Unterhals

Rund um die klassische Reitkunst

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Janina
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Beitrag von Janina »

@Oliveira:
Nur mal auf die Schnelle, nach Inhaltsverzeichnis gefunden (kann gut sein, dass "zwischendrin" noch mehr Anmerkungen diesbzgl. stehen):
"Immer muß der Reiter dessen eingedenk sein, daß ein Treiben, Nehmen, Lockern und so fort das Reiten eines Dressurpferdes heißt. Treiben versammelt das Pferd durch kleinste Einwirkungen von Rücken und Gesäß. Nehmen durch Schließen der Finger aus einer unbeweglichen Hand heraus (...) und völlig nachgebend beim geringsten Nachgeben des Pferdes."
("Klassische Grundsätze der Kunst Pferde auszubilden", S. 161)

"Wenn der Reiter schicklich sitzt, ..., dann begleitet der gelockerte Rücken die Wellenbewegung des Pferderückens und vermittelt der Hand einen Grad an Unbeweglichkeit, die ihr wiederum gestattet, eine zartestmögliche Verbindung mit dem Pferdemaul zu gewährleisten.
...
Das Verhalten eines ausgebildeten Pferdes erlaubt die Anwendung der Halbspannung. In der Tat, ein möglichst fein gerittenes Pferd kann "am Gewicht der Zügel" LA GUÉrinière geführt werden.
Ich glaube, daß diese Auffassung von Leichtheit das Gütesiegel der höheren Reitkunst ist. Fern ist sie jenen Methoden, die unter dem Vorwand, gespannte Pferde zu haben, eine konstante Zügelspannung provozieren und unterhalten."
("Gedanken über die Reitkunst", S. 99)

Und vlt. das interessanteste Zitat:
"Die einen sagen: "Treiben Sie an die Hand und lassen Sie das Pferd nicht den Kontakt mit seinen Zügeln verlieren." Die anderen sagen: "Lockern Sie die Zügel, damit das Pferd sich daran gewöhnt, selbständig, fröhlich und leicht zu arbeiten."
Gewiß haben beide Aussagen etwas Wahres. Man muß wissen, wann es heißt, den Kontakt zu bewahren und wann, ihn zu lockern, was sich - je nachdem, welches Pferd man arbeitet - zu sehr verschiedenen Momenten empfiehlt..."
("Ratschläge eines alten Reiters an junge Reiter", S. 17)

Ich würde mich da ganz frech dem letzten Zitat anschließen wollen, denn das zeigt meiner Ansicht nach das Besondere an Oliveira: Er hatte zwar offensichtlich eine klare Vorstellung von einem ausgebildeten Pferd, nutzte aber, um dies zu erreichen, nicht nur das Werkzeug aus einer einzigen Schublade, sondern bediente sich aus einem ganzen Werkzeugschrank mit den unterschiedlichsten Schubladen.

Blöd ist, wenn wir als Freizeitreiter uns auf eine Sache versteifen, aber an ein Pferd geraten, dass nun aber gerade anders ausgebildet werden müsste.

Eine entscheidende Sache bleibt (auch wenn ihr es von horsmän schon nicht mehr hören könnt :P ) die Nachgiebigkeit im Unterkiefer. Ich will jetzt im Unterhals-Thread nicht noch mehr mit Zitaten um mich werfen, obwohl Oliveira natürlich auch einiges dazu schreibt, aber:
Hier liegt (nach meinem Verständnis, da mag es durchaus andere Sichtweisen geben) ein entscheidender Unterschied:
Die eher FN geprägten Reiter (es darf gerne eine passendere Beschreibung vorgeschlagen werden) sehen sie als Ergebnis einer aktiven HH mit der Gefahr, dass ihre Pferde eher dazu tendieren hinter die Senkrechte zu kommen (da sie das Nachgeben im Genick erlernen bevor das Nachgeben im UK folgt).
Meiner Meinung nach einer der Hauptgründe, warum man so oft zu enge Pferde in diesem Bereich sieht (ich rede jetzt nicht von extremen Formen wie Rollkur, sondern wirkl. einfach von einem hdS-Kommen).
Umgekehrt laufen diejenigen, die sich von Anfang an um die UK-Nachgiebigkeit bemühen natürlich Gefahr, das Pferd vorne so viel zu bearbeiten, dass sie die HH vergessen und somit natürlich auch nicht zu einem besseren Ergebnis kommen. Jede Vorgehensweise hat eben ihre Tücken, aber genau das wäre ein Ansatz von einander zu lernen.
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Janina
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Beitrag von Janina »

cinnamon hat geschrieben: dh. die "festgestellte" hand kommt dann zum einsatz, wenn reiter + pferd im ggw. sind und schon ein gewisses ausbildungsprogramm durchschritten haben und auf einem level der versammlungsfähigkeit sind?
Falls ich antworten darf:
Das vorhergehende Zitat bezieht sich darauf, dass der Sitz die richtige Bewegung der Hand vorgibt.
Das kann man auf Paraden beziehen, deutlicher (und so wurde es mal von Sue Oliveira bei einem Lehrgang erklärt) wird es noch in Wendungen: Du verlängerst den äußeren und verkürzt den inneren Zügel nicht aktiv durch Hand-/Armbewegungen oder gar umgreifen, sondern das richtige Maß ergibt sich durch die Drehung des Reiterkörpers. Du nimmst analog zu den Pferdeschultern deine äußere vor, die innere zurück und da die Hand "festgestellt" ist, wird der äußere Zügel verlängert, der innere verkürzt. Unterstützt man dann noch die adequate Stellung und Biegung des Pferdes, hat man außen Anlehnung, während der innere Zügel leichter wird. Eigentlich ganz einfach... theoretisch 8)
Gast

Beitrag von Gast »

cinnamon hat geschrieben: dh. die "festgestellte" hand kommt dann zum einsatz, wenn reiter + pferd im ggw. sind und schon ein gewisses ausbildungsprogramm durchschritten haben und auf einem level der versammlungsfähigkeit sind?
Nö.
Die festgestellte (gefixte) Hand kommt nie zum Einsatz, weil eine festgestellte Hand immer eine harte Hand ist. Mein obiger Satz bedeutet, dass die Verbindung zum Maul immer gummig elastisch ist/sein soll, mal stabiler mal weicher gummig, aber immer gummig.

BTW: Ein nachgiebeiger Unterkiefer ergibt nicht immer ein lockeres Pferd, bisweilen nicht mal ein lockeres Genick. Ist so. Aber wie so oft, kann man glauben, oder auch nicht.
horsman
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Beitrag von horsman »

@sabrell
Sehe bitte dem einen oder anderen nach, dass er sich eher an den Weißheiten von Oliveira orientieren möchte, als an Deinen. Muss ja auch nicht jeder den gleichen Reitstil anstreben.

Jo, Janina hat es schön rüber gebracht. Dem kann ich nichts Besseres mehr hinzufügen. Vielfalt des Handwerkszeugs, Gefühl, Vorhand und Hinterhand. Das Pferd als Ganzes und als Indiviuum sehen. Niemals aufhören zu lernen.


@cinnamon
Ja, die festgestellte Hand erfordert Versammlungsfähigkeit und sie bringt bei richtiger Anwendung Versammlung hervor. Was da geht, muss der Reiter erfühlen können.


@Mal ganz generell:
Dies Forum nennt sich ja "Klassikreiten". Ein wenig Interesse an Reiten in klassischen Stilen könnte man dabei im Auge haben. Es gibt dabei sicherlich auch eine gewisse Vielfalt bei im Grunde aber völliger Übereinstimmung der Grundziele, ein gesundes, losgelassenes, durchlässiges, gehfreudiges Pferd zu bekommen und zu erhalten.
Zuletzt geändert von horsman am Mi, 10. Aug 2011 13:43, insgesamt 1-mal geändert.
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Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Dass dies mit der "französischen" Methode erreicht werden kann, ist aber bisher halt leider nicht erwiesen. Damit bleibt´s graue Theorie ...
skywalker

Beitrag von skywalker »

Wie wirkt sich die main fixe auf die Unterhalsmuskulatur aus?
Inwieweit wirkt sich die main non-fixe auf die Unterhalsmuskulatur aus?

*vorsichtig Schwenk zurück zum Thema versuch*
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

[quote="horsmän"
@Mal ganz generell:
Dies Forum nennt sich ja "Klassikreiten". Ein wenig Interesse an Reiten in klassischen Stilen könnte man dabei im Auge haben..[/quote]

Och, ich finde, daran herrscht hier nun ganz und gar kein Mangel. Immer mal vorausgesetzt, man sieht "klassisch" nicht nur durch die eigene Brille. Denn nicht jeder sieht die deutsche Reiterei als so unklassisch an, wie beispielsweise Du :wink:
„Steinbrecht ist nur schwer für den leichten Geist." (Nuno Oliveira)
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horsman
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Beitrag von horsman »

@Rapunzel
Für mache Leute sind zB Oliveiras Resulate Grund genug, die französische Reitweise a la Legerete nicht in wie Du, in das Reich der Utopie zu verbannen. Aber auch das bleibt jedem selbst überlassen.

Letztlich kommen aber auch viele der klassichen Reitmeister aus Frankreich und haben somit großen Einfluss auf diesen Reitstil UND auchn auf die klassichen dt. Reitmeister (ließ mal im Steinbrecht). Auch hier könnte man im "Klassikreiten-Forum" eine gewisse Grundtoleranz erwarten dürfen. Wenn die klassischen Wurzeln der Reitkunst hier völlig negiert werden, dann lasst euch bitte einen anderen Namen für das Forum einfallen.
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Gast

Beitrag von Gast »

horsmän hat geschrieben:@sabrell
Sehe bitte dem einen oder anderen nach, dass er sich eher an den Weißheiten von Oliveira orientieren möchte, als an Deinen. Muss ja auch nicht jeder den gleichen Reitstil anstreben.

Allerwertester horsmän .. von mir aus kann sich jeder orientieren, woran er Lust hat.
Da ich ja nun aber auch schon ein paar Vierzehntage durch die Foren wandere, bemerke ich eben immer wieder, dass die "orientierten" zunehmend desorientierter werden. Und es sind ja nicht meine WEISHEITEN, sondern lediglich MEINE Orientierung an einer Reitlehre, die, so man denn will, recht einfach zu begreifen ist :)
Was es, zugegeben, nicht immer einfacher macht, aber daran ist man meist selber schuld. Und wenn's nur gelegentliche Unzulänglichkeiten in der Koordination des eigenen "Gestells" sind.
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Horsmän, nu ist aber mal gut: Es geht und ging hier nicht darum, klassische Wurzeln zu negieren. Es ging darum, deren Ergebnisse zu diskutieren. Und es ist sicher nicht die Schuld der hier Diskutierenden mit anderem Standpunkt, dass es Dir offenbar nicht gelingt, die Maine Fixe theoretisch von den vernünftig ausgeführten "deutschen" Zügelhilfen abzugrenzen. Daraus nun zu schließen, dass es hier seit Neuestem unklassisch zuginge, finde ich – offen gestanden - ziemlich dreist gegenüber den Menschen, die hier in den vergangenen Tagen diskutiert haben. Und ja: Auch ich nehme für mich in Anspruch, klassisch zu reiten. Würde Dir aber diesen Anspruch nicht aberkennen, nur weil Du für Dich einen anderen Weg gehst.
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horsman
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Beitrag von horsman »

skywalker hat geschrieben:Wie wirkt sich die main fixe auf die Unterhalsmuskulatur aus?
Inwieweit wirkt sich die main non-fixe auf die Unterhalsmuskulatur aus?

*vorsichtig Schwenk zurück zum Thema versuch*

Also auf dein Pferd bezogen sind die Dinge sicher nicht so einfach, dass man von dieser Stelle aus sagen könnte, "reite dein Pferd ab sofort mit main fixe, undd er Unterhals verschwindet". Das leider nicht. Konkret: Muss man sehen.

Grundsätzlich aber wird sich durch Reiten in Versammlung, also mit verbesserter Tragarbeit der HH und dadurch entstehender Selbsthaltung dein Pferd körperlich verbessern. Nu ist aber Reiten in Versammlung die große Kunst, die es zu erklimmen gilt und für die sicherlich auch meherer Weg gibt. Um auch hier mal hier mal konkret zu werden: ein gutes SH im Schritt auf gebogener und gerader Linie zu erarbeiten (durchaus zuvor auch an der Hand) kann sicherlich nicht falsch sein udn wäre für mich ein wichtiger Baustein. Aber auch das ist nicht ganz so banal.
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skywalker

Beitrag von skywalker »

horsmän hat geschrieben:
skywalker hat geschrieben:Wie wirkt sich die main fixe auf die Unterhalsmuskulatur aus?
Inwieweit wirkt sich die main non-fixe auf die Unterhalsmuskulatur aus?

*vorsichtig Schwenk zurück zum Thema versuch*

Also auf dein Pferd bezogen sind die Dinge sicher nicht so einfach, dass man von dieser Stelle aus sagen könnte, "reite dein Pferd ab sofort mit main fixe, undd er Unterhals verschwindet". Das leider nicht. Konkret: Muss man sehen.
Danke Horsmän, hab aber jetzt gar nicht mein Pferd gemeint, sondern prinzipiell und allgemein ... da wir ja im Unterhals-Thread sind... :wink:
Jolly
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Beitrag von Jolly »

sabrell hat geschrieben: ... bemerke ich eben immer wieder, dass die "orientierten" zunehmend desorientierter werden
Weswegen dieses Forum von einigen Leute auch als das "Forum der Verwirrten" betitelt wird :lol:
Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Horsmän: Ich finde eigentlich niemanden repräsentativ, von dem man nur miese sekundenkurze Videos oder halt Fotos sehen kann (wie bei Oliveira) und schon gar keine alten Meister, von denen höchstens Gemälde existieren.

Immerhin kenne ich aber zwei lebende Personen, die bei Oliveira gelernt haben (einer über Jahre, einer auf einigen Kursen), die ich sehr überzeugend finde - beide haben sich aber seit der Zeit vor 40 (!!) Jahren auch gesamtreiterlich immer weiterentwickelt und sind definitiv keine "Baucheristen" oder ewigen Oliveira-Nachahmer, sowas geht auch immer schief.

Wie ist es denn nun mit deinen Fotos?
Phanja

Beitrag von Phanja »

Jolly hat geschrieben:
sabrell hat geschrieben: ... bemerke ich eben immer wieder, dass die "orientierten" zunehmend desorientierter werden
Weswegen dieses Forum von einigen Leute auch als das "Forum der Verwirrten" betitelt wird :lol:
Was mit dem Thema Unterhals überhaupt nichts zu tun hat. Deshalb räuspere ich mich an dieser Stelle mal vernehmlich und bitte darum, zumindest halbwegs zum Thema zurückzukehren. Danke!
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