Wie bringe ich ein Pferd ins Gleichgewicht?

Rund um die klassische Reitkunst

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Lilith79
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Beitrag von Lilith79 »

sinsa hat geschrieben:Doch das mache ich, wenn ich am Sitz arbeite. Nicht eine Stunde am Stück nur ein Körperteil, aber oftmals gibt es auch eine komplette Stunde nur für mich und in den anderen Stunden werden immer mal wieder längere Einheiten eingeschoben um z.B. die Schulter zu lockern. Dann transportiert mich mein Pferd oder ich steige ab und mache dann "Turnübungen". Hinterher nehme ich die Zügel wieder auf und es geht weiter wenn alles Ok ist und wenn nicht alles Ok ist, dann wird womöglich als nächstes meine Hüfte bearbeitet. Denn wie bitte soll mein Pferd eine Anlehnung finden und ordentlich arbeiten, wenn ich als Reiter es behindere?
Ja, aber grad das meine ich doch. Wenn Du gezielt solche Übungen machst, beinflußt Du ja eben immer den kompletten Reitersitz, inklusive der Hand. Ich denke nicht, dass unsere Meinungen hierzu sich unterscheiden, ich denke bloß, dass das Du als Arbeit am Sitz ansiehst ist für mich immer auch Arbeit an und mit der Hand, automatisch. Und deswegen versteh ich nicht warum man sie vom Rest des Sitzes so "trennt".
sorry, ich klinke mich hier aus. Wieder diese Extreme: da wird seitenlang über feinste Zügelhilfen und Handeinwirkung theoretisiert, nur über Piaffe und höchst ausgebildete Pferde geschrieben und dann kommt das Beispiel eines absoluten No-go's - Pferd dermaßen verritten, verbaut, Zubehör katastrophal, Reiterin absolut unwissend und somit von allem die schlechtesten Voraussetzungen. ich freue mich für dieses Reiter-Pferd-Paar, dass Du ihnen helfen konntest, aber den Zusammenhang zu dieser Diskussion verstehe ich absolut nicht.
Naja, es geht in diesem Thread um die Frage wie man ein Pferd ins Gleichgewicht bringt. Warum sollte man da grade die Pferde mit einer schlechten Grundbalance ausklammern?? Grade bei solchen Pferden ist es doch besonders interessant, wie man sie ins Gleichgewicht bringt.
Und wenn man selber mit einem Pferd arbeitet, das kein gutes natürliches horizontales und/oder vertikales Gleichgewicht mitbringt, dann interessiert einen eben gerade das.
Bernie hat geschrieben: Da ich viele PK- und Hand-Diskussionen im Netz verfolge und noch nirgends eine - nicht einmal - kurze Anmerkung zur natürlichen Schiefe eines Pferdes gefunden habe, irritiert mich das.
In den FN-Richtlinien steht zur natürlichen Schiefe und zur Schulterkontrolle aber auch nicht viel explizites drin, wenn mich nicht alles täuscht?! Das Thema finde ich generell recht unterrepräsentiert.
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Jen
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Beitrag von Jen »

Zurück zur Ausgangsfrage: wie bringe ich ein Pferd ins Gleichgewicht. Da fange ich zuerst am Boden an. D.h. über das Longieren am Kappzaum möchte ich dem Pferd eine neue Formgebung und damit einen neuen Bewegungsablauf nahelegen. Das heisst, ich gebe dem Pferd einen gewissen Freiraum, in dem es selber nach seinen Gleichgewicht suchen soll. Den Rahmen des Freiraums gebe ich vor, je nach Pferd und Problemlage stecke ich ihn enger oder weiter. Damit lernt das Pferd schon mal von Grund auf seine Balance zu verändern. Wenn ich an ein Pferd rankomme, was schon geritten ist und diesbezüglich starke Probleme aufweist, dann arbeite ich auch gerne zuerst mal eine kurze Zeit an der Hand oder an der Longe, um dem Pferd OHNE Reiter zu zeigen, was ich möchte. ich versuche also erstmal einen grossen Störfaktor auszuschalten.

Mit Reiter baue ich auf dem auf, was ich vorher erarbeitet habe. Und auch da versuche ich nach dem Prinzip zu arbeiten: ich organisiere mich in meinem Gleichgewicht, möglichst ausbalanciert EGAL wie schief das Pferd unter mir ist. Erst das gibt dem Pferd die Möglichkeit sich unter mir neu zu organisieren. Und ich staune immer wieder wie sehr die pferde darauf eingehen, wenn man sie nur lässt. Das heisst, ich gebe dem Pferd jeweils "Vorschläge" was es tun soll, zb. "versuch dich doch da ein bisschen zu biegen" aber lasse ihm dann auch wieder einen gewissen Freiraum, diesen Vorschlag umzusetzen. Oben drauf organisiere ich mich so, dass ich immer wieder versuche mich zu lösen, mich auszubalancieren, mich zu längen und weiten und meine Gelenke frei werden zu lassen. Das ist die Arbeit an meinem Sitz und das ist eine ständige Arbeit am Sitz. Es gibt keinen "optimalen Zustand" denn Reiten ist Bewegung und damit verändert sich der optimale Zustand auch immer je nachdem was gefragt ist. Der optimale Sitz im SH ist ein anderer als im geradeaus, auch wenn es vielleicht nur minime Veränderungen (zb. Körperdrehung) sind. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass auf diese Weise träge Pferde flüssiger vorangehen und hektische Pferde ruhiger werden. Je besser ich "zuhöre" was unter mir vorgeht, desto schneller und präziser kann ich die nötigen Impulse setzen. Bin ich jedoch ständig in Aktion, dh. ständig "was am Tun", dann hab ich gar keine Zeit zuzuhören. Das interessante ist, wenn das Pferd gelernt hat sich unter einem immer wieder neu zu organisieren, dann ist nicht jeder Gleichgewichtsverlust Korrekturbedürftig. Oft reicht es auch, wenn man mal kurz abwartet, und dem Pferd die möglichkeit lässt, sich selber wieder zu richten.

Diese Art zu Reiten orientiert sich stark an der Alexander-Technik für Menschen. Es ist keine neue Reitweise, sondern es ist nur ein Instrument, meinen Körper optimal einzusetzen und in ein Gleichgewicht zu kommen, dass ich auf dem Pferd ausbalanciert bin, egal, was das Pferd unter mir macht. Diese Arbeit ist NIE fertig. Diese Arbeit ist fortwährend, weil sich die Balance in Bewegung ja auch ständig verändert. Diese Arbeit hat mir auch gezeigt, wie sehr unser Sitz das pferd beeinflusst (positiv und negativ) und wie fein Pferde doch sind, völlig unabhängig von ihrem Ausbildungsstand.
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
Motte
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Beitrag von Motte »

Lilith -
Ja, aber grad das meine ich doch. Wenn Du gezielt solche Übungen machst, beinflußt Du ja eben immer den kompletten Reitersitz, inklusive der Hand. Ich denke nicht, dass unsere Meinungen hierzu sich unterscheiden, ich denke bloß, dass das Du als Arbeit am Sitz ansiehst ist für mich immer auch Arbeit an und mit der Hand, automatisch. Und deswegen versteh ich nicht warum man sie vom Rest des Sitzes so "trennt".
Natürlich bewirken Sitzkorrekturen auch mehr oder weniger automatisch die Handeinwirkung. Logisch.

Den Vorwurf, die Hand vom Sitz zu trennen, kann man eigentlich eher in die P.K.-Richtung machen.

Jen
*daumenhoch*
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Motte, die Tatsache, daß er die Hilfen im Einzelnen benennt und schult, bedingt nicht, daß er sie getrennt einsetzt.
Eine Trennung von Sitz ( hier offenbar von vielen auf den Körper ohne Arme ???beschränkt) und Hand ist nicht möglich. Weil angewachsen !
Schule ich den Sitz, schule ich auch die Hand. Aber die Sache funktioniert natürlich auch anders herum : Schule ich die Hand, schule ich auch den Sitz ! Es ist schließlich ein Körper, der geschult wird.

Gebe ich der Hand etwas Sinnvolles zu tun und eine klare Aufgabe, so ist der restliche Körper gezwungen, die Bewegungen so zu kompensieren, daß die Hand das tun kann.
Übrigens war es Steinbrecht, der schrieb : "Ein Reiter ,sitzt er noch so schmiegsam, bestückt mit einer Hand, welche ohne Takt und Schmiegsamkeit wirkt, wird er ein Pferd verärgern" ( nagelt mich jetzt nicht auf die 1000%ige Wortgleiche fest).
Es hängt alles zusammen.
Wie man wo ansetzt, ist letztendlich egal, nur der Weg nach dem Ansetzen muß dann stimmig sein.

Die Frage ist doch, wie entscheide ich mich und warum ?
Natürlich kann ich ein Pferd über einen perfekt fühlenden Sitz und präzise Schenkelhilfen ausbalancieren, ja sogar versammeln. Mir stellt sich aber hier die Frage nach dem Sinn.
Die Sache ist für den Reiter sehr schwer, denn er muß bereits absolut differenziert balancieren und einwirken können. Und auch für das Pferd ist die Sache deutlich schwieriger, zu lernen, daß eine Einwirkung auf die Nachhand eine Beeinflussung der Vorhand bewirken soll.

Somit spielt hier der Faktor Zeit eine sehr bedeutende Rolle. Das Pferd und der Reiter brauchen eine enorme Zeit um diese Sprache zu lernen.

Viel einfacher ist es doch, wenn ich dem Pferd dort sage, was ich möchte, wo ich die Veränderung erzielen will. Und wenn ich im Verlauf der Ausbildung möglichst einfache und verständliche Signale verwende.
Das spart Zeit - nicht Zeit, die das Pferd braucht, um zu verstehen, sondern Zeit, die man anderweitig FÜR das Pferd sinnvoller nutzen kann.


Wenn ich mich also entschließe, für die Ausbildung das Pferdes die Möglichkeiten der Handhilfen zu nutzen, warum das verteufeln ?

Ein Leben reicht nicht um Reiten zu lernen, warum die Zeit nicht sinnvoll nutzen um möglichst viel zu lernen ?
sinsa
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Beitrag von sinsa »

@Lilith Sitzübungen verbessern u.a. die Möglichkeit den Bewegungen des Pferdemaules aus der Schulter heraus zu folgen. Richtig ausgeführt wird der Arm (mit der Hand) durch eine geschmeidige Schulter dazu in die Lage versetzt vom Pferd passiv bewegt zu werden und ermöglicht so eine konstante Verbindung zum Maul. Die Hand hält lediglich die Zügel. Wird Dir so klarer, was ich meine?

@Saltandpepper
Ehrlich gesagt klingt das, was du da schreibst wie eine lange Begründung PRO Abkürzungen und Tricksereien.
Auch Deine Ausführungen zur Hand sind für mich "interessante Theorien", die aber irgendwie jeder mir bisher bekannten Grundlage entbehren.

Was soll die Hand denn Deiner Meinung nach tun und wie soll über eine Schulung der Hand der Sitz verbessert werden? Mir fällt so spontan nur eine Sache auf, die mit der Hand zu tun hat und durch die der Sitz verbessert wird und das ist die aufrechte Zügelfaust. Selbst dabei ist nicht wirklich die Hand sondern vielmehr das Handgelenk der ausschlaggebende Punkt.
Ich weiß ja nicht, was Deine Hand so macht, aber meine ist geschlossen hält den Zügel mit dem Daumen fest. Ansonsten wird die Hand noch ein wenig geöffnet oder geschlossen und das war dann alles, was die Hand so ganz isoliert betrachtet, macht. Alles andere kommt aus der Schulter und betrifft den gesamten Arm.

Das "nur richtig sitzten" verdammt schwierig für den Reiter ist, entbindet ihn nun nicht gerade seiner Pflicht sich auch mal ein wenig zu mühen, statt nur am Pferd rumzukorrigieren. Wir reden hier ja schließlich immernoch vom reiten und nicht vom draufsitzen, um das mal recht drastisch zu formulieren.
Das der Sitz fürs Pferd schwierig bzw. schwieriger als Zügelmanipulation zu verstehen ist, halte ich aus meiner Erfahrung nach für ein Gerücht.
Zuletzt geändert von sinsa am Mi, 07. Apr 2010 10:50, insgesamt 1-mal geändert.
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glovedrider
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Beitrag von glovedrider »

Die Pferde befinden sich doch meist schon im Gleichgewicht.
Alle Anhänger irendeines Dressursystems behaupten, dieses im für das Pferd positiven Sinne verändern zu können.
DAs ist aber nur wenigen Reitern vorbehalten.
Für die Mehrzahl der Reiter und vor allem für ihre Pferde, wäre es besser, sie würden im 'Gleichgewicht mit ihrem Pferden sitzen.
Bei der ganzen Dressur Gleichgewichtsdiskussion habe ich immer das Gefühl, daß die meisten Reiter meinen, Korrektur reiten zu müssen.
Die einen wollen den Kopf tiefer haben, die anderen wollen ihn herausheben. Aber auch das etwas herausheben in der Korrektur ist nur eine Scheindressur. Zur Korrektur muß mal ganz bewußt längere Zeit in der gegenteiligen Haltung geritten werden.
Seeger hat das VErfahren sehr gut beschrieben, Baucher hats dann später nachdem der er "Herr Baucher und seine Künste " gelesen hatte, übernommen .
Bernie
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Beitrag von Bernie »

Lilith79 hat geschrieben: In den FN-Richtlinien steht zur natürlichen Schiefe und zur Schulterkontrolle aber auch nicht viel explizites drin, wenn mich nicht alles täuscht?! Das Thema finde ich generell recht unterrepräsentiert.
Warum gibt es eigentlich nur FN und PK. *grins* Ich würde mich nicht in das FN-Lager einordnen. Und Richtlinien sind halt nur Richtlinien, keine ausführliche Beschreibung zur Ausbildung.

Ansonsten, Jen, sehr schöner Beitrag. *seufz*

@saltandpepper: mich würden Fotos oder am liebsten sogar ein Video solch eines Pferdes interessieren, dem man dort gesagt hat, wo man eine Veränderung möchte und das es dann auch auch ausgeführt hat. Wenn es funktioniert, dann würde mich der praktische Nachweis sehr wohl interessieren. Und ich lasse mich gerne eines besseren belehren, ich bin mitnichten allwissend. Wäre schön, wenn Du ein Video einstellen könntest. Dann könnte man ev. Missverständnissen ausräumen. Denn wenn es für den Reiter und das Pferd der - wie Du schreibst - einfachere Weg ist, muss es ja genug gute Beispiele geben.
sinsa
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Beitrag von sinsa »

glovedrider hat geschrieben: Bei der ganzen Dressur Gleichgewichtsdiskussion habe ich immer das Gefühl, daß die meisten Reiter meinen, Korrektur reiten zu müssen.


Ja, auch ich "reite Korrektur" - allerdings bin zu weit über 90% ich diejenige die korrigiert wird 8)
Es ist erstaunlich, was man erleben kann, wenn man mal Jens Ausführungen folgt und sich mit dem Hintergedanken aufs z.B. Volten reiten auf sein Pferd setzt.
Und dann mal nix macht, als nur in sich hineinhorchen, die eigene Ballance zu erspüren und sich selber zu korrigieren. Macht man es richtig, reitet man wunderschöne Volten!
Bernie
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Beitrag von Bernie »

Sinsa, genau das macht für mich reiten aus, jeden Tag auf's Neue, herrlich!
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

sinsa hat geschrieben: @Saltandpepper
Ehrlich gesagt klingt das, was du da schreibst wie eine lange Begründung PRO Abkürzungen und Tricksereien.
Auch Deine Ausführungen zur Hand sind für mich "interessante Theorien", die aber irgendwie jeder mir bisher bekannten Grundlage entbehren.
Ich weiß ja nicht, was Deine Hand so macht, aber meine ist geschlossen hält den Zügel mit dem Daumen fest. Ansonsten wird die Hand noch ein wenig geöffnet oder geschlossen und das war dann alles, was die Hand so ganz isoliert betrachtet, macht. Alles andere kommt aus der Schulter und betrifft den gesamten Arm.
...
Das "nur richtig sitzten" verdammt schwierig für den Reiter ist, entbindet ihn nun nicht gerade seiner Pflicht sich auch mal ein wenig zu mühen, statt nur am Pferd rumzukorrigieren. Wir reden hier ja schließlich immernoch vom reiten und nicht vom draufsitzen, um das mal recht drastisch zu formulieren.
Das der Sitz fürs Pferd schwierig bzw. schwieriger als Zügelmanipulation zu verstehen ist, halte ich aus meiner Erfahrung nach für ein Gerücht.
Sinsa, ich wußte, daß ich jetzt in diese Schiene geschubst werde. Aber du irrst : es geht nicht um eine Abkürzen um des Abkürzens Willen, sondern darum, die Sache nicht unnötig zu verkomplizieren und damit unsinnigerweise in die Länge zu ziehen.

Mit Tricksen hat das überhaupt nichts zu tun.

Auch mit der Aussage, man würde standig an den Pferden herumkorrigieren, ohne sitzen zu können hast du mich jetzt fehlinterpretiert.
Ich sprach von einer Schulung der Hand. Das bedeutet für mich zunächst einmal, daß der Reiter lernt, diese unabhängig von der Bewegung des Restkörpers fühlend am Pferdemaul zu orientieren. Und zwar, indem er lernt, einen verbindlichen, vertrauenserweckenden Kontakt zu halten und zu bieten.
" die Hand steht still und sie bewegt sich doch "
Still im Verhältnis zum Maul und bewegt im Sinne von bewegt MIT dem Pferd.
Die Voraussetzung für eine Anlehnung im Sinne der deutschen Reitlehre :
das Pferd sucht sie ( wenn es sich traut- weil vertrauenserweckend) und der Reiter gestattet sie ( so er dies kann?!) .
Um eine Hand in diesem Sinne zu schulen, bedarf es des Erlernen der Losgelassenheit, einer Balancierfähigkeit des Reiters.

Ich vergleiche das gerne damit, wie ich persönlich Rückenschule für mich selbst erlebt habe. Mit einem Buch auf dem Kopf zu gehen, sich zu bücken und sich zu setzen, erfordert eine massive Balanceleistung und eine enorme Körperbeherrschung. Diese erwirbt man aber eben auch dadurch, DASS man das Buch auf dem Kopf trägt und es dadurch lernt.

In soweit ist das Buch auf dem Kopf schulend für die Körperbeherrschung und die Balancefähigkeit, aus diesen beiden Fähigkeiten heraus kann man aber auch das Balancieren eines Buches auf dem Kopf erst ausführen.

Meine Bewegungstherapeutin hat mir ZUR SCHULUNG dieser Fähigkeiten das Buch auf den Kopf gelegt.

Wenn ich dem Reitschüler die Aufgabe stelle : trage deine Hände so, daß sie kein Eigengewicht in die Verbindung bringen, begleite alle Bewegungen deines Pferdes so, daß du zwar da bist, aber nicht begrenzend einwirkst, fühle hin zum Maul und sei verantwortlich für einen gleichbleibenden Kontakt ! Biete dem Pferd die Möglichkeit, so viel Vertrauen in diesen verbindlichen Kontakt zu bekommen, daß es diesen von seiner Seite her auch eingeht ! , So ist er gedanklich auf seine Hände konzentriert und lernt so, diese unabhängig von seinem Körper zu führen.

Das Pferd kann sich auf diesem Weg leichter entspannen, denn nichts stört ein Pferd so, wie eine unstete Verbindung. Kann der Reiter noch nicht aussitzen, so trabt er halt leicht ! Kann er den Kontakt halten, geht das Pferd in den Kontakt ein - sprich sucht es die Anlehnung, ist es zumindest schonmal in einem Mindestmaß losgelassen und so kann der Reiter das Sitzen wesentlich leichter lernen.

Mir war diese Vorgehen auch erstmal sehr suspekt, aber was soll ich sagen : " es funktioniert !
Wesentlich leichter und besser als 327 Sitzlongen für die Beckenbeweglichkeit zu machen und dann nach 2 jahren immernoch keinen Reiter zu haben, der mangels Übung seine Hände nicht sinnvoll führen kann.

Selbstverständlich ist auch ein ausbalancierter, losgelassener und funktioneller Sitz für gutes Reiten unabdingbar. Und ja, natürlich mache ich auch weiterhin Sitzschulung an der Longe, aber eben nicht mehr so ausschließlich.

Das meinte ich Sinsa, die Dinge, die helfen, auch nutzen. Warum nicht ?
Motte
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Beitrag von Motte »

saltandpepper hat geschrieben:Motte, die Tatsache, daß er die Hilfen im Einzelnen benennt und schult, bedingt nicht, daß er sie getrennt einsetzt.
Eine Trennung von Sitz ( hier offenbar von vielen auf den Körper ohne Arme ???beschränkt) und Hand ist nicht möglich. Weil angewachsen !
Ich habe es auf 2 Kursen erlebt, dass P.K. Reitern, die nicht in der Lage waren, zügelunabhängig auf dem Pferd zu sitzen, das "mächtige" Instrument "Up-Parades" an die Hand gab. Und wenn ich mich eh schon am Zügel festhalten muss - was meinste wohl, was dann passiert?
Schulung am Sitz? Nada.
Gebe ich der Hand etwas Sinnvolles zu tun und eine klare Aufgabe, so ist der restliche Körper gezwungen, die Bewegungen so zu kompensieren, daß die Hand das tun kann.
Klar - ich kann auch mit nem krummen Rücken, der die Bewegung nicht durch den Körper lässt (und damit das Pferd behindert) den Pferdekopf nach oben zuppeln. Nur: kriege ich damit irgendwie das Hinterbein?
Übrigens war es Steinbrecht, der schrieb : "Ein Reiter ,sitzt er noch so schmiegsam, bestückt mit einer Hand, welche ohne Takt und Schmiegsamkeit wirkt, wird er ein Pferd verärgern" ( nagelt mich jetzt nicht auf die 1000%ige Wortgleiche fest).
Es hängt alles zusammen.
Sicher hängt das alles zusammen. Das ist ja das, was ich sage. Wenn ich fest wie ein Betonklotz in der Hüfte auf'm Pferd sitze, kann ich nie nicht im Leben die Balance des Pferdes in die richtige Richtung bewegen, indem ich mich nur vorne auf die Handeinwirkung beschränke. Genausowenig, wie wenn ich zwar nen super-elastischen Sitz habe, aber leider kein Gefühl in den Händen.
Wie man wo ansetzt, ist letztendlich egal, nur der Weg nach dem Ansetzen muß dann stimmig sein.
Ich sehe das anders. Ich als Reiter habe eine gewisse "Bringpflicht", das Pferd durch meine Anwesenheit auf dem Rücken nicht mehr als nötig an der Ausübung seines "Jobs" als Reitpferd zu behindern. Das ist für mich die Grundvoraussetzung. Wenn ich das nicht hinbekomme - wie in Gottes Namen will ich dann auch nur Ansatzweise sowas wie "Balance" beim Pferd herstellen?
Die Frage ist doch, wie entscheide ich mich und warum ?
Natürlich kann ich ein Pferd über einen perfekt fühlenden Sitz und präzise Schenkelhilfen ausbalancieren, ja sogar versammeln. Mir stellt sich aber hier die Frage nach dem Sinn.
Sorry, wieso stellt sich hier die Frage nach dem Sinn? Verstehe ich überhaupt nicht.
Die Sache ist für den Reiter sehr schwer, denn er muß bereits absolut differenziert balancieren und einwirken können.
Tja - und das sollte er bei den von P.K. propagierten "up-parades" definitiv auch um sie ganz gezielt und richtig anzuwenden.

Reiten ist nunmal schwer.
Und auch für das Pferd ist die Sache deutlich schwieriger, zu lernen, daß eine Einwirkung auf die Nachhand eine Beeinflussung der Vorhand bewirken soll.
Nö. Meiner Erfahrung nach, muss das ein Pferd nicht "lernen". Das funktioniert eigentlich fast wie von selbst, wenn man es richtig macht.
Somit spielt hier der Faktor Zeit eine sehr bedeutende Rolle. Das Pferd und der Reiter brauchen eine enorme Zeit um diese Sprache zu lernen.
Ja, wie schon gesagt: richtig Reiten ist schwer und man lernt dabei nie aus.
Viel einfacher ist es doch, wenn ich dem Pferd dort sage, was ich möchte, wo ich die Veränderung erzielen will. Und wenn ich im Verlauf der Ausbildung möglichst einfache und verständliche Signale verwende.
Ich sehe einfach den Fehlerquotienten bei diesem Procedere als viel höher an. Weil: er dieses Procedere meiner Meinung nach eine sehr grosse Präzision und Genauigkeit erfordert, die ein recht grosser Teil der Reiter einfach nicht hat.
Wenn ich mich also entschließe, für die Ausbildung das Pferdes die Möglichkeiten der Handhilfen zu nutzen, warum das verteufeln ?
Es spricht ja keiner vom verteufeln hier.
Es ist ja nun nicht so, dass die klassischen FN-Reiter nun völlig ohne Handhilfen reiten. :wink:
Es geht lediglich um die Gewichtung.
Thomas
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Beitrag von Thomas »

die Frage ist doch dann "nur" noch: WIE macht man das dann mit den Hilfen - alle mehr oder weniger gleichzeitig, aber wohl dosiert und koordiniert, wenn man das gerade 'lernen' will
Um im Beispiel gemäß P.K. zu bleiben:
- auf diese Kurse kommen nicht nur KönnerInen, sondern auch Menschen die es noch "am-lernen" sind. Was sollte P.K. (oder einer seiner Lehrer-Schüler) dann unternehmen?
Gast2

Beitrag von Gast2 »

sinsa,
nur interessehalber, hast Du auch schon mal unterrichtet? z.b. Leute, wie die von morimur beschrieben (die es übrigens zuhauf gibt).
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Motte,
du hast recht, Reiten ist sehr schwierig und man lernt es nie ganz. Deswegen frage ich mich, ( daher der Satz mit dem Sinn) warum ich die Dinge verkomplizieren muß, indem ich indirekt einwirke, wenn ich es auch vereinfacht nämlich direkt tun kann.
Es ist mir auch recht egal, wie andere Lehrer, mit Technik die Herr Karl vermittelt umgehen, auch, ob er selbst teilweise die Schwerpunkte im Unterricht anders gewichtet, als ich das vielleicht selbst täte. Deine Beobachtung auf Kursen kann ich nicht beurteilen, denn ich war nicht dabei. Möglich, daß es so war, möglich auch, daß er seine Gründe für sein Vorgehen hatte. Wichtig für mich ist es, ob ich Nutzen aus dieser Technik ziehen kann und ob ich so eine oder etliche Möglichkeiten mehr habe, Reitern und Pferden gutes Reiten zu vermitteln. Und zwar so, wie ich persönlich es für richtig und verantwortlich betrachte.
Mag sein, er legt bei vielen Reitern viel zu wenig Augenmerk auf den Sitz. Ich habe früher ZU VIEL Augenmerk darauf gelegt und somit hat mich der Gedankengang von einem Herrn Karl dazu bewogen, dies zu überdenken und es nun heute ein wenig anders zu machen.

Es hat mich allerdings nicht dazu bewegt zu sagen : "sch... auf den Sitz, nimm die Zügel und zerbel daran herum! " , denn schließlich bin ich ein denkender Mensch .

Auch die Balanceveränderung und die Geraderichtung betrachte ich nun ein wenig anders und gehe daher auch anders damit um. Das heißt nicht, daß ich deswegen alles, was ich früher gemacht habe für völlig falsch und abwegig halte, aber eben Einges. Für mich bedeutet das LERNEN : immer wieder zu überprüfen, ob das was ich mache noch richtig ist und Sinn macht, oder ob neue Erkenntnisse eine Veränderung erfordern.
Mit neuen Erkenntnissen, meine ich welche, die ich für mich neu erkannt habe. Nicht unbedingt welche, die allgemein neu sind.

Herr Karl hat mit vielen seiner Aussagen bei mir viel Nachdenken ausgelöst und dieses Nachdenken und auch Nachlesen, suchen, ordnen, hat bewirkt, daß ich mich reiterlich und auch in Sachen Unterricht weiter entwickelt habe. Und das finde ich durchweg positiv !
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Genau das ist und bleibt für mich die zentrale Frage, wenn ich mir Schüler, wie aus Morimurs Beispiel vor Augen führe:
saltandpepper hat geschrieben: Still im Verhältnis zum Maul und bewegt im Sinne von bewegt MIT dem Pferd.
Wie bitte soll das gehen? Bewegung der Hand mit dem Pferd,wenn der Sitz noch nicht zügelunabhängig ist?? Da würde ich mich wirklich über eine Antwort freuen - für mich widerspricht das schlicht allem, was ich je übers Reiten gelernt und erfahren habe.
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