Philippe Karl gegen Gerd Heuschmann – Link zum Artikel

Rund um die klassische Reitkunst

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Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

S&P: Ich war durchaus mental in der Lage, dir die letzten Seiten zu folgen. Deshalb muss ich ja aber nicht mit allem einverstanden sein. Es klingt zwar äußerst politisch korrekt zu sagen "Ich habe halt einfach ein anderes Bild im Kopf", letztlich kann das aber kein Kriterium sein - diese fürchterlichen südamerikanischen "Tanzpferde" mit den Zappelpiaffen oder noch schlimmer, die grotesk manipulierten Walker sind ja auch auf dem Kompost eines inneren Bildes gewachsen. Trotzdem würde wohl niemand (hoffe ich) das als gutes Reiten ansehen (außer natürlich die Leute selbst). Ein paar objektiven Kriterien muss es schon auch geben. Andersherum sagt jeder bei dem Video von Alizee Froment (die mit dem dunkelbraunen Spocht-Lusi ohne Sattel und Gebiss), dass DAS in jeder Hinsicht richtig gutes Reiten ist. Scheinbar gibt´s also doch ein Konsens-Bild davon, wie das aussieht.

Vielleicht muss ich zum Verständnis andersrum fragen: Was hat dir an der Entwicklung von dem Oldenburger und dem kleinen Luso mit den Stupselgängen gefallen (also von den ersten DVDs zu der "ein Jahr später"-DVD)?
Paula

Beitrag von Paula »

Wirklich ein spannender Thread ich lese hier gerne mit.Rapunzel,
Sehr nachdenklich hat mich deine Argumentation gemacht Leichtigkeit allein besagt nix( " z.b.manch Westernpferd"
horsman
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Beitrag von horsman »

Wer sich mal aufmacht Legerete nicht bloß bei PK oder JCR zu
suchen, wird auch schlauer werden.
Zuletzt geändert von horsman am Fr, 13. Sep 2013 15:56, insgesamt 1-mal geändert.
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horido
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Beitrag von horido »

Mir gefällt bei den anderen Reitweisen (Karl, BB, ...) das unspäktakuläre sehr gut. Also gerade, dass die Pferde nicht so die Beine schmeißen, das hat für mich bei der konventionelle RW irgendwie etwas unnatürliches. Klar denke ich als FNler dann bei manchen (AlternativRW-)Pferden und jetzt ein Ticken mehr Schwung und es wäre (nach meinem inneren Bild) perfekt, aber oft ist mir das lieber als "Rumgerenne" nach FN, was man eben da häufig sieht.
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Es war eine schöne Diskussion, die nun, nach dem Auftauchen von Paula für mich uninteressant wird.
Horsemän, so ist es :wink:
Rapunzel, ja, aber dennoch ist es das andere Bild, was die Unterschiede ausmacht. Davon bin ich überzeugt. In diesem Fall die Abwesenheit von Schwung. Wieso muß das mir gefallen ? Ob das mir gefällt oder nicht, tut doch gar nichts zur Sache, daß es Herrn Karl gefällt ist ausschlaggebend! Er bildet das Pferd so aus- nicht ich.
Habt eine gute Zeit ich ziehe mich wieder zurück. Bis demnächst mal wieder...
Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Hääää, was soll denn das jetzt?

Nee, so einfach ist das nicht. Es geht mir nicht drum, dass die Pferde in den PK-Videos nicht exakt so gehen, wie ich persönlich das als schick ansehe (sooo stumpf bin ich dann auch wieder nicht), sondern um Grundsätzliches. PK hat in den Videos am Anfang zu dem kleinen Luso (sinngemäß) gesagt, dass der keine guten Grundgangarten hat und er die Bewegungen durch eine optimierte Balance usw. verbessern möchte. Das will er u.a. mit viel Spanischem Schritt, anpiaffieren und Halten/RR erreichen, um das Gleichgewicht des Pferdes nach hinten zu verschieben. In dem "ein Jahr später"-Video geht das Pferd dann wirklich eine geniale Piaffe, der SS sieht auch beeindruckend aus, zudem hat er ihm eine Art Spanntrab beigebracht - die GGA an sich sind aber exakt genauso wie zu Anfang und die Grundbalance des Pferdes außerhalb der Piaffe noch immer sehr vorderlastig, der Unterhals noch genauso ausgeprägt, die Rückenbewegung noch genauso gebunden. DAS finde ich irritierend, nicht die Tatsache, dass das Pferd nicht "die Beine schmeißt" (was unerheblich ist).

Natürlich muss das weder mir noch dir gefallen, aber PK ist nun mal ein Ausbilder, u.a. auch deiner, und da ist es dann schon nicht so ganz unerheblich, wie das Ergebnis seiner Arbeit aussieht. Wenn so ein Typ aus Mexiko seinem Pferd eine Zappelpiaffe beigebracht hat und ihm das Ergebnis nach einem Jahr selbst super gefällt, sagt das noch nichts über die tatsächliche Qualität aus.
horido
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Beitrag von horido »

Ich weiß nicht ob S&P das gemeint hat mit Ihrer Aussage, aber ich habe Ihren philosophischen Ansatz folgendermaßen verstanden:

Man kann nie etwas machen, was allen gefällt (weder im Reiten noch sonstwo).
Also muss es einem in erster Linie einmal selbst gefallen und man muss mit sich selbst zufrieden sein ohne aufzuhören, sich verbessern zu wollen.

Daher möchte ich auch Rapunzels Aussage bezweifeln, dass es allgemeingültige Kriterien geben muss. Gerade beim Turniersport, wo versucht wurde allgemeingültige Kriterien zu schaffen, sieht man doch, dass das nicht funktioniert. Manche können damit Leben und unterwerfen sich diesen Kriterien, Andere nicht und die machen dann eben was anderes. Ist doch nicht schlimm. Weshalb standen denn in der jüngeren Vergangenheit sehr spannige Pferde vorne? Weil man sich bei der Beurteilung von Dressurprüfungen an objektiven Kriterien festhält, wie z.B. Lektion genau am Punkt, Anzahl geforderte Tritte, Wechsel etc. gezeigt. Da ist dann eben ein Parzival, der seine Lektionen abspult besser als ein schön gerittenes Pferd, dass einen Wechsel verspringt. Dieses Phänomen wird übrigens auch bei Bürger in vollendete Reitkunst sehr schön beschrieben.

Ich möchte nochmal auf das mit sich selbst zufrieden sein zurückkommen:
Gerade wenn ich die Beurteilungen von vielen Videos lese, wo nur geschrieben wird, was schlecht ist, denke ich oft, wie man denn dann mit seiner eigenen Reiterei zufrieden sein kann, wenn man ein Video eines anderen Reiters mit Zeitlupe, Standbild etc. anschaut und darin nur nach Fehlern sucht. Im Bewusstsein meiner eigenen Fehler fällt es mir schwer, ein Video so genau zu untersuchen. Was würde da bei mir rauskommen?

Wenn ich mir eine andere Reitweise anschaue, schaue ich zuerst auf das Gesamtbild und suche erstmal etwas Positives. Es gibt eben weder die allein selig machende Reitweise noch die allein selig machende Religion. Wegen der Religion werden heute noch Kriege geführt, aber wir sollten intelligent genug sein, das nicht wegen einer Reitweise zu tun. Dazu ist Reiten viel zu unwichtig.
xelape

Beitrag von xelape »

Horido, ganz herzlichen Dank für diesen Beitrag.
Ich habe S&P auch genau so verstanden... und fand die Erklärungen passend.

Es ist in dieser Diskussion nicht notwendig so zu abstrahieren und auf die Spitze zu treiben, dass zB das Getribbel der mex. Pferde schön sein muss - weil der Besitzer es schön findet.
Sondern die Betrachtungsweise mit seinem inneren Bild im Kopf und dem Wohlbefinden des Pferdes.
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Kosmonova
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Beitrag von Kosmonova »

Horido, danke! Sehr wahrer Beitrag!

Gerade zu dem Videos/Fotos: Für mich zählen immer mehr der Eindruck, der Spaß und die leichte Einwirkung, als das ich mich an einer Zehntelsekunde festbeiße oder mir die Pferde zu wenig/zu viel Schwung entfalten...kleinere Sitzmangel o. ä. - alles bedeutungslos wenn man ein schönes Gesamtbild hat.
Es grüßt Nadine

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Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

horido:

Na ja, Alizee Froment finden aber eben doch alle gut. Und jetzt?

"Ich hab einfach ein anderes Bild im Kopf" ist halt irgendwie ein Totschläger.
maulfrei :o)

Beitrag von maulfrei :o) »

Toller Thread! :D
Ich bewundere S&P und auch alle anderen, die hier so ausführlich ihre Meinungen/Eindrücke/Erfahrungen/Theorien aufschreiben!
Es ist ja nicht nur schwierig, die passenden Worte zu finden, sondern auch sehr zeitintensiv, diese dann zu tippen...

Die Frage, warum nicht mehr Reiter über den Tellerrand schauen, hat mich auch schon öfter beschäftigt.

Meiner Meinung nach spielen nicht zuletzt die wirtschaftlichen Interessen bei der "Klischee-Rollenverteilung" FN, PK, BB usw. eine Rolle: Um SchülerInnen zu gewinnen bzw. auch eigene Publikationen an die Öffentlichkeit zu bringen, macht es Sinn, sich von den jeweils anderen Reitlehren abzugrenzen. Würde man vorrangig die Ähnlichkeiten betonen, gäbe es keinen Grund, sich als SchülerIn für einen bestimmten Ausbilder zu entscheiden :wink:

Aber die Reduzierung der unterschiedlichen Reitlehren auf wesentliche Unterschiede macht vielen bestimmt Angst, sich auf andere Denkansätze einzulassen, denn die vermeintlich deutlichen Unterschiede suggerieren ja auch, dass man sein Pferd (und sich selbst?) komplett umstellen müsste, wenn man sich auf einen anderen Ansatz einließe.

Ich bin ja "nur" Freizeitreiterin, aber mir bringt es sehr viel Spaß, Wochenendseminare als Zuschauerin zu besuchen (aktuell BB, davor PK u.a.) - einfach weil es unglaublich spannend ist, diverse Pferd-Reiter-Paare zu erleben und zu schauen, wie diese nach unterschiedlichen Reitlehren unterrichtet werden - und für sich selbst zu überlegen, welche Elemente man zu Hause für sich und sein Pferd mit einbauen möchte. Es gibt immer etwas Positives zu entdecken! Und ein Patentrezept gibt es nicht. :)

Ein bisschen ist Reiten so wie Kochen, grins...
Beispiel: Kürbissuppe
Die Basis ist klar: Kürbis.
Ob man dann aber lieber mehr oder weniger oder auch gar keinen Ingwer dazu nimmt, oder Crème Fraîche oder Zimt usw. hängt von 2 Dingen ab:
1. vom persönlichen Geschmack und
2. vom Wissen über den Geschmack der verschiedenen Varianten...
...denn wenn man nicht weiß, wie die anderen schmecken, weiß man man ja auch nicht, ob die eigene Variante wirklich die für einen am besten schmeckende ist.
:)
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Beitrag von Kiruna Karmina »

Sehr anschaulich, maulfrei!
Capria
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Beitrag von Capria »

Super Maulfrei, Du hast es auf en Punkt gebracht! :wink:
horsman
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Beitrag von horsman »

und ein guter Koch kennt viele Zubereitungsarten, um die verschiedenen Kürbissorten auf die ihnen am besten zugetane Art und Weise zuzubereiten
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Kosmonova
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Beitrag von Kosmonova »

...denn kein Kürbis gleicht dem anderen und Geschmäcker sind verschieden ;-) Soll sogar Leute geben, die gar keinen Kürbis mögen und trotzdem zufrieden leben :P

Schön gesagt, maulfrei :-)
Es grüßt Nadine

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