Was ist ein Arret? Ist das ein Arret?

Rund um die klassische Reitkunst

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Rosana
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Was ist ein Arret? Ist das ein Arret?

Beitrag von Rosana »

Hallo erst mal, ich lese schon länger hier sehr interessiert mit, jetzt habe ich mich gerade registriert um folgende Frage zu stellen:

Wer kann mir genau erklären, was ein Arret ist und in welchen Klassikern er beschrieben wird? (Ich meine NICHT den Demi-Arret!)

Ich habe den Begriff erstmals im Buch von Lehmenkühler über das Reiten mit dem LG-Zaum bewusst wahrgenommen. Aus dem, was sie darüber geschrieben hat, dachte ich:
Aha, ist das möglicherweise das, was meine Ex-Reitlehrerin mir beigebracht hat: Ein starkes Abstellen des Pferdes zur Seite (in allen Gangarten möglich) mit einer seitwärtsweisenden starken Zügelhilfe, die das Pferd veranlassen soll, im Genick nachzugeben. Bei ihr sollte ich dass so oft wiederholen, bis das Pferd in Beizäumung lief. Das hat auch sehr gut funktioniert, wobei mir dabei nicht so recht wohl war (die Kopfhaltung des Pferdes so stark mit dem Zügel zu beeinflussen...? Diese soll doch eigentlich dadurch entstehen, dass das Pferd "hinten" richtig läuft, oder?)

Was meint ihr dazu? Wer praktiziert das, woher stammt es, und wie und warum funktioniert es eigentlich? Gibt es das auch in der deutschen Tradition? Ist daraus womöglich das Riegeln entstanden?

Bin gespannt und Danke
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Medusa888
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Beitrag von Medusa888 »

Das was Du beschreibst, würde ich zwar nicht als Arret bezeichnen, aber ich kenne die Vorgehensweise. Mir wurde es empfohlen, das bei unserem kranken Pferd zu machen, der im Genick und Hals sehr unnachgiebig sein kann.
Das Pferd wird stark seitlich abgestellt. Wichtig war zum einen, dass der äußere Zügel Kontakt behält und noch wichtiger ist die vorgehende innere Hand nach dem Durchstellen. Wer diese beiden Punkte nicht beherzigt, riegelt.

Ich praktiziere diese Methode nicht mehr. Ich habe mich bereits während des Unterrichts damit unwohl gefühlt und auch wenn ich meinen damit kurzzeitig mal locker bekommen habe, habe ich auf Dauer das Gefühl gehabt, meine Reiterei wurde zunehmend auf dieses seitliche Abstellen reduziert.

P.S. Mir wurde dieser Tipp übrigens von einer Osteopathin gegeben.
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Rosana
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Beitrag von Rosana »

Ah, eine Antwort - super! Als das Thema schon von 70 Nutzern gelesen war und niemand was geschrieben hat, dachte ich schon, keiner kann mir etwas dazu sagen...

Medusa, so wie du es beschreibst, habe ich es auch gelernt. Das deutliche Nachgeben war auch ganz wichtig. Mir ging es genauso: Ich fand auch das die Reiterei dadurch zu stark auf Handeinwirkung reduziert wurde und mache es auch nicht mehr - zumal mein älteres Pferd eh problemlos durchs Genick geht.

Zu dem Zeitpunkt als ich bei der besagten Reitlehrerin ritt, hatte ich bislang im Schritt noch keine Beizäumung verlangt, sondern nur im Trab, wo mein Pferd sie auch anbot. Weil ich immer wieder gelernt hatte, dass man den Schritt sonst leicht kaputt macht. Bei dieser RL sollte ich dann sofort auch im Schritt über die besagte Methode beizäumen - was auch funktionierte.
Wenn ich heute diese RL selbst reiten sehe und ihre Reitschüler, finde ich dass die Pferde nicht wirklich über den Rücken gehen. Die Kopfhaltung ist sozusagen erlernt aber kommt nicht aus dem ganzen Körper des Pferdes.

Jetzt bleibt aber immer noch die Frage offen, was dann ein Arret ist? Gibt es denn beispielsweise bei P. Karl? Oder hat irgend jemand sonst mal davon gehört, gelesen, gelernt?
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Medusa888
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Beitrag von Medusa888 »

Über den Arrêt kannst Du bei Podhajski (Klassische Reitkunst) und auch bei Hinrichs (diverse Bücher) nachlesen.

Die Wiener, von denen auch RH geprägt ist, sagen "ein Arrêt ist ein Ruckerl". Aber damit hat man leider noch (lange) nicht das Wesen eines Arrêts erfasst.
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Thomas
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Beitrag von Thomas »

wenn man mal Tante Google für sich arbeiten läßt nach den Begriffen
reiten arrêt "demi arrêt"

dann findet man u.a. diesen Beitrag hier im klassikreiten.de
http://www.klassikreiten.de/viewtopic.php?p=1020#1020

worin horsmän von einem "Kanon der Hilfen und später ein Zusammenspiel der Hilfen" spricht, bzw. das so zusammenfasst.
Zum "demi arrêt" findet man einige nette Beschreibungen .... zum "arrêt" fand ich (bisher) keine vergleichbare - hab' allerdings noch nicht lange gesucht.
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Pegasus
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Beitrag von Pegasus »

Ich habe das Arrêt auch eher als kurze ruckartige Parade verstanden, zum aufmerksam machen.
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Rosana
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Beitrag von Rosana »

Den Podhajsky habe ich, da werde ich gleich mal suchen. Von Hinrichs habe ich nix, was schreibt der den so darüber?

Gegoogelt habe ich natürlich auch schon, aber nix brauchbares gefunden (massig zum demi arret, aber halt nix zum arret...)
Lipizzanerhof
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Beitrag von Lipizzanerhof »

Ein Arret ist eine ganze Parade zum Stand.

Nachzulesen z. B. im "Wörterbuch der Reitkunst" von Baucher und wer es etwas breitgefächerter haben möchte nimmt sich von Bertold Schirg Band 1 "Die Reitkunst im Spiegel Ihrer Meister ab S. 432"
Ich hoffe das hilft Dir. Viel Spaß beim lesen.
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Feine Hilfe

Beitrag von Tilly »

Ich verstehe ein Arret so, man nimmt die innere Hand mit ganz feiner Hilfe leicht nach oben und streicht leicht gegen den inneren Hals tendenz nachgebend zum Pferdemaul (fast wie überstreifen), um das Pferd wieder an den äußeren Zügel zu bringen und von der inneren Schulter weg. Ein Arrét ist eine Hilfe und eine Korrektur, wenn das Pferd nicht an den äußeren Zügel herantritt und auf die innere Schulter fällt. Durch das Arret tritt daß innere Hinterbein wieder vermehrt unter dem Schwerpunkt und die Schulter wird frei.

So habe ich es gelernt.

LG Tilly
horsman
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Beitrag von horsman »

so seh ich das auch.

Arret bedeutet anhalten. Ich kenne da RL mit franz. Hintergrund, die sagen zum anhalten arretieren.

arret = franz. für halten, stoppen

Demi-arret bedeutet sozusagen halb anhalten, was mE bedeutet,eine Zügeleinwirkung zu geben, bis man merkt dass das Pferd reagiert und anhalten würde und dann wieder weiter zu reiten. Im Grunde also die halbe Parade.

Dann hat sich der demi-arret aber auch dahin gehend entwickelt, dass es alles mögliche an Zügeleinwirkung sein kann, wenn damit das Ziel verfolgt wird, das Pferd aufmerksam zu machen und in ein besseres Gleichgewicht zu bringen oder eine Kieferflexion (loskommen von der hand) zu erhalten. Im Grunde ein recht diffuser Kunstbegriff also.

Das starke abbiegen des Halses, wie oben beschrieben, würd ich als Flexion bezeichnen (Abkauübung nach Baucher).

Im franz. Ori.Text von la Gueriniere wird auch von demi-arret und arret gesprochen. Das gleiche Kapitel in der deutschen Übersetzung beschreibt die Parade (anhalten auf der Hinterhand) und die halbe Parade. Übrigens geht es la G. dabei nicht bloß um irgend ein halten, sondern um ein halten mit gesenkten Hanken. Zitat la G. (S.181): "sodass der ganze Körper des Pferdes sich in dem Gleichgewicht hält, indem es auf seinen Hinterschenkeln und Hinterfüssen bleibt. Diese Schule, die sehr nützlich ist um ein Pferd leicht in der Hand und angenehm für den Reiter zu machen..."
First a relaxed mind, then a relaxed horse.
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Cathy1603
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Beitrag von Cathy1603 »

Bezüglich Arret und Demi-arret habe ich auch gelernt, dass Arret eine ganze parade ist und Demi-arret eine halbe Parade, ich setzte Demi-arrets auch ein um mein Pferd, wenn er sich einrollt wieder in eine ausgangsposition zu holen von der ich die dehnungshaltung wieder abfragen kann.

Die seitliche Biegung hat im dem Fall nichts mit arret oder demi-arret zu tun und ist wie Horsmän geschrieben hat eine Flexionierung.
:)
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