Wieviel Anlehnung muss/soll sein?

Rund um die klassische Reitkunst

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stromboli20
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Beitrag von stromboli20 »

Es stimmt schon, dass man mit HIlfe eines Gebisses besser den Schwung statt nach vorne nach oben leiten kann und dadurch eine bessere Aufrichtung und vermehrtes Setzten der Hinterhand erreichen kann. Da ist dann die Frage, was man sich als Ausbildungsziel gesetzt hat. Zu den Serienwechseln. Auch völlig unversammelt kann man Serienwechsel spingen: http://www.myvideo.de/watch/175339
Allerdings entspricht das optisch natürlich nicht der klassischen Reiterei.
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Jen
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Beitrag von Jen »

stromboli20 hat geschrieben:Es stimmt schon, dass man mit HIlfe eines Gebisses besser den Schwung statt nach vorne nach oben leiten kann und dadurch eine bessere Aufrichtung und vermehrtes Setzten der Hinterhand erreichen kann.
jaja, aber das ist nicht ein Auffangen des Schwunges, sondern nur ein Umlenken, bzw eben die Haltung des Pferdes beeinflussen. Diese hat jedoch wiederum nicht unbedingt damit zu tun, ob das PFerd nun mit Anlehnung oder mit Kontakt geritten wird. Vielleicht wurde das Wort ja nur unglücklich gewählt, aber ich finde es eben eher unpassend.
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pepe
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Beitrag von pepe »

@Steffen: ich finds nur witzig das du Barbier akzeptierst, wenn schon ich Schwierigkeiten hatte sein Modell der Gedankenübertragung ernst zu nehmen. Ich hatte das Buch von meiner Schwester "geerbt" und war so ziemlich auf alles gefasst. Nachdem ich mich dann zum Weiterlesen durchgerungen hatte wurds wieder besser.

Ich denke das eine Ausbildung ohne Anlehnung unmöglich ist. Wie soll das Pferd verstehen daß wir ihm einen Rahmen vorgeben? Diesen Rahmen sollen/ wollen/ können wir nur beliebig verändern, wenn das Pferd den Zügel als Begrenzung des Rahmens annimmt. Das Schlimme ist doch eher das wir Reiter- auch nur Menschen- alles "be-greifen" wollen, da sind wir nicht besser als Klammeraffen. Wir müssen gegen unseren eigenen Instinkt reiten und innerhalb dieses Rahmens nur noch Nachgeben. Und trotzdem Führen! Nur mit Ei-dei-dei komm ich nicht zum schwingenden Rücken.
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Colloid
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Beitrag von Colloid »

Ich denke das eine Ausbildung ohne Anlehnung unmöglich ist. Wie soll das Pferd verstehen daß wir ihm einen Rahmen vorgeben? Diesen Rahmen sollen/ wollen/ können wir nur beliebig verändern, wenn das Pferd den Zügel als Begrenzung des Rahmens annimmt.
Eine Ausbildung ohne "Anlehung" (an den Zügel) ist möglich. Man braucht nur ein Mittel dem Pferd das Verkürzen des Rahmens "mitzuteilen". Ein solches Mittel kann auch Schenkel und Sitz sein.
In der Westernreiterei z.B. gibt es keine Anlehung an den Zügel, das Pferd soll aber dem Zügel weichen.
Darüber, daß sich die Kopfhaltung eines Pferdes aus seinem Versammlungsgrad ergibt und nicht der Versammlungsgrad durch die vom Reiter bestimmte Kopfhaltung, sind wir uns doch hoffentlich einig...
LG
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Jen
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Beitrag von Jen »

pepe hat geschrieben: Ich denke das eine Ausbildung ohne Anlehnung unmöglich ist.
Ich glaube nicht, dass es darum geht, ob eine Ausbildung ohne Zügel möglich ist. Es geht darum, WIE diese Zügelführung gestaltet ist. Natürlich braucht jeder (zumindest am Anfang) Zügel, auch ein Westernreiter. Aber was die Art der Kommunikation von Zügel und Pferdemaul betrifft, DA kann man unterschiedlicher Meinung sein. Ob Anlehnung, Kontakt oder gar nur als Grenze. Ich finde es auch erstaunlich, dass Steffen Barbier zitiert, da dieser das Gebiss auch eher als Begrenzung und nicht als Anlehnung benutzt, weswegen er am Anfang auch mit dem Ausbinder arbeitet um eben dem Pferd diese Begrenzung und den Respekt davor zu lehren.
Liebe Grüesslis, Jen
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pepe
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Beitrag von pepe »

Ich denke aber daß gerade Westernpferde lernen daß der Druck vorn ernstgenommen werden soll, sei´s in der Bodenarbeit oder beim Reiten.
Irgendwann musst du dem Pferd mit der Hand sagen "bis hierhin und nicht weiter", sonst rennt dich jeder kleine Halbstarke über den Haufen. Was anderes machst du beim Reiten ja auch nicht, nur kultivierter hoffentlich.
Es gibt für mich beim Reiten wenige Dogmen, eins davon ist der durchhängende Kandarenzügel- und genau das ist bei den auf Kandare reitenden Westernreitern der Fall. Die nehmen den indirekten Zügel der Doma Vaquera (auch wenn das in Deutschland nicht oft zu sehen ist, aber das ist ein anderes Thema).
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Medora
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Beitrag von Medora »

pepe hat geschrieben: Ich denke das eine Ausbildung ohne Anlehnung unmöglich ist. Wie soll das Pferd verstehen daß wir ihm einen Rahmen vorgeben?
Hm, ich würde hier auch eher widersprechen wollen.

Ich habe jetzt schon vielfach in der Freiarbeit gesehen, wie Pferde sich von ganz allein zu tragen beginnen, ohne jeden Zügeleinsatz. Erst laufen sie meist steif und nach außen gerichtet im Kreis. Aber mit der Zeit reagieren sie immer besser auf die Körpersignale des Menschens im Kreis (da findet es auch "den Rahmen"), der z.B. das Verkleinern anregt. Sie beginnen zu verkleinern und lernen, dass es dafür wichtig ist, mehr Last auf die Hinterhand zu nehmen. Das muss man ihnen nicht zeigen, das merken sie selbst. Und damit verschiebt sich das ganze Gleichgewicht und sie versammeln sich Stück für Stück. Auf die gleiche Weise entstehen erste Ansätze zum Schulterherein: wenn ich im Verkleinern mehr die Hinterhand anpeile, reagiert das Pferd, indem es mit der Schulter hereinkommt und um dann noch laufen zu können, beginnt es, mehr Last auf das innere Hinterbein zu nehmen. Es tut es ganz natürlich.

Pferde bringen die Fähigkeit, sich selbst zu tragen, doch schon mit! Meist verlernen sie aber gerade das durchs Gerittenwerden... Die Idee, ein Pferd müsste vorne irgendwie einen Halt finden, ist eigentlich eher lustig - denn, wie können dann eigentlich Pferde auf der Wiese laufen oder imponieren oder tanzen?

Grüßle,
Medora
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pepe
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Beitrag von pepe »

Dann hab ich mich falsch ausgedrückt. Ich denke an die gerittene Ausbildung. Ich glaube nicht daß ich da auf eine Begrenzung vorne durch die Trense verzichten kann. Nur dann kann ich eine Bewegung abrufen und durch das Wechselspiel Spannung- Entspannung gymnastizieren.
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Colloid
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Beitrag von Colloid »

Pferde bringen die Fähigkeit, sich selbst zu tragen, doch schon mit! Meist verlernen sie aber gerade das durchs Gerittenwerden... Die Idee, ein Pferd müsste vorne irgendwie einen Halt finden, ist eigentlich eher lustig - denn, wie können dann eigentlich Pferde auf der Wiese laufen oder imponieren oder tanzen?
Genau dieser Meinung bin ich auch.
Ich finde es gerade in der Jungpferdeausbildung gefählich, dem Pferd eine "Stütze" zu bieten, die die Anlehung (an den Zügel, denn am Anfang lehnen sich Pferde meist noch nicht an den Reiter an) darstellt.
Ich bin der Meinung, ein junges Pferd muss sein Gleichgewicht unter dem Reiter selbst wiederfinden, dann minimieren sich auch später die Schwierigkeiten ein Pferd zur Selbsthaltung zu bringen, da es diese schon hat.
und genau das ist bei den auf Kandare reitenden Westernreitern der Fall
Nur bei den guten... :roll:
Natürlich benötigt auch ein Westernreiter Zügel zur Ausbildung...eben als Werkzeug um dem Pferd eine Begrenzung zu geben. Nur eben nicht im Sinne von Anlehnung.
Man kann aber auch andere Werkzeuge zur Verständigung der Begrenzung nutzen (s. Bodenarbeit), wobei der Sinn des Ganzen ist, daß sich ein Pferd auf ein Signal hin selber begrenzt und nicht vom Menschen begrenzt wird (z.B. mechanisch)...
Auch hier ist der Knackpunkt die Motivation des Pferdes...
LG
Colloid
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pepe
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Beitrag von pepe »

Ich hab nie gesagt das Pferd solle sich auf den Zügel stützen. Ich habe gesagt der Zügel gibt den Rahmen vor. Kleiner, aber deutlicher Unterschied, wie Arret und Parade*ggg*.
Ich will mein Pferd reiten, also muss ich es gymnastizieren, sonst nimmt es körperlichen Schaden. Und dies muss eine erlernte, abrufbare Konditionierung sein auf die ich nicht bis zum Sankt- Nimmerleins- Tag warte, sondern als Gehorsam einfordere.
Motivation? Das Allerwichtigste! Sonst mechanisiert sich der Bewegungsablauf und das Pferd verliert sein Strahlen.
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Beitrag von Colloid »

pepe hat geschrieben:Ich hab nie gesagt das Pferd solle sich auf den Zügel stützen. Ich habe gesagt der Zügel gibt den Rahmen vor. Kleiner, aber deutlicher Unterschied, wie Arret und Parade*ggg*.
Schon klar *nicken* Das fällt dann auch nicht mehr unter mein Verständnis von Anlehnung :wink: Aber: du hast dann zwar keine physische, aber u. U. eine psychische Stütze. Mein Ideal(!)-Bild ist folgendes: nicht der Zügel gibt einen Rahmen vor, sondern der Sitz fordert das Pferd zur Versammlung (eines gewissen Grades) auf, das Pferd begrenzt sich daraufhin selbst...
Ich will mein Pferd reiten, also muss ich es gymnastizieren, sonst nimmt es körperlichen Schaden. Und dies muss eine erlernte, abrufbare Konditionierung sein auf die ich nicht bis zum Sankt- Nimmerleins- Tag warte, sondern als Gehorsam einfordere.
Ich sehe das nicht als einzufordernder Gehorsam, sondern möchte ein Pferd dazu motivieren, es selbst zu tun. Es ist auch für ein Pferd angenehmer, wenn es den Reiter mit aktiv gewölbtem, schwingendem Rücken trägt, es muss daher meiner Meinung nach nur lernen, daß es angenehmer ist und die notwendige Muskulatur aufbauen, damit es ihm auch leicht fällt.
Motivation? Das Allerwichtigste! Sonst mechanisiert sich der Bewegungsablauf und das Pferd verliert sein Strahlen.

Nicht nur in Bezug auf die Bewegung und die Ausstrahlung, sondern auch in Bezug auf Spaß an der Arbeit, daher kommt dann der Wille zur Mitarbeit und zur Leistungsbereitschaft.
Das Pferd soll eine Lektion nicht nur für mich machen, sondern auch für sich selber...ist gut für´s Selbstbewusstsein... :wink:
LG
Colloid
PS: Bevor du fragst :wink: : ja, ich durfte sowas schon erleben...
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

@ pepe: ... stimmt, ich musste mich auch bei Barbier die ersten Seiten ziemlich überwinden, aber dann wird es immer besser. Ich finde die Idee mit dem Visualisieren eigentlich einen ganz hilfreichen Hinweis, den man gut übernehmen kann. Ansonsten bin ich hinsichtlich der Anlehnung 100%ig deiner Meinung.

@ Jen: Vielleicht haben wir einfach ein unterschiedliches Verständnis von "Anlehnung". Ich halte den Begriff keinesfalls für falsch und er beschreibt nach meinem Verständnis genau die Begrenzung des Rahmens, die pepe (vielleicht etwas besser als ich) beschrieben hat. Übrigens spricht auch Barbier von Anlehnung. Niemand hat behauptet, Anlehnung bedeutet am Zügel zu ziehen.

@ colloid: hört sich alles phantastisch an, nur habe ich leider noch niemals gesehen, dass dies auch wirklich auf höherem Niveau funktioniert hätte. Genau die von Dir beschriebene Auffassung höre ich jetzt seit fast 20 Jahren aus der Ecke der sog. Barockreiter immer und immer wieder, bis heute habe ich aber noch nicht einen einzigen Reiter gesehen, der auf diese Weise ein Pferd ausgebildet hätte und in der Lage wäre, eine höhere Dressurprüfung sauber zu reiten.

Was man auf den Barockturnieren sieht, entspricht leider nicht einmal zu 1% den so schönen und verlockenden Ankündigungen. Hat man dann einmal ein klassisch augebildetes Pferd auf so einer Prüfung dazwischen, sieht man (und selbst die Barockrichter) ganz schnell den großen Unterschied.

So sehr ich z.B. die auf dem Video von Stromboli gezeigten Serienwechsel am Halsring bewundere, auf einem Dressurturnier würde sie damit wohl keine Bewertung bekommen. Das Pferd reisst bei jedem Wechsel den Kopf hoch und fällt im Rahmen auseinander. Dabei muss ich zugeben, dass ich ansonsten die Bilder und Aufnahmen von Pferd und Reiterin wirklich toll finde und selten besser gesehen habe. Aber auch die Reiterin hat ja sehr realistisch eingeräumt, dass diese Art der Serienwechsel wohl unter klassischen Kriterien nicht durchgehen würden. Tolle Leistung am Halsring, aber kein Maßstab für eine Dressurlektion.

Es ist aber doch etwas völlig anderes, so wie Du zu behaupten, dass man mit Verzicht auf Anlehnung ein besseres Ausbildungsergebnis erreicht, als wenn man die Anlehnung als Begrenzung nutzt.

Zu den Westernreitern: Hier habe ich allerdings manchmal das Gefühl, dass die Pferde soviel Respekt (Angst?) vor der blanken Kandare haben, dass alleine das Vorhandensein des Gebisses als Begrenzung ausreicht.
Das gibt es ja auch bei der Gerte. Wenn ein Pferd genug Respekt vor der Gerte "gelernt" hat, genügt es, wenn man die Gerte dabei hat, ohne dass man sie benutzt. Allerdings würde ich das nicht unbedingt als Indiz einer besonders feinen und leichten Reitweise herausstellen. Das scheint mir eher eines dieser vielen Mißverständnisse zu sein. :wink:
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
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stromboli20
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Beitrag von stromboli20 »

Steffen hat geschrieben: So sehr ich z.B. die auf dem Video von Stromboli gezeigten Serienwechsel am Halsring bewundere, auf einem Dressurturnier würde sie damit wohl keine Bewertung bekommen. Das Pferd reisst bei jedem Wechsel den Kopf hoch und fällt im Rahmen auseinander.
Eben deswegen hab ich gemeint, man muss sich über das Ziel im klaren sein. Auf einem Turnier würde ich da nix reißen. Aber das macht mir nix - das ist nicht mein Ziel
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

...gut, dass dies einmal deutlich formuliert wird.

Jeder, der reitet, bewundert es, wenn jemand so wie stromboli in der Lage ist, sein Pferd ohne Zügelhilfen zu reiten und sogar schwierige Lektionen auf diese Weise zu zeigen. Jedem hier ist wohl auch bewusst, dass es das Ziel guter Reiterei sein muss, die Anlehnung so weit möglich zu reduzieren. Es ist absolut albern, darüber zu streiten, oder jemandem zu unterstellen, dass er am liebsten nur vorne zieht und hinten drückt. NIEMAND will das.

Es ist aber etwas völlig anderes, zu behaupten, dass Anlehnung geradezu das Übel jeder Ausbildung sei, und dass man darauf verzichten solle, wenn man sein Pferd im Sinne der klassischen Dressur ausbilden will.

Es kommt in der Tat darauf an, was man will. Dressur im Sinne eines "tanzenden Pferdes", das unter dem Reiter Schwung entwickelt, taktrein, erhaben und ausdrucksvoll geht und die geforderten Lektionen ohne Verlust dieser Eigenschaften brilliant ausführt, ist nicht möglich, wenn man auf Anlehnung ganz verzichtet.

Je mehr das Pferd im Laufe der Ausbildung sein Gleichgewicht auch unter dem Reiter gefunden hat und dieses auch bei Änderung der Gangart, des Tempos oder der Richtung ohne Takt-/Schwungverlust lernt zu erhalten, desto mehr kann der Reiter auf die Hilfen verzichten und das Pferd "allein" arbeiten lassen.

Natürlich ist die Anlehnung nur eine von vielen Hilfen und es sollte von Anfang an das Ziel sein, das Pferd so sensibel wie möglich zu halten. Die Alternative zur Anlehnung ist, dass - wie man es bei Arbeitsreitweisen manchmal sieht - das Pferd sehr viel Respekt vor der Hand (Kandare) hat und dadurch seine Begrenzung nach vorne findet. Ich glaube allerdings, dass Pferde, die so ausgebildet wurden, sich gerne im Rücken festmachen und sich bei Problemen durch "hinter dem Zügel gehen" entziehen. Genau das will man aber in der Dressur nicht sehen. Darum wird es von den Richtern - gerade in den unteren Prüfungen, bei denen es um die Basisarbeit geht - auch bestraft, wenn der Reiter den Kontakt nach vorn verliert. So etwas soll eben nur in den dafür vorgesehenen Lektionen (Zügel überstreifen lassen) sichtbar sein. Die Anlehnung (an der Trense) soll so leicht wie möglich aber doch vorhanden sein. Vor allem soll der Reiter das Maß der Anlehnung kontrollieren und nicht von seinem Pferd überrascht werden, wenn es die Anlehnung nicht annimmt. Der Kandarenzügel muss dagegen auch bei den FN Richtern keinesfalls anstehen. Im Gegenteil kann man beobachten, dass - je höher eine Prüfung ist - auch eine leichtere Zügelführung bzw. das Aufgeben der Anlehnung gerne gesehen wird, sofern die Lektion trotzdem gelingt.

Egal, wie man die Begrenzung nach vorne umsetzt, NATÜRLICH ist es sehr wichtig, dass die übrigen Hilfen (Sitz, Bein etc.) unterstützen und das Pferd lernt, mit der Zeit immer mehr auf die Hilfen aus dem Sitz zu achten. Natürlich ist auch die Kritik an der leider oft zu beobachtenden Praxis berechtigt, wenn in Reithallen eine Parade fast ausschließlich über den Zügel erfolgt. Aber das hat nichts mit klassischer Dressur und nur wenig mit der FN zu tun, sondern ist einfach schlechtes Reiten.
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
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Jen
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Beitrag von Jen »

Steffen

du siehst das viel zu schwarzweiss. Du wirfst den "Anlehnungs-Gegnern" vor, dass man "ohne alles" nicht zum Ziel kommt. Nein, das hat niemand behauptet! Es geht nicht ums "ohne alles", sondern es geht ums "wie"!

Und da gibt es einfach unterschiedliche Auffassungen. An der Eurocheval habe ich zb. den kommentierten Reitstunden von Michael Putz zugeschaut. Da hat er eindeutig verlangt (und dies mehrmals erwähnt) dass das Pferd einen Zug nach vorne an der Trense machen soll!!!! Und um diesen "Zug nach vorne" geht es! Das will ich nicht! Ich will dass mein Pferd Vertrauen in die Hand hat, ich will, dass es das Gebiss annimmt, aber ich will, dass es leicht wird und das Gebiss selber im Maul trägt. Die Trense/Kandare ist für mich da, um impulsmässig die Haltung zu korrigieren, wenn das Pferd die Haltung aufgrund des Gleichgewichtes verliert, um sofort wieder nachzugeben. Das ist etwas anderes, als wenn ich einen gewollten Zug auf der Trense habe, damit das Pferd eine Anlehnung findet. Und das Wort Anlehnung beinhaltet nun mal dieses "sich an etwas dran lehnen" also einen Zug oder ein stossen. Je mehr Anlehnung desto mehr Schub in der Hinterhand. Ich möchte aber v.a. das Tragen und nicht das schieben fördern. Deshalb verwende ich lieber das Wort Kontakt, weil ich eine Verbindungsstelle meine, die Verbindung von Hand/Zügel/Trense/maul. Nicht mehr und nicht weniger.
Liebe Grüesslis, Jen
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