Kandare - warum?

Rund um die klassische Reitkunst

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Colloid
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Beitrag von Colloid »

Carmen hat geschrieben:Nein, er meint schon "Biegen". Beim ihm bezieht sich das Biegen aber hauptsächlich auf das Genick.
Jaaa... :roll:
Beugen im Genick, also Beizäumung.

Garantiert meinte er nicht die seitliche Biegung!
LG
Colloid
Das Pferd lehnt sich an den Reiter an. Wenn die Abstimmung zwischen Pferd und Reiter ideal ist, wird das Mittel der Anlehnung, der Zügel, fast entbehrlich.
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Anchy
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Beitrag von Anchy »

@Carmen

Das meint er mit Sicherheit NICHT !

Ich sitze da ein ganz klein wenig an der Quelle :lol:

LG
Anchy
Zuletzt geändert von Anchy am Mo, 12. Nov 2007 19:42, insgesamt 1-mal geändert.
Wenn Du es festhalten mußt, hast Du es schon verloren
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smilla
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Beitrag von smilla »

Ich habe mal eine neue Frage, auch wenn ich mich damit als Unwissende oute. Aber ich bin echt an einer Antwort interessiert!
Warum gibt es Zungenfreiheiten und kann man Kandaren mit diesen ohne schlechtes Gewissen einsetzen (ich will sie nicht ;) )? Dass Stangen Vorteile haben, leuchtet mir ein, aber was soll die Zungenfreiheit positives bewirken? Dem Pferd Angst machen (drückt falls zu groß gegen den Gaumen, engt Zunge ein).
Ich will echt nicht provozieren, sondern bin wirklich an einer Antwort interessiert.
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Kosmonova
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Beitrag von Kosmonova »

Carmen hat geschrieben: Ein Herr P.Karl meint: [...]
Die Kandare allein anwenden, um das Genick zu biegen oder den Hals zu dehnen..."
Er meint definitiv die Beizäumung. ;)
Es grüßt Nadine

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so schwer wie die freiheit, so leicht ist der zaum der sie hält... (frei nach and one - krieger)
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Susanne
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Beitrag von Susanne »

Es stellt sich sowieso die Frage, wie jemand mit einer Kandare Stellung und Biegung (seitlicher Natur) herstellen möchte. Trense habe ich ja deshalb, damit ich auf der einen Seite Druck ausüben kann, der nicht auf der anderen Seite ankommt. Deshalb ja das Gelenk in der Mitte...
Liebe Grüße
Susanne
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Melli
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Beitrag von Melli »

Trense habe ich ja deshalb, damit ich auf der einen Seite Druck ausüben kann, der nicht auf der anderen Seite ankommt. Deshalb ja das Gelenk in der Mitte...
Ehm...nur ein kleiner Einwurf:
da auch ein gebrochenes Gebiss in der Mitte keine Feder o.dgl. hat ist es wohl nicht möglich (und auch gar nicht sinnvoll, mMn im Gegenteil!), auf einer Seite Druck zu machen, der auf der anderen Seite nicht ankommt.

Sonst bräuchte man keine Nasenriemen, Knebeltrensen etc.

Nur: der Druck, der auf der Gegenseite entsteht, ergibt für das Pferd Sinn.
Z.B. ein aufwärts angenommener Zügel drückt auf der einen Seite auf die Laden (Kauen/Schlucken --> Maul wird geöffnet), auf der anderen Seite (bei einer Knebeltrense) gleichmäßig auf die Außenseite der Maulpartie, was das PFerd dazu veranlasst, seitlich nachzugeben.
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Susanne
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Beitrag von Susanne »

@ Melli: "Ähm" zurück ;-). Also, wenn ich rechts leichten Druck ausübe, dann setzt der sich ja bis zum Gelenk der Trense in der Mitte des Pferdemaules fort. Sicherlich wird ein ganz kleiner Teil dieser Kraft auf die andere Hälfte des gebrochenen Gebisses übertragen werden. Aber aufgrund des "Scharnieres" in der Mitte wird ein großer Teil der Kraft je nach Wirkungsrichtung der Kraft auf Zunge, Lade... verteilt werden. Ein Beispiel was ich meine: Wenn ich eine Bierzeltbank habe und ich stelle mich links drauf, dann kippt sie rechts hoch. Wenn ich daneben noch eine Bierzeltbank stehen haben, und den selben Versuch mache, wird die einfach stehen bleiben. Selbstverständlich kann ich bei großer Krafteinwirkung das gebrochene Gebiß durchs Maul ziehen - aber von diesem Fall bin jetzt mal nicht ausgegangen.
Der Sinn des Nasenriemens beim reiten mit einem gebrochenen Gebiß hat mir (außer beim Springen und in der Vielseitigkeit) noch niemand schlüssig erklären können.
Weshalb gehst Du davon aus das eine Feder keine Kraft übertragen würde, ein Scharnier aber schon?
Liebe Grüße
Susanne
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Preferida
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Beitrag von Preferida »

Zum Einwand es ist nicht sinnvoll auf gebrochenem einseitig zu wirken!
Das sollte man sogar strikt so handhaben!
Denn die gebrochenen Gebisse, sind dazu gedacht sie einseitig zu nutzen, da ansonsten fleißig gequetscht wird.
Hab also acht, Reiter, auf
dich selbst. Ist dein Pferd
stützig, heftig, ungefügig,
so dürfen wir kecklich die
Behauptung aufstellen,
dir gebricht es an
liebenswürdigem Charakter
und richtiger Methode
(Francois Baucher)
sinsa
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Beitrag von sinsa »

Ich bin zwar neu, aber ich traue mich mal und oute mich als Nutzerin einer Stange.

Ich nutze ein Kimblewick mit ganz kleiner Zungenfreiheit ohne Kette. Die Zügel sind im Ring eingeschnallt, so dass sie (fast) wie ein Trensenring wirkt.
Grund für die Stange war mein Pferd. Er war einfach nicht wirklich für sein Gebiss zu begeistern. Er lief damit, aber er nahm es nicht gerne an, wenn ich mit der Trense kam. Wir haben alles mögliche ausprobiert. Knebeltrense, einfach und mehrfach gebrochen Gebisse aus verschiedenen Materialien, Olivenkopf und D-Ring und das Ganze noch in unterschiedlichen dicken. Am Ende blieb das Kimblewick als Stange (eine andere Stange war nicht zu ergattern). Er nahm es ins Maul und ist seit dem zufrieden. Er kaut drauf rum und wenn ich jetzt mit der Trense komme, dann schnappt er sie sich selber.
Ein Blick ins Maul zeigte uns, dass jedes gebrochene Gebiss bei ihm so liegt, dass es an die Hengstzähne kommen kann und ich nehme an, dass das der Grund für seine Vorliebe ist. Die Stange liegt ruhig da, wo sie hingehört und er kann sich nun entspannen, weil er nicht mehr auf das Gebiss achten muß.
Stellen und biegen ist jetzt für mich kein Problem mehr. Es scheint so, als ob er mich wesentlich deutlicher versteht als mit den anderen Gebissen.
Von Zwang und Härte, kann ich nichts entdecken, da er damit entspannter läuft als früher. Auch ein verkanten kann ich nicht wirklich bestätigen.
Das Gebiss ist so deutlich, dass ich nicht groß mit den Zügeln/Händen rumfuhrwerken muß, um mich bemerkbar zu machen. Da reicht ein minimales fingerzucken. Das man mit einer Stange nicht einseitig zeiehn darf versteht sich für mich von selbst.
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Saludos!
Da ich ja in dem Land der traditonellen Stangenreiterei lebe, möchte ich mal schnell Anchys Beitrag zum geläuterten Kandarenreiter voll und ganz unterschreiben. Meine beiden Spanier wurden vor dem Kauf durch mich ausschließlich mit Stange geritten. Resultat: Sie gingen in falscher Aufrichtung und keineswegs über den Rücken, wobei die Vorbesitzer ganz sicherlich keine schlechten Reiter waren. Nur: die Dehnungshaltung, für mich die Basis jeden Reitens, lässt sich meiner Erfahrung nach mit der Kandare nicht erzielen. Und zur Zeit ist diese Dehnungshaltung, die ich immer wieder abrufen möchte, immer noch das zentrale Thema bei meinen Jungs.
Ergo habe ich beide umgestellt, den Wallach auf Baucher-Trense, den Hengst sogar von Stange auf einfach gebrochene auf doppelt gebrochene Trense. BEIDE Pferde akzeptieren die Trense nach einer gewissen Umgewöhnungszeit problemlos; für die tägliche Basisarbeit halte ich sie für unverzichtbar. Persönlich traue ich mir auch nicht zu, diese Basis mit der Stange zu erreiten.
Und genau da sehe auch ich extreme Defizite, bei den Stangenbefürwortern – ich habe bisher so gut wie kein Pferd gesehen, dass über JAHRE hinweg so solide ausgebildet wurde, dass der Wechsel zur Stange wirklich Sinn machte. Stattdessen redet man sich gern ein, dass Pferd ginge ja so hübsch…
Und man muss sich auch gar nichts vormachen. Natürlich wirkt eine Stange anders und auch schärfer als eine Trense. Das hat auch nicht im Mindesten etwas mit der sensiblen Handhabe zu tun, das hat etwas mit der unterschiedlichen Wirkungsweise der Gebisse zu tun. Wie hat es Patchy bei ihrem letzten Kurs hier so schön formuliert: "Die Pferde kennen den Tarif, wenn sie die Stange drin haben".
Im Übrigen kann ich der Argumentation, die Kandare sei so viel feiner als die Trense, mit der man dem armen Pferd im Maul rumfuhrwerke nicht ganz folgen: Wer dermaßen grobmotorisch reitet, dass er mit der Trense rumsägt, sollte von einer Kandare nicht mal träumen. Das Gegenteil ist richtig: Erst dann, wenn ich die Hilfengebung auf Trense bis ins letzte Detail verfeinert habe, kann ich mal an Kandare denken.

LG Andrea

P.S. @Sinsa: Wenn das Gebiss an die Hengstzähne schlägt, stimmt einfach etwas mit der Verschnallung nicht. Bei meinem Hengst musste ich auch lange rumprobieren, dem gefällt das Gebiss am besten, wenn es KNAPP oberhalb der Hengstzähne liegt. Alles, was höher ist, macht ihn maulig
horsman
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Beitrag von horsman »

Cubano hat geschrieben:Saludos!
Wer dermaßen grobmotorisch reitet, dass er mit der Trense rumsägt, sollte von einer Kandare nicht mal träumen.
...der sollte aber besser die Trense auch nicht anfassen!

Das Elend (zumindest in D) ist ja, dass alle Welt glaubt, die Trense sei für den ungeübten Reiter das richtige Mittel, da die Kandare noch das falsche ist. Letzteres stimmt zwar uneingeschränkt, aber ersteres stimmt im Umkehrschluss leider nicht.

Grüßle
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

horsmän hat geschrieben:
Cubano hat geschrieben:Saludos!
die Trense sei für den ungeübten Reiter das richtige Mittel
Mehr noch ist die Trense für das ungeübte PFERD das richtige Mittel.
Aber ich weiß schon, was Du sagen willst… :)
Carmen
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Beitrag von Carmen »

Dann frag ich mal ganz provokativ:

Wie will man eine "Körperbiegung" mit einem Gebiss - welches auch immer - bewirken?
Das Gebiss wirkt auf Genick, Hals und Vorhand. Aber doch nicht noch weiter hinten.
Eine Längsbiegung im ganzen Pferd - so weit eben möglich - erhalte ich doch über den Sitz und nie über den Zügel.

Kann ich mit einem Gebiss mehr biegen als Genick und Hals???
"Es gibt schon viel zu viele Pferde, die Gefangene sind. Wenn wir unser Pferd lieben, müssen wir [...] ihm so viel wie möglich von seiner Freiheit zurückgeben." Sylvia Loch
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Isomer
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Beitrag von Isomer »

@Carmen

Die Muskeln im Hals wirken bei Biegung auch auf die Muskulatur im Rücken (Muskelkette) und somit erreiche ich auch eine gewisse Biegung dort.

isomer
„Was es alles gibt, das ich nicht brauche!“ [Aristoteles]
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Jen
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Beitrag von Jen »

@carmen
Es geht ja nicht um die Wirkung, die das Gebiss direkt ausübt, und das ist nur auf das Maul (Zunge, Lade, ev. Kinngrube bei Kinnkette), je nach Gebiss auch noch auf das Genick (hebelwirkung), sondern auch die Wirkung, die das Gebiss dann indirekt ausübt und die ist im wesentlichen vom Ausbildungsstand des Pferdes abhängig. Und ja, das Gebiss wirkt dadurch durchaus auf die Hinterhand des Pferdes und zwar auf verschiedene Arten, manchmal unerwünscht, manchmal erwünscht und das ist ja genau das, worauf sich ein sehr grosser Teil der Reitlehre bezieht! Ich möchte da jetzt nicht ausschweifen, weil das gäbe ein halbes Buch. Aber die Wirkung auf die Hinterhand kann zb. Parade im richtigen Moment bei durchlässigem pferd --> Hankenbeugung; Parade im falschen Moment --> Hinterhand wird herausgeschoben; sie kann stellend und biegend sein --> inneres Hinterbein weiter vorschwingen lassen etc.

Das Reiten sollte nie auf nur ein Detail fokussieren: zb. das Gebiss. Die (Aus-)wirkung hängt ja im wesentlichen davon ab, wie sie das Pferd versteht und umsetzt/umsetzen kann. und um dieses verstehen gehen ja die verschiedenen Gebisse, weil die einen hilfreicher sind, ein pferd das eine verstehen zu lassen als das andere. Wahrscheinlich gibt es begnadete Reiter, die einem pferd irgendwas oder gar nix ins Maul hängen und dem pferd trotzdem zu verstehen geben können, was sie von ihm möchten und das Pferd lernt, dies umzusetzen.

Aber der grossteil der Reiter ist leider nicht so begnadet und da stellt sich die Frage, ob man es sich schwieriger machen muss als nötig und das jeweilige Werkzeug verwendet, für was es sich am besten eignet. Wenn das Werkzeug zweckentfremdet wird, dann muss man sich immer fragen, ob man dann damit das gleiche erreicht oder doch vielleicht etwas (unerwünschtes) anderes. Schliesslich hat alles, was eine Wirkung hat, auch eine (manchmal unerwünschte) Nebenwirkung. Da gilt es doch von Fall zu Fall abzuwägen, welche Wirkungen man braucht und welche nebenwirkungen auftauchen könnten und vielleicht zu diesem oder jenem Zeitpunkt schädlicher oder weniger schädlich sind.

Womit ich grosse Mühe habe, ist, wenn das pferd die Fehler oder das Unvermögen des Reiters ausbaden muss, sprich: der Reiter ist nicht gut genug, das Pferd auszubilden und deshalb wird das Pferd mit allerlei mechanischen Werkzeugen und Hilfsmitteln traktiert. Ich habe aber weniger Mühe mti einer Kappzaum od. Unterlegstrense kombinierte Kandare im Maul eines jungen Pferdes in der Hand eines sehr feinfühligen Reiters und Ausbilders, als die dicke Wassertrense in der unruhigen, harten Hand eines Handwerkers. Schaden kann man mit jedem Werkzeug anrichten.
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
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