guckiges Pferd vernünftig arbeiten

Rund um die klassische Reitkunst

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Max1404
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Beitrag von Max1404 »

@Jen: ich glaube, ich weiß was Du meinst. Dein Pferd ist vermutlich der Typ, der, einmal hochgezogen, kaum wieder auf den Teppich zu bekommen ist, oder?
Rocki ist nochmal anders, er ist der Typ, der nach außen völlig cool wirkt, aber in seinem Inneren brodelt es - so lange, bis es zum plötzlichen Ausbruch kommt. Manchen Außenstehenden erscheint er völlig unberechenbar. Ich kann viele Vulkanausbrüche dadurch vermeiden, dass ich ihn sehr gut kenne und früh genug "Gegenmaßnahmen" ergreife, wie z. B. eine kleine Runde Schritt reiten oder früh genug abwenden, damit er wieder "runter kommt". Ich mache dann alles so, dass er glaubt, es liegt genau in meiner Absicht, das zu tun, das heißt, aus seiner Sicht behalte ich immer die Oberhand. Auch wenn es aus Menschensicht Kompromisse sind und ich eigentlich nur auf ihn vorausschauend reagiere. Schwer zu erklären, aber es funktioniert. Rocki lässt sich mittlerweile sehr gut anpacken, das allerdings ist die Vertrauens-Arbeit von vielen Jahren, und ich muss noch immer vorsichtig damit umgehen und für genügend "Freizeit" oder Freiraum sorgen, damit er motiviert bleibt.

Micardo lasse ich z. B. 1x einen total unheimlichen Wasserfleck an der Bande beschnubbern, dann lasse ich noch 2x einen gereckten Hals, einen Meter Abstand und ein hysterisches Gepruste zu (wobei ich die Hilfen schon verstärke), und wenn er es dann wieder machen will, werde ich ziemlich deutlich: "hör auf mit dem Unsinn, es reicht jetzt mit dem Theater". Das wirkt dann. :lol:

So unterschiedlich sind sie. :wink:
Viele Grüße
Sabine
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Jen
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Beitrag von Jen »

jaja, mit der Zeit kennt man seine Pappenheimer, nech 8) Deshalb gibt es keine allgemeingültigen Rezepte, die ausschliesslich für alle Pferde gelten. Aber man ist ja flexibel im Geiste :P
Liebe Grüesslis, Jen
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Max1404 hat geschrieben:@Finchen: Es geht alles nur über Vertrauensarbeit, und das dauert.
Vertrauen ja, aber dauern muss das nicht! Da ist aber gescheite Vorarbeit am Boden erforderlich, und wenn dem Pferd klar ist, dass es mir buchstäblich blind vertrauen kann, ist es auch von oben nur noch ein kleiner Schritt.
Aber so viele Menschen meinen ihr Pferd im Griff zu haben, das Pferd vertraue ihnen, aber in schwierigen Situationen entscheidet sich das Pferd doch nicht sich anzuschließen. :wink:
Das ist natürlich wichtig um auch in Reitsituationen dem Pferd einerseits entspannt den Raum geben zu können, sich ein vermeintliches Ungeheuer anzusehen, andererseits aber auch klarmachen zu können, dass da def. nichts dramatisches ist. Das muss einem das Pferd glauben, das tun leider die wenigsten Pferde den Besitzern - und die wenigsten Besitzer sind selber in so einer Situation wirklich nicht aufgeregt. Wichtig immer: man muss auch wirklich meinen was man sagt - hilft nix energisch dem Pferd eine Ansage zu machen, wenn man innerlich Stoßgebete zum Himmel schickt, dass das Pferd jetzt keine Faxen macht. Die Energie spielt eine weit größere Rolle, als vielfach angenommen wird.

Oh, noch was vergessen:
was die Reaktion bei vermeintlich aufregenden Dingen angeht kann es extrem hilfreich sein Pferden wirklich ganz detailliert anzutrainieren, dass sie IMMER hingehen und anschauen. Das Pferd ist ein Fluchttier und den Fluchtreflex können wir nicht ganz ausschalten, aber wir können Pferden mehr Selbstsicherheit geben die sie veranlaßt sich unheimliche Dinge anzusehen um dann beurteilen zu können, ob Flucht erforderlich ist. Das ist auch im Gelände unheimlich erleichternd.

Naja, außer dass meine Vollbutstute mitunter beim rumdödeln am langen Zügel plötzlich den Weg verließ um sich mal eben anzuschauen, was da 2 m weiter im Wald rumlag. :roll: Aber mir ist es so allemal lieber als wenn Pferd für sowas immer einen Hüpfer zur Seite macht. Das Kommando "geh gucken" oder "schau´s dir an" ist fest installiert und sehr nützlich.
Zuletzt geändert von Finchen am So, 08. Jan 2012 18:54, insgesamt 1-mal geändert.
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Jen
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Beitrag von Jen »

Finchen, das stimmt leider in dieser Absolutheit so nicht. Es gibt viele Pferde, die wirklich problemlos vom Boden sind und unter dem Sattel ganz anders. Es ist einfach nicht das Gleiche. Natürlich kann man vom Boden viel erarbeiten. Aber nicht alles.
Liebe Grüesslis, Jen
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Jen hat geschrieben:Finchen, das stimmt leider in dieser Absolutheit so nicht. Es gibt viele Pferde, die wirklich problemlos vom Boden sind und unter dem Sattel ganz anders. Es ist einfach nicht das Gleiche. Natürlich kann man vom Boden viel erarbeiten. Aber nicht alles.
Es ist noch mal ein weiterer Schritt klar, aber viel öfter sind die Leute als Reiter nicht genauso wie als Führ-Person. :wink: Wenn die Pferde genug Selbstsicherheit haben, nicht flüchten zu müssen, tun sie es irgendwann nicht mehr. Man muss sie diesbezüglich stärken - hatte ich grade noch im Beitrag ergänzt, das geht nicht von alleine weg, klar.

Absolut kann ich es zumindest für die "Problempferde" sagen, für die ich bisher gerufen wurde. Und immer bekomme ich vorher von den Leuten gesagt "doooch, der/die vertraut mir schon am Boden" ... was dann leider doch nicht so ist... oder "ich bleibe ja ganz entspannt" - und ich kann sehen wie die Atmung aussetzt, wenn die Pferde an einer Schreck-Ecke etwas guckig werden... :)
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Jen
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Beitrag von Jen »

Wenn die Reiter wirklich ganz klar Defizite haben, dann stimm ich dir zu, Finchen. Aber ich kenne wirklich mehrere Pferde, die auch unter ihren sehr guten! Reitern trotzdem sehr schreckhaft sind. Diese ständige Schreckbereitschaft ist irgendwie anders, als bei Pferden, die einfach unaufmerksam sind oder wo der Reiter ganz klare Mankos hat.
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Beitrag von Finchen »

Jen hat geschrieben:Wenn die Reiter wirklich ganz klar Defizite haben, dann stimm ich dir zu, Finchen. Aber ich kenne wirklich mehrere Pferde, die auch unter ihren sehr guten! Reitern trotzdem sehr schreckhaft sind. Diese ständige Schreckbereitschaft ist irgendwie anders, als bei Pferden, die einfach unaufmerksam sind oder wo der Reiter ganz klare Mankos hat.
Oh ja, klar bringen unterschiedliche Pferde unterschiedliche Charaktere mit... aber man kann dran arbeiten, die noch so hüpfigen und sensiblen Hühs können lernen ERST Gefahr abzuchecken, ehe die die Beine in die Hand nehmen... es ist nur viel Arbeit nötig, die Erfahrung zeigt, dass sehr viele Reiter keinen ausreichenden Atem dafür haben - oder keine Lust auf das Drumherum, viele wollen "einfach reiten".
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Beitrag von gimlinchen »

mir ist das zu einfach.

mich würde interessieren, ob bekannt ist, dass das pferd mal irgendwelche komischen erfahrungen inder halle gemacht hat? was denkst du, minou, was dahinter stecken könnte?

klingt ja nach einer sondersituation für dieses pferd.
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Beitrag von Max1404 »

@Finchen: Ich schließe mich Jens Meinung an.
In den meisten Fällen liegt es vermutlich an der Unaufmerksamkeit des Pferdes oder der Unzulänglichkeit des Reiters.
Es gibt aber auch die anderen, deren Nerven am Seidenfaden hängen und die übersensibel sind. Das kann man nur in dem Maße in den Griff bekommen, wie ich es schon beschrieben habe, nämlich die Reaktion während des Schrecks minimieren und das Pferd nach dem Schreck so schnell wie möglich wieder losgelassen bekommen.

@Gimlinchen: es muss nicht immer ein wirklicher Auslöser als Grund vorliegen. Theoretisch können auf einer Tribüne z. B. immer wechselnde Zustände herrschen (Decken, Jacken über der Bande, Leute die dort sitzen, ganz besonders schlimm ist es, wenn sie in der nächsten Runde plötzlich weg sind :lol: , Leute, die sich mit Schwung eine Jacke überziehen oder beim Reden mit den Armen gestikulieren, der Klick vom Feuerzeug etc.) oder hinter einer Wand, wenn Büsche gegen die Wand kratzen, eine Maus scharrt, ein Pferd auf der Koppel daneben plötzlich losläuft, etc. etc.). Manchmal ist das Umfeld zu ruhig, so dass auf jedes kleinste Geräusch geachtet wird, manchmal ist das Umfeld zu hektisch, so dass das Pferd sich von der Hektik anstecken lässt. Es gibt so viele Gründe, warum ein wirklich sensibles, schreckhaftes Pferd immer in einer bestimmten Ecke scheut, und nicht alle können wir verstehen ...
Viele Grüße
Sabine
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gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

das meine ich, max. so, wie ichs verstanden h abe, hat er halt irgendeinen grund - nur kapieren wir den nicht.

das ist halt eine andere denke als: "da muss nur ordentliche bodenarbeit her" - das ist mir bisweilen zu einfach
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Max1404 hat geschrieben:@Finchen: Ich schließe mich Jens Meinung an.
In den meisten Fällen liegt es vermutlich an der Unaufmerksamkeit des Pferdes oder der Unzulänglichkeit des Reiters.
Es gibt aber auch die anderen, deren Nerven am Seidenfaden hängen und die übersensibel sind. Das kann man nur in dem Maße in den Griff bekommen, wie ich es schon beschrieben habe, nämlich die Reaktion während des Schrecks minimieren und das Pferd nach dem Schreck so schnell wie möglich wieder losgelassen bekommen.
..
Absolut, aber grade für solche ist es umso wichtiger, dass man nach und nach erarbeitet, dass sich so fürchterlich grausame und schreckliche Dinge dann "angeschaut" werden, damit die Pferde mehr und mehr Selbstsicherheit bekommen.

Wie Oliver Hilberger glaube ich im Buch sagt, dass gute Handarbeit die Pferde stärkt und sich das auch im Sozialgefüge auswirken kann, so ist es auch mit einer solchen Arbeit am Umgang mit Schreckensmomenten, die Stärkung des Selbstbewußtseins bedeutet.
minou
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Beitrag von minou »

Ich kann mich nicht an eine schlechte Erfahrung erinnern. In der Ecke ist unsere Aufsteighilfe (beim Aufsteigen steht er dort am langen Zügel wie eine alte Kuh). Dann stehn dort noch Pylonen, Stangen, Bälle und Planen.
Natürlich wuseln dort immer wieder die ollen Katzen rum, aber all das hat ihn vorher nie gestört.
An der Longe oder bei Freilaufen geht er spannig, aber oft auch sehr locker vorbei. Wenn ich ihn dort anhalte hat er manchmal richtiges Herzrasen, also schon richtig Angst.
Heute hab ich ihn wieder richtig durchgedrückt, da quitschte er und machte einen Bocksprung. Das war mal was Neues. Was für ein Affe :D .

@Jen
Pferd ist da eher wie der von Max1404. Vorwärts mit Luft vorne klappt deutlich besser. Aber nur mit Pylonengasse. Ansonsten springt er fast immer weg, auch wenn ich die Ecke deutlich abkürze schielt er immer rüber.
@Yvonne
Das Magnesiumzeugs plus Bachblüten bekommter er auch seit ein paar Tagen. Er wird auch ruhiger.
@Max1404
Zu mir sagen Zuschauer auch immer: Was hast du denn, der geht doch so schön. Die erkennen das ganze Management gar nicht was ich betreibe.

Trotzalledem muß ich immer wieder feststellen, wenn ich es schaffe richtig cool zu sein, klappt es deutlich besser. Vielleicht bin ich auch nur viel zu nett zu Herrn Pferd. Der gequitschte Bocksprung war heute schon dreist und hat mir zu denken gegeben.
Ich berichte weiter und vielen Dank für eure Anregungen.
Und was mir unheimlich gut tut: Ich bin nicht die Einzige die so einen Kasper unterm Hintern hat!!!!
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Beitrag von gimlinchen »

absolut. mein kasper kann sowas auch... :lol:

viel erfolg und berichte mal weiter, wenns du magst
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Beitrag von minou »

Bei uns im Stall und in der Halle ist es sehr ruhig. Ich bin meistens ganz allein auf der Anlage. Da hört Herr Wallach jedes Geräusch.
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Beitrag von Max1404 »

Minou, mach das Radio an, das hilft! :D
Viele Grüße
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