und man beim Reiten nie wirklich Gewissheit hat, ob das Pferd/man selbst gerade ist oder nicht – da trügt die schiefe Einstellung das eigene Gefühl teilweise schon sehr.
lg hilahola