Reitkunst - Quo Vadis?

Rund um die klassische Reitkunst

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Josatianma
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Reitkunst - Quo Vadis?

Beitrag von Josatianma »

Irgendwie stelle ich mir in letzter Zeit immer öfter die Frage, was uns dazu bewegt zu sagen: wir reiten nach klassischen Grundsätzen und beschäftigen uns mit der klassischen Reitkunst.

Was bedeutet das für euch. Ich möchte jetzt keine Beschreibungen haben, daß man mehr Seitengänge reitet oder das Pferd anders Gymnastizert als andere Gruppierungen.

Ist Reitkunst für euch "nur" das Reiten von Seitengängen? Wer beschäftigt sich mit den ganzen alten Meistern und hat diese vielleicht auch gelesen? Wer kann ohne Nachzuschauen erklären, was ein Redopp ist (nur als Beispiel). Worin seht ihr die falsche Entwicklung der klassischen Reitkunst. Welche Literatur bildet die Grundlage für die Reitkunst?

Lese ich insgesamt die Themen hier im Forum, so unterscheiden sie sich oft nicht, von dem was in anderen Foren diskutiert wird. Ist das Beschäftigen mit der Reitkunst bei euch eine Lebenseinstellung oder einfach nur weil es "In" ist?
Liebe Grüße, Sabine

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Alix_ludivine
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Beitrag von Alix_ludivine »

Also ich muss sagen, dass es mir mehr um das Reiten als um die Kunst geht. Ich will einfach ein guter Reiter werden.
Und je länger ich auf dem klassischen Weg unterwegs bin, desto mehr verstehe ich eigentlich, dass alle das Gleiche machen und alle nur mit Wasser kochen (DAS mußte ich auch erst lernen und erkennen, was habe ich noch vor Jahren immer auf die anderen geschimpft :lol: ). Deswegen gibt es für mich nicht wirklich einen "Tellerrand", wie das immer so schön bezeichnet wird. Und deswegen definiert sich für mich auch das Reiten nicht über Lektionen, sondern über die Wege die man einschlägt um ein Ziel zu erreichen. Herr Karl hat das mal so schön definiert. Sinngemäß sagte er, dass klassisch - "für das Pferd" bedeutet.

Und ReitKUNST hat in meinen Augen wenig mit Literatur zu tun (welche Autoren, welche Werke etc.). Reitkunst erreicht man mit viel Disziplin, Talent, Ausdauer, Geduld und Zeit. Reitkunst ist der Gipfel. Das Sahnehäubchen. Wenn einfach alles stimmt und da kommen nur sehr wenige hin.

Die falsche Entwicklung in meinen Augen, ist vor allem darin geschuldet, dass viele vergessen, dass immer noch der Reiter das gute Reiten ausmacht und nicht der Verband für den man startet oder welche Gesinnung. Inzwischen ist es wirklich so, dass mich Vorstellungen von "Barockreitern" und klassischen Reitern mehr gruseln als die von Sportreitern.

LG Alix
"Erst gehen lernen, dann dressieren" (Udo Bürger)
Bernie
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Beitrag von Bernie »

Es ist eine Lebenseinstellung.

Was macht für mich Reitkunst aus? Alles. von der Haltung angefangen über Hufbearbeitung bis zur Ausbildung an der Hand/unter dem Sattel hat alles eine Auswirkung auf das Pferd.

Das Pferd ist für mich nicht Mittel zum Zweck (Reiten als Sport - völlig wertungsfrei gesehen - oder auch Hobby) sondern steht sehr im Mittelpunkt meines Lebens.

Ich mache Reitkunst gar nicht so sehr an Lektionen oder Ausbildungsmethoden fest, sonder ich betrachte das Ganze. In der klassischen Reiterei wird viel genauer - pingeliger :wink: - auf einzelne Körperteile geachtet, da wird analysiert und theoretisiert (was ich liebe ;), solange man die Praxis nicht aus den Augen verliert) und das Problem an der Ursache angegangen. Ich möchte keine Symptome (zB Verwerfen) mit einer Hilfe (zB stärkerer Zügelzug) bekämpfen, sondern befasse mich mit der Ursache und habe einen roten Faden in der Ausbildung.

Generell sehe ich mich als der verantwortliche Ausbilder meines Pferdes, suche mir natürlich Hilfe durch meine Trainer und Feedback von aussen, besuche Kurse aktiv und passiv, aber grundsätzlich muss ich wissen, was ich tue und bilde mich deshalb weiter.

Ziel ist für mich ein fittes, leistungsfähiges Pferd, das voller Motivation mit mir gemeinsam an der Gymnastizierung arbeitet, wobei ich das Körperliche mit dem Psychischen (Motivation, Laune, Losgelassenheit!!!) gleichstelle. Was nützt mir ein perfektes Exterieur beim Pferd oder auch beim Reiter :wink: , wenn die innere Arbeitshaltung nicht stimmt?

Ich toleriere jedes gute Reiten bzw. jeden Ausbildungsweg, aber ich musste auch lernen, dass eben nicht alle gleich sind. Mir wird bei der FN zuwenig auf die "Kleinigkeiten" geachtet, da ich selbst Perfektionist bin, fühle ich mich bei den Klassikern zu Hause. Ich schere nicht alle FN-Reiter über einen Kamm, dies sind einfach meine praktischen Erfahrungen. Davon abgesehen sind sich viele Reitweisen in der Theorie ähnlich, in der Praxis nicht - da eben jeder Mensch anders ist.

lg

Bernie
Zuletzt geändert von Bernie am Fr, 30. Jan 2009 10:16, insgesamt 1-mal geändert.
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emproada
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Beitrag von emproada »

Alix_ludivine hat geschrieben: Inzwischen ist es wirklich so, dass mich Vorstellungen von "Barockreitern" und klassischen Reitern mehr gruseln als die von Sportreitern.
Da unterschreib ich jetzt mal voll!
Viele Grüße Tina
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Meg
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Beitrag von Meg »

Super Alix, genau so, besser könnte ich es nicht beschreiben!

Danke
Meg
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

Boah, was für ein Thema...
Eigentlich sollte ich ja arbeiten, aber das ist sooo interessant :roll:

Für mich persönlich nehme ich in Anspruch, klassisch zu reiten, weil ich nicht (mehr :oops: ) so reite, wie es in den Reitschulen allgemein üblich ist und man es erlernt bekommt (jawohl, ich meine hier vorne halten - hinten treiben, Pferd -und Reiter- müssen schwitzen usw., um hier nur mal einige Schlagworte zu nennen. Meine Meinung => keine Diskussion hier).
Ich will mit meinem Pferd ein harmonisches Bild der Leichtigkeit abgeben, Hilfen möglichst unsichtbar geben und den Eindruck vermitteln, daß wir eine Einheit sind - und möglichst noch Spaß dabei haben.
Außerdem möchte ich gerne auf das eingehen, was mein Pferd mir anbietet, und nicht nach Schema E-A-L-M-S arbeiten. Dazu gehört für mich eine entsprechende Gymnastizierung mit seitwärts und Lektionen quer durchs Gemüsebeet.

Ehrlich gesagt lese ich kaum bei den alten Meistern, da ich wohl eher der Typ bin, der nicht so leicht vom Geschriebenen in die Praxis umsetzen kann. Außerdem bin ich der Meinung, daß Wissen zwar gut ist, aber reiten heisst vor allem fühlen und auf das Pferd eingehen. Und alle Theorie versagt, wenn man das in der Praxis nicht umsetzen kann. Auf einem Buch ist noch keiner gut geritten. Sicherlich stehen bei mir auch einige Klassiker im Regal, die immer mal quergelesen sind, aber ich denke das meiste habe ich aus persönlichen Unterrichten bei Stefanie Staudinger, Deb Sanborn und Desmond o'Brien mitgenommen und dann selber weiterentwickelt - learning by doing mit try and error. Ansonsten schaue ich eher und habe ein Bild vor Augen.
Aber das sind sicherlich Dinge, die typbedingt sind und wo jeder einen eigenen Weg hat.

Ein großes Problem der heutigen Reiterei sehe ich schon bei den "Vorbildern", denn wenn man nicht gezeigt bekommt, wie es auch alternativ gehen könnte, wird man den Weg auch nicht einschlagen.
Und ich denke es gibt wenige hier, die nicht als Teenies vor dem Fernseher sassen und die Dressurgrössen im Viereck bewundert haben. Manche Einstellungen ändern sich eben im Laufe der Zeit :wink:
Es grüsst ottilie
~~~~~~~~~
Wo die Kraft anfängt, hört das Gefühl auf (Moshe Feldenkrais)
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

Aber hat das Beschäftigen mit der klassischen Reitkunst nicht auch etwas mit dem Erhalt von Traditionen und Literatur zu tun?
Liebe Grüße, Sabine

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Jen
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Beitrag von Jen »

für mich hebt sich reitkunst insofern vom Reitsport ab, weil es bei letzterem vorrangig um eine körperliche Betätigung und um Wettbewerb geht. Das ist jetzt völlig wertungsfrei gemeint. Mir hingegen spricht das nicht so zu. Ich mag mich nicht mit anderen messen, für mich ist nicht die körperliche Betätigung im Vordergrund. Für mich ist es eher abtörnend, wenn jemand reiten muss bis der schweiss fliesst, weil er/sie sonst das Gefühl hat, nichts gemacht zu haben. Für mich ist das Reiten viel tiefgreifender, als nur ein "Hobby". Für mich bedeutet es in eine andere Welt einzutauchen. Für mich hat das auch eine art meditative Qualität. Deswegen kommt es weniger darauf an, wieviele Schweisstropfen ich oder das Pferd verloren habe, sondern, was ich in dieser Lektion gelernt habe oder dem Pferd vermitteln konnte. Ich sehe die Ausbildung meines Pferdes eher wie ein Bild an, das ich male und an dem ich nun schon seit Jahren dran bin. Ich lerne immer wieder dazu, neue Techniken, neue Übungen, neue Sichtweisen. Die versuche ich zu integrieren oder bewusst auf der Seite zu lassen. Ich bin ein sehr neugieriger Mensch und möchte am liebsten alles über das Reiten wissen. Das alte und das neue Wissen. mich dünkt es schade, dass man immer wieder das RAd neu erfinden muss, wenn doch so viel Wissen schon mal vorhanden war! Deswegen lese ich gerne alte Literatur. Damals hatten Pferde noch einen anderen Stellenwert als heute. Damals waren Pferde u.U. lebenswichtig. heute sind sie ein teures Hobby. prioritäten haben sich verschoben. Deswegen muss das alte Wissen nicht schlecht sein, im Gegenteil! Deswegen lese ich auch sehr gerne und bereue es, dass ich im Moment nicht mehr Zeit habe, mich dieser literatur zu widmen. Was mich hingegen je länger je mehr regelrecht anwidert sind dies Grabenkämpfe. Man kann von jeder Seite was lernen oder etwas gutes mitnehmen für sich. Dass man manchmal schon fast "rassistisch" gegenüber anderen Reitweisen sein muss, kann ich nicht verstehen... egal von wem aus es kommt. :?
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

Alix_ludivine hat geschrieben:...Und je länger ich auf dem klassischen Weg unterwegs bin, desto mehr verstehe ich eigentlich, dass alle das Gleiche machen und alle nur mit Wasser kochen ...
..das sehe ich genauso und man kann auch in den Foren mitverfolgen, dass viele, die Ihre eigene Auffassung früher einmal ausschließlich über die Kritik an der Sportreiterei definiert haben, mittlerweile völlig anders denken.

Kunst kommt von Können und wer Kunst will, muss zunächst einmal das Handwerk beherrschen. Mich stört an der sog. "klassischen Reitkunst", dass dieser Begriff gerne von Pseudo-Gurus missbraucht wird, die den Menschen für viel Geld verkaufen, dass man sich den ganzen schwierigen, langen und nur selten von Perfektion gekrönten Weg ersparen könne, wenn man nur Ihre "revolutionären" und gleichzeitig klassischen Ideen befolgt, eigentlich ein Widerspruch in sich.

Es gibt aus meiner Sicht nur 2 Reitweisen: Gutes und Schlechtes Reiten.

Es wird so oft gegen die FN und gegen die Ausbildungsskala gehetzt, dass dabei völlig übersehen wird, dass gerade dieses System auf den sog. "alten Meistern" beruht und immerhin dazu führt, dass die Pferde systematisch aufgebaut werden, so dass sie am Ende auch die schwierigsten Lektionen beherrschen. Auch wenn man bei vom Ehrgeiz zerfressenen Sportreitern häufig alles andere beobachten kann, aber dafür kann die Skala der Ausbildung nichts. Das kommt dabei heraus, wenn es nicht mehr ums Reiten, sondern ums Gewinnen geht. :cry:

Klassische Reiterei (von Kunst will ich noch gar nicht sprechen) zeigt sich dann, wenn Pferde sich unter Ihrem Ausbilder Schritt für Schritt weiter entwickeln und dies dadurch erreicht wird, dass die Reitlehre (und das sind ca. 2000 Jahre) unter Verzicht auf deren Irrwege systematisch angewendet wird.
Nicht klassisch ist die Reiterei immer dann, wenn zu erkennen ist, dass einzelne "Lektionen" nicht durch systematische Gymnastizierung erarbeitet wurden, sondern aus dem Zusammenhang gerissen und mit Hilfe von Zirkustricks geschult wurden. Wenn ein Pferd zwar "piaffiert" aber keine Verstärkung zeigt, wenn es zwar Pirouetten aber keine fliegenden Wechsel springt etc. etc., dann kann man sicher sein, dass dieses Pferd nicht im Sinne der klassischen Reitlehre ausgebildet wurde.

In der Reitlehre hat es immer wieder Gurus gegeben, die irgendwelche spektakulären Irrwege verbreitet und es damit zumindest zu einer gewissen Popularität gebracht haben. Klassisch sind dagegen nur die Reitlehren, die es geschafft haben, die anerkannten Reitlehren der Vergangenheit konsequent weiter zu entwickeln, so dass sie Ihrerseits zur Basis der nächsten Generationen werden. Eine Reitlehre muss wie jede andere Lehre auch am Ende durch Ergebnisse überzeugen, wenn sie Anspruch darauf erhebt, klassisch und damit bedeutend zu sein.

Ups, so viel sollte es gar nicht werden... sorry für den Roman :oops:
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
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smilla
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Beitrag von smilla »

Für mich ist ReitKUNST etwas, was ich anstrebe ... und es wird noch ein langer Weg ;). Aber ich habe ein gewisses Bild von Harmonie, fließenden Bewegungen und Einheit vor Augen, wenn ich an Reitkunst denke und möchte das irgendwann erreichen und immer wieder schon kleine Bestandteile davon genießen.

Ich beschäftige mich auch gerne mit Literatur, um zu verstehen und selbst kompetent zu werden. Kompetent sein bedeutet für mich verschiedene Lösungswege für bestimmte Problematiken zu kennen und abwägen zu können. Ich möchte verschiedene Ansätze und Systeme kennen, um selbst mehr Entscheidungsspielraum zu haben. Das birgt manchmal die Gefahr der Überforderung, aber ich finde es lohnt sich.
"Reiter und Pferd sind zu einer geistigen und körperlichen Einheit verschmolzen, sind zwei Herzen und ein Gedanke- die wunderbare Alchemie des Reitens hat aus den zweien in Wahrheit eins gemacht. Solche Kunst ist klassische Kunst!"
Seunig
Excalibur

Beitrag von Excalibur »

Ich finde den Begriff Reitkunst im Kontrast Reitsport schon sehr wichtig.
Da ich mich auch gerne mit anderen Künsten beschäftige finde ich nicht das man erst von Reitkunst sprechen sollte, wenn es "perfekt" ist.

Für mich hat diese Unterscheidung mehr was mit der Hernagehensweise zu tun. Sollte das Reiten nicht mehr eine Kunst sein wie das Malen eines Bildes? Hier gibt es auch verschiedene Techniken und Methoden um das Bild nach den eigenen Vorstellung zu Gestallten. Doch egal welche Technik man nimmt man braucht viel Zeit, Geduld und eine Vorstellung davon wie das Bild aussehene soll. Wenn man einen Fehler macht nimmt er direkt Auswirkungen auf das Ergebniss. Einige Fehler lassen sich korrigieren und Übermalen, andere nicht, dabei muss man wissen welchen Techniken zum korrigieren geeignet sind und welche das Bild völlig zerstören. Manchmal kann es auch nötig sein selber sich Gedanken zu machen um das Bild zu retten, hierfür bracuht es aber ein gewisses Talent und Gefühl. Ein untalentierter Maler wird wohl die Grundtechniken lernen können, aber sein Bild wird nachher nie so aussehen wie das des talentierten einfühlsamen Malers. Die Gefühle und der Charakters zeigen sich in dem Bild, doch nicht nur im Ergebniss sondern auch in der Art in der der Maler sein gemälde gestalltet. Gibt er sich auch der liebe zum Details hin, hat er Ruhe Geduld, seinen eigenen Stil oder kopiert er nur einen anderen, all das spiegelt sich wieder.
Doch nicht die reine Perfektion führt zu einem schönen Bild. Ein guter Maler muss sich auch trauen seiner Inspiration zu Folgen und Fehler zu machen. Außerdem ist Kunst auch Geschmackssache der eine Betrachter wird das Bild wohl als schön empfinden und vielleicht sogar als Perfekt, während eine Anderer es als "Stümperei" sieht. Ist nicht auch ein Kinderbild Kunst?

Doch eine Sache vertägt die Kunst nicht, Gewalt, Kraft, Agression, Unruhe, Ungedult. All das zerstört ein Bild und schafft Fehler die oft nicht mehr zu korrigeren sind, auch nicht von einem talentierten Künstler und wenn das Werk zu schlecht ist, tja dann möchte es wohl keiner haben. Dann kann der Künstler es nur noch wegschmeißen oder sich selber an die Wandhängen.

So wie auch Binding schon das Pferd als Spiegel verglich, ist auch das Gemälde ein Spiegel des Künstlers.

Der Sport hat ganz andere Interessen. Hier geht es um Schweiß, Leistung, viel Arbeit, Kraft, Wettkampf, Ergebnisse, Normen. Deshalb ist Reiten für mich kein Sport und sollte auch keiner sein.

Früher war das anders, da habe ich darauf bestanden das Reiten ein Sport ist und war stolz darauf, das es so anstrengend ist.
Bernie
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Beitrag von Bernie »

Steffen, d'accord. Ich hasse diese Grabenkämpfe, vor allem auf theoretischer Basis, da eben die Richtlinien und die SdA sehr wohl gut und richtig sind, auch gefallen mir viele FN-gerittene Pferde. Auch wenn es nicht mein Weg ist.

Aber in der Praxis musste ich einsehen, dass es eben nicht derselbe Weg ist. Ich hatte jetzt einige Jahre FN-Unterricht und es ist mir zu ungenau, zu schnell vorangegangen etc. Dies ist aber eine sehr! subjektive Empfindung, es geht eben um mein Pferd, diesen einen Trainer und mich. Das heißt jetzt nicht, dass ich niemals mehr FN-Unterricht haben möchte. Ich fühle mich bei meinen klassisch reitenden Trainern (wobei sie selbst als Pferdwirt aus der FN hervorgingen, aber danach Ausbildung bei bekannten Klassikern) einfach wohler.

Deshalb muss es doch irgendwie einen Unterschied geben? Für einen selbst ganz persönlich?
kallisto
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Beitrag von kallisto »

Ich bin jemand, der sich an dem Begriff Reitkunst stört. Viel zu perfekt und außergewöhnlich, als dass man das als einen Reitstil ansehen könnte oder ich mich da einordnen könnte.

Ich mag diese elegante, losgelassene und kraftvolle Bewegung eines Pferdes. Nein, kein Gangwunder, diese stolze Lebensfreunde eines ganzen normalen Benziners :). Ich möchte mit dieser Kraft spielen und teilhaben können. Ebenso das Pferd als Wesen. Es ist so toll zu fühlen, wenn man die Konzentration eines so temperamentvollen Wesens zu spüren bekommt. Ja reiten ist Egoismus pur. Aber da gehört noch etwas dazu. Der Weg dorthin. Bis man in Balance und Harmonie im weichen und kraftvollen Galopp über ein Feld sich mit Pferd erfreuen kann, geht man einen Weg einer langen Ausbildung. Sowohl in der Erziehung, der Gesundhaltung und der Ausbildung des Pferdes und des Reiters. Der Reitstil definiert sich für mich in Weg und Ziel dorthin und ist teilweise eher persönlich. Nur leider sind die meisten zu bequem und schauen lieber nach rechts und links, wie es die anderen machen ohne sich über die eigenen Ziele Gedanken zu machen und sich z.B. durch verschiedene Reiter und Literatur inspirieren zu lassen. Ich bin offen für vieles und habe nach wie vor ein kleines Interesse an einer Dressur-WM, aber das ist so entfernt von meinen Zielen, dass ich mich davon nicht beeinflussen lasse. Pferd und Reitlehrer sind meine ständigen Kritiker und ich der ewige Schüler. Selbst, wenn ich noch einen langen Ausbildungsweg vor mir habe, ich habe ein genaues inneres Bild von Gefühl und Anblick von der Pferdebewegung vor mir und schon kleine Erfolgsschritte erfreuen mich. Dieses Bild ist verändlicher, hat aber gewisse persönliche Regeln. Für mich gibt es außergewöhnliche Reiter und tolle Reiter-Pferd-Paare mit einer harmonischen Ausstrahlung unabhängig vom Stil und Springen/Dressur/Jagd und co. Diese Individualität geht mehr und mehr verloren, leider auch durch die Gleichstellung durch Wettbewerbe, Ehrgeiz und gegenseitiges Messen und Vergleichen. Das Ziel der Harmonie zwischen einem Reiter und dessen Pferd kann nur ein individueller, aber korrekter Weg ermöglichen. Dies in höchster Stufe ist für mich Reitkunst und wird es so hoffentlich immer bleiben.

Und da denke ich z.B. an einen Pferdebesitzer, der ein Pferd mit nur einem Auge hatte. Dies war extrem im Stall/auf der Koppel schreckhaft, flüchteste bei kleinsten Geräuchen und war ganz hinten in der Rangordnung. Der Besitzer konnte es ohne Sattel und Zaumzeug in Ruhe und entspannt auf der Straße reiten. Für mich schon sehr weit an einer eindrucksvollen Harmonie. Reitkunst ist immer individuell und nicht nur eine perfekte Piaffe und manchmal nur auch nur ein wunderschöner Moment einer Pferde-Mensch-Beziehung.

LG Susi
Sheitana
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Beitrag von Sheitana »

Ich stimme Jen voll und ganz zu. So sehe ich das auch. Reiten --> und daneben das ganze Drumherum ist für mich eine Lebenseinstellung.

Auf diesem Weg bin ich noch seeehr weit am Anfang... :wink:

Die altern Meister lese ich noch nicht oft. Einfach weil ich das Gefühl habe, noch nicht weit genug zu sein, um sie in ihrer Gänze richtig zu verstehen.
LG
Sheitana
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Jen
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Beitrag von Jen »

kallisto hat geschrieben:Reitkunst ist immer individuell und nicht nur eine perfekte Piaffe und manchmal nur auch nur ein wunderschöner Moment einer Pferde-Mensch-Beziehung.
Ja, das finde ich auch! Reitkunst zeichnet sich für mich mehr durch eine Einstellung hinter dem Tun aus, als darüber, dass man ein perfekter Künstler sein müsste. Schön, wenn man's ist. Aber es gibt nur ganz wenige Menschen auf der Welt, die in einer Kunst etwas aussergewöhnliches zu stande bringen. Deswegen darf es ja trotzdem auch "normale" menschen geben, die sich der Kunst widmen. Sie werden es vielleicht nie bis zum fertigen Kunstwerk bringen, sie werden vielleicht nie aussergewöhnliche Künstler sein. Aber das besondere an der Reitkunst ist ja, dass der WEG dahin so wichtig und prägend ist. Und für jeden bedeutet "Kunstwerk" wieder etwas anderes. Für den einen ist es die perfekte Piaffe, für den anderen ist es den perfekten Wanderritt. Die Prioritäten sind doch unterschiedlich. Deswegen muss das eine nicht besser als das andere sein! :)
Liebe Grüesslis, Jen
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