Hengsthälse-Pferdeausbildung

Rund um die klassische Reitkunst

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Hervar
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Hengsthälse-Pferdeausbildung

Beitrag von Hervar »

Mein Isländerhengst Dökkvi ist nun unter dem Sattel.
Ich habe folgendes "Problem":
Er hat im laufe diesen Sommer so viel an Masse zugelegt, das der an sonsten richtig gute Hals sehr mächtig geworden ist.
Leider ist nicht nur die Oberlinie stärker geworden :?
Ich habe den Eindruck, das die Ganaschenfreiheit deutlich weniger geworden ist...

Nun zu meiner Frage:
Lässt man einfach Zeit ins Land gehen und versucht den Hals "in Form zu bekommen" oder sollte man doch über eine Kastration nachdenken?

Wer hat dies bezüglich Erfahrungen?
Wie trainiert man Pferde mit starken Hälsen? Haben "barocke" Pferderassen ähnliche Probleme?
Zur info: Das Pferd hat viel Temperament, neigt dazu zu kippen und ist 5gängig veranlagt.
Sheitana
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Beitrag von Sheitana »

Ich würde ihm erstmal einige Zeit lassen.

"Installiere" langsam ein vorwärts abwärts und lass sich die Muskulatur an der Oberlinie aufbauen, der Unterhals baut sich dann auch ab. Das braucht aber Zeit und geht nicht von heute auf morgen.
LG
Sheitana
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Jen
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Beitrag von Jen »

einen "Hengsthals" muss man überhaupt nicht "anders" behandeln, wie ein anders gebautes Pferd. Man darf auf keinen Fall so ein Pferd "kurz" im Hals machen wollen, also einfach gesagt, einfach Nase an die Senkrechte ziehen. Das bringt zwar die äussere Form, das Kräglein, aber keine Dehnung. Und das quetscht dann die Ohrspeicheldrüse und die Ganaschenfreiheit geht völlig flöten, das Pferd wehrt sich dagegen. Bei Pferden mit leichtem Genick geht das halt leicht, sie bieten es ja oft auch an. Nur ist es da nicht korrekter als bei einem dickhalsigen Pferd.

Die Ganaschenfreiheit und Halsform kann sich durch gute Arbeit sogar noch verbessern. V/A ist sowieso kein Problem, Gebrauchshaltung kann auch jedes Pferd erlernen. problematisch kann es höchstens in der höheren Versammlung mti dazugehöriger relativer Aufrichtung geben, da muss man dann je nachdem das Pferd vorne freier lassen. Aber das ist ja weit weg und wichtig ist erstmal das v/a. Und da ist mangelnde Ganaschenfreiheit nur eine Ausrede für nicht-erfolgtes v/a ;) Das können auch speckhalsige Pferde.

Wenn sich das Pferd kurz macht im Hals, dann gibt es diese "Wülste" auf der Seite, wo die Ganaschenfreiheit sein sollte:
Bild

das gleiche Pferd ein paar Monate später in Dehnung:
Bild

ein Jahr später sah das dann geritten so aus:
http://i228.photobucket.com/albums/ee32 ... AM7210.jpg
http://i228.photobucket.com/albums/ee32 ... AM7085.jpg
http://i228.photobucket.com/albums/ee32 ... AM6978.jpg

Gerade aktuell hab ich auch wieder einen andalusier hengst unter dem Sattel mit einem mächtigen Speckhals, der sogar schon am Kippen ist. Das erste, was der jetzt lernen muss, ist das Gebiss zu suchen und sich am halblangen oder gar langen Zügel zu strecken. Wenn das geht, dann kommt die Verbindung zum maul dazu und später zu der Streckung noch die Dehnung (das aufwölben) des Halses und die Nase nähert sich so von alleine immer mehr der Senkrechten. Wichtig ist dabei v.a. dass die HH-Aktivität nicht unterbrochen wird, der Energiefluss von hinten nach vorne muss gegeben sein, dann wird die Streckung langsam zur Dehnung.

Ich denke, was viel schwieriger als der hals ist, ist die Gangveranlagung deines Pferdes. Ich denke, da wärst du mit einem guten Ausbilder an deiner Seite gut beraten.
Liebe Grüesslis, Jen
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stromboli20
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Beitrag von stromboli20 »

Jens Beispiele finde ich sehr schön.
Ich habe das gleiche Problem. Mein Pferd stand so gut wie ein Jahr - jetzt fehlt jede Oberlinie (sowohl am Hals, als auch am Rücken) - Unterhals hingegen gibts eine Menge...
Ich versuche nun ersteinmal auch möglichst viel Dehnungarbeit zu fördern. Cavalettitraining fällt mir dazu noch positiv ein - die Pferde achten auf die Stangen, strecken sich wunderbar und müssen fleisig mittreten.
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Hervar
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Beitrag von Hervar »

Hallo,

vielen Dank für die Antworten!!
Meine Idee wäre auch ihn V/A dehnen zu lassen und Cavalletti-arbeit zu machen. Ich will ihn nicht "zusammen schrauben" ! Das währe Gift für ihn, dann hält er sich noch mehr und wird sauer.

Erschwerend kommen da beim Gangpferd aber die Gänge dazu, d.h. wenn ich ihn mit etwas mehr Aufrichtung (nicht eng!) reite, ist er besser im Gleichgewicht und trabt und töltet ruhig. Lasse ich ihn nur etwas tiefer, "strauchelt" er, der Schritt wird eiliger,er trabt schneller, schmiedet, läuft lateraler im Tölt. Die Kruppe kommt hoch, der Rücken wird fester.

Steht das V/A bei solch einem Pferd an erster Stelle oder erstmal der Takt in den 4 Gangarten? Ist es also besser ihn aus der Aufrichtung heraus langsam an das V/A zu gewöhnen? Oder vielleicht das V/A an der Hand erarbeiten?

Ich bin selbst Islandpferde Trainer, doch bei solchen Fragen kriegt man von den Kollegen häufig gesagt: "Kopf hoch und los" und das hilft mir nicht so wirklich...
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smilla
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Beitrag von smilla »

Hervar hat geschrieben: Oder vielleicht das V/A an der Hand erarbeiten?
Meine Freundin (Lupa hier im Forum, setz dich doch mal mit ihr in Verbindung) hat das mit ihrem bereits 18-jährigen Isi so gemacht und hat wunderbare Erfolge! Nur Mut!
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Jen
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Beitrag von Jen »

ich habe keine Erfahrung mit Gangpferden, kann dir da leider keinen Tipp geben. Aus meiner Sicht würde ich dort anfangen, wo der Takt und Gang rein ist und er das Gleichgewicht hat und ihn von da an vorsichtig versuchen zu animieren, immer mehr den Hals vorwärts zu strecken (erstmal) und irgendwann kommt das abwärts von alleine. V/A ist für mich nicht Nase im Sand! V/A ist für mich variabel. eine variable Kopfhaltung, verbunden mit der HH, ist für mich das wichtigste am Anfang der Ausbildung. Das heisst, dass das Pferd lernt sein Gleichgewicht in unterschiedlichem Rahmen zu finden, vorerst mehr od weniger im gleichen Tempo, ohne Tempovariation, die kommt erst später. Ob das bei einem 5-gänger so praktikabel ist, weiss ich nicht. An der Hand steht für mich sowieso ganz am anfang, d.h. an der Longe am Kappzaum, eine äussere Begrenzung ist oft sehr hilfreich dabei.
Liebe Grüesslis, Jen
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gamberro
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Beitrag von gamberro »

da ich auch einen hengst mit sehr viel hals besitze weiß ich um deine "ängste".

auch wenn er zum wegrennen neigt (das hat meiner am anfang auch getan, war halt anstrengend), ist in aller erster linie wichtig ihm den weg nach va zu zeigen und darin eine losgelassenheit zu entwickeln auch wenn manchmal der takt darunter leiden mag, der kommt wieder mit der zeit...

und meine chiropraktikerin ist immer wieder begeistert wie beweglich doch so ein dicker hals sein kann...

lg
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Hervar
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Beitrag von Hervar »

Ich denke auch das es für jedes Pferd ein individuelles V/A gibt, genau so, wie es für jedes Pferd ein individuelles Gleichgewicht gibt.
Wir werden uns mal vorsichtig an das Dehnen des Halses wagen, den Takt werde ich dabei aber im Auge behalten.

Wie würdet Ihr mit solch einem Pferd an der Hand arbeiten?
~pony~

Beitrag von ~pony~ »

Hervar hat geschrieben:
Steht das V/A bei solch einem Pferd an erster Stelle oder erstmal der Takt in den 4 Gangarten? Ist es also besser ihn aus der Aufrichtung heraus langsam an das V/A zu gewöhnen? Oder vielleicht das V/A an der Hand erarbeiten?

Ich bin selbst Islandpferde Trainer, doch bei solchen Fragen kriegt man von den Kollegen häufig gesagt: "Kopf hoch und los" und das hilft mir nicht so wirklich...
Gerade als Profi (das setzt ja eine Menge Fachwissen voraus) würde ich auf das Gerede der "Kollegen" nicht viel geben - du weißt doch selbst, um was es dabei meistens geht: um den spektakulären Tölt, der viel Geld einbringt. Aber: Du hast andere Ziele, dir geht es um die solide Ausbildung und Gesunderhaltung deines Pferdes.
Erstmal würde ich die Grundgangarten sortieren, Dehnungshaltung festigen. Der Tölt ist dann das Sahnehäubchen, das oben draufgesetzt wird, wenn alles andere klappt. Lass dich nicht von den anderen "Experten" irritieren - der Erfolg wird dir recht geben.
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