Innere Zerrissenheit zwischen Barhuf und Beschlag

Ratschläge rund ums Thema Gesundheit - die allerdings keinen Tierarzt ersetzen!

Moderatoren: ninischi, Janina

orest
User
Beiträge: 241
Registriert: Fr, 07. Sep 2007 08:39
Wohnort: Waldems
Kontaktdaten:

Beitrag von orest »

Hallo,

hast du deinen Schmied denn schonmal explizit gefragt, ob er dein Pferd barhuf laufen lassen würde?
Wenn ja, was war sein Rat?

Zum Thema:

Ich beschäftige mich seit vielen Jahren intensiv mit Hufen. Mein Pferd und die meiner Stallkollegen laufen übrigens alle absolut problemlos Barhuf. Nur für lange Wanderritte gibts Hufschuhe. Über die Hufe braucht man sich keine Gedanken zu machen, die sind immer fit und top gesund. (Natürlich werden sie regelmäßig, alle 2-4 Wochen, geraspelt). Es gibt bei wirklich gesunden Barhufen kein herumstolpern im Gelände oder ähnliches. Die Pferde laufen einfach gut und man kann mit Spaß reiten gehen. Natürlich gibt es Grenzen der Rutschfestigkeit, aber mein Barhufpferd ist überragend trittsicher - auf allen Untergründen.


Die Nachteile von Beschlag sind nicht abstrakt und theoretisch. Gesunde Hufe sind die Basis des Pferdes. Gesunde Barhufe haben auf den gesamten Körper des Pferdes positive Auswirkungen. Zum einen ist das die Vorsorge vor Erkrankungen am Bewegungsapparat, zum zweiten die Verbesserung/Linderung bereits vorhandener Probleme.
In der Praxis ist es immer wieder erstaunlich, wie sehr die Hufe selbst und das ganze Pferd von wirklich gesunden Hufen profitieren. Das Potential, hier Verbesserungen zu schaffen, ist gewaltig.

Ganz besonders viel zu gewinnen ist natürlich dann, wenn die Hufe in einem geschädigten Zustand sind, wie sich das aus dem Text herausliest.

Auch der beste Beschlag wirkt negativ auf den Huf. Diese Auswirkungen sind je nach Pferd unterschiedlich deutlich. Manche Pferde werden 25 Jahre lang beschlagen und die Hufe sehen halbwegs ordentlich aus, andere haben nach 10 Jahren eine bröselige Katastrophe als Huf.
Wenn Zwanghufe und schlechte Hornqualität das Problem sind, sind die Eisen da mit großer Sicherheit die Ursache. Wenn man diese Ursache entfernt und die Barhufe korrekt bearbeitet, wachsen die Hufe in normaler Qualität und sich langsam verbessernder Form nach. Davon kann das Pferd nur profitieren, da diese Lösung eine inhärent langfristige ist. Wenn schlechte Hufe mit Beschlag nochmal irgendwie hingebastelt werden, geht das oft nicht ewig gut und die Lösung am Ende immer schwieriger.

Rutschigkeit auf Asphalt ist ein großer Nachteil von Eisen, der richtig gefährlich werden kann. Manche Pferde rutschen mehr, andere weniger, manche so, dass es gar nicht geht. Ein Sturz von Pferd samt Reiter kann Übel ausgehen. Mein eigenes Pferd war (damals war ich RB) früher beschlagen. Er hat sich um Kopf und Kragen gerutscht, übrigens auch mit Stiften. Mir wird heute noch anders, wie oft wir beinahe- Unfälle hatten. Das war übrigens bei mir der Grund, damals auf Barhuf umzustellen.

Was die Umstellung des Körpers umgeht, sehe ich das nicht so dramatisch. Ich habe schon viele Barhufumstellungen mitbekommen, aber negative Auswirkungen auf den Pferdestoffwechsel habe ich noch nicht gesehen, eher positive.

Wenn man diesen Weg gehen will, muss man allerdings einige Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehört z.B. ein Hufbearbeiter, der die Hufe wirklich kompetent bearbeiten kann, die Bereitschaft des Besitzers gute Umgebungsbedingungen zu schaffen, Anfangs Hufschuhe zu verwenden und/oder das Pferd zu beginn zu schonen. Wenn das nicht will oder kann, sollte man die Eisen dranlassen. Hier sollte man ehrlich zu sich selbst sein. Der Weg kann zu Anfang unbequem sein.

Es gibt nur sehr wenige Ausnahmen (<1% der Pferde meiner Erfahrung nach), bei denen die Umstellung auf Barhuf keinen Sinn mehr macht oder nicht mehr geht. Dies ist z.B. ein chronisch krankes Pferd, das nur noch mit Beschlag schmerzfrei ist.


Ein Hufschutz, weil man das Pferd nach der Sanierung der Hufe wieder intensiv belasten will oder in speziellen Sportdisziplinen einsetzen will, ist eine ganz andere Frage. Hier gibt es jede Menge sinnvolle Kompromisse, von Hufschuhen bis zum temporären Beschlag.

Im Fazit kann ich nur Mut machen zum Barhuf, wenn man sich vorher intensiv informiert hat. Die Chancen für nachhaltig gesunde Hufe sind sehr hoch.

Gruß Tina
Benutzeravatar
Filou
User
Beiträge: 148
Registriert: Di, 03. Nov 2009 15:23
Wohnort: München
Kontaktdaten:

Beitrag von Filou »

Grade durch eine PN, ob ich mit meinem Schmied noch zufrieden sei, auf diesen Thread gestoßen worden.

Gut zwei Jahre später ist es interessant, meinen Blickwinkel von Ende 2009 zu lesen und ich möcht Euch ein kurzes Update zukommen lassen (Fox weiß es schon und ich wundere mich, mit ihr diesen Sommer dasselbe Gespräch wie hier geführt zu haben ohne die leiseste Ahnung, dass wir beide das Thema schon mal hatten ... etwas senil?):

Mein Pferdchen geht inzwischen barhuf. Unter anderem, weil ich mit diesem Schmied im Sommer 2011 gar nicht mehr zufrieden war. Der Stellungsfehler ist immer noch da, auch nach zwei Jahren und mit meinem Wechsel in einen Aktivstall war er nicht mehr bereit, mich zu bedienen (extra einen Stall anfahren, Alu oder Kunststoffbeschlag seitens des Stalls gewünscht und er macht nur Heißbeschlag). Zudem kamen die Eisen spätestens nach 6 Wochen immer gefallen, meist schon paar Tage vorher, sodass das Kerlchen in der Box geparkt war. Statt mir eine Lösung anzubieten, hat er geschimpft, ich soll so einen Schmarrn nicht machen, dorthin zu ziehen und, und, und ... (muss dazu erwähnen, dass wir noch einen Wallach dazu gekauft haben, dessen Beschwerden auf die Arbeit des Schmieds - und wahrscheinlich auch seiner Vorgänger - zurückzuführen waren und die jetzt weitgehend behoben sind)

Ich kannte zu der Zeit schon eine DifHO-Orthopädin und sah mir in Ruhe ihre Arbeit an und dann war klar, das will ich auch haben und nun hab ich es:

Ein Pferd mit gesunden Hufen, die recht hart sind (von wegen schlechtes Horn), in denen sich kein Schmutz und kein Schnee verhängt, mit denen ich locker eine Stunde ohne Schuhe ausreiten kann (weiter hab ich es noch nicht probiert, werde für weitere Ritte in Begleitung Schuhe anziehen und nur alleine ausprobieren, ob es geht, damit ich nicht alle aufhalte), nie mehr wieder ein akutes Problem, wo nichts mehr geht außer rumstehen, bevor der Hufmensch antrabt... Ich bin glücklich mit den Barhufen und mein Pferdchen glaub auch. Das Stellungsproblem kommt mit jeder Bearbeitung etwas später wieder und wird längst nicht mehr so schlimm wie es mal war, ich vermute, das hat meine HO bald behoben. Wir hatten den Huf auch geröngt und festgestellt, außen ist es viel schlimmer als im Huf, er hat kaum Schiefstellungen, also wird es höchste Zeit, die Hornkapsel "grade zu rücken", damit es nicht innen ankommt.

Also keine PNs mehr mit der Adresse eines tollen Schmieds, wenn Ihr von mir noch jemanden empfohlen bekommt, dann eine tolle Huforthopädin ;-)
Katja, * 1975, 165 cm, Dipl.-Ing.
Filou, * 1996, 170 cm, Schulpferd a.D.
Benutzeravatar
Finchen
User
Beiträge: 8526
Registriert: Di, 19. Apr 2011 22:30
Wohnort: im Norden zwischen HB und HH

Beitrag von Finchen »

Das klingt nach einer erfolgreichen Umstellung und einer guten Bearbeiterin - Glückwunsch, du hast im wahrsten Sinne das Glück gehabt eine fähige Person zu finden! :lol:

Und was du beschreibst kenn ich von so vielen umgestellten Pferden - da wo Schmiede ewig ob der vermeintlich schlechten Hufqualität und dem miserablen Hufwachstum motzen, weil so die Eisen mehr und mehr schlechter zum Halten zu bringen sind, kommt das Hufhorn recht gut nach, wenn man mal einen funktionsfähigen Huf herstellt.

Weiterhin viel Erfolg mit den nun gesunden Pferdehufen!
Benutzeravatar
Filou
User
Beiträge: 148
Registriert: Di, 03. Nov 2009 15:23
Wohnort: München
Kontaktdaten:

Beitrag von Filou »

Danke!
Katja, * 1975, 165 cm, Dipl.-Ing.
Filou, * 1996, 170 cm, Schulpferd a.D.
Antworten