Zügelhilfen umdrehen?

Rund um die klassische Reitkunst

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Nevado
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Zügelhilfen umdrehen?

Beitrag von Nevado »

Hallo ihr Lieben,

ich habe eine erstaunliche Erkenntnis gemacht von dem ich euch gerne berichten möchte, vielleicht arbeitet ja noch jemand von euch mit dieser "Methode".

Letzte Woche war Jörg Voßeler (Schüler von Hinrichs) bei uns am Stall und hat einen Kurs gegeben. Er sagte mir ich solle meine Zügelführung ändern bzw. umkehren. Man bekommt ja immer und überall gelernt dass der äußere Zügel relativ starr bleibt und der innere stellt, Paraden gibt, etc.
Bei Jörg ist es genau andersrum! Der innere bleibt fest (im Schritt minimal dem Kopfnicken des Pferdes folgend) und der äußere spielt ab um das Kauen anzuregen (kein Vibrieren!) und lenkt.

Beim Kurs hat das super funktioniert, allerdings hat er da Vorarbeit geleistet und ich bin nur die letzten 10 Minuten im Schritt geritten.
Danach stand mein Pferd zwei Tage und gestern bin ich ihn nach zwei Runden am langen Zügel so geritten und es hat soo gut geklappt! hatte ihn gleich gut in der Anlehnung und übern Rücken und als ich mit der Trabarbeit angefangen habe war es gleich möglich auszusitzen, musste nicht erst leicht traben wie sonst immer weil er seinen Rücken noch so festhält. Musste dann leider relativ schnell aufhören weil ein Ausritt geplant war.

Bin total begeistert! ist natürlich erst mal ungewohnt aber wenn man sieht wie gut das klappt und wie schnell die Pferde "da" sind gewöhnt man sich gerne um :D

Wie seht ihr das? Macht ihr das vielleicht auch so? Oder ist es gar nicht so ungewöhnlich? :kopfkratz:
Werde weiter testen und berichten!
Freue mich auf Antworten!
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horsman
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Beitrag von horsman »

@Nevado
kann es bestätigen und auch wieder nicht

ME ist es immer falsch ein starres System zu verfolgen. Deswegen find ich es falsch, wenn man sagt, der äußere Zügel bleibt immer "dran". Ebenso ist es sehr hilfreich die Zügel auch mal einzeln zu bedienen undd ann sinnvoll zusammenzuführen. Denn: wo beide Zügel wirken, wird immer auch der Kopf des Pferdes nach hinten gezogen.

Man muss flexibel sein in dem was man tut, sodass es möglichst zweckmässig ist. Dafür ist es wichtig erst mal den Zweck zu kennen. Bei den Zügeleinwirkungen kann das durchaus sehr verschieden sein: Maul lösen, stellen, beizäumen, Kontakt herstellen, Kontakt aufgeben, Kontakt suchen lasssen, Schultern führen, Schultern bewegen , "lenken" , "bremsen" ..., Druck auf Lade ausüben, Druck auf Maulwinkel ausüben etc. ... Kopf/hals senken, Kopf/hals heben etc...

Hierbei spielt insbesondere auch die nat. Schiefe eine grosse Rolle, sodass man die Handhabung ohnehin darauf abstellen muss.

Ein bleibt jedoch mE immer Fakt:
der innere Zügel stellt (nach innen), denn das kann der äußere Zügel nicht
der äußere Zügel führt die Schulter auf die gewünschte Linien und hält sie da
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Was das "nur Gradeausreiten" angeht kenne ich es auch so, auf der langen und kurzen Seite also bleibt der innere Zügel dran, der äußere darf leicht "spielen"... in der Ecke aber umgekehrt wieder.
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Traumdauterin
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Beitrag von Traumdauterin »

Was bringt mir das denn, wenn ich das Pferd "abspiele"? Vielleicht verstehe ich das falsch, aber für mich hat abspielen immer so einen negativen Beigeschmack im Sinne von nicht unbedingt planvoller Fummelei im Maul.

@Nevado: Beschreib doch mal, wann und warum genau du das einsetzt?
Frage mich nach der Poesie in der Bewegung, Schönheit, Intelligenz und Kraft und ich zeige Dir ein Pferd.
horsman
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Beitrag von horsman »

jep,
"Abspielen" wär mir als Anweisung auch zu unpräzise und artet letztlich in rumgefummel aus, weil man sonst nicht weiß, was zu tun ist.

Das a & o ist mE ohnehin erst mal die hand als "main fixe" zu organisieren und zu verstehen, dass Beizäumung nicht durch die Hand nach rückwärts entstehen wird.
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Nevado
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Beitrag von Nevado »

@Traumdauterin:
Abspielen war vielleicht das falsche Wort. Ich meinte damit eben nicht gezuppel und vibrieren sondern immer mal wieder annehmen und nachgeben, so als würde ich die maulwinkel des Pferdes massieren wollen, ganz einfach um das Kauen anzuregen damit der Kiefer und somit das Genick locker und durchlässig wird und bleibt.

@horsemän
natürlich hast du recht wenn du sagst ein starres system ohne abweichmöglichkeiten ist falsch. und klar muss man den einen zügel etwas nachgeben wenn der andre etwas mehr angenommen wird.
Ich bin ja wie gesagt auch noch am ausprobieren und testen und reinfühlen.
War halt im ersten moment so überrascht dass mir der Bub nicht mehr über die Schulter ausgebrochen ist was er so gerne tut, ich super schöne volten hinbekommen habe und er beim antraben gleich locker im rücken war..
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minou
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Beitrag von minou »

Ich bin selbst eine langjährige Schülerin von Jörg. Mann muß halt aufpassen, daß man mit der Zeit denn äußeren Zügel nicht komplett vergißt. Ich hatte anfangs ein bischen Probleme damit. Mein Pferd kam öfter aus der Balance (ich denke, weil eben der äußere Zügel fast fehlte) und wurde deswegen sehr eilig. Mit Abdrücken am leichten, äußeren Zügel wurde er wieder "eingetaktet".
Die Pferde nehmen diese Methode aber gerne an. Viele Reiter ziehen mit dem inneren Zügel doch nur den Hals kurz.
Lass dich ruhig auf Jörg ein. Er legt unheimlich viel Wert auf Losgelassenheit und Takt. Er achtet immer darauf, dass das Pferd über den Rücken geht. Lektionenschrubberei gibt es wenig. Die Basis ist wichtig!
******
Indem uns das Pferd sein Vertrauen schenkt, fordert es uns zu einer disziplinierten Reitweise auf. Charles de Kunffy
Nevado
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Beitrag von Nevado »

Danke @minou,
jetz gehts mir besser :wink:
denke nicht dass man den äußeren Zügel vergisst, man braucht ihn ja zum abwenden, in Kombi mit dem äußeren Schenkel...
auch schulterherein klappt viel besser finde ich..
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Rosana
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Beitrag von Rosana »

Sehr interessant!

Ich habe auch bei einer Hinrichs-Schülerin Unterricht, und von ihr bekomme ich situationsbedingt auch mal die Anweisung: Jetzt nur außen nachgeben und/oder jetzt innen starr dranbleiben. Ich habe die ersten Male auch gestutzt bei solchen Anweisungen, aber sie macht es nicht grundsätzlich so, sondern ganz speziell auf die jeweilige Situation abgestimmt.
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Nevado
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Beitrag von Nevado »

@Rosana
kannst du sagen in welchen Situationen bzw bei welchem "Manöver" du diese Anweisungen bekommst? Vielleicht kannst du ja beim nächsten Mal Deine Lehrerin fragen wann und und warum sie das so einsetzt?
Wäre sehr interessant, ich werde Jörg auch fragen aber es dauert leider noch ein Weilchen bis er wieder einen Kurs gibt bei uns!
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Honigkuchenpony
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Beitrag von Honigkuchenpony »

Ist das nicht auch eine Säule der Sjef Janssen Reitweise?
Alles direkt und nicht diagonal.
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Rosana
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Beitrag von Rosana »

Kann mich leider nicht mehr genau an konkrete Situationen erinnern, nur noch an meine Verblüffung in dem Moment über die Anweisung (die dann aber auch funktioniert hat).Werde aber bei der nächsten Reitstunde mal drauf achten und mir Situationen merken.
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Max1404
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Beitrag von Max1404 »

OT:
@Honigkuchenpony: die Auswirkungen dieses Prinzips der SJ-Reitweise sieht man dann auch in der Längsbiegung des Pferdes - die ist nämlich bei Pferden, die so ausgebildet worden sind, erheblich weniger vorhanden als bei klassisch ausgebildeten Pferden.
Ich möchte aber bitte die vorgenannten klassisch orientierten Lehrer nicht mit SJ in einen Topf geworfen wissen. :wink:
OT Ende.

Back to Topic: das Zauberwort heißt "halbe Paraden".
Wer das Prinzip verstanden hat und sie anwenden kann, dem beantworten sich so einige Fragen, die hier gestellt worden sind. :wink:

Nevado: das hier ist unvollständig, bzw. so wie es dasteht nicht korrekt:
Man bekommt ja immer und überall gelernt dass der äußere Zügel relativ starr bleibt und der innere stellt, Paraden gibt, etc.
Das hier habe ich mal vor längerer Zeit im Widerrist-anheben-Fred geschrieben:
Halbe und ganze Paraden sind ein komplexes Zusammenspiel der Hilfen von Hand, Sitz und Beinen. Ich denke, wir sollten diesen Begriff, wie er in der deutschen Reiterei verwendet wird, einmal deutlicher klären, denn sonst reden wir ewig aneinander vorbei. Eine Parade ist nicht vollständig mit einem Arret gleichzusetzen.

Halbe Paraden dienen zur Vorbereitung/Ankündigung einer Lektion, zur Haltungsverbesserung, zur Aktivierung des Hinterbeins zum verstärkten Untertreten unter den Schwerpunkt, zum Wechsel in eine (niedrigere) Gangart, zum Versammeln, zum Zurückholen nach Verstärkungen und auch zum Beugen der Hanken, wobei man gezielt auf jeweils ein Hinterbein einwirkt.

Klassisch-deutsch treiben die Beine das Pferd in die festgestellte Hand, unterstützt vom Sitz (Kreuzhilfe). Das Pferd holt sich so die Parade quasi selbst ab. Danach wird sofort nachgegeben.

Ich reite halbe Paraden bei meinen eigenen Pferden immer über den Sitz (Kreuzhilfe), manchmal in Verbindung mit einem kleinen Impuls an einem Zügel (meistens dem äußeren). Nur ganz selten geben die Beine einen kleinen Impuls mit, dann, wenn der Sitz die Hinterbeine nicht ausreichend unter den Schwerpunkt bringen kann. Idealerweise trenne ich (hier bin ich sehr französisch!) dabei die Einwirkung von Händen und Beinen. Z. B. eine Rückführung aus der Trabverstärkung würde ich (sofern ich sie nicht ausschließlich über das Kreuz reiten kann) nacheinander wie folgt reiten:
1. Impuls mit der Hand und dem Sitz zum aufmerksam machen, ggf. erneut beim nächsten Tritt
2. Impuls mit dem Bein, danach sofort
3. Feststellen der äußeren Hand ("durchhaltende Zügelhilfe") oder Schließen der äußeren Faust bei gleichzeitiger Kreuzhilfe (größer machen, Anspannen von Rücken- und Bauchmuskulatur, ggf. Druck mit dem Oberschenkel/Knie an den Sattel).
4. Sobald die Reaktion des Pferdes erfolgt ist, nachgeben
5. falls notwendig, nochmals leichter Impuls mit dem Bein zum Nachtreiben und zur Haltungsverbesserung.
Normalerweise sollte die Rückführung in dieser Form geschmeidig und auf der HH erfolgen. Wichtig ist dabei das Timing, das richtige Gefühl für den Moment im Bewegungsablauf, in dem die Parade am meisten nützt. In der Schwebephase im Trab nützt sie nichts, dafür jedoch im Moment der Zweibeinstütze. Im Galopp nützt sie nichts, wenn sie in der Phase, wo sich nur ein Vorderbein auf dem Boden befindet, gegeben wird, usw.

Die Abstufungen der Hilfen sind dabei so fein zu variieren, dass man je nach Intensität der Hilfengebung sehr gut zwischen halben Paraden zur Vorbereitung auf eine Lektion, zur Haltungsverbesserung oder Erreichen von mehr Kadenz, zum Versammeln, zum Rückführen nach einer Verstärkung, zum Übergang in eine niedrigere Gangart, etc. unterscheiden kann.

Die ganze Parade (z. B. Trab-Halten) reite ich (meistens) wie folgt:
1. 1-2 Tritte vor der Parade vorbereiten durch halbe Paraden (im Rhythmus mit den Trabtritten geritten, also Impuls - nachgeben - Impuls - nachgeben),
2. danach Kreuzhilfe (größer machen, dabei tiefer einsitzen) und durchhaltende Hand an beiden Zügeln, ggf. Faust in der Parade fester schließen.
3. Sobald die Reaktion erfolgt ist, Ablassen von den Hilfen, ruhiger Sitz und Schenkel, weich nachgebende Hand, Pferd ruhig stehen lassen (aber trotzdem so "wach", dass es sofort wieder antreten könnte).
Normalerweise wird diese ganze Parade auf der HH erfolgen - wenn sie richtig ausgeführt wurde. Das Halten wird nur dann gerade erfolgen und das Pferd gleichmäßig auf allen 4 Beinen stehen, wenn das Gleichgewicht des Pferdes bereits in der Vorbereitung auf die ganze Parade richtig war.

Paraden sind ein sehr komplexes Thema, denn sie bilden das Herzstück der klassischen deutschen Reiterei. Sie sind keineswegs mit den "zackigen" Paraden zur Grußaufstellung auf der Mittellinie, die man im Sport so oft sieht, gleichzusetzen. Im Sport sieht man oft nur schlechte Karikaturen einer guten Parade. Für die schönen Paraden im Sport bitte Klimke und Ahlerich anschauen! Und sie erfolgen auch nicht ständig, sondern nur dann, wenn man etwas vorbereitet oder verändern will. Auch das wird leider heutzutage oft dadurch karikiert, dass ständig gezoppelt und geklopft und "sportlich geritten" wird.
Viele Grüße
Sabine
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Ielke
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Beitrag von Ielke »

...*grübel*

neu ist das für mich nun aber auch nicht, mit dem "innen konstant bleiben und außen nachgeben", dies gehört zu den Grundsätzen die der Herr Achenbach schon vor rund 100 Jahren definiert hat und diese haben bis heute im deutschen Fahrsystem Gültigkeit.

Beim Reiten ermögliche ich dem Pferd ja auch die Dehnung der äußeren Körperseite durch Vorgeben des äußeren Zügels. Dies sind halt manchmal nur Nuancen und werden bereits durch die Drehung des Oberkörpers des Reiters eingeleitet.
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Ich denke, so ein wenig hängt es auch davon ab, ob ein RL dem Schüler noch erklären muss, wie er das Pferd an den Zügel reitet oder ob das Pferd bereits sauber ans Gebiss tritt und man nur noch marginale Verbesserungen vornehmen muss. Pauschal kann man in der Reiterei nämlich so gut wie gar nichts sagen.
Nevado, da Du neu im Forum bist, könntest Du bitte schreiben, wie weit Du und Dein Pferd reiterlich sind? Dann könnte man sicherlich noch besser auf Deine Fragen eingehen.

Zum "abspielen", da dieses Wort ja offenbar bei einigen eine leichte Allergie hervorruft: die französisch orientierten Reiter nennen es vielleicht "anklingeln, um den Unterkiefer zu lockern", bei FN-RL hört man oft "Schwämmchen ausdrücken", ich finde die Begriff "abspielen mit dem Finger" oder "Impuls geben" oder "Hand schließen" relativ passend.
NIEMALS ist damit ein unkoordiniertes Herumgefummel und Geziehe gemeint, wie hier ja unterstellt wurde. Können wir bitte diese Vorurteile mal hier fernlassen? Danke.
Viele Grüße
Sabine
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