Der Jungpferde-Erfahrungsaustausch-Thread

Allgemeines rund ums Pferd

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LordFado

Beitrag von LordFado »

Ich finde es ja ehrlichgesagt sehr fragwürdig, RR als Strafe einzusetzen, auch wenn man das häufig sieht. Will man das dann z.B. in einer Aufgabe abfragen, empfindet das Pferd das ja dann sicher nicht als normale Lektion und versteht die Welt nicht mehr.
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Tossi
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Beitrag von Tossi »

@traumdeuterin
Ich sehe es ganz ähnlich wie Phanja. Pferde haben ein Elefantengedächtnis, "frühkindliche" Erlebnisse prägen und mulmige Situation bleibt mulmige Situation. Das Verhalten Deines Pferdes würde ich als submissive Aggression einstufen, er ist ängstlich/unsicher und verteilt in mulmigen Situationen lieber vorsorglich Drohungen in die Runde (kommt übrigens bei Hunden sehr oft vor). Dieses Verhalten wird aber von allen Herdenmitgliedern instinktiv durchschaut, so dass er damit nicht mehr Achtung/Respekt erreichen kann.

Ich würde beim Holen aus der Herde die Taktik ändern. Geh' ihm entgegen und hol ihn dort von der Weide ab, wo er sich entspannt aufhält. Du weißt ja bereits, dass er zu Dir kommen möchte, aber Du verhinderst damit seinen Gewissenskonflikt: ich möchte zu "Frauchen", aber ich möchte nicht allein an diesen "gräßlichen" Herdenkollegen vorbei. Wenn Du ihn aufgehalftert hast, gehst Du betont selbstsicher mit viel Körperspannung voraus durch die Herde. Sollten evtl. aufdringliche - auch freundlich/neugierig - Artgenossen Euch zu nahe kommen, so würde ich Dir sogar empfehlen, eine Gerte mitzunehmen und Euch freundlich aber bestimmt Platz zu schaffen. Ob der Zwerg an Deiner Seite die Ohren anlegt oder nicht, ignorierst Du vollständig, Du gibst ihm die nötige Sicherheit, basta. Wird wahrscheinlich einige Zeit dauern, bis sich Erfolge einstellen, aber auch die Herde lernt: auja, jetzt kommt "Frauchen XY", d.h. Platz machen! Und irgendwann ist Dein Wallach dann soweit, dass er Dir selbstbewusst entgegenkommt.

Beim Reiten ist es etwas anders. Da musst Du "erspühren", wie viel Nähe zu anderen Pferden Du ihm zumuten kannst, ohne dass er das Vertrauen in Dich verliert. Grundsätzlich aber wieder: bestimmt und selbstbewusst reiten, ihn nicht zu den Artgenossen hinschauen lassen, sondern Konzentration auf Dich einfordern und ihm "mental" vermitteln, dass ihm mit Dir auf dem Rücken nichts passieren kann, dass jegliche Rangordnung unter dem Sattel ausgeschalten ist. Auch das wird u.U. sehr lange dauern, aber Besserung kommt sicher. Und ganz wichtig für Deine innere Einstellung zu dem Problem: beziehe das Verhalten NIE auf Dich oder die Arbeit mit ihm. Er hat ein Problem mit seinen Artgenossen und nur Du kannst ihm helfen, das zu überwinden.

LG und viel Erfolg
Lisa
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Tossi
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Beitrag von Tossi »

Nachschlag.
Da das Verhalten nicht "dominant aggressiver" Natur ist, finde ich Rückwärtsrichten für Dein Problem auch vollkommen verkehrt, er wird dadurch nur noch unsicherer (es sei denn, er "pöbelt" Dich vor lauter "Giften" in die Umgebung auch noch an - dann wird aber nur das unkorrekte Verhalten beim Führen korrigiert, nicht das "Giften" - das ist ein meilenweiter Unterschied).
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emproada
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Beitrag von emproada »

Ich meinte RR dann, wenn beim führen gegiftet wird. Das Ganze bezog sich nicht aufs reiten.
Viele Grüße Tina
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Traumdauterin
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Beitrag von Traumdauterin »

Aus seiner Vergangenheit weiß ich jetzt nicht so viel...ich habe ihn nicht direkt vom Züchter, er stand etwa ein halbes Jahr schon bei der Vorbesi, zusammen mit anderen Hengsten/Wallachen im Offenstall. Viel weiß ich da jetzt nicht, war ja nur einmal da, aber mir sind halt so Details augefallen: dass sie die Pferde immer mit der Gerte von der Boxentür weggetrieben hat, wenn sie gefüttert hat (nur gewedelt, als ich da war, aber wer weiß) oder das er in die Knie gegangen ist, als sie die Decke auf den Rücken geworfen hat. An beide Dinge musste ich ihn dann erstmal ruhig gewöhnen.

Das Gestüt habe ich mir dann später noch angeguckt und mich ein bisschen mit der Züchterin unterhalten. Wirkte alles sehr enspannt dort, er war wohl als Fohlen schon recht selbstständig und lief lieber in die andere Richtung als Mutti.

@RR: Er hatte immer mal Phasen, da ist er in der Longierhalle total ausgetickt, wenn er draußen ein Pferd gehört hat. Das war am Anfang, als ich ihn erst kurze Zeit hatte, er aber noch nicht mal in der Herde war. Da hat er nur rumgebrüllt, zum Teil gebockt (auch, wenn ich daneben stand) und war überhaupt nicht ansprechbar. Da habe ich ihn z.Bsp. abwechselnd einige Tritte rückwärts und wieder vorwärts geschickt, damit er überhaupt mal auf mich achtet. Er ist der Typ, der gerne mal vorne hochgeht, wenn ihm was so gar nicht passt. Da hört der Spaß dann allerdings auf. Hat er aber sehr lang nicht mehr gemacht, waren wohl die Ermahnungen am Anfang ausreichend.

Danke für eure Anregungen :)
Frage mich nach der Poesie in der Bewegung, Schönheit, Intelligenz und Kraft und ich zeige Dir ein Pferd.
Lou mit Lucy
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Beitrag von Lou mit Lucy »

Mein Gedanke war auch Unsicherheit und Eifersuchtsverhalten.
Ich kenne das von meinem Pony allzu gut - wenn ich bei ihr im Paddock stehe, lässt sie andere Pferde nicht auf 10m an uns heran, selbst die Leitstute wird dann angegangen. Auch guckt sie sofort giftig, wenn ich mit meiner Aufmerksamkeit nicht 100%ig bei ihr bin und wird dann aggressiv gegenüber dem "Schuldigen". Beschäftige ich mich mit einem anderen Pferd, versucht sie es wegzubeißen, aber auch vor meinem Freund wird nicht haltgemacht, wenn ich nicht aufpasse :?

Ich würde das Verhalten nicht als "eigentlich verboten" einstufen, da sich seine Aggressivität ja scheinbar gerade nicht gegen dich richtet.
Vielleicht mag er dich ja auch einfach nicht "teilen", und dann wäre Strafe grundfalsch und würde ihn nur resignieren lassen.
Sowohl bei Eifersucht als auch bei Unsicherheit wäre das Mittel der Wahl ja positive Bestätigung. Wie reagiert er denn dann, wenn du dich bei sich anbahnendem giftigen Verhalten wirklich ganz ihm widmest und ihm nur noch Honig ums Maul schmierst und anbetest, ihm klarmachst, dass du ganz ihm gehörst und er viiiel toller ist als es jedes andere Pferd je sein könnte? Ausgeführte Aggression muss man natürlich unterbinden, aber ich würde es eben eher mit Dichtquatschen, Knuddeln und Lob solang er "bei dir" bleibt verhindern, als das Verhalten irgendwie zu bestrafen. Passiert es doch, freundlich die Aufmerksamkeit wiederholen und weiter vergöttern :D

Einfach mit dem Gedanken, er ist wie ein eifersüchtiger Freund, der sich ganz sicher sein muss, die erste und einzige Geige zu spielen.

LG, Lou
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emproada
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Beitrag von emproada »

Aber auch wenn sich die Aggression nicht per se gegen einen selbst richtet, darf ein Pferd andere nicht angiften wenn der Mensch dabei ist. Nach anderen Pferden schlagen wird doch auch nicht akzeptiert.
Viele Grüße Tina
Lou mit Lucy
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Beitrag von Lou mit Lucy »

Klar soll das Pferd das eigentlich nicht (hab ich auch geschrieben :wink: ). Was ich meinte, war mehr so eine Einstellungssache - eben nicht das Verhalten einfach abstrafen, weil "das Pferd das nicht darf", sondern die Gründe dafür sehen, die ja (im Falle Eifersucht) durchweg positiv sind.
Das einzig "böse", was das Pferd in dem Moment eigentlich tut, ist seine Aufmerksamkeit vom Menschen abzuwenden. Sorgt man als Mensch dafür, dass man die behält, muss man nicht strafen und das Pferd lernts trotzdem.

LG, Lou
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emproada
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Beitrag von emproada »

Ok, ich weiß was Du meinst. :wink:
Allerdings baue ich RR trotzdem gerne in solchen Situationen ein um auch die Aufmerksamkeit auf mit zurück zu bekommen. Also nicht kopflos irgendwie rückwärts schicken, sondern gesittet mit tiefer Nase und Lob für eine korrekte Ausführung.
Viele Grüße Tina
le_bai
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Beitrag von le_bai »

statt rückwärtsrichten würde ich hier lieber gegen handauflegen in der gurtlage ein seitliches weichen etablieren.

Rückwärtsrichten wirkt bei männlichen tieren "erniedrigend". evtl. verstärkt man damit die probleme.

eifersucht sollte man keinem pferd andichten - die ursachen für gezeigtes verhalten liegen sicher woanders.

evtl. ist das pferd ein klopphengst?
bei annäherung (vom mensch oder pferd) ist ein seitl. kopf-weg-wenden mit etwas (nicht richtig) angelegten ohren durchaus ein sprektrum im normalen verhaltensmuster.
rangniedrige hengste verhalten sich so gegenüber ranghöhreren tieren. dazu noch kauen ... dann sollte man das pferd direkt mit vorsichtiger zärtlichkeit "begrüßen" und bestätigen.
white-feet

Beitrag von white-feet »

@ Phanja: Finde ich sehr interessant! Sieht auf jeden Fall auch gut aus bei euch, bin gespannt, wie ihr euch da weiter entwickelt :-)

@ all:

Ich kann mal wieder ein Reitfoto bieten... Von gestern in der Halle. Musste da leider hin ausweichen, weil unser Reitplatzboden zu tief und staubig war... Hrmpf! Aber der Lichteinfall hat so finde ich auch was :-) Auch wenn die Phase recht nichtssagend ist... Ich fand´s nett!

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Coni
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Beitrag von Coni »

Hallo, darf ich als HML aber auch gerade ein "Jungpferd" anreitende mal eure Erfahrungen abfragen?
So als kurze Vorstellung: ich reite seit ca. 6 Monaten meinen 7jährigen an, mit Hilfe einer Reitlehrein (sie hat den Anfang gemacht und ich bin seit ein paar Monaten mit dabei. Aber den Anfang fürs Hinausgehen haben wir irgendwie nicht geschafft. Er macht sich draussen (wie auch am Anfang auf dem Reitplatz) sehr frei und hört eigendlich auf den Reiter garnicht mehr. Das merkt man schon bei Spaziergängen. Grund denke ich ist dass er allein im Unbekannten ist. Er hat sich zwar zum Chef unserer Offenstallgruppe aufgeschwungen, aber ist auch sehr unsicher wenn er getrennt ist (ich glaube nicht aufgrund von Verantwortungsgefühl).
Wir haben ein paar mal an der Longe geführte kleine Ausritte gemacht und werden jetzt als eine Vorstufe auf die weiter entfernten Töltbahn der RL gehen. Sie ist sicher eine sehr Unerschrockene aber wir sind beide der Meinung, was hilft ein Ausreiten, bei dem man überhaupt kei Einwirkung auf das Pferd hat. Mit Ihren Isis geht sie z. B. schon nach wenigen Wochen in der Gruppe hinaus. Wir haben es übrigens auch schon mit einem anderen Pferd zusammen versucht (und ich mit der Longe geführt), aber ich hatte nicht das Gefühl er hat sich Sicherheit bei Ihm geholt und sich an ihn angehängt, sondern hat sich genauso unsicher gefühlt (wollte z. B. immer als Erster gehen)

Ihr hattet ja dieses Thema schon mal, da waren eigendlich viele positive Beispiele mit bereits frühem Ausreiten, was für ein Jungpferd sicher optimal ist (und auch meine Vorstellung ist) Aber meine Frage ist, ging bei Euch das Ausreiten so einfach oder gab es vieleicht auch Schwierigkeiten und wie habt Ihr sie gemeistert?
Coni
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Klara
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Beitrag von Klara »

@Coni: Ich habe sehr unterschiedliche Pferde gehabt. Mein Ponywallach war vollkommen unkompliziert, allein und in der Gruppe am Anfang. Erst zwei, drei Jahre später wurde er unsicher im Gelände. Bei Klara siehr das ganz anders aus. In Begleitung hinterher benimmt sie sich wie ein Kinderpferdchen, voll entspannt. Allein ist das sehr viel schwieriger gewesen, noch heute (mit sieben Jahren) fühlt sie sich manchmal unwohl und unsicher. Da ich allein bin zu Hause, müssen wir da durch. Kleine Runden im gewohnten Gelände und langsam die Anforderungen steigern. Spass und Entspannung soll das Ausreiten ja auch bringen.
LG
Maren
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minou
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Beitrag von minou »

Kann es sein, daß "Herdenchefs" generell etwas schwieriger sind als die rangniedrigeren Pferde?
Ich kann mit meinem schon alleine ausreiten, er ist aber sehr guckig und angespannt. Als er noch rangniedrig war, ging er deutlich entspannter.
Was denkt ihr darüber?
******
Indem uns das Pferd sein Vertrauen schenkt, fordert es uns zu einer disziplinierten Reitweise auf. Charles de Kunffy
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Klara
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Beitrag von Klara »

Also das sind genau auch meine Erfahrungen. Die Wallache haben mir in solchen Situationen schneller vertraut, sie waren es ja gewohnt, einem anderen zu folgen. Meine Stute ist da echt schwieriger. Sie fragt öfter mal an, ob ich noch alles im Griff habe. Die ANfragen werden aber immer schwächer :lol:
LG
Maren
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