Anlehnung und Kontakt

Rund um die klassische Reitkunst

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minou
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Beitrag von minou »

@Jen

Ich finde du solltest unbedingt mal ein Buch (Reitlehre) schreiben. Ich freue mich immer sehr über deine wirklich tollen Beiträge.
Ich kauf es ganz bestimmt:D
******
Indem uns das Pferd sein Vertrauen schenkt, fordert es uns zu einer disziplinierten Reitweise auf. Charles de Kunffy
horsman
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Beitrag von horsman »

ein guter Kontakt geht immer auch von einem lebendigen Pferdmaul aus, welches Rückmeldung gibt und einem Reiter der dies schafft zu erzeugen und zu erhalten.
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Barbara I
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Beitrag von Barbara I »

Danke für Eure Beiträge, ganz besonders Jen - Dein Beitrag hilft mir sehr weiter, echt klasse!

Eine weitere Frage:
Ich mag das Bild: Durch die Arme nach vorne ausatmen. Und damit dem Pferd minimal nachgeben. Ein Pferd das gelernt hat, von hinten nach vorne an die Hand heranzutreten wird diesem minimalen Nachgeben - was man von aussen kaum sieht - folgen.
Ist das eigentlich auch eine Art von Descente de Main? Oder meint Descente ganz speziell das völlige Aufgeben von Zügelkontakt?
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Jen
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Beitrag von Jen »

hm, Man kann sicher unterschiedlicher Auffassung über das Descente de(s) Main(s) sein, aber bei meiner ist das ein "Aussetzen der (Hand-)Hilfen", quasi die berühmte "Freiheit auf Ehrenwort", wo die Zügelanlehnung komplett aufgegeben wird und das PFerd nur über den Sitz (und Bein) geritten wird bzw. in diesem Moment eben gar nicht mehr beeinflusst wird und "selber" in der Lektion bleibt.

Dieses "durch die Arme ausatmen" ist jedoch kein Aussetzen der Hilfen. Man gibt dabei auch nicht die Anlehnung auf. Das ist ja der ganze "Witz" an der Sache, dass die Anlehnung bestehen bleibt, kein springender, durchhängender, lockerer Zügel, sondern ein elastischer Kontakt, der vielleicht für einen kurzen Moment leichter wird, aber das Pferd soll ja den Kontakt suchen und in eine Anlehnung treten. Die Anlehnung soll lebendig bleiben, deshalb dieses "Atmen". Der ganze Sitz soll ja "Atmen". Es ist eine bestimmte Art Präsenz, in völliger Losgelassenheit. Von dem her ist das für mich nicht das Gleiche.

minou, haha, das ist lieb von dir. Aber es steht doch schon alles in den gescheiten Büchern geschrieben ;)
Liebe Grüesslis, Jen
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Barbara I
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Beitrag von Barbara I »

Ok, bedeutet das weiterhin, dass ein Descente de Main nur in versammelten Lektionen möglich ist?
Z.B. im Arbeitstrab nicht, sondern da würde man stattdessen den von Dir so fantastisch beschriebenen elastischen Kontakt anstreben?

PS: ich kauf das Buch auch ;)
horsman
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Beitrag von horsman »

@Barbara
der versammlete Trab (dito Galopp) IST der "Arbeitstrab" (dito Galopp) eines Pferdes welches schon weiter in der Ausbildung fortgeschritten ist.
Und doch: zB in einem SH im versam. Trab könnte ich mir durchaus ein descente de main vorstellen - letztlich ist es ja dem (richtigen) Überstreichen nicht ganz unähnlich, vielleicht noch etwas schöner präsentiert, bzw. mit dem Ziel dessen.
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Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Ich denke, auf diesem berühmten Bild einer Trabverstärkung schweigen die Hilfen ebenfalls für einen Moment. Ich würde das Descente de Main bei weit geförderten Pferden nicht unbedingt nur für versammelnde Lektionen sehen.
http://www.trakehners-international.com ... _fanal.jpg
Viele Grüße
Sabine
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saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Barbara I hat geschrieben:Ok, bedeutet das weiterhin, dass ein Descente de Main nur in versammelten Lektionen möglich ist?
Z.B. im Arbeitstrab nicht, sondern da würde man stattdessen den von Dir so fantastisch beschriebenen elastischen Kontakt anstreben?

PS: ich kauf das Buch auch ;)
Nein Barbara, "décente de maisn" ist dann möglich, wenn das Pferd im Gleichgewicht, am Sitz und am Bein ist und sich trägt.
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amara
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Beitrag von amara »

Das Descente de Main gibt es nicht nur in den versammelnden Lektionen, selbst der Turniersport :wink: kannte früher ein Überstreichen im starken (!) Galopp über die komplette lange Seite (! das sind 60m!) - enorm! V.a. natürlich, wenn man kein davonrasendes etwas sehen will, sondern ein Pferd das sich am Ende dieser langen Seite ungefähr so unspektakulär wieder in Anlehnung bringen lässt UND versammeln lässt OHNE Pullen, Kopfstand oder Rumpelübergang.
Um so etwas reiten zu können muss man verstanden haben, wie man die Kommunikation vom Zügel wegbringt (ansonsten hätte/habe ich ja immer das Problem, dass das Suchen der Anlehnung im Moment des Descente de Main logischerweise zu einem Dehnen nach unten führt, was ich in dem Moment ja gar nicht sehen will): In diesem Ausbildungsstand hat das Pferd nämlich bereits geswitcht - es sucht seine Anlehnung dann nicht mehr nur am Zügel, sondern in erster Linie sucht es Anlehnung am Sitz des Reiters.
Insofern hat ein Pferd, das so weit ausgebildet ist, für mich nicht "keine Anlehnung" mehr - sondern es hat seine Anlehnung momentan zu 100% an den Sitz des Reiters verschoben.
Ich selbst stelle mir ab und an folgendes Bild vor, das mir hilft:
In der Remontenzeit bin ich lange Zeit damit beschäftigt, überhaupt eine gute Anlehnung am Zügel zu finden, überhaupt die Kommunikationswege zum Pferd aufzubauen. Das ist für mich sozusagen eine Zeit der "Leitungsverlegung".
Mit fortschreitender Ausbildung verlagere ich die geschaffene Anlehnung mehr und mehr auf den direkteren, aber schwerer zu lernenden Kommunikationsweg Kontakt Reiterpo-zu-Pferderücken. Damit habe ich immer noch 100% Anlehnung, aber mehr und mehr Anlehnung an meinen Sitz und immer weniger "Gespräch" über den Zügel. In Momenten der Descente de Main ist der Switch so perfekt, dass ich den Zügel nicht mehr brauche, weil 100% der Anlehnung an meinem Sitz stattfinden - unabhängig von der Lektion, Tempo und Gangart, die ich gerade reite.
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Amara: Schön beschrieben.
Max: Schönes Bild, sehe ich auch so.

Aber ich gehe auch nicht davon aus:
horsmän hat geschrieben: der versammlete Trab (dito Galopp) IST der "Arbeitstrab" (dito Galopp) eines Pferdes welches schon weiter in der Ausbildung fortgeschritten ist.
Für mich ist der AT eines weiter ausgebildeten Pferdes zwar elastischer, kadenzierter, geradegerichteter und eleganter als der einer Remonte. Aber dennoch sehe ich das Ziel der Ausbildung nicht AUSSCHLIESSLICH in der versammelten Arbeit. Um beim Trab zu bleiben: Das weiter ausgebildete Pferd ist im AT, im starken und versammelten Trab so am Sitz (s. den Beitrag von Amara), dass ich die Hilfen für einen Moment aussetzen kann. Eine einseitig auf Versammlung ausgerichtete Ausbildung kann nämlich durchaus auch Schwächen derselben kaschieren - ob ein Pferd wirklich im Gleichgewicht ist, sieht man z.B. in der Verstärkung und später im starken Trab ganz hervorragend…
„Steinbrecht ist nur schwer für den leichten Geist." (Nuno Oliveira)
Nach der SdA unterwegs :-)
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