Pladoyer für die Besinnung auf die klassischen Prinzipien

Rund um die klassische Reitkunst

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Gawan
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Beitrag von Gawan »

Einige Gedanken die mir beim Lesen der Beiträge in den letzten Tagen durch den Kopf gingen (nicht zum aktuellen Hickhack, sondern zum Thema "Lernen")

Ganz allgemein erklären wissenschaftliche Modelle und Theorien immer nur einen Teil der "realen Welt" und betonen bestimmte Aspekte auf Kosten anderer. Von daher sollte man eine Theorie dort anwenden, wo sie hilfreich ist, aber sie auf alles und jedes anzuwenden, nur weil sie einem gefällt, ist nicht sehr produktiv. Ich brauche z.B. keine Atomphysik, um eine Hebelwirkung zu berechnen, und immer wieder erklärt zu bekommen, dass Materie aus Atomen besteht, wird irgendwann uninteressant.
Auch die "Ebene", für die eine Theorie entwickelt wurde, spielt eine Rolle. Wenn ich einen Computerfreak bitte, mir zu zeigen, wie ich Serienbriefe einrichten kann, und der mir dann erklärt, dass das Programm in C&&& geschrieben wurde und wie die diversen if-then-Schlaufen funktionieren, ist das zwar richtig, nützt mir aber nichts. Funktioniert dagegen etwas im Programm nicht richtig (ein Bug), muss der Programmierer den Code anschauen, da sich das Problem auf der Userebene nicht lösen lässt.
Nicht zu vergessen ist auch der Einfluss des Zeitgeistes auf eine Theorie, so fällt beispielsweise auf, das etwa zeitgleich mit den Genderstudies bei den Pferdeherden der Hengst als Chef der Herde von der Leitstute abgelöst wurde ...

Das Modell der Konditionierung erklärt zwar Einiges, lässt aber gewisse Bereiche ausser acht. So geht es nicht auf die innere Befindlichkeit des "Versuchsobjekts" ein, seine Motive, seine Emotionen, seine Triebe oder seine Erkenntnisfähigkeit (Modell der Black Box, was im Inneren abläuft, ist nicht messbar und daher für das Modell irrelevant). Es behandelt auch nicht die Vorgänge im Gehirn, die beim Lernen ablaufen, ebensowenig geht es auf die Frage ein, ob ein Verhalten eventuell genetisch verankert ist (wie z.B. die Gangarten bei den Pferden). Des Weiteren ist dieses Modell (typisch wissenschaftlich) "amoralisch", d.h. es kümmert sich nicht darum, mit welchen Mitteln ein bestimmtes Verhalten konditioniert wurde, es interessiert nur, dass das Verhalten konditioniert wurde.

Ich kann natürlich versuchen, alle möglichen Verhaltensweisen via Konditionierung zu erklären, fragt sich allerdings, wie sinnvoll das ist. Welche Konditionierung führt dazu, dass Katzen rollig werden? Während einiger Jahre im letzten Jahrhundert rissen viele Menschen bei allen möglichen Gelegenheiten den rechten Arm hoch; kann mir mal jemand dieses Phänomen nach dem Modell der Konditionierung erklären? Wenn alle Verhaltensweisen konditioniert wären, müsste es auch möglich sein, "unerwünschte" Verhaltensweisen wie Masturbation oder Homosexualität umzukonditionieren, dies funktioniert aber nicht, wie sich in diversen Gesellschaften gezeigt hat, woran liegt das?

Was ich auch vermisse, ist die Rolle der Einsicht oder des Verstehens. Ich kann einem Schüler mit positiver und/oder negativer Verstärkung beibringen, wie er den Satz des Pythagoras anwenden soll, d.h. dass er konkrete Zahlen brav in eine auswendig gelernte Formel einsetzt, aber das, was ich als Mathelehrer eigentlich will, ist, dass der Schüler den Satz des Pythagoras versteht. Natürlich ist nicht anzunehmen, dass Pferde über Mathematik nachdenken, aber es gibt auch beim Erlernen von Bewegungen eine Art von Verstehen oder "den Dreh raushaben", und wenn ich mit Pferden arbeite, ist das "auf mein Signal A folgt dein Verhalten B" nur eine Voraussetzung, damit ich dem Pferd gewisse Bewegungsabläufe nahelegen kann, aber "den Dreh rauskriegen" muss das Pferd dann selbst.

So interessant das Modell der Konditionierung und Lerntheorien sind, für mich sind sie nur ein kleiner Teil meiner theoretischen Beschäftigung mit dem Thema Pferd, da sie so viel nun auch wieder nicht hergeben, bzw. manchmal einfach banal sind. Ich finde komplexere Modelle, die auch die Vorgänge im Pferd miteinbeziehen, viel interessanter, und ich gehe davon aus, dass es sehr wohl Verhaltensweisen gibt, die nicht konditioniert wurden, sondern genetisch verankert sind.

Was den Unterschied zwischen erritten und andressiert angeht, kommen mir die Bilder von Kindern in den Sinn, die von ihren Eltern für irgendwelche Talentschaus gepuscht werden, und deren Vorführungen bestenfalls niedlich, oft genug nur peinlich bemüht sind, jedenfalls den Eindruck hinterlassen, dass die Kinder gar nicht wirklich verstehen, was sie da aufführen, sondern es einfach tun, weil es ihnen gesagt wurde. Ein echter Künstler dagegen hat einen Begriff von dem, was er will, was für ihn erstrebenswert ist, er verfügt zudem über ein Können, das weit über das hinausgeht, was er bei einer Aufführung zeigt.
Auf die Pferde übertragen sehe ich verschiedene Bereiche. Einer ist ein schlicht erzwungenes Verhalten, bei dem im Pferd Angst und Stress die dominanten Gefühle sind. Dann kommt ein mehr oder weniger spielerisch "erclickertes" oder sonstwie andressiertes Verhalten, bei dem das Pferd sich durchaus wohl fühlt, da die Zusammenarbeit mit dem Menschen angenehm ist, auch wenn die Bewegungen dabei ein bisschen "Tun als ob" sind, da ein entsprechendes ausführliches Körpertraining fehlt.
Das Körpertraining ist dann wesentlich für die gute klassische Ausbildung, d.h. das Pferd lernt nicht nur ein paar "Stückchen" für die Talentschau, sondern es lernt die ganze Palette an Bewegungsmöglichkeiten; eine solche Ausbildung kann für ein Pferd gelegentlich anstrengend sein, da es immer wieder gefordert wird, aber auch zu Aha-Erlebnissen führen, da das Pferd Bewegungsabläufe lernt, die es von sich aus eher vermeiden würde (bei meinem Pferdl beispielsweise das simple Antraben auf dem Zirkel, was dann zu folgendem Dialog führt: antraben auf dem zirkel? - unmöglich, kann ich nicht, geht nicht, dazu muss ich mich biegen, ich muss jetzt erst mal schss - fertig mit schss? dann verbieg dich mal ein bisschen im schritt - im schritt ist das ok - antraben? - nönönö, muss nochmal schss - also nochmal verbiegen im schritt, sh, kh, renvers, kh, sh links, sh, kh, renvers, kh sh rechts - sh ist gut, diagonal, diagonal, ja, jetzt geht's, jetzt will ich traben).
Und dann gibt es noch die Sternstunden, in denen der Reiter nur noch vorbereitet und zulässt, dass das Pferd sich selbst produziert, weil es nicht mehr nur tut, was von ihm verlangt wird, sondern weil ihm selbst danach zumute ist, etwas zu tun; dafür muss das Pferd aber die Bewegungsabläufe so gut gelernt haben, dass sie selbstverständlich zu seinem Repertoire gehören, und es den Reiter sozusagen nur noch als Vorwand braucht, um diese Bewegungen zu zeigen, bei denen es sich wohl fühlt.
"Der Reitlehrer sei unser eigenes Pferd" SGS
(und der Schüler zeige Geduld, Demut und Hingabe)
Draussen bin ich 4:0 unterwegs, in der Halle 3:1, manchmal 1:3.
Kiruna Karmina
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Beitrag von Kiruna Karmina »

Sehr anschaulich beschrieben, Gawan.
Danke!
Shkan
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Beitrag von Shkan »

Meine persönlich Meinung zum Thema Konditionierung, Pudeldressur oder Reiterlichen Hilfen wäre:

Reiten ist nicht natürlich. Wie kann dann eine reiterliche Hilfe je "natürlich" oder auch nur im Ansatz "nicht konditioniert" sein? Man kann Reflexe ausnutzen, ja. Aber kein Pferd hat eine genetische Veranlagung dazu zu wissen, wie es mit Gewichtsverlagerung, Treiben etc. umgehen muss. Es lernt vom ersten Moment an (es gibt genug junge Pferde, die einer Gewichtsverlagerung nicht folgen, sondern über die Schulter ausbrechen versuchen. Es gibt genug junge Pferde, die sich nicht auf eine Tour führen lassen und trotz Hilfen lieber geradeaus in eine Wand rennen würden...) Die Konditionierung des Pferdes fängt doch schon im kleinsten an, nämlich darin dass das Pferd lernt, dass der Mensch kein Raubtier ist. Jedes Pferd wird doch schon als allererstes auf den Menschen konditioniert. Halfter anlegen, Hufe geben, führen, putzen etc. etc. Das ist alles unnatürlich. Die einzig natürliche Reaktion auf einen Reiter wäre "los werden!!!!". Denn lediglich ein Raubtier würde auf den Rücken eines Pferdes springen. Alles ist konditioniert, angefangen beim Vertrauen zum Menschen.

Die einzig natürlichen Gesten, die für mich unter Säugetieren eindeutig sind und auch vom Pferd nicht erst interpretiert werden müssen, sind: Aggression und Entspannung. Die Körpersprache ist in diesen beiden Fällen für mich eindeutig und bedarf keiner weiteren Konditionierung. Alles andere darüber hinaus lernt ein Pferd zu interpretieren. Manches sehr schnell und leicht, da man sich die Sprache der Pferde zunutzen machen kann, manches dauert länger.

Aber beim Reiten von natürlichen Hilfen zu sprechen, die nicht konditioniert werden müssen, finde ich sehr seltsam. Am reiten ist nunmal nichts natürlich, daher ist auch im Instinkt der Pferde nichts diesbezüglich "hinterlegt" (wie z.B. Fressverhalten, Fluchtverhalten....) Die erste Reaktion auf einen Reiter wird immer Flucht sein, außer das Pferd wurde schon vorher anderwertig KONDITIONIERT umd eben NICHT mit Flucht zu reagieren.
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Isomer
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Beitrag von Isomer »

Gawan hat geschrieben:Ich kann natürlich versuchen, alle möglichen Verhaltensweisen via Konditionierung zu erklären, fragt sich allerdings, wie sinnvoll das ist. Welche Konditionierung führt dazu, dass Katzen rollig werden? Während einiger Jahre im letzten Jahrhundert rissen viele Menschen bei allen möglichen Gelegenheiten den rechten Arm hoch; kann mir mal jemand dieses Phänomen nach dem Modell der Konditionierung erklären? Wenn alle Verhaltensweisen konditioniert wären, müsste es auch möglich sein, "unerwünschte" Verhaltensweisen wie Masturbation oder Homosexualität umzukonditionieren, dies funktioniert aber nicht, wie sich in diversen Gesellschaften gezeigt hat, woran liegt das?

Was ich auch vermisse, ist die Rolle der Einsicht oder des Verstehens. Ich kann einem Schüler mit positiver und/oder negativer Verstärkung beibringen, wie er den Satz des Pythagoras anwenden soll, d.h. dass er konkrete Zahlen brav in eine auswendig gelernte Formel einsetzt, aber das, was ich als Mathelehrer eigentlich will, ist, dass der Schüler den Satz des Pythagoras versteht. Natürlich ist nicht anzunehmen, dass Pferde über Mathematik nachdenken, aber es gibt auch beim Erlernen von Bewegungen eine Art von Verstehen oder "den Dreh raushaben", und wenn ich mit Pferden arbeite, ist das "auf mein Signal A folgt dein Verhalten B" nur eine Voraussetzung, damit ich dem Pferd gewisse Bewegungsabläufe nahelegen kann, aber "den Dreh rauskriegen" muss das Pferd dann selbst.

So interessant das Modell der Konditionierung und Lerntheorien sind, für mich sind sie nur ein kleiner Teil meiner theoretischen Beschäftigung mit dem Thema Pferd, da sie so viel nun auch wieder nicht hergeben, bzw. manchmal einfach banal sind. Ich finde komplexere Modelle, die auch die Vorgänge im Pferd miteinbeziehen, viel interessanter, und ich gehe davon aus, dass es sehr wohl Verhaltensweisen gibt, die nicht konditioniert wurden, sondern genetisch verankert sind.
Ich glaube du vergleichst hier zu sehr Mensch und Tier. Ich bin niemand der Tieren ein seelenloses Dasein andichtet, aber gesellschaftliches Verhalten in Diktaturen haben nichts mit Reiten und Pferde ausbilden zu tun bzw. sollte man es sich unnötig verkomplizieren indem man in der AUsbildung menschliche Eigenschaften dem Tier unterjubelt.

Und natürlich gibt es Verhaltensweisen die nicht konditioniert wurden das ist ja nichts unbekanntes!?! ,Nur wenn der Reiter es auf Komando abrufen will kommen wir immer in die Bredouille wie ?

Annsonsten unterschreibe ich mal bei Shkan
„Was es alles gibt, das ich nicht brauche!“ [Aristoteles]
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Kosmonova
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Beitrag von Kosmonova »

Ich denke auch es ist nur eine Illussion zu glauben, dass eine wäre besser als das andere :wink: Von daher ist die ganze Diskussion immer wieder hitzig wie mühsig, da es schlicht um Geschmacksfragen geht. Die einen wollen die Gewissheit etwas selbst geleistet zu haben ("erritten") und die anderen eben den Wendywunsch alles freiwillig ("andressiert") zu haben. So lange es dem Pferd dabei gut geht und der Mensch mit Freude dabei ist - bitte. :D Abgesehen davon gibt es noch etliche Graustufen, wo man beides auch wunderbar kombinieren kann und ein Stück weit bewegen sich alle in diesem Bereich, denn ein Lobwort nach einer gut ausgeführten "erittenen" Lektion setzt genauso einen Marker und "dressiert" (!) das Pferd auf diese Leistung. :-D

Ooooooohm - Oooooohm - Oooooohm - Calm Down!
Es grüßt Nadine

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so schwer wie die freiheit, so leicht ist der zaum der sie hält... (frei nach and one - krieger)
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Motte
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Beitrag von Motte »

Völlig richtig, Kosmonova.

Nur es geht doch nicht um "besser" oder "schlechter"?

Das sind doch einfach nur 2 unterschiedliche Ansatzweisen/Arbeitsweisen.
cajujo
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Beitrag von cajujo »

von grisu
Aber nochmal zu den Hilfen: warum heißen die denn so - und nicht "Anweisungen" oder "Befehle"?
Eigentlich doch, weil sie dem Pferd helfen sollen, das auszuführen, was wir wollen. Auch wenn die Fähigkeit eines Pferdes, die Hilfe wahrzunehmen, konditioniert sein sollte, die Hilfe selbst, wie z.B. der Bügeltritt, die Gewichtsverlagerung etc. sind der Versuch, gemeinsam mit dem Pferd im Gleichgewicht Bewegungen auszuführen.
In diesem Satz liegt viel zur Unterscheidung von "natürlichen" Hilfen und Konditionierung, ob mit Verstehen oder ohne. :D
Manche Hilfen sehen ich schon als klare Order oder auch Befehl. Eine Galopphilfe z.B. heißt ja schon, nun bitte Gangartwechsel und ist durchaus als zu befolgende Anweisung zu verstehen. Diese großen Weisungen sind leicht zu konditionieren und müssen dem Pferd erst zugänglich gemacht und erklärt werden.
Die Ausführung, das Wie, ist die Krux an der die Grabenkämpfe entstehen. Und dabei kann der Reiter dann wirklich helfen oder erschweren. Die Sprache der Beine muss wahrscheinlich erlernt werden. Was aber oft in Ansätzen schon vom Boden aus erklärt wird, z.B. weichen oder auf Druck nachgeben. Wohin ist, glaub, zu lernen.
Mit Verschiebungen des Beckens oder Sitzes kann ein junges Pferd wahrscheinlich zunächst nicht so viel anfangen, genausowenig wie mit Gebisseinwirkungen.
Das Einzige was nach meinem kleinen bisherigen Verständnis wirklich unmittelbar Einfluss nimmt ist das Reitergewicht. Allein durchs drauf hocken wird das Pferd aus seiner bisherigen Balance gebracht. Durch Gewichtverlagerungen und Hebel hat der Reiter viel Einfluss das Pferd weiter aus der Balance zu bringen und diese auch wieder herzustellen. Wie das Pferd allerdings auf den Gleichgewichtsverlust/verschiebung reagiert, ob in gewünschter Art oder anderer, ist wiederum ein Lernprozeß und davon abhängig wie geschickt der Reiter agieren kann.
Sofern das Ziel ein sehr ähnliches ist ist Reiten wahrscheinlich immer eine Kombination, in der sich erlernte Einzel-und Orchesterreaktionen mit physikalischen oder biologischen Reizen und Reaktionen ergänzen.
Ich kann mir gut vorstellen, dass lediglich die Gewichtung und Reihenfolge variieren aber Vertreter beider Ausprägungen ankommen können ohne das Pferd dabei zu Schanden zu trainieren.

Ein kleiner Einwurf zum Lernen und Verstärken.
Ich habe es mal so gelernt, dass positiv oder negativ nicht mit angenehmen oder unangenehmen Feelings zu verstehen ist sondern ob etwas hinzugefügt oder weggenommen wird.
Reiter reden in der Regel fast immer von positiver Verstärkung. Mein Eindruck ist, das gerade die `rein nur geritten ist gut` Seite, die "Konditionierungen" (zwischen Zuckerbrot und Peitsche) ablehnen, überwiegend mit negativer Verstärkung, also dem Wegnehmen oder leichter werden, von etwas für das Pferd unangenehmen oder irritierendem arbeiten. Ich meine das völlig wertfrei.
von Shkan
Manches sehr schnell und leicht, da man sich die Sprache der Pferde zunutzen machen kann, manches dauert länger.
Was meinst du mit Sprache der Pferde?
padruga
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Beitrag von padruga »

O danke Gawan, etwas Ähnliches versuche ich auch schon immer zu schreiben und verwerfe es dauernd wieder, weil ich die passenden Worte dazu nicht finde.
Alles nur im Rahmen einer Konditionierung zu sehen reduziert die Beziehung zum Pferd meiner Meinung sehr stark und trübt den Blick für die vielen anderen Facetten des Miteinanders, der Kommunikation, des Tuns um der gemeinsamen Freude wegen, der Einfühlung, etc. Das Konzept der Konditionierung kommt ursprünglich aus dem Lager der Verhaltenstherapie, interessanterweise hat diese aber ihre Sichtweise in den letzten Jahren/Jahrzehnten enorm erweitert und die starke Bedeutung der Konditionierung ist bei ihnen mehr in den Hintergrund getreten zugunsten anderer Schwerpunkte, da man eben feststellte, dass Konditionierung eben doch nicht "alles" ist. Aber in der Gesellschaft wird munter weiter vorwiegend über Konditionierung geredet, gearbeitet und gedacht.
Ich glaube außerdem nicht dass man fürs Reiten sich auf so viele angeborene Reflexe beziehen kann. So wie ein Jungpferd bei Druck weicht, bleibt ein anderes stehen oder drückt dagegen. Auch die Gewichtsverlagerung zu einer Seite führt nicht zwangsläufig dazu, dass es in diese Richtung untertritt (wie wir wenn ein Rucksack seitlich rutscht) sondern es kann genauso gut davon wegspringen, dem Gewicht weichen. Auch Gewichtsverlagerungen nach vorne oder hinten verursachen unterschiedliche Reaktionen (zumindest bei meinen eigenen Jungpferden, ich finde es immer wieder sehr interessant ist, wie jedes völlig anders reagiert). Oder: Schenkel vorne an den Gurt nehmen manche Reiter zum Trabverstärken, andere wieder Baucher-orientiert zum Stehen/Verharren/Versammeln und begründen dies mit einem "natürlichen Reflex".
Selbst die Freiarbeit ist auf völlig verschiedene Wege machbar, nur sonderbarerweise halten sich alle immer an bestimmte Systeme. Natürlich klappen die, aber andere würden auch klappen, und sind nicht weniger Pferdegerecht. Wie Gawan schon schrieb, ist alles auch sehr geprägt vom Zeitgeist, auch in der "klassischen Szene". Beispiel: Handarbeit und Kappzaum sind in, Hilfszügel out. HDS ein absolutes Verbrechen, steifer Rücken und falsch arbeitende Halsmuskulatur ein dagegen eher tolerierter Mangel (theoretisch natürlich nicht, praktisch jedoch leider doch allzu oft).
Zuletzt geändert von padruga am Mi, 14. Mai 2014 20:47, insgesamt 2-mal geändert.
padruga
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Beitrag von padruga »

Ein kleiner Einwurf zum Lernen und Verstärken.
Ich habe es mal so gelernt, dass positiv oder negativ nicht mit angenehmen oder unangenehmen Feelings zu verstehen ist sondern ob etwas hinzugefügt oder weggenommen wird.
So isses. Die meisten benutzen die Begriffe auch völlig falsch
Shkan
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Beitrag von Shkan »

cajujo hat geschrieben:
von Shkan
Manches sehr schnell und leicht, da man sich die Sprache der Pferde zunutzen machen kann, manches dauert länger.
Was meinst du mit Sprache der Pferde?
Man kann versuchen, das natürliche Verhalten der Pferde in einer Herde zu imitieren, die Art und Weise wie sie untereinander kommunizieren, sozusagen das Sozialverhalten. Aber das hat natürlich nichts mit Reiten zu tun.. im Prinzip sind das für mich die Grundlagen des Horsemanship. Ich erkläre dem Pferd auf seine Weise (so gut wir Menschen dies eben imitieren können - wir sind natürlich keine Vierbeiner) meine Position in der Herde. Einer Leitstute wird ausgewichen, wenn sie kommt. Anrempeln ist ebenso ein No-Go. Auch die Signale für "Du darfst zu mir kommen" oder "nicht weiter als bis hier" sind leicht verständlich..
Kiruna Karmina
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Beitrag von Kiruna Karmina »

Padruga, die unterschiedlichen Reaktionen auf Gewichtsverlagerung hast Du gut beobachtet. Die individulle Reaktion scheint also oft keine biomechanische Gesetzmäßigkeit zu sein.

Schon lange beschäftigt mich, dass z.B. Westernreiter des texanischen Stils es gerade als natürlich ansehen, auf dem Zirkel leicht außen zu belasten. Anderes Beispiel: Rückwärtsrichten. Wir entlasten eher während der Rückwärtsbewegung, die Westernreiter sitzen mit abgekipptem Becken und leicht zurückgeneigt.

Ich mache es beim Jungpferd inzwischen so, wie es das zunächst am leichtesten anbietet (eher unter das Gewicht treten oder lieber vorm Gewicht weichen) und stelle dann nach und nach auf die Vorgaben meiner Reitweise um.
padruga
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Beitrag von padruga »

Ich mache es beim Jungpferd inzwischen so, wie es das zunächst am leichtesten anbietet (eher unter das Gewicht treten oder lieber vorm Gewicht weichen) und stelle dann nach und nach auf die Vorgaben meiner Reitweise um.
Ja, so mache ich es auch. Bei manchen Sachen bleibe ich aber auch bei den "individuell" bevorzugten Hilfen, so springt eines meiner Pferde eher auf den Impuls des inneren Schenkels an, das andere auf den äußeren. Individuelle Vorliebe, die irgendwie so beibehalten wurde.
cajujo
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Beitrag von cajujo »

http://www.youtube.com/watch?v=Pk41LGa3VpI
Noch mal ich. Die Filmsequenzen habe ich vorhin übersehen. Entschuldigung fürs noch mal hochholen.
Wie es jeweils erarbeitet wurde, wie die Reiterinnen rein und raus gekommen sind, kann erahnt und orakelt werden. Ich würde Beiden unterstellen, dass sie nicht sagen; habe fertig, hier das ideale Produkt, sondern, das sie noch Verbessserungsbedarf sehen. Genauso wie sicherlich auch ihre Ausbilder. Wenn man beim Anschauen mal die Hälse und Köpfe (ist ja bei beiden nicht superschön) zudeckt ist es leichter sich auf die anderen Kriterien, die gerne bei einer Piaffe gesehen werden und auf die Unterschiedlichkeit der Tiere, zu konzentrieren und zu werten.

Shkan hat geschrieben:
cajujo hat geschrieben:
von Shkan
Manches sehr schnell und leicht, da man sich die Sprache der Pferde zunutzen machen kann, manches dauert länger.
Was meinst du mit Sprache der Pferde?
Man kann versuchen, das natürliche Verhalten der Pferde in einer Herde zu imitieren, die Art und Weise wie sie untereinander kommunizieren, sozusagen das Sozialverhalten. Aber das hat natürlich nichts mit Reiten zu tun.. im Prinzip sind das für mich die Grundlagen des Horsemanship. Ich erkläre dem Pferd auf seine Weise (so gut wir Menschen dies eben imitieren können - wir sind natürlich keine Vierbeiner) meine Position in der Herde. Einer Leitstute wird ausgewichen, wenn sie kommt. Anrempeln ist ebenso ein No-Go. Auch die Signale für "Du darfst zu mir kommen" oder "nicht weiter als bis hier" sind leicht verständlich..
Ich glaube, man macht sich da viel vor. Mal ausgenommen von den ganz riesigen "Imitationen", wie sich bspw. fuchtelnd, wedelnd vors Pferd zu stellen. Meiner Meinung und Beobachtung nach, auch von absolut prima Horsemanshippern, lernt das Pferd die Sprache und Ausdrucksform von Menschen. Warum auch nicht, die Pferde sind in dieser Hinsicht einfach um ein zigfaches besser in der Deutung und Verständis für unsere Spezies und noch dazu um ein vielfaches bereiter zur artübergreifenden Kommunikation und Wunscherfüllung. Dafür haben wir Menschen dann wieder Anderes im Köfferchen.
Ich halte Pferde in dieser Hinsicht für viel zu großartig als das ich meine, ich müsste und könnte die Stute machen. Ein jeder was er besser kann. :D
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Beitrag von Motte »

Kann es sein, dass wir da gerade leicht vom Thema weggkommen?
:wink:
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Kosmonova
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Beitrag von Kosmonova »

Das Thema "Natürliche Pferdesprache" haben wir schon oft in Themen gehabt und es kommt immer wieder auf...vielleicht mal extra diskutieren? Also ob wirklich alles ach so "natürlich" ist?! Zum Beispiel Thema "Clickern vs. Kommunikation".

Achso, Motte, ja natürlich sollte es nicht darum gehen. Aber wenn dann Begriffe wie "Zwang" und auf der anderen Seite "Pudeldressur" fallen, oder der eine User brutalen Umgang mit Sporen unterstellt, während einzelen User gesagt bekommen ihre reitelrichen Fähigkeiten lägen auf Bodenlevel da ihr Pferd "ja nur dressierte Lektionen zeigt und nicht die Basis für die Lektionen hat" - DANN kommen wir aber leider in den Bereich...
Zuletzt geändert von Kosmonova am Mo, 12. Mai 2014 13:18, insgesamt 1-mal geändert.
Es grüßt Nadine

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