Hallo,
bin gerade erst hier drauf gestossen...
interessante Frage, zu der mir 2 Sachen durch den Kopf gehen:
1. Ich kenne einen sehr guten, klassischen Reitlehrer, der nur Pferde mit Problemen vorwärts-abwärts gehen läßt.
Alle anderen gehen in der ihrem Ausbildungsstand und Körperbau entsprechenden Haltung. Wichtig ist ihm, dass die Pferde nicht am Zügel ziehen (die Reiter übrigens auch nicht

) und die Pferde mit aktiver Hinterhand gearbeitet werden. Immer ihrer Ausbildung angemessen, d.h. erst in einer natürlichen Haltung und mit zunehmender Ausbildung mit höherem Hals (man kann es sich so vorstellen wie auf den Zeichnungen bei Steinbrecht). Bei einem so bearbeiteten Muskel kann sich die Oberlinie dehnen ohne v/a, der Rückenmuskel wird von vorne über die Halsmuskeln und von hinten über das aktive Vortreten der Hinterhand gedehnt.
Er hebt den Widerrist nicht an, sondern läßt die Vorhand freier werden über die wachsende Kraft der Hinterhand und Hankenbiegung. Dadurch ist das Pferd hinten mehr abgesenkt und vorne freier, eine Aufrichtung ohne Handeinwirkung ist möglich.
Die Pferde dürfen sich nach gelungenen Lektionen am langen, hingegebenen Zügel entspannen und den Kopf tragen, wie sie möchten. Einzig ein nach oben entziehen ist nicht erwünscht und deutet für ihn immer auf zu starke/harte Handeinwirkung hin.
2. Der Muskel an sich. Ich habe mich dieser Tage mit einer Physiotherapeuthin für Menschen unterhalten und mich darüber aufklären lassen, dass nicht der dehnende Muskel arbeitet, sondern der kürzende, weil dieser den aktiven Part übernehmen muss.
Sprich, wenn man die Bauchmuskeln genügend trainiert, haben sie die Kraft, sich aktiv zusammenzuziehen und damit die Dehnung der oberen Muskulatur zuzulassen. In Wirklichkeit ist also das Bearbeiten der Oberlinie die Folge der richtigen Arbeit der Unterlinie!
Dafür spricht: wenn ich meine Pferde an der Longe oder auch unter dem Sattel mit ihren Reitern unter dem Bauch mit der Gerte beidseitig gleichzeitig touchiere, zieht sich der Bauchmuskel zusammen auf den Reiz hin und der Rücken dehnt sich, ebenso wird die Oberlinie des Halses rund und viele Pferde fangen an zu kauen, sowie beginnen die Hinterbeine, weiter unterzutreten.
Ebenso ruft ein Schenkeldruck an der seitlichen Bauchmuskulatur das Vortreten der Hinterhand der gleichen Seite hervor. Ist die Bauchmuskulatur nicht kräfig genug, bzw. hat sie nicht genug Kraft, sich zusammenzuziehen, kann das Hinterbein entsprechend nicht vorschwingen und der Rücken erfährt keine ausreichende Dehnung.
Ebenso verhält es sich mit dem effêt d´ensemble. Die Bauchmuskultur wird beidseitig animiert, sich zusammenzuziehen, das Pferd kann dadurch die gesamte Oberlinie runden und dehnen.
Voraussetzung ist natürlich Beschwerdefreiheit der Muskulatur. Dehnung ist also abhängig von 2 Faktoren: erstens: der eine Muskel muss sich zusammenziehen können und zweitens der andere dehnfähig sein. Die Dehnung an sich ist der passive Teil. Da jeder Muskel einen Gegenspieler hat, ist klar, dass sich immer einer zusammenziehen können muss, um dem anderen das Verlängern/Dehnen zu gestatten. Die Dehnung ist nie aktiv!
Da aber beim Reiten die Oberlinie eine Dehnung erfahren soll und darüber einen Muskelaufbau, ergibt sich, dass die entsprechenden Gegenspieler die Kraft haben müssen, sich zusammenzuziehen, um diese Dehnung zu gestatten.
M.E. ist es also eine Frage des eigenen Ausbildungssystems, ob man nun v/a reitet oder nicht, entscheidend ist, dass man erkennen kann, ob die Muskelgruppen entsprechend zueinander arbeiten und eine Kräftigung der für das Reiten notwendigen Muskeln erfolgt, sprich: die Oberlinie sich dehnen kann und damit für das Tragen gestärkt wird.
In jeder Haltung trainiere ich Ober- und Unterlinie, aber eben mehr oder weniger, je nachdem, wieviel der sich zu kürzende Muskel sich verkürzen soll.
Stephanie