Main fixe - Stellung der Reiterhand

Rund um die klassische Reitkunst

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horsman
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Beitrag von horsman »

Nee, anders herum wird ein Schuh draus.

Nur wenn die Hand fest steht, fängt das Pferd überhaupt an, sich an ihr abzustossen. Dieses "Abstossen" ist doch nix anderes als eine nachgiebige U.kiefer-Reaktion. Dies leitet den "Dialog" ein. Das Pferd gibt nach. Der Reiter darf nun ev. seine Finger öffnen, aber niemals seine Hand bewegen. Das Problem ist nämlich, dass sobald die Hand sich bewegt, sie auch Tendenz bekommt rückwärts zu wirken. Das Pferd wird dann oft recht schnell mit seiner Nachgiebigkeit aufhören wird, weil es sich nicht mehr selbst damit belohnen kann, weil auch im Fall, dass es einen nachgiebige U.kiefer-Reaktion gibt, die nach rückwärts wirkende Hand ihm dies nicht als Erleichterung quittiert. (Hinweis: die Reaktion des Menschen ist viel zu langsam, als dass man bewußt ein Nachgeben zum richtigen Zeitpunkt hin bekäme - Stichwort: fallenden Geldschein mit der hand auffangen wollen - geht nicht). So funzt die main fixe.

Gerade das ständige und fortwährende Abstsossen am Gebiss, zeigt, dass das Pferd sich selbst trägt. Hört das abstossen auf, hört das selber tragen auch auf.

BTW
Was ist denn eigentlich der Unterschied zw. einer fest stehenden Hand und einer ruhig stehende Hand? Für mich gibts da keinen.
louise
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Beitrag von louise »

Ruhig stehend ist für mich Grundvoraussetzung für die Hand, im Grunde ja zügelunabhängig, deshalb unabhängig von der "Bewegung" des Oberkörpers, der ja auch zwar mitschwingend, aber dennoch ruhig sein sollte.
Ruhig ist die Hand im Zwiegespräch, sprich mit vibrierenden Händen/Fingern, animiert zum Kauen etc.
Fest stehend kann das Gleiche bedeuten, impliziert für mich aber eine totale Unbeweglichkeit und genau die möchte ich ja nicht. Ruhig, aber nicht unbeweglich.

Das mit dem Abstossen werd ich nochmal mit meinem RL besprechen, aber ich meine das eigentlich anders.
Abstossen beinhaltet für mich erst mal fester Kontakt, von dem sich gelöst werden soll/muss. Selber tragen ist ein Resultat daraus, aber immer neu abstossen? Hm, hört sich so negativ an, selber halten kann doch auch eigenständig sein?

Louise
horsman
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Beitrag von horsman »

richtig.
ein festerer Kontakt soll sich lösen.
genau das passiert, wenn das Pferd mit dem U.kiefer nachgiebt und ihn löst. In dem Momet löst sich nämlich der Zügeldruck.

Deshalb bin ich ja immer noch der Meinung das "Abstossen am Gebiss" ist ein losgl. Unterkiefertätigkeit, und kann deshalb auch nicht verstehen, dass die FN-Leute das was Herrn karl sucht (nämlich eigentlich bloss ein "abstossen am Gebiss") nicht erkennen.

Der Zustand des leichteren Kontakts bleibt auch nicht ewig vorhanden. Dann nämlich wär das Pferd hinter der Hand, was nicht korrekt ist. Aufgrund der ständigen Dehnungsbereitschaft wird das Pferd sich wieder mehr dehnen, demnach wieder mehr Kontakt aufnehmen und dann wieder erneut abstossen. Dies ist ein ständig fortwährender Prozess.

Genau das wäre der Dialog zw. Hand und Maul den ich meine. Etwas anderes seh ich da eigentlich nicht.
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jolly_roger
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Beitrag von jolly_roger »

Wenn das Pferd durch Flexion den Zügel abspannt, ist es nicht "hinter der Hand". Es ist in Légèreté und Anlehnung findet nicht statt.
Shocking für die meisten, ich weiß.
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horsman
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Beitrag von horsman »

jolly roger
das weiß ich.
Dennoch findet eine Form von "Anlehnung" statt.

Nicht in dem wörtlichen Sinne, dass sich das Pferd irgendwo an- oder auflehnt. Das will man nicht. Aber in der Form eines ständigen Dialoges zw. Reiterhand und Pferdemaul und zwar durch die ständig aufs neue zu bekommende/gegebene U.kiefer Flexion und die darauf hinwirkende Reiterhand, die mal die Finger schließt mal öffnet und ggf. die Flexion durch anheben der Hand (ggf. nur der inneren Hand) auch mal aktiv wieder einleitet und durch sinken lassen der Hand im Zustand guter Legerete. Desweiteren gibt das Pferd ja aufgrund guter U.kieferflexion auch das Genick her und rundet sich in Hals und Genick und das Pferd zäumt sich von sich aus bei, was ja auch ein Element von "Anlehnung " bedeutet.

Auch das ist ja ein fortwährender Prozess, den man in einem anderen Sinne auch als Anlehnung bezeichnet könnte.

Es ist eben alles einen Sache der Definitonen, wobei das Wort "Anlehnung" an sich recht problematisch ist, weil es bei vielen ein "anlehnen" impliziert.
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Alkasar
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Beitrag von Alkasar »

horsmän hat geschrieben: Es ist eben alles einen Sache der Definitonen, wobei das Wort "Anlehnung" an sich recht problematisch ist, weil es bei vielen ein "anlehnen" impliziert.
Ja, und zunächst mal heisst es "Anlehnung" und nicht "Anziehung" wie einer der Herrn PK und GH in Verden letztens so treffen kommentierte.

Und um noch ein Zitat beizusteuern: RH sagte kürzlich das "eine Anlehnung immer gegeben sein müsse, und sei nur eine mentale" Fand ich sehr schön.
„Wer nur zu seiner Freude reitet, aus Freude am Leben, aus Freude an Flur und Wald, aus Freude am Pferd, der ist ein König und ein Weiser.“ (aus: Vollendete Reitkunst, Udo Bürger, 1959)
louise
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Beitrag von louise »

@horsmän:

wenn du es so beschreibst (was ich ja durchaus richtig finde), frage ich mich nur: wieso schreibst du weiter oben, dass immer wieder neu ein abstossen stattfinden muss?

hier schreibst du doch selber, dass es stattfindet und dann in einen dialog möglichst ohne neuen druck münden soll....

auf meine frage, was eine main-fixe ist, hab ich so schöne antworten bekommen. warum kann keiner dieser versierten menschen was dazu schreiben, was in diesem moment mit dem bein oder von mir aus auch mit dem sitz passiert?
ich mein, wenn ihr dann damit gar nichts tut, dann schreibt das doch einfach mal, dann kann ich mir entweder weiterreichende gedanken machen oder es wenigstens verstehen.
hand ohne bein und bein ohne hand ist ja gut und schön, aber wenn ich auf den druck des pferdes mit der main fixe reagiere, also mit "gegendruck", da ich ja nicht nachgebe, und nichts weiteres tue, bleibt das pferd doch stehen bzw. vermindert das tempo, die gangart, oder?

antwort erbeten, versuche doch nur, diese zusammenhänge zu verstehen.

und in diesem zusammenhang frag ich mich wieder mal, wieso der begriff anlehnung so negativ besetzt ist... bzw. ob der begriff beizäumung besser gewählt ist?

louise
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Beitrag von horsman »

lou,
auch hier: in den Büchern von Racinet und auch P.Karl findest du viele Antworten auf deine Fragen. Auch sehr anschaulich und recht unterhaltsam erläutert, mE fachlich ausführlicher bei Racinet ("Feines Reiten".

Der Begriff "Anlehnung" ist mE aus zwei Gründen neg. besetzt.
1. wird derzeit in der "offiziellen deutschen" Reiterei oftmals mit richtig schlechter Anlehnung angeblich gut geritten (Turniersport). Das prägte vielfach falsche Bilder und Sehgewohnheiten und Nachahmer.

2. beinhaltet der Begiff wörtlich genommen, je nachdem wie man ihn verstehen will, den Tatbestand, dass sich jemand irgendwo anlehnt, also stützend ausruht. Das ist natürlich nicht der Sinn von Anlehnung, auch nicht von deutscher Anlehnung, jedoch kann der Begriff zu dieser Fehlauffasung verleiten.


Ich pers. finde den Begriff, so wie er in der dt. Reitlehre gebraucht wird auch sehr unglücklich. Denn zumindest ist er eben sehr erklärungsbedürftig, da damit mE ein sehr komplexer Vorgang gemeint ist.

Der Begriff beinhaltet nämlich mehrere Dinge auf einmal, nämlich Zügelkontakt Hand/Maul, abstossen am Gebiss also loslassen im U-kiefer, und Beizäumung also Genickrundung bei angehobenem Widerrist. Somit ist auch ausgeschlossen, von guter Anlehnung zu reden, ohne das Versammlung oder zumindest losgelassene und tragende Hinterhandtätigkeit vorhanden ist, weil erst dadurch das Pferd Beizäumung geben kann. Das vermischen der einzelnen Begriffe und Zustände bringt viel Konfusion. Die drei Begiffe (Zügelkontakt, U.kiefer-lockerung, Beizäumung) zu trennen wäre der Sache sehr viel dienlicher.

Nochmal zur main fixe:
Ja sie steht fest und das Bein hat damit zunächst mal nix zu tun, bzw. tut nix außer herab zu hängen. Sie steht fest, damit das Pferd daran nachgibt, nicht der Reiter. Das feststehen bedeutet aber gerade KEIN ziehen! Dieses Nachgeben des Pferdes bedeutet ein loslassen des U.kiefer und eine entspannte "Kaureaktion" zu geben. Danach muss man suchen.
Da die Hand keinen mm zurück zieht (!!!das ist die Kunst!!!), kann sich das Pferd dadurch unmittelbar vom Zügeldruck selbst befreien und wird somit schnell lernen sich in einen wohleren Zustand zu bringen.

Ein junges Pferd wird dies nicht unbedingt sofort geben. EIn älteres, aber im Maul festgerittenes Pferd meist noch weniger. Nun heißt es, durch gescheite "Übungen", die sowohl das Maul als solches, aber auch die Hinterhand betreffen können, das Pferd zum lösen des Maul zu bringen. OHNE GEWALT, versteht sich von selbst.

Nach und nach lernt das Pferd und verinnerlicht die Sache soweit, dass man davon sprechen Hand, dass man das Pferd leicht "an(in) die Hand stellen kann". Natürlich dauert der Prozess ein paar Tage-Wochen-Monate.

Man sollte aber niemals sehr lange ohne eine Maulreaktion auf aufkommenden Zügeldruck zu bekommen daher reiten. Dann muss man sich etwas anderes überlegen, einen Schritt zurück gehen usw...

Im Verlauf jeden Reitens, auch bei noch zu gut gymn, Pferden und noch so guten Reitern, wird es immer wieder Momente geben, wo der Zügeldruck ansteigt und die Maulreaktion ev. für einige sekunden ausbleibt. Deswegen muss man fortwährend nach neuer Maulreaktion suchen bzw. deren Erhalt fördern, bzw. deren Verschwinden vermeiden. Das ist die Kunst, die zB Oliveira mE perfekt beherschte.


Das Bein kommt erst ins Spiel, wenn du mehr Vortrieb möchstest. Zuerst aber muss man sich fragen, ob nicht die Handaktion den Vortrieb hemmt. Wenn ja, ist diese etwas zu lösen, wenn dann immer noch zu wenig Vortrieb, dann Bein geben.

Die main fixe darf Beizäumung nicht erzwingen. Die Beizäumung gibt das Pferd von selbst, wenn es
a) korrekte Maulreaktionen gibt
b) die Hinterhand gymnastiziert wird
wobei a) auch unmittelbar mit b) und b) mit a) zusammenhängt, wie das Ei und die Henne.
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Gawan
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Beitrag von Gawan »

Habe eben unter http://www.animalholistichealth.com/hclassical.htm einen Artikel zum Thema "Fixed hand versus the following hand" gefunden, der u.a. beschreibt, wie die feststehende Hand mit dem Sitz des Reiters zusammenhängt. Interessant zu lesen, aber halt in englisch.

Tanja Xezal
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Beitrag von Fliehendes Pferd »

Horsmän, Anlehnung im Sinne der "deutschen" Reitlehre meint keinesfalls auch Beizäumung. Diese gehört nicht dazu. Anlehnung ist nur Voraussetzung für die Beizäumung.
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Alkasar
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Beitrag von Alkasar »

Fliehendes Pferd hat geschrieben:Horsmän, Anlehnung im Sinne der "deutschen" Reitlehre meint keinesfalls auch Beizäumung. Diese gehört nicht dazu. Anlehnung ist nur Voraussetzung für die Beizäumung.
Ja, schon in der HDV12 wird vom jungen Pferd Anlehnung verlangt aber keinesfalls Beizäumung. Ich verstehe hier Anlehnung im Sinne von Kommunikation, "sich führen lassen".
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Beitrag von horsman »

Ah, auf den Hinweis hatte ich gewartet, denn im Grunde seh ich das auch so. Anlehnung in D ist nicht auch schon Beizäumung.

Nur:
Zeig mir einen Richter, der nicht schon in einer E oder A (von L ganz zus schweigen) bei einem nicht beigezäumten Pferd, also ein Pferd, welches noch nicht durchs Genick geht, die schlechte "Anlehnung" kritisiert.
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jolly_roger
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Beitrag von jolly_roger »

Wenn immer wieder dasselbe gefragt wird, obwohl die Antworten schon gegeben wurden: ist bloß der Thread nicht aufmerksam gelesen worden oder ist hier das Interesse an einer Erkenntniserweiterung der Bestätigung der eigenen, vorgefassten Meinung nachgeordnet?

Es ist erheiternd zu lesen, wie um den Erhalt des Konzepts der "Anlehnung" gerungen wird, zur Not muss sie dann umdefiniert und zu etwas gemacht werden, was sie nicht ist oder sie wird als eine "mentale" interpretiert, Hauptsache, man muss sie nicht aufgeben. Die main fixe und die "Anlehnung", sie sind nicht vereinbar, und was die main fixe erstrebt, ist die Aufgabe der Anlehnung, ebenso wie von Maline in diesem Thread bereits ausgeführt:
Es ist dieses völlige Loslassen des Gebisses durch das Pferd, das hier angestrebt wird, der völlig entspannte Zügel.
In diesem Zusammenhang ist die Ausserkraftsetzung der "Anlehnung" Voraussetzung für das ramener im Sinne der Légèreté.

Und das ist eben "shocking" für die meisten - ich weiß.
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Bernie
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Beitrag von Bernie »

Nö, schockt mich nicht. Es würde mich irritieren, wenn meine Reiterei jemanden schockieren würde. Deine? Jeder, wie er mag. :wink:
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jolly_roger
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Beitrag von jolly_roger »

Zwar mag ich Dieter Nuhr nicht, aber manchmal hat er Recht. 8)
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