Haltungsform Auswirkungen auf Aufwärmphase?

Rund um die klassische Reitkunst

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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Das Argument Fluchttier sehe ich ähnlich wie Josa - ideal ist es für die Gelenke sicher auch nicht, wenn die Pferde in der Wiese oder auf dem Paddock plötzlich loslegen, und da kommen ja durchaus auch enge Wendungen und damit Lastaufnahme vor.
Aber beim Reiten kann ich es beeinflussen, drum lege ich nicht gleich mit Sprints los. :)

SL egal ob 3 oder 4 Bögen:
wie Josa und Cubano - gegen Ende der Lösungsphase ja, aber nicht beim ersten Antraben, wenn das nach minimaler Schrittzeit passiert, drum mein Post auf Seite 2 "@lalala:
jup, SL durch die Bahn gehören für mich auch nicht zu "lockeres Traben auf großen Linien"." (auch wenn ich das an Lalala adressiert hatte, aber Josa meinte. :wink: )
esge
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Beitrag von esge »

ist zwar schon zwei Seiten her, aber nochmal zu den viel bemühten Scherkräften, die bei Seitengängen in den Gelenken, vornehmlich den unteren Gelenken entstehen. Ein ziemlich anerkannter TA hier hat mir dazu mal gesagt: "Im Schritt? natürlich können Sie das im ruhigen Schritt reiten. Da entstehen keine bis kaum Scherkräfte. Wir reden von Seitengängen im Trab, weil das die übliche Praxis ist. Hier treten dann allerdings hohe Scherkräfte auf, umso mehr, je aufwändiger die Bewegung des Pferdes ist.

Seither benutze ich Seitengänge im gelösten Schritt mit gutem Gewissen in der Aufwärmphase. In jedem Fall bei Pferden, die diese Seitengänge sicher und unaufgeregt ausführen. Es stellt sich anders dar, wenn das Pferd noch in der Lernphase der Seitengänge ist und sich dabei doch mal verspannt und nicht durch den Körper arbeitet.

Ganz ehrlich: Simples Geradeaus latschen im Schritt erscheint mir einfach keine sinnvoll genutzte Zeit in der Bahn zu sein. Sehe ich Leute, die 20 min Schwätzchen haltend ihre Pferd Runde um Runde daherstiefeln oder latschen lassen - nein, das überzeugt mich nicht. Abgesehen davon, dass sie andere Leute dabei bei der Arbeit stören, weil sie vor lauter Schwatz nicht sehen, was vorgeht, bzw. sogar finden, da sie doch 2. Hufschlag gehen, sie munter einfach weiterstiefeln können, egal ob sie arbeitende Reiter damit gerade bei Zirkeln, Diagonalen oder anderen Linien abseits des ersten Hufschlags blockieren. Am liebsten dann noch zu zweit nebeneinander. Dann muss nur noch ein Dauergaloppierer linker Hand den 1. Hufschlag blockieren und schon kann man nicht mehr sinnvoll arbeiten.
Das Gejuckel am hingegebenen Zügel unter dem Deckmäntelchen der Aufwärmphase ist in meinen Augen bei den meisten einfach nur die soziale Komponente beim Reiten - die möge doch bitte ins Gelände verlegt werden. Oder ins Reiterstübchen.
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

esge hat geschrieben: Das Gejuckel am hingegebenen Zügel unter dem Deckmäntelchen der Aufwärmphase ist in meinen Augen bei den meisten einfach nur die soziale Komponente beim Reiten - die möge doch bitte ins Gelände verlegt werden. Oder ins Reiterstübchen.
Moins,
hmm, dann müsste ich eine soziale Komponente mit mir selbst pflegen. Denn ich reite sehr oft allein und betreibe zu Beginn der Aufwärmphase durchaus auch "Gejuckel am hingegebenen Zügel". Wobei sich Gejuckel bei mir nicht auf das Schrittempo bezieht Da lege ich extrem viel Wert darauf, dass mein Pferd von Anfang an nicht daherschlappt.
Übrigens mache ich das, um mein Pferd – und bisweilen auch mich nach einem langen Arbeitstag – erst mal mental zu entspannen.
Hach ne, was bin ich froh, allein reiten zu können – auf diesen, Deinen Gedankengang wäre ich im Leben nicht gekommen. :wink:
Und zu den Scherkräften: Keine Frage, dass die im Trab um ein Vielfaches höher sind, als im Schritt. Dennoch glaube ich, dass sie auch dort vorhanden sind. Weshalb ich halt SW ans Ende der Schrittphase lege.
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gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

ich liebe warmreiten und schwatzen. teddy auch! :lol:
chantesse
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Beitrag von chantesse »

esge,
danke, Du sprichst mir aus dem Herzen. in allen Punkten!
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susiesonja
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Beitrag von susiesonja »

Scheint ja gar nicht so einfach zu sein..... das Schritt reiten und aufwärmen. :lol:

Ich erzähle einfach mal aus meinem Nähkästchen.

Speziell bei Gurbe, dem Friesen, sieht das Aufwärmen fast immer wie folgt aus:

Ich reite generell immer sehr lange Schritt. 20-40 Minuten, je nach Tagesform. 10 Minuten kommen eher selten vor und auf die Uhr schaue ich beim Schritt reiten sowieso nicht (es sei denn ich will wissen wie spät es ist :wink: ).
Wenn ich nach 20 Minuten also finde, dass ich noch nicht antraben kann, weil sich irgendetwas im Pferd noch nicht "gut" anfühlt, dann trabe ich nicht. So kommen auch gern mal Schrittzeiten von über 30 Minuten zustande.

Ich nutze die Schrittzeit um zu spüren wie es in mir aussieht und wie es im Pferd aussieht. Wie auch Josa schon schrieb, ist das Schritt reiten, beim eigenen wie auch bei fremden Pferden, für mich immer eine "Kennlern-und-einfühl-Zeit". Die lasse ich mir nicht nehmen.

In dieser Schrittzeit wird wenn überhaupt nur zwei bis drei Runden am hingegebenen Zügel gebummelt. Meist habe ich die Zügel schon bald mit leichtem Kontakt zum Trensenring aufgenommen und dann reite ich alles an gebogenen Linien was mir so einfällt. Während dieser Zeit verändere ich immerzu das Zügelmaß, bis ich irgendwann die Zügel aufgenommen habe. Es folgen dann durchaus Seitengänge und RR, auch Vorhandwendung und Kurzkehrt (welches noch entsprechend größer ausfällt).

An Tagen, an denen sich mein Pferd so gar nicht lösen will, frage ich sogar unsere bescheidene Variante von halben Tritten ab und nehme dann Schritt-Trab-Übergänge dazu. Und voilá..... wir können anfangen zu arbeiten.
Manchmal lasse ich nach der Schrittphase den Trab weg und galoppiere direkt. Oft ist der Trab anschliessend um ein vielfaches besser.

Nach der Arbeit reite ich auch selten länger Schritt, sondern sitze meist ab und führe noch etwas. Das ist ein Art "Ausklang", der uns Beiden gut bekommt.
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Beitrag von esge »

Cubano, dieses mentale Ankommen auf dem Pferd, das "sich sammeln", den Alltag abschalten, sich aufs Pferd einschalten - das halte ich für sehr, sehr wichtig.
Seit ich wieder an einem kleinen Stall bin, wo ich die Reitbahn immer für mich habe, geht das auch in der Bahn sehr fein. Aber im größeren Stall vergiss es!

Gimlinchen: Lieben es deine nicht in den Smalltalk involvierten Mitreiter auch? Gibst du bei diesen Schwatzrunden ALLEN arbeitenden Reitern Vorfahrt? Auch den im Schritt arbeitenden, obwohl du vielleicht linker Hand smalltalkst und die rechter Hand konzentriert sind?
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Esge und Susisonja haben meiner Meinung nach wieder gut untermauert, wie unterschiedlich "richtig" schlicht für jedes Pferd sein kann - ganz unabhängig von Gelenkschmiere und aufgewärmten Muskeln.

Ich fühle im Schritt zB eher so gar nicht die Tagesform, das Schrittbild ist zu Beginn im Grunde sehr einheitlich, das Stimmungsbarometer kann dann aber bei den ersten Runden Trab am langen Zügel sehr gut agieren. :)
gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

@esge: ja, ich krieg die vorfahrtregeln hin, keine sorge. :-) ob die anderen davon abgesehen lieben, was ich tue, ist mir jetzt nicht sooo wichtig. aber zu deiner beruhigung: wenn ich reite, sind selten mehr als ein anderer reiter auf platz oder in der halle und das ist üblicherwiese mein rezepte-tausch-partner
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Guten Morgen,
wo wir gerade bei Mitreitern aller Art sind. Was mich wirklich auf die Palme bringen kann, ist exakt die andere Fraktion: Pferd aus der Box, rauf, Zügel bis zum Anschlag und dann los. Hatte ich mal bei jemandem, der mich auf der Insel besucht hat – mein Wallach war nicht wirklich amüsiert. :twisted:
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susiesonja
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Beitrag von susiesonja »

@ finchen

Unterschiedlich "richtig" je Pferd schon. Aber nicht unterschiedlich "richtig" je Haltungsform.... Da mache ich nämlich keine Unterschiede.
esge
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Beitrag von esge »

Gimlinchen, gewisse Reiter unseres Stalls beriefen sich auf die Vorfahrtsregeln in ihrem Tun. Nämlich dass sie ihren Plauderschritt ja auf dem 2. Hufschlag tun und dort dann ein Recht auf alles haben.
Ohne weitere Mitreiter kann jeder machen was er will.

Es kommt halt auch immer aufs Umfeld an, was geht, was nicht so gut geht und was gar nicht geht. Bei 7 Reitern, Unterricht auf einem Zirkel und einer 20 x 40 Halle geht halt gar nichts mehr und über die herrschenden Hallenregeln - die ohnehin für jeden, der im Schritt auch ernsthaft arbeiten will bescheuert sind - hinaus erwarte ich da eine gewisse Übersicht der Teilnehmer. Leider oft vergeblich.


Alter, Gesundheitszustand, Ausbildungsstand und Grundtemperament des Pferdes sind für mich maßgeglich dafür, wie das Pferd gelöst und gearbeitet wird. Die Haltungsform kann dabei allerdings erhebliche Auswirkungen auf das Grundtemperament haben.
Andererseits sind Pferde auch GEwohnheitstiere. Auch ein Heißsporn kann meist daran gewöhnt werden, dass die Arbeit ruhig und am langen Zügel beginnt. Solche Pferde sind übrigens die, die ich am längsten im Schritt am langen Zügel reite.
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saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Für mich bedeutet "Lösen" oder " Aufwärmen" , dass das Pferd schonend und sinnvoll seinen Körper bewegt, lockert und sein Hirn mental auf den Dialog mit mir und seinem Körper einstimmt. Das " sich -tragen-lassen" am hingegebenen Zügel zählt für mich nicht dazu, wenn hierbei kein "reiten" - sprich keine Kommunikation stattfindet.
Es kann dienlich sein, um sich selbst zu sammeln, auf die Kommunikation mit dem Pferd einzustimmen.
Für mich ein absolutes NO GO ist das Herumeiern in der Bahn, Telefonierend und mit Freundinnen plappernd, ohne Sinn, ohne Draht zum Pferd nur mit der Maßgabe, irgendwie die 10-20 Minuten Schritt zu überbrücken, bis es "losgeht".
Über die Abfrage des gesamten Bewegungsspektrums des Pferdes in ruhigem Schritt und im Rahmen seines Ausbildungsstandes, mobilisiere ich den ganzen Körper des Pferdes und stimme gleichzeitig die Hilfen / die Kommunikationsmittel mit dem Pferd ab.
Je intensiver und präziser ich mit einem Pferd arbeite, je weiter fortgeschritten sein Können ist und je größer mein Anspruch an Präzision, um so anspruchsvoller ist auch das Lösen.
Desweiteren bestimmt- wie Sandra so treffend schreibt- der Charakter und die Körperlichkeit des Pferdes das Vorgehen doch sehr stark. Will sagen, wie erhalte ich beim Pferd die beste Kommunikation, Konzentration, Leistungs- und Mitarbeitsbereitschaft ?
Ich muß auf seine individuellen Bedürfnisse eingehen !

Habe ich ein Pferd, das älter, steif, mglw. Arthrose geplagt ist ? Dann muß ich dies berücksichtigen und dem durch anspruchslosere Linienführungen, eher untertourige Tempi und sehr vorsichtige Arbeit Rechnung tragen.
Habe ich ein Power- Power-Power-Pferd unterm Hintern, würde langes im Schritt Herumgekringel dieses möglicherweise komplett verärgern, nerven und die Losgelassenheit in unerreichbare Ferne rücken. Ein solcher Kandidat braucht Bewegung, frische Tempi mit wenig Anspruch auf höchste Präzision, dafür um so mehr Schwerpunkt darauf, die Energie sinnvoll zu kanalisieren und kontrollieren zu können.

Habe ich ein schlaffes, antriebsarmes Pferd mit wenig Tonus? Hier muß ich Dynamik und Spannung vorbereiten und eher in Richtung Kraftentwicklung gehen- das beginnt auch schon im Lösen.

Habe ich einen rotzfrechen Flegel, der übereifrig und eher undiszipliniert, denn wirklich bewegungsbedürftig ist ? Hier muß im Lösen größter Wert auf Gehorsam, Präzision und Zuhören gelegt werden.

Die gesamte Arbeit muß doch zum Pferd passen und das fängt beileibe nicht erst in der "Arbeitsphase" an- schließlich dient die "Lösungsphase" ja der Vorbereitung derselben.

Aus diesem Grund kann ich ehrlich gesagt, die hier geführte Diskussion teils nicht ganz verstehen. :?:
gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

ich glaube, ich nehme die dinge nicht immer so ernst wie ihr. mein pferd und ich müssen uns nicht vor jedem reiten neu finden oder so, manchmal darf auch jeder sein, wo er will - manchmal arbeiten wir konzentriert und mit viel draht zu einander, manchmal gehen wir aber auch nur spazieren, im wald, in der halle, reitend oder wandernd. und dann wärmen wir auch auf, das tun wir immer.
vielleicht redet ihr generell nur vom dressurreiten in halle oder auf dem platz? reiten umfasst ja schon auch noch anders
lalala

Beitrag von lalala »

Josatianma hat geschrieben:
Um noch einmal kurz zur Frage der Haltungsform zurückzukommen: für mich macht es keinen Unterschied, ob das Pferd aus einer Box, von der Wiese oder aus einem Bewegungsstall kommt. Auch das Argument mit dem Fluchttier zählt für mich nicht. Wir möchten unsere Pferde möglichst lange gesund erhalten. Und dazu gehört für mich ganz klar gutes Aufwärmen. Natürlich kann ich es nicht verhindern, dass mein Pferd unaufgewärmt auf der Wiese los rennt. Das wurde jedoch von der Natur durchaus mit einkalkuliert, während engere Wendungen und Lastaufnahme doch eher eine Erfindung des Menschen ist.
Das unterschreibe ich so.
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