Korrekte Stellung

Rund um die klassische Reitkunst

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padruga
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Beitrag von padruga »

Aber man sieht durchaus, dass Piaff da, sobald ein paar Meter geradeaus auf dem Hufschlag geritten, da jeweils gestellt ist
ist schwer zu sagen, da die Aufnahmen da von leicht seitlich gemacht sind, da wirkt jedes Pferd nach innen gestellt.

Nur mal so gaaanz rein hypothetisch und theoretisch: was würde der Reiterwelt bzw der deutschen Reiterwelt verloren gehen, würde das Konzept der reinen Stellung im Genick (also nicht 1. oder 2. Stellung mit Biegung) einfach aufgegeben werden? Würden die Lektionen Schenkelweichen und Vorhandwendung keinerlei Nutzen mehr haben für das Pferd, wenn man dabei die minimale, natürliche Biegung mit zulassen würde?
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

padruga hat geschrieben:Würden die Lektionen Schenkelweichen und Vorhandwendung keinerlei Nutzen mehr haben für das Pferd, wenn man dabei die minimale, natürliche Biegung mit zulassen würde?
Da kann ich mal für mein Pferd sprechen: 7jähriger, hyperflexibler Iberer mit einer unglaublichen Fähigkeit, sich in der Hals-Widerrist-Partie zu verbiegen. Für den ist Schenkelweichen ohne jede Biegung unglaublich schwer – und unglaublich wertvoll. Denn: Durch seine Hyperflexibilität fällt es dem Reiter sehr schwer, ihn stabil und gerade vor sich zu bekommen. Für den war simples SW viel wichtiger, als das SH, was wir auch erst vor kurzem dazugenommen haben. Ganz persönlich halte ich SW für eine extrem unterschätzte Übung. Klar fehlt ihm der gymnastizierende Effekt der Seitengänge. Aber für alles andere, wie diagonale Hilfengebung etc, und eben das gerade machen, halte ich diese Lektion für ausgesprochen sinnvoll. Aber halt nur, wenn man sie wirklich gerade und präzise reitet. Und gern auch auf der Diagonalen, also ohne Begrenzung durch die Bande.
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Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Nur mal so gaaanz rein hypothetisch und theoretisch: was würde der Reiterwelt bzw der deutschen Reiterwelt verloren gehen, würde das Konzept der reinen Stellung im Genick (also nicht 1. oder 2. Stellung mit Biegung) einfach aufgegeben werden?
@Padruga, ich wiederhole mich gerne zum 3. Mal: Die (Kopf-)Stellung kommt vor der Biegung und bereitet diese vor.
Reite ich also ganze Bahn und möchte dann auf eine Volte abwenden (oder weniger anspruchsvoll: es kommt eine Ecke!), dann weiß ich nicht, wie ich die Biegung komplett ohne Kopfstellung hinbekommen soll, bzw. mit komplett geradem Kopf ... Und nochmals: Abbrechen oder Abbiegen am Punkt zwischen Schulter und Hals ist keine Biegung! Der Hals muss an der Schulter festgestellt sein.
Viele Grüße
Sabine
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padruga
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Beitrag von padruga »

Cubano, ich weiß schon was du meinst, und bin da auch deiner Meinung. Ich spreche aber auch nur von einer leichten Biegung, die eben genau dem Ausmaß der Kopfstellung entspricht. Ich bin mir außerdem nicht wirklich sicher ob das stimmt, dass beim Schenkelweichen tatsächlich -wie gefordert- keinerlei Biegung entsteht, aber das ist ein anderes Thema.

Max1404, musst dich nicht wiederholen, ich habe es ja gelesen, überzeugt mich aber nicht wirklich: Es gibt Leute die reiten die lange Seite entlang mit Innenstellung, und andere mit völlig gerade gestellten Pferden. Und beide können gleich elegant in die Wendung biegen. Als MUSS als Vorbereitung kann ich es nicht sehen.
Und nochmals: Abbrechen oder Abbiegen am Punkt zwischen Schulter und Hals ist keine Biegung! Der Hals muss an der Schulter festgestellt sein.
Da bin ich allerdings völlig deiner Meinung.
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

padruga hat geschrieben: Es gibt Leute die reiten die lange Seite entlang mit Innenstellung, und andere mit völlig gerade gestellten Pferden. Und beide können gleich elegant in die Wendung biegen. Als MUSS als Vorbereitung kann ich es nicht sehen.
Aber Du hast doch gefragt, ob man auf die Kopfstellung vollständig verzichten kann, so jedenfalls habe ich diese Frage verstanden:
würde das Konzept der reinen Stellung im Genick (...) einfach aufgegeben werden?
Und da habe ich gesagt, dass das nicht geht, weil keine korrekte Biegung und auch keine korrekten Seitengänge ohne die Stellung im Genick geritten werden können.

Wenn Du jetzt aber sagst, ich nehme keine Innenstellung beim ganze-Bahn-reiten und gebe 1-2 Tritte vor der Wendung und in der Wendung eine Stellung, dann ist das eine andere Sache. Auf der Diagonale wird ja in Schritt und Trab auch ohne Stellung geritten, und irgendwann muss man ja dann auch wieder in die Wendung (mit Stellung+Biegung). Im Galopp wird auf der Diagonalen mit leichter Kopfstellung geritten, kurz vor dem Wechsel wird geradegestellt, und mit dem Wechsel dann die neue Stellung gegeben.

Aber wenn Du immer ganze Bahn völlig geradestellst, dann beraubst Du Dich damit auch der Möglichkeiten des Reitens in Konterstellung, und auch das hat geraderichtende Effekte.
Viele Grüße
Sabine
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Paula

Beitrag von Paula »

Max, padruga ,kann es sein dass ihr nur aneinandervorbeischreibt?
Also ich kann Max folgen.
Cubano hat geschrieben:
Max1404 hat geschrieben:Nun denn, wenn Herr Lörke nicht klassisch war (dann war es Stensbeck ganz bestimmt auch nicht :wink: ) und K.A. von Ziegner ebenfalls nicht klassisch ist, Dr. Klimke und Herr Neckermann vermutlich auch nicht klassisch waren und mein alter RL trotz Lehre bei einem Kavallerierittmeister auch nicht, dann gebe ich offen zu, dass ich auch nicht klassisch bin.
Mich anschließe. Dann bin ich auch nicht klassisch. Keineswegs sozusagen. :D
nun bin ich im Bilde,ich werde dich bei Gelegenheit daran erinnern...äh,gilt das auch für deinen aktuellen Reitlehrer?

Nochmal festhalten will, es muss niemand nach der klassisch deutschen Reitweise ausbilden oder reiten. Aber ich finde es historisch wichtig ,dass man das Wissen darum erhält. Wer also wissen will was es damit auf sich hat, der kann sich das Buch " Die Klassische Reitlehre in der Praxis gemäß H.Dv.12 " zulegen und darin schmöckern.Die Autorin beantwortet übrigens auch Fragen zum Buch, das ist der große Vorteil , im Gegensatz zu den Büchern der großen Klassikern ,deren Autoren längst verstorben sind.
Unter Klassik verstand Neindorff: wenn sich Natur( die Natur des Pferdes berücksichtigen) und Kunst ( die Art und Weise wie man es ausführt)zu einer Einheit verbinden, seine Grundlage war auch die HDv12.
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Paula hat geschrieben:Max, padruga ,kann es sein dass ihr nur aneinandervorbeischreibt?
Also ich kann Max folgen.
Cubano hat geschrieben:
Max1404 hat geschrieben:Nun denn, wenn Herr Lörke nicht klassisch war (dann war es Stensbeck ganz bestimmt auch nicht :wink: ) und K.A. von Ziegner ebenfalls nicht klassisch ist, Dr. Klimke und Herr Neckermann vermutlich auch nicht klassisch waren und mein alter RL trotz Lehre bei einem Kavallerierittmeister auch nicht, dann gebe ich offen zu, dass ich auch nicht klassisch bin.
Mich anschließe. Dann bin ich auch nicht klassisch. Keineswegs sozusagen. :D
nun bin ich im Bilde,ich werde dich bei Gelegenheit daran erinnern...äh,gilt das auch für deinen aktuellen Reitlehrer?
Spar die persönlichen Sticheleien, Sigrun – ich habe keine Lust mehr, darauf einzugehen.
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Beitrag von padruga »

O, max1404, da haben wir tatsächlich aneinander vorbei geredet. Das habe ich schlecht ausgedrückt. Mit "reiner" Stellung meinte ich nur die auf der völligen Geraden, ohne jede Biegung im Körper.
Und da habe ich gesagt, dass das nicht geht, weil keine korrekte Biegung und auch keine korrekten Seitengänge ohne die Stellung im Genick geritten werden können.
das sehe ich natürlich auch so. Was ich meinte ist eher diese mir oft künstlich erscheinende Trennung in Biegung und und Stellung (ich meine hier nicht die 1. und 2. Stellung), also nur das Stellendes Kopfes ohne sonst irgendwas.
Aber wenn Du immer ganze Bahn völlig geradestellst, dann beraubst Du Dich damit auch der Möglichkeiten des Reitens in Konterstellung, und auch das hat geraderichtende Effekte.
Jein, denn definitinsgemäß wäre bei reiner Stellung ohne jegliche Biegung eine Konterstellung auch nicht so effektiv, da sie ja hinterm Genick enden würde und nur wenig Wirkung auf die Schulter hätte. Finde aber dein Beispiel mit der Konterstellung zur Geraderichtung ganz gut. Nur Konterstellung bringt da meistens wenig, sondern dazu nötig ist doch auch immer eine minimale ("Gerade-") Biegung des Halses (mindestens bis zum Widerrist und stückchenweise weiter), anders hat man doch recht wenig Einfluss auf eine Veränderung des Gleichgewichts und eine einseitigen Schulterlastigkeit. Verstehst du was ich meine?
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

@Padruga: Hmm, das sehe ich ein wenig anders. Die Hinterhand ist anatomisch gesehen immer breiter als die Vorhand. (Quasi wie ein langgezogenes Dreieck, dessen Spitze der Kopf bildet, und dessen Basis beide Hinterbeine bilden.)

(Das nachfolgende gilt nicht für junge Remonten:)
Ich richte die Vorderbeine (oder die Schulter) auf die (breiter tretenden) Hinterbeine aus, wenn ich ganze Bahn reite. Also tritt das innere Hinterbein und das innere Vorderbein auf einer Linie (schön zu sehen, wenn man auf einen Spiegel am Ende der langen Seite zureitet). Und dann gebe ich /oder es ergibt sich durch das Ausrichten der Beine aufeinander eine minimale Innenstellung (Führung am äußeren Zügel). Das ist noch keine Biegung. Eher könnte man es vielleicht als eine Art Vorstufe zum Schulter-Vor bezeichnen (SV hat erstmals eine Biegung).

Wenn ich nun in Konterstellung reite, muss ich auch hier die Vorderbeine auf die Hinterbeine ausrichten, d. h., das Hinterbein und das Vorderbein an der Bande befinden sich auf einer Linie. Insofern hat das schon einen geraderichtenden Effekt.

Wenn ich durch die Diagonale reite, mache ich das im Galopp genau so wie oben beschrieben; im Trab und Schritt halte ich das Pferd völlig gerade und richte nicht ein Vorderbein auf ein Hinterbein aus. Es ergibt sich quasi das "natürliche Dreieck", das ich oben erwähnt habe. So machst Du das auch vermutlich, wenn Du ganze Bahn reitest und dabei völlig gerade bleibst.

Sorry, klingt wahrscheinlich völlig verwirrend, mit Zeichnungen ist das Ganze total einfach zu erklären. :wink:
Viele Grüße
Sabine
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Phanja

Beitrag von Phanja »

@Max
Vermutlich meinen wir die ganze Zeit das Gleiche und definieren Biegung nur unterschiedlich. Wenn ich vorgehe, wie du es beschreibst, verkürzt sich der Abstand zwischen Unterkiefer und innerer Hüfte. Das ist für mich bereits eine Biegung - okay - eine sehr, sehr geringe, aber sie ist da.
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

@Phanja, für mich ist das eben noch keine Biegung im reiterlichen Sinne. Die fängt erst bei Schultervor an (oder eben auf gebogenen Linien). Biomechanisch - vielleicht, möglich, äußerst geringradig und somit für mich zu vernachlässigen.
Aber ganz ehrlich: mich verwirrt es total, wenn Du beim Reiten ganze Bahn (mit oder ohne Kopfstellung, aber geradegerichtet) von Biegung sprichst? :wink:

Mir ist vorhin beim Reiten noch eingefallen, wie man vielleicht etwas praktischer erklären könnte, was ich mit dem Ausrichten der Vorderbeine auf die Hinterbeine meine: es hat doch sicherlich schon jeder mal auf einem Pferd gesessen, das ein wenig mit der Schulter gegen die Bande drängelt und Stütze an der Bande sucht. Hier muss der äußere Zügel zu Einsatz kommen, damit die Schulter wieder etwas mehr nach innen geführt wird. Und da sind wir dann ansatzweise genau da, wo ich hin will.
Viele Grüße
Sabine
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Phanja

Beitrag von Phanja »

@Max
Ich kann da nur aus meiner Erfahrung sprechen, aber wenn ich z.B. durch die ganze Bahn wechsle, gehe ich durchaus bis X mit der ursprünglichen Biegung und wechsle bei X auf die neue Seite. Ich weiß, dass das eigentlich so nicht gedacht ist, es wird aber in der akademischen Reitkunst so geritten, und - macht auch Sinn. Das Ganze trägt in dem Moment den etwas widersprüchlichen Namen "gerade gebogen".

Deshalb redeten wir aneinander vorbei. Man spricht da nicht von deutlicher Biegung, sondern eben einer minimalen Verkürzung von Unterkiefer und Hüfte auf der jeweiligen Seite.
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

@Phanja, das ist ja genau das, was man im Galopp auf der Diagonale macht - allerdings findet der Wechsel der Stellung zum Zeitpunkt des Wechsels statt, und der muss nicht zwingend bei X liegen.
OK, Du machst das also auch in Schritt und Trab. Klar, kann man machen, und das kann durchaus auch manchmal sinnvoll sein, finde ich - kann man ja auch auf der Mittellinie machen.
Aber: Wie reitest Du eine Trabverstärkung durch die Diagonale (oder auf der Mittellinie)? Vermutlich hältst Du Dein Pferd dabei auch völlig gerade, oder?

Im Buch von Branderup, das ich bereits erwähnt habe, unterscheidet er jedoch auch deutlich zwischen "geradegerichtet durch Biegung" - wie Du es beschreibst - und "Geradegerichtet mit Stellung" - wie ich es beschreibe. Es existieren Unterschiede, wenn auch sehr marginale. Ach ja, und er beschreibst auch "Gerade Geradegerichtet" - eben ganz gerade, ohne Stellung, ohne Biegung.

Ein anderers praktisches Beispiel: ich habe noch die "alten" Schlangenlinien durch die Bahn gelernt - die reite ich noch immer gerne, weil sie sehr geschmeidig machen.
Die "neuen" Schlangenlinien erfordern einige Meter geradeaus, bevor es in die neue Biegung geht. Dieses Umstellen von gebogen auf gerade und wieder gebogen ist durchaus anspruchsvoll (wenn man es richtig macht).

Ich denke, alles hat seine Berechtigung, aber ich finde, der Wechsel zwischen dem Reiten ganze Bahn (mit Kopfstellung, Beine aufeinander ausgerichtet) und dem völlig geradem Reiten (wie auf der Diagonale) hat durchaus auch was für sich. :wink:
Viele Grüße
Sabine
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Paula hat geschrieben:Nochmal festhalten will, es muss niemand nach der klassisch deutschen Reitweise ausbilden oder reiten. Aber ich finde es historisch wichtig ,dass man das Wissen darum erhält. .
OT:
wäre ja schön blöd, wenn es so wichtig ist, aber niemand danach ausbildet oder reitet, sondern das ganze nur theoretisch erhalten bleibt. 8)

Sonst kann ich Max zustimmen, mich hat auch irritiert auf der Geraden von Biegung zu sprechen, finde die letzten Posts diesbezüglich sehr hilfreich.
Gast

Beitrag von Gast »

Paula hat geschrieben:Nochmal festhalten will, es muss niemand nach der klassisch deutschen Reitweise ausbilden oder reiten.
Aber man darf, wenn man möchte, oder? Es würde mich echt hart treffen, hätte ich mich all die Jahre mit einem Fuss in der Illegalität bewegt ..
Es ist schon hart genug, Stellung zu benutzen und jetzt zu erfahren, dass die kein Aas braucht.

Wie auch immer, den Hinweis auf die historische Bedeutsamkeit find ich sehr erhellend. Vor allem, wenn man die Zeitspanne bis heute bedenkt.
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