Kandarenreife

Rund um die klassische Reitkunst

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pepe
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Kandarenreife

Beitrag von pepe »

Ich hatte heute eine Unterrichtsstunde die mich sehr nachdenklich gemacht hat. Die Reiterin rief mich vor ein paar Tagen an und bat für den heutigen Unterricht die Kandare (Vaquero-Stange, 4 Zügel) einschnallen zu dürfen.
Kurz und gut, sie war zufrieden, ich nicht. Warum und wieso sind hier nicht das Thema...

Wann ist ein Pferd für euch kandarenreif? Gibt es bestimmte physische oder psychische Merkmale an denen ihr dies festmacht? Seid ihr schon in der Situation gewesen daß ihr euch gefragt habt warum dieser Reiter auf diesem Pferd noch keine Kandare benutzt? Umgekehrt möchte man doch viele Kandaren aus den Mäulern entfernen!

Wie oft reitet ihr auf Kandare? Ist sie überhaupt nötig oder lügen wir uns nur in die Tasche und benutzen diesen ach so praktischen und eleganten Flaschenzug um unsere eigene Reiterei zu adeln? "Hö, ich kanns, ich reit auf Kandare!" Aber die Pferde sind in so einem Fall nicht kandarenreif, die Kandare wird hier als Schlaufzügelersatz genommen.

Die Kandarenreife des Reiters sei mal dahingestellt....mal bitte nur das Pferd.
"Reiten Sie Ihr Pferd teuer!" -Richard Hinrichs
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Anchy
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Beitrag von Anchy »

Das Pferd sollte sich auf jeden Fall auf anlegen der Zügel in beliebige Richtung stellen lassen , ohne dass ich auf einen inneren Zügel angewiesen bin, natürlich in allen Grundgangarten ausbalanciert laufen können.
Ich frage mich manchmal, ob ich es mir mit Kandarre einfacherr machen darf. Mein Pferd läuft auf Kandarre wesentlich leichter als mit Trense, bei ganz leisen Zügeleinwirkungen. Mit Trense muß ich mehr mit der Hand "arbeiten"( nicht falsch verstehen,keine Kraftmeierei gemeint).
In den Seitengängen z.B hebelt sie sich auf Trense gerne mal raus, auf Kandarre nie.
Ich hoffe, ich rechtfertige damit nicht meine Ausbildungsfehler, aber so ist das nun einmal. Und da sich mein Pferd auf Stange problemlos stellt und sich wunderbar durch den indirekten ,anliegenden Zügel führen läßt,glaube ich, ist es kandarenreif.

LG
Anchy

LG
Anchy
Wenn Du es festhalten mußt, hast Du es schon verloren
Unbek. Ecuyer
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Alix_ludivine
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Beitrag von Alix_ludivine »

Also meine RL wollte gerne mal meinem Traki eine Kandare anbieten (sein "Maulproblem" haben wir jetzt fast sicher im Griff, die Lösung war im mentalen Bereich zu suchen..). Sie meint, dass er sie besser verstehen würde. Ich selber bin aber noch nicht "kandarenreif" bzw. fühle ich mich nicht danach und deswegen werden wir das auch lassen.

Aber wenn ein Pferd mit dem Gebiss keine Probleme hat und ein Reiter mit Köpfchen draufsitzt, sehe ich eigentlich kein Problem für eine Kandare.

Es ist eben die Frage für was man die dann nutzen will.. Aber das ist ja wieder die Reiterfrage.

Also ein Pferd halte ich für kandarenreif, wenn es
a - das Gebiss ordentlich annimmt und sich leicht damit führen läßt,
b - über eine ordentliche Längsbiegung verfügt und
c - über eine ordentliche Balance..

Sobald eins davon fehlt würde ich keine Kandare nehmen, weil die Korrekturmöglichkeiten mit Trense einfach besser sind..

LG Alix **sprach'sobwohlnochniemitKandaregeritten**
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Jen
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Beitrag von Jen »

Grundsätzlich finde ich, ist die Kandare nichts anderes als ein Instrument. Genau wie die Trense auch! Die Frage ist einfach immer, was man in einer bestimmten Situation mit dem Instrument bezwecken will! Sprich, welche Probleme es zu lösen gibt. Ganz nüchtern betrachtet wirkt eine Trense aufrichtend und stellend, eine Kandare beizäumend und Oberlinie verlängernd.

Ich habe auch nichts dagegen, wenn schon ein junges Pferd (nach gründlicher Vorbereitung vom Boden aus) mit Kandare/Kappzaum angeritten wird oder schon nach kurzer Zeit auf Trense auf Unterlegstrense/Kandare gewechselt wird, da habe ich schon sehr gute Beispiele gesehen.

Mein Weltbild ins Wanken brachte auch ein Beispiel aus meinem Bekanntenkreis. Eine Reiterin hatte rel. Mühe ihre Stute einigermassen rund zu reiten, sie tendierte zum schlurfen und auseinanderfallen, war kaum vorwärts zu bringen und eher steif. Also alles andere als Kandarenreif im gewohnten Sinne. Sie ging dann mti dem PFerd zu Staudinger in einen Ausbildungsaufenthalt und nach ein paar Tagen üblichem Knorz entschied Staudinger, jetzt wolle sie es wissen, sie wolle dem Pferd eine Unterlegstrense-Kandarenkombination reintun und schauen, was dies verändere. Die Reiterin hat sich erst sehr dagegen gewehrt, auch weil sie sich selber alles andere als Kandarenreif betrachtet. Sie handhabte die neue Zäumung mit grösster Vorsicht und Respekt. Und zur grossen Überraschung lief die Stute mit dieser Zäumung einwandfrei! Ich hätte es auch nicht geglaubt, wenn ich nicht selber den Ausschnitt von einem Video gesehen hätte. Kein Knorz, leichte schwingende Verbindung zum Pferdemaul (Kontakt, nicht Anlehnung ;) ) und das PFerd lief fleissig vorwärts, konnte in den Seitengängen etc. geritten werden. Tja... das versteh nu mal einer!
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
horsman
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Beitrag von horsman »

Ich denke auch, entscheident ist, was man damit macht.
Bei komb. Zäumung auf Kandare mit Trense hat man ja alle Möglichkeiten.
Fasst man die K. z.B. gar nicht an, ist es beinahe wie nur mit Trense, bloß dass ein wenig (totes) Eisen mehr im Maul ist. Ev. regt aber gerade das zu einer Mobilität des Kiefers an.
Dann gibt es auch Spezialisten, bei denen man für gelegentliche Übungen Kandare und Trense kombiniert usw.

Wofür was wirkt, hat Jen ja oben schon gesagt.
Fürs v/a wird man die Kandare nicht nutzen können, aber Beizäumung mit Kandare erzwingen geht auch in die Hose.

Dass die Trense zum Aufrichten da ist, das glaubt einem heut kaum noch jemand, bzw. man wird gleich als böser Baucherist verschrieen...sei´s drum ;-)

Erstaunlich finde ich auch immer, mit wie wenig Zügelstraffheit die Kandare schon das Pferd beeinflusst. Von oben sieht es aus, als hingen die K.Zügel nur durch, schon sagt der RL, K.Zügel ist wieder zu kurz.

Gruß
horsmän
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kiki
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Beitrag von kiki »

Ich habe auch selber noch keine Kandarrenreife und hatte mit meinen beiden Pferden Probleme mit der normalen Wassertrense, habe auch Knebeltrense ausprobiert.
Bin dann auf einen Kurs für Gebisse gewesen, wo auch ein Skelettkopf vom Pferd zu demo Zwecken da war.
Da hatt man mal die Nussknckerwirkung einer Wassertrense gesehen.
Ich habe bei meinen Pferden mal den Finger entlang der Trense wie sie im Mund war mit ins Maul gesteckt und festgestellt das beide ( sind Mutter und Sohn ) einen viel zu flachen Gaumen haben.
Wir haben dann eine Stange als Gebiß genommen. Ich hatte mit einmal kauende zufrieden an der Hand gehende, nicht mehr den Mund aufsperrende und kopfschüttelnde, Pferde.
Und weil wir den Übergang zur Kandarre ganz gut fanden haben wir ein Pellham gewählt. Dann muß mann nicht andauernd wieder neue Gebisse kaufen. Denn das Ziel ist ja irgenwann die Kandarre.
Was ich damit sagen will, ist, daß der Unwillen mit welchem Gebiß auch immer nicht immer nur die Ursache in der Hand oder am Ausbildungstand des Pferdes hat. Jordan das Pferd meiner Freundin geht auch nur gut mit einer normalen Stange, der hat aus Spanien (PRE) von der Ausbildung noch die Zunge kaputt/eingerissen.
Gruß Kerstin
moreno
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Beitrag von moreno »

Hallo Pepe,

klare Frage: wann ist ein Pferd kandarenreif?

Meine Antwort: wenn es in Selbshaltung gehen kann. Ich werde meinen Pferde nicht zumuten, sich an ein Hebelgebiss anzulehnen oder an einem solchen gar zu ziehen. Beides löst beim Pferd schmerzen und Widerstand aus.

Weiter bin ich der Meinung: entschließt sich ein Reiter bei kandarenreifem Pferd diese Stange zu benutzen, dann soll er es oft tun. Von 1 X wöchentlich Kandarereiten = bestenfalls also 52 X im Jahr werden weder Reiter noch Pferd kandarensicher. Wie immer, die Übung macht's.

Schöne Grüße,

Dörr
Reiten sie ihr Pferd glücklich. (N. Oliveira)
Preferida
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Beitrag von Preferida »

Zu meinem Standpunkt, ich muss ganz klar sagen.
Das Pferd sucht sich sein Gebiss selber aus.
Unser 3 jähriger läuft auch auf Stange (Kimblewick) natürlich nur mit den Zügel auf der Stange eingeschnallt.
Er verschlingt von dem doppelt gebrochenen Gebiss schlichtweg das Mittelstück und ist nur am rumkaspern damit. Mit der Stange läuft er super zufrieden und ruhig.
Mir geht es bei diesen Gebiss weniger um den Hebel der nunmal bei den meißten Stangengebissen inclusive ist, als viel mehr um die eigentliche Stange der Gebisse.
Viele Perde laufen auf Stange einfach ruhiger und zufriedener.
Auch die Kombi kandare kappzaum ist bestens geeignet.
Die Anzüge zu beutzen ist ganz klar Sache eines weiter Ausgebildeten Pferdes.
Und ein Pferd auf blanker Kandare reiten? Wirklich nur dann wenn es bis zur Perfektion ausgebildet ist!
Ansonsten immer 4 Zügel!
Hab also acht, Reiter, auf
dich selbst. Ist dein Pferd
stützig, heftig, ungefügig,
so dürfen wir kecklich die
Behauptung aufstellen,
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liebenswürdigem Charakter
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stromboli20
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Beitrag von stromboli20 »

Ich muss sagen - ich habe die Kandare viel zu früh eingesetzt und weder mein Pferd noch ich waren damals bereit dafür. Ich habe damals den Vorschlägen einiger Leute nachgegeben, doch mit Kandare anzufangen. Erst mit der Zeit habe ich gemerkt, dass wir beide noch nicht reif dafür sind. Ich bin wieder zur Trense zurückgekehrt und habe die ganze Basisarbeit nochmal von vorne angefangen. Resultat: Pferd und Reiter sind wesentlich zufriedener. Zum Training reite ich fast immer auf Trense - nur ab und zu trainiere ich nun auch wieder auf Kandare und wir sind beide wesentlich besser auf dem Gebiet geworden.
Preferida
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Beitrag von Preferida »

Klasse das du's selbst bemerkt hast und dann auch geändert!
Es gibt so viele die meinen ihr Pferd sofort auf blanker reiten zu müssen! Kann man leider oft beobachten, all die viel zu engen Pferdehälse!

Weiter so! :)
Hab also acht, Reiter, auf
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yeti

Beitrag von yeti »

interessante box. ich schließe mich gleich mal mit ner frage an.

was haltet ihr davon, die kandarre einzusetzen, damit das pferd besser im genick nachgibt?

ein kumpel wollte mich letztes jahr dazu überreden, doch mit kandarre zu reiten, weil sich dann "viele probleme in luft auflösen". hauptsächlich war er der meinung, mein pferdchen bräuchte ne kandarre, damit er leichter im genick nachgibt. mit andern worten: er "schwört" auf die beizäumende wirkung der kandarre.

was haltet ihr davon?

ich hab mich letzten endes dagegen entschieden, weil ich kein gutes gefühl dabei hatte.
außerdem klingt es für mich sehr nach ner "abkürzung" (pferd gibt besser im genick nach; mit trense hätte er nach seiner aussage bei seinem pferd wesentlich länger dafür gebraucht) und ich bin mir nicht sicher, ob man die gehen darf/sollte.

ist das dann wirklich "echt" wenn pferd allein aufgrund der beizäumenden kandarrenwirkung besser/schneller im genick nachgibt?

in der hinsicht fehlen mir einfach die erfahrungen.

was sagt ihr dazu?
Preferida
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Beitrag von Preferida »

Klares NEIN!

Ein Pferd was nicht in Korrekter Haltung läuft, mit eine Kandare dazu zu zwingen bringt rein garnichts und ist auch definitiv nicht die schnellere Variante es einem Pferd bei zu bringen!

Schlüssel des Ganzen ist die Nachgiebigkeit des UK und die Lockerung des Genicks und dieses erreicht man definitiv nicht anhand davon, ein Pferd auf Kandare in Stellung zu pressen.
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yeti

Beitrag von yeti »

Preferida hat geschrieben:Klares NEIN!
danke. :D
rein gefühlsmäßig war/ist mir das schon klar, er hatte da allerdings immer gleich tausende argumente (die ich leider nicht mehr wiedergeben kann) die mich verunsichert haben. :roll:
Preferida
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Beitrag von Preferida »

Schön das du so gehandelt hast, manchmal ist es einfach richtig seinen Gefühlen nach zu gehen.
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stromboli20
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Beitrag von stromboli20 »

yeti hat geschrieben: ist das dann wirklich "echt" wenn pferd allein aufgrund der beizäumenden kandarrenwirkung besser/schneller im genick nachgibt?

in der hinsicht fehlen mir einfach die erfahrungen.

was sagt ihr dazu?
genau das war ja auch das Problem bei uns - wirkliche Beizäumung kann man durch einen Gebisswechsel zur Kandare nicht erreichen, wenn die Basis nicht stimmt. Das einzige, was passiert, dass das Pferd den Kopf senkt, um dem Mauldruck auszuweichen. Aber deswegen schwingt das Pferd nicht mehr, ist nicht losgelassener. Es gibt ausnahmen, aber es sollte erst die Arbeit an der Trense sitzen, bevor man auf Kandare umsteigt - die Kandare verschleiert nur das Problem - und kommt man dann zu höheren Lektionen, merkt man erst, dass man vollkommen auf dem Holzweg ist - so gings zumindest mir...
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