Hohe Kunst ?

Rund um die klassische Reitkunst

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sab
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Beitrag von sab »

Hallo,


für mich sind alle gezeigten Pferde ganz, ganz schlecht geritten, ganz egal, wie sich die Reitweise nennt. Es ist hier shcon mehrfach gesagt worden, man sieht es an der schlechten Bemuskelung. Und ich finde, dass man schon Rückenschmerzen beim Anblick der Pferde kriegt; diese durchgedrückten Rücken gehören für mich mit zu den schlimmsten Bildern. Den angeblichen Meister finde ich dabei sehr, sehr schlimm; das Pferd sieht sehr unschön aus (und das ist freundlich ausgedrückt). Und ich finde es völlig unerheblich, ob die Pferde einen Nasenriemen haben oder nicht....

LG

Sabine
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Ich habe heute Abend endlich mal Gelegenheit gehabt, mir die JCR Slideshow anzuschauen und war entsetzt. Die Bilder ähneln frappierend denen von Beudant.
Da hat es meiner Meinung nach jemand mit Baucher zu sehr übertrieben, die Gefahren des Systems könnte man nicht deutlicher aufzeigen.

Schade schade, denn vieles, was JCR (nicht nur) über Baucher geschrieben und erklärt hat, ist - schriftlich - sehr richtig und nachdenkenswert. Wieder eine vertane Chance, Baucher im deutschen "Reitkulturkreis" zu rehabilitieren. :cry:
Viele Grüße
Sabine
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padruga
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Beitrag von padruga »

....Und alles kommt wieder-.... deja vu lässt grüßen:
Man schaue den Video an und lese dazu Seegers "Herr Baucher und seine Künste - ein ernstes Wort an Deutschlands Reiter"...
horsman
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Beitrag von horsman »

Ja, ja, Herr Seeger und seine Künste:
Seeger war übrigens dieser Reitersmann hier. Nur um sich mal ein Bild von dem Mann zu machen, der Baucher so anmahnte :lol:

http://tomektwardowski.files.wordpress. ... =292&h=300

Wie´s scheint hat er es auch mal probiert mit den Halsaufrichtungen und Kieferflexionen. Da find ich die Mädels im Video weitaus feinfühliger. Wenn wir schon mal dabei sind, Bilder auseinander zu nehmen.
First a relaxed mind, then a relaxed horse.
horsman
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Beitrag von horsman »

So, ich war euch noch ein paar Stellen aus dem Ami-Video schuldig, die ich für sehenswert halte:

0:17 die letzten zwei Galoppsprünge und dann das Standbild mit dem Fuchs und JCR. Der Fuchs öffnet schön sein Genick und beginnt sanft eine Dehnung, bleibt aber dennoch recht geschlossen hinter dem Sattel. Der Übergang Rücken zu Kruppe ist bei dem Tier übrigens ziemlich grausam konstruiert.

0:45 die Verkürzung der Galoppsprünge gelingt der Reiterin ohne starke handeinwirkung und mit sanften Beineinsatz. Das Pferd nimmt schon recht viel Hankenbeugung, behält aber den Galopp. Das ist nicht so schlecht.

1:09 der Schimmel an der Hand kommt schön durch die kleinen Tritte mit den Hinterbeinen bei dennoch lockerem Maul (ergo ohne gg. die Hand zu drücken) schön mit dem Rücken hoch. Versucht das mal und ihr werdet schnell merken, wie stark die meisten Pferde zunächst gg. die Hand drücken und man somit den Impuls abwürgt, das Pferd blockiert und der Rücken damit nach unten fällt. (Achtung beim Selbstversuch, dass das Pferd euch nicht anspringt, wenn es keine andere Tür (nämlich die der Kieferflexion) findet)

1:40-2:00 die Piafftritte sind leicht heraus geritten. Kein Beingeklopfe, kein Sporengeprokel. Kein Festhalten am Zügel. Das Pferd reagiert sehr schön lebhaft ohne ANgst oder Hektik. Zwar in die Piafftritte noch deutlich auf der Vorhand (Randnotiz: I.W. &Co. bekommt dafür meist ne 6,0 und besser, kriegt aber dabei die Sporen kaum aus dem Pferd) dennoch sieht man schon deutliche Hankenbeugung. Durchaus eine Übung mit gutem gymn. Wert denke ich, weil das abgekippte Becken den Rücken rundet und die Hankengelenke tätig gemacht werden.

2:38 der Trab entwicklelt sich recht schön, besonders, wenn der Braune zum Schluss der Sequenz auf die gebogene Linie wendet

4:06 deutlich zu sehen, wie das Abkippen des Beckens den Rücken hoch holt und rundet. Das Pferd lernt so peu a peu, was der Reiter will, wenn er es versammeln möchte.

Ich finde, es lohnt durchaus ein Blick. Lernen kann man immer was.
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Jen
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Beitrag von Jen »

horsmän, sind "leichte Hilfen" dein einziges Kriterium an die Korrektheit der Lektionen? Ich meine, das ist für mich ja auch wichtig, aber es genügt einfach nicht. Nicht wenn man diese Lektionen, die gezeigt werden geritten werden möchten und nicht wenn man von Versammlung sprechen möchte. Es ist schlicht keine Versammlung sichtbar. Es ist nur eine hohe Halsaufrichtung mit runtergedrücktem Widerrist und nach hinten herausarbeitender Hinterhand, zb. sehr schön zu sehen bei den von dir zitierten Piaffetritte, beachte besonders das weisse Hinterbein, dass nach rückwärts weg vom Schwerpunkt tritt. Das ist das Gegenteil von Versammlung. Die Vorhand wird durch Halsaufrichtung nach vorne rausgestellt, die Hinterhand bleibt hinten hängen. Was passiert: der Rücken hängt durch. Was ist daran versammelt?

Und ganz ehrlich: von dem JCR-Pferd - das sicher keine Schönheit ist und auch kein perfektes Exterieur hat - glaube ich, dass es von Natur aus nicht halb so verbaut ist, wie es aussieht, sondern es drückt einfach ganz krass die Kruppe mit steifem Hinterbein hoch und drückt seinen Rücken hohl nach unten. So sieht jedes Pferd krass verbaut aus und das kann sich mit der Zeit leider auch so manifestieren, wenn sich der Rücken absenkt. Das nennt man dann einen Senkrücken und der kann u.a. genau so herangeritten werden. Kissing Spines können dann zb. die weiteren Folgen sein.

Und ja, DAS IST schädlich. Es geht gegen jedes biomechanische Verständis wie die Muskulatur arbeiten soll. Ich meine, es gibt einen grossen Graubereich. es gibt Dinge, die sind einfach vom subjektiven ästhetischen Gefühl geprägt. Es gibt vielleicht unterschiedlich didaktische Herangehensweisen und leicht unterschiedliche ästhetische Ideale. Wie zb. ob man eher ein extrem losgelassenes, vielleicht eher schlurfiges untertouriges, ev. überbogenes Pferd wie oft bei der akademischen Reitkunst zu sehen mag, oder eher das vielleicht zu gerade, dynamische, ev. leicht überspannte FN-Pferd mag. Grundsätzlich - vorausgesetzt korrekt ausgeführt - ist beides OK und dient der Gymnastizierung dem Reitpferd und ist eher typ-abhängig. klar, auch in diesen Schulen gibt es extreme, die nicht gut sind. Aber auch bei den nicht-extremen: Fehler passieren überall mal und das finde ich persönlich auch nicht so schlimm, solange man es wahrnimmt und daran arbeitet. Das geht halt nicht von heute auf morgen, erwartet ja auch keiner. Zumindest ich nicht.

Wenn aber mit System einfach eine biomechanisch komplett falsche Muskeltätigkeit antrainiert wird, dann ist mir egal von wem, ob das aus dem Rollkurlager oder hier in diesen Videos/Slideshows kommt. (Damit meine ich jetzt explizit die gezeigte JCR-Reiterei und nicht die Baucher-Reiterei im Gesamten). Ungesund ist beides für das Pferd, einfach im jeweils anderen Extrem. Und das ist nicht mehr ästhetisch-subjektiv, sondern gesundheitlich-objektiv beurteilt. Da kannst du Physiotherapeuten, Chiropraktiker, Tierärzte fragen. Es gibt einfach physische Grenzen und da hört für mich der Spass auf. Wir betreiben das Reiten als Luxus-Hobby und haben deshalb auch eine gewisse Verantwortung gegenüber unserem Tier. (und ja glaub mir, ich hab genau so gegen die Rollkurler, sowie auch die nur-leicht-HdS-um-Rücken-hochhol-Reiter "gewettert"). Falsch ist falsch und bleibt falsch.

(und nein, ich kann's auch nicht viel besser geschweige denn perfekt)
Liebe Grüesslis, Jen
***
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Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Danke Jen, genau so sehe ich es auch.

Ich bin dennoch nach wie vor der Meinung, dass auch ein voll nach baucheristischen Grundsätzen ausgebildetes Pferd anders aussehen kann. Oliveira hats bewiesen: http://s416.photobucket.com/albums/pp24 ... =ascending
Viele Grüße
Sabine
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Gast

Beitrag von Gast »

Schlaufzügel?! Oliveira?!

KREEIIISCH!!
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Beitrag von Cubano »

Moins,
doppelt und dreifach bei Jen unterschreib. Wenn ein System zu solchen Pferden führt, ist das System falsch und das hat wirklich überhaupt nichts mehr mit ästhetischem Empfinden zu tun. Was die Oliveira-Fotos angeht: Meins ist diese Form der Reiterei immer noch nicht, aber das liegt schlicht und ergreifend daran, dass ich sowohl der iberischen, als auch der baucheristischen Schule sehr kritisch gegenüberstehe. Die Bemuskelung der Pferde jedoch lässt sich mit der von Chester in keiner Form vergleichen. Schmunzeln musste ich übrigens bei Bild 12 – das zeigt doch wieder mal, dass auch die großen Meister bisweilen nicht ohne "Tricks" herumkamen. :wink:

Boah, der Göttergatte war schneller - na sowas :P
„Steinbrecht ist nur schwer für den leichten Geist." (Nuno Oliveira)
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Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Cubano und Sabrell: es ist allgemein bekannt, dass Oliveira nichts gegen Schlaufzügel hatte - er konnte aber auch damit umgehen, im Gegensatz zu vielen Reitern, die sich der Schlaufzügel bedienen, um den Kopf runterzuziehen. :wink:
Cubano: klar, nicht jeder mag diese Art der Reiterei, aber die Bemuskelung der Pferde spricht Bände - da sind wir uns wieder einig :wink:
Viele Grüße
Sabine
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Gast

Beitrag von Gast »

Max1404 hat geschrieben:.. - er konnte aber auch damit umgehen
Achso. Na denn ..
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Beitrag von Cubano »

Max1404 hat geschrieben:Cubano und Sabrell: es ist allgemein bekannt, dass Oliveira nichts gegen Schlaufzügel hatte - er konnte aber auch damit umgehen, im Gegensatz zu vielen Reitern, die sich der Schlaufzügel bedienen, um den Kopf runterzuziehen. :wink:
Na ja: Ganz ehrlich? Ich denke, auch ein Oliveira wird mit dem SS mal den Kopf runtergezogen haben, wenn er es für angemessen hielt. Das liegt aber daran, dass ich felsenfest davon überzeugt bin, dass KEIN Reitmeister dieser Welt stets und ständig nur pferdefreundlich gearbeitet hat. Genau da liegen für mich übrigens die Tücken in der Glorifizierung der sogenannten alten Meister. Man muss sich da nur mal die geografischen und geschichtlichen Hintergründe vor Augen halten, um ein wenig skeptisch zu werden, was diesen Punkt angeht.
Oder auch: Auch diese Reiter haben schlussendlich nur mit Wasser gekocht.
„Steinbrecht ist nur schwer für den leichten Geist." (Nuno Oliveira)
Nach der SdA unterwegs :-)
Phanja

Beitrag von Phanja »

*räusper*
Bitte bleibt beim Thema. Und bitte achtet drauf, nicht einfach nur inhaltslose Kommentare abzugeben. Wer sich an der Diskussion nicht beteiligen möchte, ist nicht gezwungen zu posten.
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Cubano, auch hier sind wir uns wirklich einig! Ich glorifiziere bestimmt niemanden.
Ich habe das Bild nur eingestellt um zu zeigen, dass auch ein Pferd, das strikt nach baucheristischen Grundsätzen ausgebildet wurde wie eben NO's Bunker, richtig bemuskelt sein kann. Man kann es also - elegant zum Thema zurückführe - auch anders machen als JCR mit seinem bunten Fuchs.
Viele Grüße
Sabine
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Beitrag von Jen »

Joa, das war kein Geheimnis. Er war auch als kompromisslos bekannt. Der Unterschied zwischen NO und JCR ist, dass NO richtig gut am Sitz reiten konnte und die verschiedenen Reitlehren zusammenbrachte. Ob man seine Reiterei mag hat jetzt auch mehr mit dem ästhetischen Empfinden zu tun, als mit der 'Schädlichkeit'. Gerade NO war ja bekannt dafür, ungünstig gebaute Pferde gehabt zu haben. Aber auch solche Pferde werden mit der guten Arbeit schöner.
Liebe Grüesslis, Jen
***
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