Stärkung der "hohlen" Seite

Rund um die klassische Reitkunst

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ottilie
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Stärkung der "hohlen" Seite

Beitrag von ottilie »

Hier kam eine Nebendiskussion auf, die aber auch sehr interessant zu werden verspricht, daher ein neues Thema :D

Ich zitiere mal den Ursprung (dort im Zusammenhang mit SH):
horsmän hat geschrieben:Sinn kann es machen, etwas mehr Halsbiegung auf der hohlen Seite zu nehmen, ohne natürlich in den Fehler zu fallen, die Schultern nicht mehr kontrollieren zu können
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Gast

Beitrag von Gast »

Moin

Nö, das macht keinen Sinn.

Warum nicht?

Wie man weiß, wirkt jeder Zügel am Pferd auf die Schulter und aufs Hinterbein der gleichen Seite. Mehr seitliche Halsabstellung, auch mit "nur" seitwärtsweisendem Zügel, interpretiert das Pferd, nee, genauer das Hinterbein erstmal als Bremse. Aus seiner Sicht ist das völlig normal, auf der hohlen Seite gleich zweimal.
Warum?
Wie man weiß, hat das Pferd hohlseitig das schwächere Hinterbein und das stärkere Vorderbein. Bei stärkerer Halsverbiegung geschieht hohlseitig in Schulter und Hinterbein folgendes: das schwache Hinterbein hat durch das gefühlte Ausbremsen des hohlseitigen Zügels NOCH weniger Veranlassung nach vorne und unter den Schwerpunkt zu treten, als es ohnehin hat. Warum sollte es auch, hat es doch nun ein "Alibi", es erst recht nicht zu tun. Es wär ja auch blöd.
Das starke hohlseitige Vorderbein seinerseits kann durch die frei gemachte Schulter noch mehr über das das schwache Vorderbein der gedehnten Seite hinwegschieben, was es auch bereitwillig tut. Und man kann zwangseitig gar nicht so hinfassen, wie man müsste, um das zwangseitige starke Hinterbein daran zu hindern, nach aussen zu treten.
Gut, man kann nun die Vorhand ein bisschen in die Bahn holen, bis man das Gefühl eines Seitenganges hat. Unglücklicherweise interessiert das das Pferd aber nicht.
Zu Recht.

Sinnvoll wäre, dem starken Vorderbein nach vorne Raum zu geben und das schwache Hinterbein (beides hohlseitig) anrege nach vorne zu treten und die gesamte Seite dem Reiter in die Hand zu befördern, richtig, indem ich so wenig wie möglich am Hals herum manipuliere. DANN nämlich dehnt sich zunehmend die hohle Seite, der schwache Halsmuskel kräftigt sich und der starke, festgehaltene Halsmuskel der Zwangsseite kann Urlaub machen und sich dadurch zurückbilden und normalisieren. Ganz nebenbei wird dadurch das schwache HB kräftiger, das starke HB in seine Schranken verwiesen und mit noch ein paar durchdachten "Features" wird das Pferd dann sogar gerade.
Jolly
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Beitrag von Jolly »

sabrell, jetzt fällt mir wieder ein, worüber ich vor kurzem gestolpert bin:
warum ist das hohlseitige Hinterbein das schwache Bein, bzw. wie definierst du schwach? Dem Bein fällt es doch leichter zu beugen und schwerer zu schieben, beim Menschen gilt gemeinhin das Sprungbein, also das Bein, welches besser beugen kann, als das Stärkere. Nach meiner Erfahrung fällt es den meisten Pferden leichter, wenn sie das Reitergewicht beim Leichttraben auf dem Bein der hohlen Seite haben :kopfkratz:
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

sabrell hat geschrieben: Bei stärkerer Halsverbiegung geschieht hohlseitig in Schulter und Hinterbein folgendes: das schwache Hinterbein hat durch das gefühlte Ausbremsen des hohlseitigen Zügels NOCH weniger Veranlassung nach vorne und unter den Schwerpunkt zu treten, als es ohnehin hat. .
Das setzt einen aktiven Zügel/ein bewußtes stärkeres Biegen des Halses doch voraus, oder? Ich habe das horseman-Zitat anders verstanden, eher so dass man die sich eher anbietende Mehr-Biegung ruhig belassen, annehmen soll.

Horseman - bitte aufklären! :wink:
Gast

Beitrag von Gast »

Jolly hat geschrieben: warum ist das hohlseitige Hinterbein das schwache Bein, bzw. wie definierst du schwach?
Keine Ahnung, wieso das so ist. Als die Evolution sich das ausgedacht hat, gab es mich noch nicht.
Und meine Definition von schwach ist: muskulär weniger kräftig.

Jolly hat geschrieben: Nach meiner Erfahrung fällt es den meisten Pferden leichter, wenn sie das Reitergewicht beim Leichttraben auf dem Bein der hohlen Seite haben :kopfkratz:
Logisch. Wenn Du auf das HB der hohlen Seite sitzt, ist das zwangsseitige Bein in der Schubphase und es tut das, was es am besten kann - abdrücken wie blöd.
Das hohlseitige Bein kriegt in dem Augenblick Gewicht und geht mit diesem Gewicht um, so gut es kann. Schwach eben.
Jolly
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Beitrag von Jolly »

Also ist es dann, deiner Meinung nach, genau anders herum, als beim Menschen? Dort gilt das Standbein (das Bein, was leichter beugen kann) als das Stärkere, weil es dem Körper mehr Stabilität geben kann. Das Sprungbein kann besser abdrücken, gilt aber als das schwächere ...
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Alkasar
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Beitrag von Alkasar »

sabrell hat geschrieben: Logisch. Wenn Du auf das HB der hohlen Seite sitzt, ist das zwangsseitige Bein in der Schubphase und es tut das, was es am besten kann - abdrücken wie blöd.
Das hohlseitige Bein kriegt in dem Augenblick Gewicht und geht mit diesem Gewicht um, so gut es kann. Schwach eben.
*grübel*
Wenn ich auf dem hohlen Bein trabe, dann sitze ich doch auf diesem Bein in der Stemmphase und das der Zwangsseite schwingt in dem Moment vor. Dann ist das zwangsseitige HB aber doch nicht in der Schubphase, nicht in der Phase des Abdrückens, oder hab ich jetzt einen Knoten im Kopf?
„Wer nur zu seiner Freude reitet, aus Freude am Leben, aus Freude an Flur und Wald, aus Freude am Pferd, der ist ein König und ein Weiser.“ (aus: Vollendete Reitkunst, Udo Bürger, 1959)
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

sabrell hat geschrieben:Wie man weiß, hat das Pferd hohlseitig das schwächere Hinterbein und das stärkere Vorderbein. Bei stärkerer Halsverbiegung geschieht hohlseitig in Schulter und Hinterbein folgendes:
...
Das starke hohlseitige Vorderbein seinerseits kann durch die frei gemachte Schulter noch mehr über das das schwache Vorderbein der gedehnten Seite hinwegschieben
*grübel*
Wenn wir von starker Stellung auf der hohlen Seite ausgehen ist die Schulter der hohlen Seite doch nicht freigemacht sondern "versperrt" und die Schulter der Zwangsseite ist frei, oder hab ich jetzt einen Knoten im Kopf?
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Celia
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Beitrag von Celia »

Tja, das ist schwierig, aber meine Erfahrung ist auch, dass die hohle Seite das schwache HB hat, es nimmt in der Wendung zwar Gewicht auf, aber nicht genug, weswegen das Pferd auf der Hand dann schnell auf die Vorhand fällt, die jawoll, sehr kräftig ist, oder aber schneller kaputt geht ':?'
Allerdings habe ich die Erfahrung, dass mich meine Pferde beim Leichttraben immer auf die Seite setzen, die das schwache HB entlastet. Also wenn rechts hohl, dann rechts leichttraben, so dass ich mit dem rechten HB gemeinsam aufstehe. Somit muss das Pferd dann hinten rechts etwas weniger Kraft aufwenden, um voran zu kommen, da mein Gewicht kurz "verschwindet". Ich entlaste damit das, was dem schwachen HB besonders schwer fällt, der Schub.
Ich hab auch gelernt, dass ein Stellen des Pferdes die gleichseitige Schulter frei macht, also Stellung nach Rechts, hilft der rechten Schulter.
Wobei Stellung dann natürlich nicht ein "sehr eng machen" beinhalten soll. Vielleicht eher eine Stellung, die zum VA motiviert, mit Raum nach vorn.
Die Frage nach stark und schwach hat wohl auch den Hintergrund, dass die Pferde dann ja ohnehin durch die leichte Schiefe des Körpers ständig mehr Gewicht auf die starke Seite schieben, also auch im Stand immer den Bauch etwas nach links rausdrücken, wenn rechts hohl ist.
horsman
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Beitrag von horsman »

na dann will ich mal kurz was dazu schreiben, sage aber gleich vorweg, dass man es wie immer beim reiten auch richtig erfühlen und ausführen muss, insofern erklärt man das am besten vor Ort.

Ich bin d´accord mit Sabrells letztem Absatz, indem er sagt, dass das Pferd auf der hohlen Seite in die Hand kommen muss, indem es sich längt/dehnt und deshalb ein treiben des Hinterbeins der hohlen Seite angezeigt ist.

Das Problem, wenn das Pferd den Zügelkontakt auf der hohlen Seite nicht gut an nehmen will, hat zwei Auswirkungen:

1. der Zügel der hohlen Seite ist eher sehr locker, weil das Pferd sich gerne von alleine nach dieser Seite stellt um dem Zügel auszuweichen, ohne aber Anlehnung zu haben => wird oft mit falscher Leichtheit verwechselt und als angenehm befunden.

2. der Zügelkontakt der anderen (konvexen) Seite wird als fest empfunden und oft wird hiermit das Pferd etwas zwanghaft gerade im Hals gehalten um das selbstständige Stellen/Biegen zur hohlen Seite zu verhindern.

Wird der Zügel zu 2. nun so verwendet, macht er das Pferd auf der konvexen Seite eher kürzer. Schöner wäre aber, das Pferd auf der hohlen (konkaven) Seite länger zu machen. Ergo muss man den Zügelkontakt auf der konvexen Seite nur sehr leicht nehmen, gleichzeitig aber damit sicher stellen, dass die Schultern zur hohlen Seite hin geführt werden, damit die Schultern vor die HH gerichtet werden. Ein abbiegen des Hals zur hohlen Seite also eben nicht mit dem Gegenzügel unterbinden, sondern eher zunächst tolerieren (und hierzu kam mein Hinweis, dass die Halsbiegung zur hohlen Seite zeitweise durchaus Sinn macht), das Pferd dann aber an die still stehende Hand der hohlen Seite heran treiben (bei gleichzeitiger Richtung der Schultern zu dieser Seite). Nimmt das Pferd den Zügelkontakt auf der hohlen Seite nun an (bis dahin toleriert der Reiter geduldig die Halsbiegen), was man in einem lebendig leichten Zügelkontakt fühlt (eben kein durchhängend springend leichter Zügel!) kann der Reiter mit diesem neu gewonnen Zügelkontakt gefühlvoll den Hals peu a peu gerade stellen, quasi als wenn er ihn mit dem Zügel der hohlen Seite "nach vorne schiebt".

War der Zügelkontakt der konvexen Seite nun immer leicht (s.o.) hat man anschließend ein Pferd welches sowohl auf der konkaven, wie auch auf der konvexen Seite einen gleichmäßig leichten Zügelkontakt nimmt und ein Stück weit gerade gerichtet ist => das Ziel ist erreicht.

Das Ganze steht und fällt aber mit der Schulterkontrolle des Zügels der konvexen Seite!

Ich würde dieses Feature auch nicht als Stärkung der hohlen Seite betiteln, sondern eher als DehnungLängung des hohlen Seite.
First a relaxed mind, then a relaxed horse.
Gast

Beitrag von Gast »

Jo, geraderichtende Arbeit nach der Reitlehre eben ;)
Bis auf das Abbiegen, zu diesem kommts normalerweise gar nicht. Allenfalls zu einer leichten (falschen/unechten) Stellung, welche man ignoriert (egal auf welcher Hand).
Gast

Beitrag von Gast »

Jolly hat geschrieben:Also ist es dann, deiner Meinung nach, genau anders herum, als beim Menschen? Dort gilt das Standbein (das Bein, was leichter beugen kann) als das Stärkere, weil es dem Körper mehr Stabilität geben kann. Das Sprungbein kann besser abdrücken, gilt aber als das schwächere ...
Nö, nicht MEINER Meinung nach, sondern nach der des Pferdes.
Und .. muss ich mir Gedanken drüber machen, ob das beim Menschen event. anders ist? Nein. Es sei denn, meine Händigkeit kommt der des Pferdes in die Quere.

Warum ein muskulär schwächeres Bein aber besser abdrücken können soll, als ein kräftigeres, ist mir schleierhaft.
Gast

Beitrag von Gast »

Alkasar hat geschrieben:... oder hab ich jetzt einen Knoten im Kopf?
Ein bisschen ;)
Wenn Du auf ein Bein sitzt, bewegt sich das andere nach hinten, schiebt also.

Guck: http://www.youtube.com/watch?v=Sfy0mBat ... re=related
Die Reiterin sitz auf das äussere HB, das innere schiebt.
Und dem Pferd ist es völlig egal, ob die Problemseite (hohl) grade die Äussere oder die Innere ist, hohl ist hohl.
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

sabrell hat geschrieben:
Alkasar hat geschrieben:... oder hab ich jetzt einen Knoten im Kopf?
Ein bisschen ;)
Wenn Du auf ein Bein sitzt, bewegt sich das andere nach hinten, schiebt also.

Guck: http://www.youtube.com/watch?v=Sfy0mBat ... re=related
Die Reiterin sitz auf das äussere HB, das innere schiebt.
Und dem Pferd ist es völlig egal, ob die Problemseite (hohl) grade die Äussere oder die Innere ist, hohl ist hohl.
Für mich ist es wie Alkasar es schreibt:
sitze ich auf dem inneren HB schwingt das äußere in dem Moment grade vor. Somit unterstütze ich das Vortreiben des inneren HB durch das Entlasten, wenn es vorschwingen wird.
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Horsmän, da hatte ich Dich falsch verstanden, ich hatte nämlich zuerst gedacht, dass Du ganz besonders die hohle Seite in den Biegungen auf der hohlen Seite nicht nur stellst, sondern auch abbiegst, um besser geradezurichten. Aber das beschreibst Du in Deinem letzten Post ja anders :wink:
Viele Grüße
Sabine
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