Pferd umbalancieren

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Whinny

Pferd umbalancieren

Beitrag von Whinny »

Hallo :)
Ich reite seit kurzem einen schweren Warmblutwallach, der in seinem bisherigen Leben nur brav von A nach B laufen musste, ohne eine ernsthafte Dressurausbildung zu haben. Es fällt ihm extrem schwer, sich nach links zu Biegen und er fällt immer stark auf die linke Schulter, worunter das Vorderbein inzwischen leider leidet :/. Mein Vorrangiges Ziel beim Reiten ist es derzeit, ihn "umzubalancieren" und das Gewicht von dem Bein zu nehmen, indem ich auf großen gebogenen Linien immer wieder Linksbiegung erfrage und ihn mit der Gerte an der Linken Schulter antippe. Das Funktioniert aber leider nur bei offenem Genick und relativ hohem Kopf, erst zum Ende hin dehnt er sich etwas in die Tiefe. Einige leute aus dem Stall sagen nun, dass er dadurch Rückenprobleme bekommen wird und ich das Biegungsproblem erst angehen soll, wenn er gelernt hat, sich zu Dehnen. Wie seht ihr das?? Ich freu mich auf eure Antworten und Meinungen!
Viele Liebe Grüße
Whinny
Julia
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Beitrag von Julia »

Hallo Whinny,

ich habe Deinenm Thread einen Titel ohne Umlaute hinzugefügt damit alle in etwa wissen worum es geht :-)

Mit Umlauten ist der Titel leider nicht lesbar..
Liebe Grüße, Julia
xelape

Beitrag von xelape »

Hallo Whinny,

für so ein "Projekt" kann ich Dir das Buch von Herrn Thomas Ritter empfehlen.. dort findet man viele Übungen um die Pferde gleichmässig und gerade zu bekommen.
Zwischendurch kann man das so machen wie Du schreibst, aber ich denke mit viel Schrittgymanstik und Handarbeit wirst Du viel erreichen, vor allem schonender.
Rusty072009
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Beitrag von Rusty072009 »

Hallo,

ich würde das Pferd zuerst nur im Schritt arbeiten und zuerst Balance und Geraderichtung schulen.
Dazu würde ich Seitengänge -vorerst nur im Ansatz mit sehr geringer Abstellung- nutzen, um ihm die Fähigkeit zu geben auch mit dem rechten HB zum Schwerpunkt zu greifen,ihn damit die notwendige Kraft aufbauen zu lassen auch die linke Schulter anzuheben. Energisches vorgreifen lassen insbesondere des rechten HB, insbesondere unter Belastung (Schultervor rechts, Kruppevor links) halte ich hier für besonders effektiv.
Ausserdem hilft Wechsel zwischen ganz wenig SH (oder besser: "um den inneren Schenkel biegen") und ganz wenig KH links (oder besser: "innere Schulter heben und äußeres HH begrenzen") um eine seitliche Biegungs- und damit auch Dehnungsbereitschaft herzustellen.

Vorwärts abwärts würde ich grundsätzlich aus der beginnenden Geraderichtung heraus entwickeln, insbesondere bei Pferden im schweren Typ macht es mAn wenig Sinn Dehnung von der Hand herstellen zu wollen bevor die notwendige Elastizität im Körper vorhanden ist, dies bringt diese Pferde nur unweigerlich noch mehr auf die Vorhand und damit auch die belastete Schulter, dehnt aber dabei nicht wirklich weil der Rumpf dabei zu wenig getragen sondern mehr vor sich her geschoben wird. Wenn Stellung, Biegung und Vorgriff der Hinterbeine stimmen wird sich das Pferd ganz automatisch beginnen zur Hand hin zu dehnen.

Ich hätte bei diesem Vorgehen jedoch auch Bedenken, dass der Rücken dabei unnötig leidet, weshalb ich beginnende Geraderichtung und daraus folgende Dehnungsbereitschaft zuerst vom Boden erarbeiten würde bis das Pferd wenigstens ein grundlegendes Verständnis für die Hilfen entwickelt hat.

Aber wenn du selbst feststellt dass er sich zum Ende der Einheit von ganz allein dehnt- dann hast du uU alles richtig gemacht, und solltest Vllt einfach genauso weiter machen!

Im Trab würde ich frühestens dann arbeiten, wenn die schwere Schulter auf beiden Händen geführt werden kann und das ausweichende rechte HB in der Wendung vom Schenkel zu begrenzen ist. Dann ist wahrscheinlich auch sowieso der Punkt erreicht, an dem sich das Pferd bereits konstant zur Hand streckt.

Ich arbeite zur Zeit mit einem 900kg schweren Kaltblut mit der von dir beschriebenen Problematik. Er hat leider auch bereits Probleme mit dem mehrbelasteten Vorderbein und hatte wirklich gar keine Ahnung davon dass oder wie er diese Schulter heben kann.
Jedes VA lösen wollen ohne zuerst das diagonale Hinterbein zu engagieren lässt ihn quasi vorn über kippen. Das ist sehr spannend und äußerst lehrreich, denn hier wird jedes minimale "schummeln wollen" konsequent mit viiiiiiel Gewicht auf der Hand und Vollgas voraus bestraft. Wir arbeiten seit 8Wochen am Boden und so langsam beginnt er zu denken und seinen Körper wahrzunehmen bevor er los bollert...

Viele Grüße und viel Erfolg weiterhin bei deiner Arbeit!
Donna
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Beitrag von Donna »

Uff,das Vorderbein leidet?Bitte TA holen ,dafuer ist er zustaendig.
Rusty072009
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Beitrag von Rusty072009 »

Erst nachfragen, dann urteilen! Whinny: was meinst du mit "das Vorderbein leidet"?

Bei meinem Kaltblut meine ich mit "Problem des mehrbelasteten Vorderbein" eine schwierige Hufsituation. D.h. dieser Huf hat sich mit den Jahren massiv verbogen, so dass er zum Zeitpunkt der Übernahme fast seitlich umgekippt ist.

Hier ein Bild nachdem die Eisen runter waren und er bereits 4 Wochen korrigiert wurde:
http://www.bilder-upload.eu/show.php?fi ... 055413.jpg

Hier das Pferd:
http://www.bilder-upload.eu/show.php?fi ... 054928.jpg

Die Hufe werden weiterhin engmaschig bearbeitet, die Arbeit an seiner Balance stellt eine begleitende Maßnahme dar um ihm das Entlasten der äußeren Wand sowie Belasten der bzw. Abrollen über die weghebelnde inneren Wand nahe zu bringen.

Das Pferd ist lahmfrei und wird nur ca. 30min/ Tag im Schritt gearbeitet. Der TA kann hier nichts tun ausser über die langjährige Ignoranz von Hufschmied und Besitzer zu staunen.

Viele Grüße
Whinny

Beitrag von Whinny »

Vielen Dank für de ausführliche Antwort Rusty :), wir werden uns dann wohl mal ans Seitwärts herantasten...ich glaub nicht, dass das schonmal einer von ihm wollte. Bin mal gespannt was er sagt ;)

"Das Vorderbein leidet" wenn er mehrere Tage am Stück nur auf der Schulter hängend im Gelände war. Dann geht er teilweise etwas unklar, was aber nach einem Ruhetag wieder weg ist. Das würde ich ganz eindeuteig auf die Überlastung des Beins zurückführen und bin der Meinung, dass sinnvolle Arbeit da besser ist als alles, was der Tierarzt mit ihm machen könnte.

LG Whinny
Donna
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Beitrag von Donna »

Na klar Seitengang statt TA.
KZimmer
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Beitrag von KZimmer »

Das Kaltblut sieht ja nett aus. Ein Süddeutscher?!
Der Anblick des Hufs tut in den Augen weh - wie kann man so etwas bloß nicht bemerken... (wollen)
Rusty hat es bereits erwähnt, evtl. erst mal vom Boden aus arbeiten, auch die Seitengänge vom Boden aus erarbeiten und dann im Sattel weitermachen. Allerdings ist es auch nicht einfach, Ratschläge zu geben, wenn man das Pferd nicht in Bewegung gesehen hat.
Am sinnvollsten ist es ja immer, sich vor Ort kompetente Hilfe zu suchen.
grisu
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Beitrag von grisu »

Such dir kompetente Hilfe und lass vorher den Tierarzt draufschaun. Wenn das Pferd solche Problem hat, sich zu biegen und zudem eine unklare Lahmheit hat, kann alles mögliche dahinter stecken.
Es ist doch viel sinnvoller (und dem Pferd gegenüber fairer), zu wissen, wie der Status-quo ist, bevor man anfängt, am Pferd rumzuprobieren.
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Auf alle Fälle würde ich den schiefen/deformierten Huf röntgen lassen, bevor ich "umbalanciere".
Ein Biegeproblem liegt häufig an einer Stützbeinlahmheit und dann gegen eine Schutzmechanismus zu arbeiten, ist absolut nicht fair.
Wenn er sogar unklar geht und der Huf SO :shock: aussieht, kann ich mir nicht vorstellen, dass das lediglich ein Problem der natürlichen Schiefe ist !
Rusty072009
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Beitrag von Rusty072009 »

Wenn eine Lahmheit vorliegt würde ich das auch auf jeden Fall erst TÄ abklären lassen. Auch eine Belastungs-bedingte Lahmheit ist nicht normal.

Ja, unser KB ist ein süddeutscher, 6Jahre alt.

SundP ich glaube du hast du jetzt etwas durcheinander gewürfelt. MEIN Kaltblüter geht lahmFREI, wie oben bereits geschrieben. Er geht sogar freudig und mit viel "go", ein Biege- oder sonstiges Problem was über das "normale" Maß natürlicher Schiefe+ vorderlastigkeit+900kg Körpergewicht+ schiefer Huf hinaus geht zeigt er nicht.
Die Hufsituation ist in erster Linie durch fehlende, im weiteren Verlauf extrem schlechte Hufbearbeitung entstanden. Ich habe die Eisen kurz nach dem aufnageln gesehen und kann dazu nur sagen: es ist unglaublich dass dieser Schmied DAMIT sein Geld verdient. Hätte er einfach gar nichts am Huf getan wäre das wahrscheinlich weitaus besser gewesen. Zu dieser Schlechten Bearbeitung kam sehr schlechte Hornqualität sowie fragliche Haltungs- und Hygienebedingungen. Und bei 900kg Gewicht braucht es dann nicht mehr viel Schiefe um massive Schäden anzurichten, die Kräfte die da wirken sind einfach extrem.
Röntgenbilder sind geplant. Aber so lassen kann man den Huf sowieso nicht, völlig egal was das Bild zeigt, der muss besser in Balance. Ob das jemals noch vollständig mgl./ sinnvoll ist muss man dann sehen.

Viele Grüße
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

stimmt Rusty, hatte nicht gesehen, dass die Bilder von dir waren....

Macht es für mich aber ehrlich gesagt nicht besser. So ein Huf ist heftig !


also unabhängig davon : ein Pferd das unklar geht , gehört erst mal klinisch abgeklärt, bevor ich daran "herumbalanciere"....
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Ich habe nach einem Thread gesucht, wo dieser Link in etwa rein passt, um nicht ein neues Thema dafür aufmachen zu müssen.

Finde die Texte ganz interessant, vor allem vor dem Hintergrund, ob durch "richtiges" Geländereiten wirklich das Thema Schiefe und Balance gut gelöst werden kann.

http://www.schurkendachs.de/buerger.html
"Das Herz mit dem Verstand begreifen zu wollen, ist so ähnlich, wie mit den Ohren sehen zu wollen." Safi Nidiaye
Rusty072009
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Beitrag von Rusty072009 »

Ein interessanter Text, danke dafür! Ich finde dass Bürger optimal formuliert, wie geraderichtende Arbeit auf geraden Strecken im Gelände funktioniert.

Allerdings sehe ich Einschränkungen:

Ein ungeübter Reiter ist nicht in der Lage das umzusetzen. Er muss zuerst fühlen lernen wie sich die Schiefe anfühlt, wie sich Geraderichtung anfühlt, muss zuerst lernen die Schulter bewegen/ auf ein HB zu parieren (auf die HH einrichten zu können), muss fühlen können wie und wohin die HB greifen oder ausfallen usw. Er muss einen funktionalen Sitz beherrschen lernen und die Geraderichtung aus diesem einleiten können. Und dazu ist aus meiner Sicht, in vielen Fällen, Bahnarbeit und ein umfassendes theoretisches Verständnis notwendig. Viele brauchen eine Zeit am Boden, Arbeit in Seitengängen und beginnender Versammlung, um ein Gefühl fürs "Ganze" zu bekommen und dadurch überhaupt in die Lage versetzt zu werden, im schubbetonten Vorwärts Einfluss auf die Richtung der Kraftübertragung zu nehmen. Ich bin der festen Überzeugung, dass man Geradeaus- reiten NICHT vom Geradeaus- reiten lernt.

Weiterhin ist die Umsetzung nicht mit allen Pferden in allen Gangarten mit Beginn der Ausbildung die schonendste Variante. Je schwerer und Vorhandlastiger das Pferd, desto schwerer ist es, die Schulter auf die HH einzurichten. Je mehr Gewicht auf der Schulter liegt, je steifer und kräftiger das HB, desto schwieriger und verschleißender ist diese Arbeit umsetzbar. Aus meiner Sicht kann es manchen Pferden hier helfen, durch vorangegangene Arbeit im Seitengängen, in Versammlung in Schritt/ Trab und/oder am Boden zuerst eine beginnende Idee davon zu bekommen, das der Schulter diagonale gegenüber liegende HB tragend unter die Masse zu bringen. Ich meine hier, dass diese Arbeit mit sehr schlecht veranlagten Pferden (wie bspw Kaltblütern, Trabern ) in Trab oder gar Galopp zu Beginn der Ausbildung nicht die beste Option auf dem Weg zur Leichtigkeit ist.


Viele Grüße
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