Ein Noriker für die klassische Reitkunst?

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Patrizia
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Ein Noriker für die klassische Reitkunst?

Beitrag von Patrizia »

Bin neu hier und wollte mich mal erkundigen, ob es hier jemand gibt, der auch ein schwereres Pferd klassisch reitet.

Ich habe einen Noriker aus der Elmar-Linie, der jetzt 3 Jahre alt ist und gaaaanz langsam den Ernst des Lebens kennenlernen soll. Dieses Jahr noch nichts weiter als spielerisch Mensch oder Sattel auf dem Rücken und die Grundbegriffe des Fahrens. Er soll später auch im landwirtschaftlichen Zug eingesetzt werden.

Nachdem er kürzlich draußen (freilaufend) wieder sein Talent gezeigt hat - im Spiel mit einem anderen Pferd Seitengänge vom Feinsten und kürzlich einen Sprung wie ein Haserl (nennt man den nicht Kapriole, wenn Pferd springt und die Vorderbeine anzieht und gleichzeitig hinten in die Luft ausschlägt?) kam mir der Gedanke, daß es fast schade wäre, ein Pferd mit solchem Bewegungspotential nur freizeitmässig einzureiten und seine Talente nicht zu fördern.

Nur bin ich eben noch unsicher, weil ich niemanden kenne, der mit einem Kaltblüter in der Richtung reitet. Er ist ein waschechter Pinzgauer Typ, also durchaus ein schweres Pferd, jedoch mit viel Adel (wohl bedingt durch die Spanier, die sie früher in die Elmar-Linie eingekreuzt haben). Der Rücken ist nicht zu lang (was ja ab und zu bei den Norikern der Fall ist), der Schritt ist gut raumgreifend, der Galopp auch, im Trab zeigt er gute Aktion.

Wer hat Tipps? Soll ich oder soll ich nicht? Was wäre noch alles zu bedenken? Wie ist das mit der Ausrüstung? Ich liebäugle ja mit einem Bückeburger Barocksattel, den ich dann ganz gern auch schon zum Einreiten verwenden würde... Gibt es Erfahrungen hierzu? Und: sind diese Sättel nicht eher für kleinere Pferde ausgelegt oder kann man sich den auch in Norikergröße anfertigen lassen?
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Tossi
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Beitrag von Tossi »

Meine Trainerin hat auch eine Schülerin mit einem Süddeutschen Kaltblut. Der Wallach ist ein wahres Goldstück, sehr eifrig, erstaunlich feinfühlig und macht alles mit. Im Trab ist er auch sehr ausdauernd, geht Seitengänge und auch schon Ansätze von Halben Tritten. Im Galopp tut er sich natürlich schwerer, aber auch da gibt es Fortschritte. Kann Dir nur Mut machen, es mit Deinem "Dicken" klassisch zu versuchen.
Die Schönheit der Dinge lebt in der Seele dessen, der sie betrachtet. (David Hume)
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melonchen_real
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Beitrag von melonchen_real »

Ich habe auch eine Norikerin und reite sie dressurmäßig :-)) An hohe Schule denken wir zwar im Moment (noch) nicht, aber wer weiß was noch kommt *g*
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Alkasar
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Beitrag von Alkasar »

Ja, unbedingt machen. Habe zwar selbst kein Kaltblut aber einen doch relativ schweren Haflinger mit sehr wenig prädestinierten Körperbau klassisch ausgebildet und geritten und kann Dir nur Mut machen es zu tun. Sicher muss man auf die körperlichen Gegebenheiten eingehen und vielleicht einige Kompromisse machen. Aber jedes Pferd profitiert von einer guten Ausbildung und mit ein wenig Gymnastizierung kann man auch bei einem solchen Pferd viel erreichen. Und Herr Hinrichs sagte einmal so schön das er sich immer freue, ein schweres Pferd wunderbar leicht geritten zu sehen. Also, viel Spaß mit Deinen "Dicken".
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Bernie
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Beitrag von Bernie »

Ich bin jahrelang Noriker geritten, hatte selbst 2 eigene Stuten, komme aus der Hochburg, dem Pinzgau.

Es sind wunderbare Pferde. Ich hatte beides, einmal den sehr schweren, alten Typ und einmal schon einen leichten, sportlichen Noriker.

Jedes Pferd ist es wert, nach den klassischen Prinzipien ausgebildet zu werden. Es ist aber doch ein Unterschied, was ein Fohlen im Freilauf zeigt und was ein Reiter ausbilden kann. Aber die Basis fängt sowieso bei 0 an und in der Grundausbildung wirst Du die Talente Deines Pferdes erkennen.

Wolfang Hellmayr (schreibt man den so?) hat eine Schülerin, die ich mir vor Jahren mal angesehen habe, die stand damals in meiner Nähe, die hat ihren Noriker sehr weit ausgebildet, es war wirklich ein Genuss, wie Alkasar schon schreibt, ein so schweres Tier so leicht geritten zu sehen. War ordentlich.

Als Manko empfinde ich bei Norikern - die immer noch und mE zu Recht - auf Zug gezüchtet werden, die Winkelung der Hinterhand. Deshalb fällt ihnen der echte Hankenbug eher schwer. Aber es gibt immer wieder Ausnahmen, wo die Winkelung der HH-Gelenke für die Versammlungsfähigkeit idealer ist.

Aber bevor man an die Hohe Schule in welcher Form auch immer denken kann, stehen Euch ja sowieso einige Jahre solide Grundausbildung bevor, viel Spaß dabei!

lg

Bernie
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-Tanja-
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Beitrag von -Tanja- »

Ich beschäftige mich derzeit auch ein wenig mit der Rasse Noriker, weil ich mir hin und wieder Gedanken um ein Nachfolgepferde für meinen seit gestern 16-jährigen Hafi mache. Da es ein "Robust"-Pferd werden soll, mit dem auch längere Wanderritte möglich sind, kam ich - neben z. B. auch Criollos - auch auf die Noriker. ...Auch, weil ich gern einen Rappen hätte...

Jedenfalls: warum nicht? Ein Kalti hat sicherlich grundsätzlich andere Vorzüge, als mit ihm eine leichtfüßige Piaffe reiten zu wollen. Aber ich glaube, bis unsereins, im allgemeinen der Otto-Normal-Reiter soweit ist, sein Pferdchen reell soweit ausgebildet zu haben - das dauert. Und während dieser Zeit würde ich einfach Spaß haben, der mit einem Noriker mind. genauso groß, wenn nicht sogar vom Interieur wesentlich einfacher zu haben ist, als mit anderen Spezialrassen, die sich für die hohe Dressur wesentlich eher eignen.
lg, Tanja

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chica
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Beitrag von chica »

melonchen_real hat geschrieben:An hohe Schule denken wir zwar im Moment (noch) nicht, aber wer weiß was noch kommt *g*
Die Piaffe ist auf jeden Fall nicht mehr weit weg ;)
LG Ines
................................................
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morimur
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Beitrag von morimur »

Vor vielen Jahren habe ich mal auf einem Kurs, den ein Bereiter der portigiesischen Hofreitschule aus Queluz gab, einen sehr altmodischen schweren im Kaltbluttyp stehenden Haflinger gesehen. Er war schon recht nett ausgebildet, hochmotiviert. Sie haben dann versucht, ihn anzupiaffieren, womit er sich nicht leicht tat. Statt zu diagonalisieren zeigte er immer wieder die allerschönsten, extrem tief gesetzten Levaden, einfach wunderbar. Damit hätte er in Wien locker punkten können. Er hatte offensichtlich dafür das allergrößte Talent. Er war der Star des Kurses, zum Mißfallen der Lusihengstbesitzer :mrgreen:
Und mit dem Exterieur ist das so eine Sache: Pferde können abartig viele Exterieuermängel kompensieren, wenn sie es wollen. Die Motivation ist daher viel wichtiger.
Patrizia
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Beitrag von Patrizia »

Sylliska hat geschrieben: Und während dieser Zeit würde ich einfach Spaß haben, der mit einem Noriker mind. genauso groß, wenn nicht sogar vom Interieur wesentlich einfacher zu haben ist, als mit anderen Spezialrassen, die sich für die hohe Dressur wesentlich eher eignen.
Das mit dem Interieur kann ich voll und ganz unterschreiben. Unserer ist ein extrem anhänglicher, sehr verschmuster und sanfter Riese, der eigentlich wohl eher ein Schoßhund hätte werden sollen als ein Pferd. Er verträgt sich mit allem (Ponys, Ziegen, Rinder, Menschen) und jedem.
Er kam ja als sog. Schlachtfohlen (mit einer ganzen Truppe von Norikern, die alle dasselbe Schicksal gehabt hätten) im Rahmen einer Rettungsaktion eines Tierschutzvereins zu uns. Ist ohnehin verwunderlich: da wäre er in die Wurst gegangen, weil er die Erwartungen des Züchters in Bezug auf Farbe nicht erfüllt hat (er hätte wohl ein Tiger werden sollen, wurde dann aber "nur" ein Glanzrappe mit vier gleichmässig weißen Stiefeln und einem weißen Fleck am Bauch). Zudem war er Hengst und damit sein Schicksal mehr oder weniger besiegelt. Kein Mensch hat anscheinend gesehen, was für ein perfektes Pferdchen da heranwuchs. Meine Tierärztin ist auch jedesmal schwer beeindruckt von ihm, wenn sie zum Impfen anrückt und meint, an diesem Rössli wär einfach alles perfekt.
Ein Jahr, nachdem wir ihn aufgenommen hatten, stand dann ein Knülch vom (deutschen) Zuchtverband vor der Tür, der ihn im Vorbeifahren gesehen hatte (da war er noch Hengst) und wollte ihn vom Fleck weg kaufen. Den hab ich dann aber gleich vom Hof gestaubt...
Es ist erschreckend, was für tolle Pferde bei den Norikern (und Haflingern) in der Wurst landen. Letztes Jahr haben wir mitgeholfen, ein Norikerstutfohlen zu vermitteln, ein dreifarbig getigertes (weiß/braun/schwarz), also eine richtige "Glückskatze". Bei der war doch tatsächlich ein "züchterisches Manko", daß sie drei- und nicht zweifarbig getigert war.
morimur
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Beitrag von morimur »

Herr, laß Hirn vom Himmel fallen.
Es ist ein Jammer, was mit den Tieren so angestellt wird.
sumond
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Beitrag von sumond »

Ich kannte mal einen jungen Percheron der klassisch geritten wurde. Klappte ganz gut und der Kerl konnte sogar einigermaßen "leichtfüssig" laufen. Leider bekam dieses Pferd dann noch ziemlich jung Arthrose und konnte nicht mehr geritten werden (Kam nicht vom Reiten. Das Pferd stand da schon ein Jahr aufgrund eines Equiden Sarkoids).

Also wenn klassisches Reiten mit einem Percheron möglich ist, sind Noriker allemal geeignet!

Probier es einfach aus. Du willst ihn ja, so wie ich dich verstehe, eh reiten. Ob du da mit Western, Englisch oder Klassisch anfängst, ist dem Pferd zunächst einma relativ egal. Ich würde auf alle Fälle klassische Reiterei wählen, weil ich sie für pferdeschonender halte. Ob du dann mit einem Pferd einmal bei Piaffe und Passage landest, weiß man am Anfang der Ausbildung meist eh nicht.
Lg Sumond
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-Tanja-
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Beitrag von -Tanja- »

morimur hat geschrieben:Herr, laß Hirn vom Himmel fallen.
Es ist ein Jammer, was mit den Tieren so angestellt wird.
Zwar OT, aber ich halte nix von solchen Rettungsaktionen à la Pferdefreunde Birnbaum. Die Fohlen werden für die Schlachtung gezüchtet und gut ist. Es sollte jedem klar sein, der solch ein Fohlen holt, daß damit die Nachfrage nach solchen Fohlen nur gesteigert wird.

Aber wie viele wollen ja ausgerechnet ein Schlachtfohlen, weil es eben wesentlich billiger ist, als ein guter Noriker vom Züchter?

OT-Ende. Sorry, das mußte aus mir raus. :oops:
lg, Tanja

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Bernie
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Beitrag von Bernie »

sylliska, danke für Deinen Beitrag. Kälbchen sind auch süß und ich bin kein Vegetarier. Ich habe da einigen Einblick in die Szene, es gibt immer zwei Seiten. es ist natürlich schön für das individuelle Fohlen, wenn es ein langes und gutes Reitpferdeleben haben darf.
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Tossi
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Beitrag von Tossi »

Ebenfalls OT:

Muss Sylliska leider recht geben. In meiner Verwandtschaft werden seit Generationen Süddeutsche Kaltblüter - so die moderne Bezeichnung - gezüchtet. Es gibt hier im Süden der Republik eine stabile Liebhabergruppe für diese Pferde, gute Stutenstämme und gute Vatertiere. Zu diesem funktionierenden System gehören aber auch die Schlachtfohlen. Kommt bei meinem Onkel ein kleiner Hengst zur Welt, dann hat er traumhafte sechs Monate vor sich - bis zum Fohlenmarkt. Die meisten der Zuchtstuten gehören Landwirten und sind nicht nur Hobby, sondern sollen auch jedes Jahr ein Fohlen aufziehen. Besonders für die Hengstfohlen gibt es nur für die Spitzentiere Aussichten auf eine Aufzucht als Hengstanwärter. Kaltblutwallache für Freizeitreiter/-fahrer werden leider nur sehr wenig nachgefragt. Ohne den Absatz dieser Fohlen über die Märkte als Schlachtfohlen wäre die Zukunft der Rasse und vor allem der breite Genpol praktisch zum Aussterben verurteilt, da muss man ganz pragmatisch sein.

Ich esse persönlich kein Pferdefleisch - trotzdem bin ich kein Vegetarier. So sehr ich Pferde liebe: was unterscheidet ein für die Schlachtung "erzeugtes" Kalb von einem Fohlen....?
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Patrizia
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Beitrag von Patrizia »

zu dem Thema sollten wir wirklich besser keine Diskussion anfangen, da OT.
Nur abschließend:
Hat mit Birnbaum nichts zu tun, sind und waren keine konzertierten Aktionen des Vereins, nur ein Kontakt vom Verein zu einem Zuchtobmann, dem es in der Seele weh tut, wenn so viele Pferde (die KEIN Zuchtausschuß im klassischen Sinn sind) oft z.B. nur mangels artgerechter Aufzuchtmöglichkeiten für Hengste auf den Transport wandern. Er wirkt dementsprechend auf die Züchter seiner Region ein. Es wird daraus kein Geschäft gemacht, weil die Vermittlungshilfe nur unter der Voraussetzung erfolgt, daß dem privaten Käufer nicht mehr als der Schlachtpreis abgenommen wird und außerdem die Gesamtbedeckungszahl der betreffenden Züchter nachweislich sinkt.
Es sind gute Pferde vom Züchter, haben dieselben Papiere wie die anderen auch, eben oft nur das "falsche Geschlecht, die falsche Farbe...".

Ich stimme euch zu: mit Massenaufkäufen, die auf Auktionen von Vereinen getätigt werden, erreicht man (außer für die betreffenden Pferde) nichts, da den Bauern es egal ist, ob sie dasselbe Geld vom Schlachttransporteur, Händler oder Verein bekommen und sie sich hierbei zu keiner Bedeckungsreduzierung verpflichten müssen.

Übrigens: auch bei Kühen hält sich mein Verständnis für die Haltung, Nutzung und Schlachtung in engen Grenzen. Es wäre auch anders machbar (z.B. mit einem höheren Selbstversorgungsgrad in der Landwirtschaft und Subsistenzbetrieben), aber das zerstört alles die EU.

Hier unsere Kuh mit Sohn...
Diese beiden haben das unwahrscheinliche Glück (aufgrund von Schlampereien der Vorbesitzer in ihren Herkunftsnachweisen), daß sie amtlicherseits mit einem Schlachtverbot belegt sind und sich somit ein gemütliches Leben als Weidegenossen für die Pferde gesichert haben.
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