Parelli - Was haltet ihr davon?

Allgemeines rund ums Pferd

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gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

in der freien natur sind pferde angewiesen auf den schutz vor raubtieren und auf die gemeinsame suche nach futter und wasser. in der steppe sind die ressourcen nicht unbegrenzt und kluges, koordiniertes verhalten ist hilfreich.

rangordnung ist für mich weniger vermenschlicht, als aus dem umgang mit echten rudeltieren wie hunden abgeleitet. die menschliche horde ist ähnlich wie eine pferdeherde anders und in gewisser weise komplizierter als ein wolfsrudel. vielleicht ist herdenstruktur das bessere wort als rangordnung. pferde sind extrem sozial und das müssen sie ja auch - und darüber nachzudenken finde ich schon hilfreich. die parellis sind da nicht die schlechtesten.
skywalker

Beitrag von skywalker »

Das ist die übliche Diskussion, die immer entsteht, wenn es um Parelli geht... :roll:

Ich wollte deshalb nur noch anmerken, dass Parelli KEIN JOIN UP kennt wie Monty Roberts. Es geht nicht darum, es dem Pferd möglichst druckvoll zu machen, damit es in Not zu mir flüchtet. Wohl macht parelli es dem Pferd beim Menschen möglichst bequem, aber es gibt kein Scheuchen mit dem Ziel, das Pferd physisch und/oder psychisch zu erschöpfen, damit es dann beim Menschen gezwungenermaßen Zuflucht sucht.


Ich weiß auch nicht warum man sich am Wort Rangordnung so aufhängt und was daran so böse sein soll. Einer muss der tonangebende sein. Fertig. Wir haben eine 30köpfige Herde, da sind Rangordnungsspielchen an der Tagesordnung.
Was Rangordnungs"gegner" immer zu vergessen scheinen, ist dass der Ranghöhere nicht nur Rechte, sondern und vor allem auch Plfichten hat! Das Ziel ist, dass das Pferd den Menschen als den akzeptiert, der im Falle von Unsicherheit weiß, wie's weiter geht. Sich ihm also anvertraut, nicht aus Angst, dass es eine geknallt kriegt, sondern dass der Chef sich seiner Sache sicher ist und im Notfall dem Säbelzahntiger eine knallt.

Ich glaube mein Herr Pferd war auf mich ziemlich schlecht zu sprechen, weil er meine Unsicherheit anfangs gespürt hat. Wenn ich was von ihm gefordert habe, dann auf unsichere Weise: Ah, heute willst du nicht traben, hm, nagut, naja, vielleicht doch einen Schritt? Neina uch nicht, hm, naja, ok. Hm. Was mach ich jetzt. Hm. Er selbst war rangniedrig und unsicherer als er sich anmerken ließ, so trafen Unsicherheit auf Unsicherheit, für beide ein ziemliches Desaster.
Seit ich sicherer auftrete, und dazu gehört auch dass getrabt wird wenn ich es sage (körperliche Probleme außen vor, siehe mein früherer Beitrag), scheint er sich wesetnlich wohler zu fühlen, die ständigen Falten rund um die Nüstern sind verschwunden.

Also nie vergessen: Wenn man sagt der Mensch soll ranghöher sein, dann ist das nicht nur um das Pferd sadistischerweise zu knechten, sondern - und vor allem - um Verantwortung für seine Gesundheit, sein Sicherheitsbedürfnis und Wohlbefinden zu übernehmen.
Und deshalb finde ich an dem Wort Ranghöher (oder Chef oder Spielleiter oder wie auch immer) überhaupt nix schlechtes. Ich finde ja auch nix schlechtes dran, dass ich ne Chefin hab. Manchmal nervt die, aber im Grunde bin ich froh dass sie mir sagt was ich zu tun hab, weil sie kennt sich besser aus als ich. Fertig, alle zufrieden.


hach, ich wollt doch nicht mitdiskutieren :roll: :roll: :roll:
Kiwi
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Beitrag von Kiwi »

Skywalker, genau das ist es was ich meinte!

Danke für den Beitrag auch wenn du nicht diskutieren wolltest :wink:
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smilla
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Beitrag von smilla »

Jep, so kann ich's unterschreiben :D .
"Reiter und Pferd sind zu einer geistigen und körperlichen Einheit verschmolzen, sind zwei Herzen und ein Gedanke- die wunderbare Alchemie des Reitens hat aus den zweien in Wahrheit eins gemacht. Solche Kunst ist klassische Kunst!"
Seunig
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Skywalker bringt es auf den Punkt:
die Pferde, die in einer Herde was zu sagen haben, denen sehen Außenstehende es nicht auf Anhieb an. Weil sie es gar nicht nötig haben durch die Gegend zu laufen und rumzuholzen.

Souveränität ist da immer mein Lieblingswort.

Wenn wir Menschlein genug Souveränität ausstrahlen, dann ermöglicht das unseren Pferden sich vertrauensvoll anzuschließen, denn das wollen sie im Grunde als Herdentiere.

Nur denen, die etwas aufmüpfiger sind, muss man bei passender Gelegenheit mal deutlicher mitteilen, dass man respektiert werden möchte, als Mensch wie als pferdiges Herdenmitglied auch, da kommt jemand, der den Ton angeben will, dann nicht drumherum.

Dieses Gleichgewicht finde ich als bekennend kritisch gegenüber PNH eingestellt aber eben bei Parelli gegeben. Das Pferd erfährt soviel Deutlichkeit (ich benutze hier mit Absicht nicht das Wort Druck) wie es braucht um zu akzeptieren, dass es mit jemandem zu tun hat, der ihm gewachsen ist und clever genug ist, zu bestimmen.
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Catja&Olliver
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Beitrag von Catja&Olliver »

Ihr bringt m.M. nach einiges durcheinander. Klar bin ich "ranghöher" als mein Pferd, ich bin schließlich ein Mensch und kein Pferd :wink:

Aber mein Pferd gehorcht mir nicht weil es mich grundsätzlich als "Chef" anerkennt. So denkt/empfindet ein Pferd garnicht. Es gehorcht mir weil es nun einmal im Einzelnen alle die Dinge gelernt hat, die der Mensch normalerweise bei ihm abfragt.
skywalker

Beitrag von skywalker »

@ Catja: Ich vermute dass du einfach ein Mensch bist, der von Grund auf Souveränität ausstrahlt - das Wort fiel bereits.

Denn ich glaube wiederum dass der Gedanke:
Klar bin ich "ranghöher" als mein Pferd, ich bin schließlich ein Mensch und kein Pferd
einem Pferd völlig fremd ist. Warum sollte er glauben, dass ich automatisch ranghöher bin nur weil ich aufrecht gehe?

Bei Parelli behauptet auch keiner, dass ich mich einmal ordentlich durchsetze und quasi erkläre, dass ich der Chef bin (scheinbar lehrt wer anderer das, denn das zu glauben ist irgendwie weit verbreitet, scheint mir) - sondern ich muss mir jede Sekunde, jede Minute und jeden Tag neu meine Chefposition verdienen. Verdienen, nicht erprügeln! Wenn ich schlechte Entscheidungen treffe, wird mein Pferd (je nach Grundcharakter) entweder stark verunsichert, sodass ich Vertrauen verliere, oder es wird öfter testen, ob ich ernst meine, was ich sage - dann verliere ich Respekt.

Ich vergleichs nochmal mit meiner Chefin: die ist prinzipiell souverän. Momentan ist sie etwas überarbeitet, macht Fehler, gibt mir Fehlinformationen (ist momentan wirklch so), lässt mich umsonst arbeiten aufgrund ihrer Fehlentscheidungen. Prompt verliert sie mein Vertrauen. Ich fange an nicht zu glauben was sie sagt, verlass mich lieber auf mein eigenes Urteilsvermögen.
Oder im andern Fall, wenn meine Chefin mir 20x sagen würde, ich soll aufhören im Internet zu surfen, ich tu es trotzdem vor ihrer Nase und es passiert nichts, tja, dann hat sie bald meinen Respekt verloren - ihr Wort gilt nicht.
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Catja&Olliver
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Beitrag von Catja&Olliver »

skywalker hat geschrieben:Ich vergleichs nochmal mit meiner Chefin: die ist prinzipiell souverän....
Und genau solch ein Vergleich ist m.E. total falsch. Parelli hat vielleicht Erfolg weil viele Leute dieses Denken nicht ausklammern können. Ein Pferd braucht die Herde, aber die Herde braucht keinen Chef (wozu denn?). Das ist ja der Punkt.

Na ja, viel Spass :wink:
alimat01
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Beitrag von alimat01 »

Ich dachte anfangs bei den Themen "Nase kräuseln" bzw. "Parelligesicht" sowie auch jetzt nach der Frage nach dem Zwang "Ich weiß ja nicht, die sollten mal meinen sehen".
Erst hab ich mich aber nicht getraut und dann war es eh nicht eingestellt. Mittlerweile hab ich es bei Youtube mal eingestellt. Bis ich das hingekriegt hab, ist Diskussion über die Frage des Parelligesichtes und v.a. der für mich wichtigen Feststellung, dass es AUCH darauf ankommt, was der Einzelne daraus macht, schon längst raus.
Aber ich stell den Link trotzdem mal ein- ich hoffe, das ist ok.....

Natürlich freue ich mich auch schicht und ergreifend, dass es diesen Moment gab. Aber weshalb ich hier drauf kam war
1. die Frage nach dem "Parelligesicht" - wo
2. auch die Frage und Diskussion mit dem Zwang reinpasst. Und ob ich es meinem Pferd woanders so ungemütlich machen kann, dass es lieber zu mir kommt. Das geht bestimmt. Aber auf DER Wiese geht das nicht mehr, wenn ich mich nicht vorher darum bemüht habe, dass meine Beziehung stimmt. ( ok, es ist auch "leckerlibedingt", das geb ich zu, aber bei tobenden Pferden nebenan - die man nicht sieht- hätte er sich sonst bestimmt nicht hingelegt)
und 3. denke ich, kann man es doch so verändern, wie man es selbst nutzen kann. Dazu gehören bei mir z.B. die 2 Gerten die Parelli nicht hat und die Leckerlis (die dort allerdings auch Einzug gehalten haben).
Unsere Grundlage dafür waren allerdings ganz klar PNH- Kurse.

Ihr müsst ja nicht gucken - v.a. nicht alles, aber ich denke man sieht schon, dass es auch ohne "Parelligesicht" geht. Und ohne den Druck durchs Jagen.

http://www.youtube.com/watch?v=w2IfSylObfc

-er ist im Übrigen ein Pferd, das zu Beginn sehr unsicher war, das heute noch schnell wird (wenn was unbekannt ist oder er was nicht versteht), aber trotzdem ranghoch ist.

Ach und ein Gedanke zur Rangordnung oder Herdenstruktur
Ist das mit der Natur überhaupt noch vergleichbar? Die Futerbedingungen sind schon lange anders- zumindest hierzulande - es gibt eine Zucht, die das "survival of the fittest" aufhebt und es gibt Kastrationen und damit gemischte Herden.
Mein Eindruck ist, dass das da durchaus ein bisschen anders, aufgeweichter läuft als wenn ein Hengst dabei ist.


Grüße,

Nina
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dornröschen
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Beitrag von dornröschen »

Interessante Diskussion. Zum Thema Parelli selbst kann ich leider gar nix beisteuern, da habe ich mich bisher gar nicht mit befasst. Aber das Thema Rangordnung oder Herdenordnung, wie immer man es nennen mag, und die Stellung des Menschen, das interessiert mich sehr.

Ich kann mich da den letzten Posts von Skyalker und Finchen nur voll anschliessen.
Pferde leben in der freien Wildbahn nunmal im Herdenverbund. Wie groß diese "Herde" ist spielt dabei keine Rolle; sei es nur ein Hengst, der sich eine oder mehrere Stuten erobert hat oder eine größere Gruppe von Stuten und Jungtieren unter Leitung einer alten Stute. Sobald Tiere in Gruppen zusammenleben, gibt es eine Hierarchie. Diese kann mehr oder weniger ausgeprägt sein, aber sie existiert. Sind viele Ressourcen vorhanden und ist der Raubdruck gering, so ist der Zusammenhalt und die Geborgenheit der Herde nicht so überlebensnotwendig, als wenn der Zugang zu Ressourcen beschränkt ist oder viele hungrige Räuber die Herde bedrohen. Im ersten Fall wird die Hierarchie innerhalb der Herde flacher sein, da man sich ja ohne Probleme aus dem Weg gehen kann - es gibt überall genug Fressen. Im zweiten Fall aber, wird die Hierarchie stärker ausgeprägt sein und deutlich durchgesetzt werden.
Diese Hierarchie ist für Pferde überlebensnotwendig. Nur wer seinen Platz in der Herde hat und kennt, hat den Schutz.
Natürlich ist es für die meisten Pferde erstrebeswert einen möglichst hohen Platz in der Hierarchie einzunehmen, da diesedie meisten Rechte garantiert. Aber wie Skywalker schon schrieb, der Chef hat nicht nur Rechte sondern auch Pflichten. Es gibt bei Pferden, wie beim Menschen auch, unterschiedliche Charaktere. Die einen sind souveräner - danke, Finchen, das ist genau das Wort - als andere. Ein souveränes Pferd hat "Chefqualitäten", es kann den anderen Pferden Sicherheit vermitteln. Sie werden sich ihm anschliessen.
Als Mensch bin ich nicht automatisch ranghöher als das Pferd, nur weil ich ein Mensch bin. Eigentlich bin ich als Mensch, evolutionsgeschichtlich gesehen, der Feind, ein Räuber; aber das nur am Rande... Also, das Pferd wird mich nicht automatisch als "Chef" anerkennen, nur weil ich auf zwei Beinen daherkomme. Es wird mich anerkennen, wenn ich souverän bin und dem Pferd vermitteln kann, dass es sich mir anschliessen kann und dass dieses Anschliessen zu seinem Vorteil ist. Nur wenn das Pferd "überzeugt" ist, dass es mehr Vorteile hat, mir zu folgen, als dies nicht zu tun, wird es sich mir anschliessen. Aber dieses Anschliessen ist nicht von Dauer, wie Skywalker auch geschrieben hat. Als "Chef" muss man immer und ständig beweisen, dass man zu Recht diese Position innehat und zwar dadurch, dass man die richtigen Entscheidungen fällt und das Vertrauen, was die Anderen in einen setzen nicht enttäuscht. Es hilft nix, Radau zu machen und sich auf die Brust zu trommeln; so einen Chef nimmt keiner ernst. Die echte Souveränität ist unauffällig und äußert sich in kleinen und kleinsten Gesten. Daher ist es auch so schwierig für uns Menschen, unseren Pferden auf Dauer ein guter, zuverlässiger Chef zu sein: Immer die richtigen Entscheidungen zu treffen, das Vertrauen des Pferdes nicht zu enttäuschen und jeden Versuch seitens des Pferdes, an unserer Position zu rütteln, zu erkennen und entsprechend zu handeln, finde ich verdammt schwer.
Hat man erstmal das Vertrauen verloren, oder es erst gar nicht gewinnen können, kann man ernsthafte Probleme bekommen. Beginnen die Pferde, Entscheidungen selbst in die Hand zu nehmen, da der Mensch keine zuverlässige Leitung mehr gibt, kann es schnell mal gefährlich werden. Wer es schonmal erlebt hat, wie ein unsicheres Pferd selbst entschieden hat, da der Mensch auch unsicher war, weiß, was ich meine...
Ein Pferd ohne Reiter ist immer noch ein Pferd.
Ein Reiter ohne Pferd ist nur ein Mensch.
(Stanislaw Jerzy Lec )
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Catja&Olliver
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Beitrag von Catja&Olliver »

Schönes Video, mein Kompliment! ...sieht aber nicht sehr nach Parelli aus... :wink:
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Schönes Video, keine Frage.

Aber ich stelle mir die Frage, wie ich mit dem Pferd arbeite NUR auf freiwilliger Basis, wenn es für Leckerli u.a. mitmacht, an einem Tag, wo es mal grad gar keinen Bock auf das Leckerli, mich, die Spielerei hat?!

Je nach Typ Pferd ist mal mehr mal weniger erforderlich im Rahmen der Ausbildung eben doch zu verdeutlichen, dass wir Menschlein tatsächlich wollen was wir wollen, auch wenn mal das Pferd es grade nicht unbedingt will.

Und wenn das klargestellt ist, dann geht es auch auf einer so großen Wiese und mit anderen Pferden auf der Wiese. :wink:
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Gawan
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Beitrag von Gawan »

Kiwi hat geschrieben:Mir ist es logisch, wenn der Mensch sagt, "ich muss dem Pferd zeigen, dass ich der Herdenchef bin und es für das Pferd angenehmer ist, wenn es sich mir anschließt." In der freien Natur ist es nicht anders oder?
Zumindest ist in der freien Natur der Herdenchef permanent anwesend und nicht nur ein paar Stunden pro Woche. :wink:
Kiwi hat geschrieben:Wie ist es denn dann in der freien Natur?
Wenn ein Junghengst seine eigene Herde gründen will, separiert er eine Stute aus einer Gruppe und macht ihr so lange Stress, bis sie sich ihm anschließt.
Es lebe das Patriarchat! Nö, die Stuten haben da durchaus auch mitzureden, eine junge Stute wird ihre angestammte Herde nicht verlassen, weil der Junghengst sie stresst, sondern weil sie, menschlich gesprochen, Lust auf *** (also die Sternchen sind nicht von mir, die hat das Programm gesetzt) hat. Erfahrenere Stuten wählen durchaus, welchen Hengst sie an sich ranlassen, ebenso gibt es Stuten, die eine Herde verlassen und sich einer anderen anschliessen. Selbst "Ehebruch" kommt in Pferdeherden vor.
Kiwi hat geschrieben:Edit: @smilla: auch das ist Vermenschlichung. Entweder ein Pferd schließt sich einer Gruppe an oder es wird gefressen. So ist es nunmal.
Es kommt durchaus vor, dass ein Junggeselle allein unterwegs ist. (Junggesellengruppen sind weniger stabil als gemischte Herden, es kann also sein, dass sich eine solche Gruppe auflöst, weil einige der jungen Hengste Stuten gefunden haben, dann bleibt möglicherweise ein Hengst allein übrig. Allerdings gibt es auch "Teamwork" zwischen Hengsten, dabei hilft ein "Assistenzhengst" einem dominanten Hengst, einen Harem zu halten.) Auch Stuten sind gelegentlich allein unterwegs.

Und bevor mich jemand fragt, nein, ich habe das nicht selber beobachtet, aber ich habe eines dieser langweiligen Bücher mit vielen Fussnoten, einem langen Literaturverzeichnis und ganz wenigen Bildern gelesen, das von Leuten geschrieben wurde, die sich wissenschaftlich mit dem Thema Pferdeverhalten abgeben.

Um noch den Bogen zum eigentlichen Thema zu schlagen: Etwas, was mich an den natürlichen Reiterschaften irritiert, ist ihre simplifizierende Art, Pferdeverhalten darzustellen und zu interpretieren.

Tanja Xezal
"Der Reitlehrer sei unser eigenes Pferd" SGS
(und der Schüler zeige Geduld, Demut und Hingabe)
Draussen bin ich 4:0 unterwegs, in der Halle 3:1, manchmal 1:3.
gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

ja, tanja, das sehe ich ja auch. viele natural horsemännchen denken nach 2-3 wochenenden, sie wüssten nun zweifellos wie es geht. (bei uns ist bisweilen so ein WE-kurs...). dieses dogmatische und das sicher-sein ohne denken und erfahrung und einfühlen wollen nervt.

@finchen und andere: naja, was genau wollt ihr nun? dass das pferd tut, was ihr wollt und das immer und gerne? (das ist ein bisschen so wie in unternehmen, wenn man mitarbeiter zu etwas zwingt und dann pikiert und sauer ist, wenn sie das nicht gerne tun... das ist paradox).
oder soll das pferd mit freude und von mir aus leckerchen spielen?

tanjas ausführungen (nebst ein bisschen selbst - gelesenem) folgend ist meine lösung, dass pferde so viel sozial intelligenter sind als wir denken. die dumpfe herdenstrukturidee a la monty roberts ist doch längst passe - und ich darf das schon nutzen.

ich kann in kontexten mit meinem pferd spielen und in kontexten mit ihm arbeiten und etwas fordern, was er nicht an oberster stelle auf seiner prio-liste ist - er kann das fein unterscheiden.
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Jarit
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Beitrag von Jarit »

Dein letztes Posting, Gimlinchen, kann ich nur unterschreiben.

Mir stellen sich mittlerweile die Haare auf, wenn ich was von strenger Hierarchie bei Pferden lese oder von Pferd will unbedingt weit oben in der Rangordnung stehen. Die Rangordnungstheorie bei Pferden im Sinne von A dominiert B und A und B stehen über C ist inzwischen verhaltensbiologisch widerlegt (auch ich habe Bücher gelesen :wink: ). Das Herdenkonstrukt ist viel komplexer und vielfältiger als es die traditionellen Denkmodelle vermitteln. Dazu kommt, dass in freier Wildbahn Herden natürlich entstehen. Bei uns werden sie durch den Menschen willkürlich zusammengewürfelt, leben teilweise nur stundenweise am Tag zusammen etc.

Aber richtig ist, was Dornröschen hier schreibt:
Als Mensch bin ich nicht automatisch ranghöher als das Pferd, nur weil ich ein Mensch bin. Eigentlich bin ich als Mensch, evolutionsgeschichtlich gesehen, der Feind, ein Räuber; aber das nur am Rande... Also, das Pferd wird mich nicht automatisch als "Chef" anerkennen, nur weil ich auf zwei Beinen daherkomme. Es wird mich anerkennen, wenn ich souverän bin und dem Pferd vermitteln kann, dass es sich mir anschliessen kann und dass dieses Anschliessen zu seinem Vorteil ist. Nur wenn das Pferd "überzeugt" ist, dass es mehr Vorteile hat, mir zu folgen, als dies nicht zu tun, wird es sich mir anschliessen.
Wir gehören zwei verschiedenen Spezies an und müssen einen Weg der Kommunikation finden und uns gegenseitig respektieren.
LG
Jarit

Erfahrung heißt gar nichts. Man kann etwas auch 35 Jahre lang falsch machen. - Tucholsky
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