Reitkunst - Quo Vadis?

Rund um die klassische Reitkunst

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gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

lesen und Trainingsmethoden übernehmen sind nun aber auch sehr verschiedene dinge.

ich kann durchaus auf miesem niveau reiten und trotzdem sehr viel wissen wollen..... das hat nichts mit dem training zu tun.
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lancia
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Beitrag von lancia »

Das sehe ich ähnlich wie gimlinchen.

Die alten Meister zu lesen und Überheblichkeit kommen doch nicht im gleichem Zug?

Warum darf man nicht was verstehen wollen? Ich finde, zwischen lesen, drüber nachdenken und blind nachmachen liegen Welten.
Wenn man sich vor der Herausforderung zu lernen drücken würde, gäbe es dann noch Fortschritt??

Dass Schriften immer ein Spiegel ihrer Zeit sind ist doch wohl klar. Aber auch die Lektüre großer Schriftsteller oder Bilder der großen Künstler alter Zeiten können doch auch eine wertvolle Botschaft für uns heute haben, auch wenn es vielleicht nicht die Botschaft der damaligen Zeit war?
Ist Kunst nicht zeitlos?
"...aber dem edlen Pferd, das du reiten willst, mußt du seine Gedanken ablernen, du darfst nichts Unkluges, nichts unklug von ihm verlangen." Goethe
gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

möglicherweise würden solche alten schriften ja auch inspirieren, versuchen zu wollen, die zeiten besser zu verstehen?
ist das nicht ein wert an sich?

Zitat von sinsa:
Daher wundert es mich, wenn Menschen, die die RLs und die Skala nicht in Ansätzen zu verstehen scheinen, dann plötzlich in der Lage sein sollen, ausgerechnet die "alten Meister" zu verstehen


vielleicht eröffnen grade alte meister einen weg um die ausbildungsskala zu verstehen?
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

das stimmt natürlich, hatte ich auch nicht bestritten. Die Frage ist nur, ob es für die eigene Entwicklung nicht nützlicher ist, zunächst einmal die einfachen Dinge der Reitliteratur zu lesen und zu verstehen, als gleich mit der höchsten Schwierigkeit zu beginnen, einfach aus zeit-ökonomischen Gründen.

Es gibt ja nicht nur die RL sondern massenweise hervorragende Literatur, die auf ebenso einfache und klare Weise geschrieben ist, oft sogar noch besser als die RL. Ich habe hier die Reitkunst von de la Guérinière im Regal stehen (in der deutschen Übersetzung von 1817) und ich habe es auch gelesen. Wenn mir jemand ernsthaft erzählen will, dass er aus diesem Werk etwas für seine Reiterei ableitet, dann muss ich das doch sehr bezweifeln :roll: .

Statt dessen empfehle ich z.B. von Britta Schöffmann: Die Skala der Ausbildung oder oder oder... - aber die Originale der alten Meister? Nice to know aber wirklich erst, wenn man schon (fast) alles andere gelesen und annähernd verstanden hat. Realismus ist eine Tugend die nicht im Gegensatz zur klassischen Reitlehre stehen muss.

Gerade das etwas hochtrabende aber unverstandene Gerede über die "alten Meister" führt doch dazu, dass der Begriff "klassikreiten" bei den Praktikern dieser Kunst mittlerweile ein extrem schleches Image hat. "Klassikreiter" wird doch in der heutigen Reitszene oft gleichgesetzt mit Spinnern in Kostümen, die keine Ahnung haben wovon sie reden, aber am Dressurviereck stehen und die Grand-Prix Reiter kritisieren, weil diese ja nicht die Lehren der "alten Meister" befolgen und die Piaffe ja offenbar nicht wirklich gesetzt sei. :evil: Warum ist das so? Ich glaube, weil man aus Trägheit oder falscher Selbsteinschätzung lieber auf dem Niveau der Großen Meister mitdiskutieren möchte (auch wenn man sie nicht einmal im Ansatz versteht), als sich mit den vielen vielen kleinen täglichen Problemen auseinander zu setzen, von deren Lösung man doch leider noch sehr weit entfernt ist. Wieviel Zeit hätte man zum reiten, wenn man auf 332 Seite Guérnière verzichtet. Ob das nicht Pferd und Reiter weiterbringen???

Ein Bild anschauen oder erklären bzw. verstehen, wie man es malt sind übrigens auch zwei völlig verschieden Dinge. Das Anschauen z.B. der Wiener Hofreitschule, eines Richard Hinrichs, eines Hubertus Schmidt etc. ist immer ein Genuß und natürlich zu empfehlen :wink:
Zuletzt geändert von Steffen am So, 01. Feb 2009 12:06, insgesamt 1-mal geändert.
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

da steckt für mich ein kleiner unzulässiger schritt drin:

wenn man altes liest, schliesst das keineswegs aus, dass man auch die neuen werke liest

genauso:
ich würde nie auf die idee kommen, die zeit zum lesen von der zeit beim pferd abzuknapsen.
das sind unterschiedliche zeitkonten

und gegen sekundärliteratur spricht doch auch gar nichts... ich muss ja nicht gleich ein vollzeitstudium draus machen.
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lancia
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Beitrag von lancia »

Und es ist auch die Frage wen man als "alten Meister" definiert. Wo beginnt alt, wo neu?

Für mich ist Podhajsky ein "alter Meister" auch wenn er zeitlich gesehen modern ist. Und seine Bücher finde ich sehr verständlich und gut zu lesen und ich kann sehr viel daraus für mich und mein Pferd gewinnen.

Die sehr aaalten Schriften sind schwer zu lesen, aber wer sich durchbeißen muss der nimmt evtl auch mehr mit, als wenn er sich gemütlich in seinen Sessel setzt und ein Buch an zwei Tagen querliest.

In meinen Augen ist in den Schriften der bewährten Klassiker häufig mehr vom Reitertakt und der Idee der Lebenseinstellung zu finden als in der modernen FN-Lektüre des 21. Jahrhunderts. Und gerade diese Einstellung zum Pferd ist für mich das wichtigste um zB die Ausbildungsskala wirklich zu verstehen.
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gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

genau!!! *zustimm*

bitte lasst uns jetzt nicht einteilen, wer alt genug ist, um ein alter meister zu sein, ja? das führt direkt wieder in diese bewertungsschiene, die ich langweilig finde.
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

Steffen hat geschrieben:aber am Dressurviereck stehen und die Grand-Prix Reiter kritisieren, weil diese ja nicht die Lehren der "alten Meister" befolgen und die Piaffe ja offenbar nicht wirklich gesetzt sei
Der Satz stört mich massiv. Ob analog der Meinung der alten Meister geritten wird oder nicht, sei mal dahingestellt. Aber wenn eine Piaffe nicht gesetzt ist (um bei Deinem Beispiel zu bleiben), dann ist sie nicht gesetzt, egal ob nun der Grand-Prix-Mensch oder der Freizeitreiter drauf sitzt.
Und wo will man dann anfangen? Ok, wenn die FN-Richtlinien alle so toll sind und einfach erklären, warum sieht man dann so viele unschöne Reiterei? Weil irgendwann irgendjemand damit angefangen hat, Anforderungen aufzuweichen und sich mit weniger (gymnastischem Wert) zufrieden zu geben und dafür (irgendwann) lieber ins Spektakuläre übergegangen ist. Und die Einheit zwischen Mensch und Pferd übergegangen ist in die Kraftreiterei.
DA liegt doch eigentlich der Knackpunkt, oder nicht? Und ich glaube schon, daß jemand, der nicht eine entsprechende innere Einstellung zur Reiterei hat, resp. die Anstrebung zur Verschmelzung und Leichtigkeit MIT dem Pferd, der wird niemals ReitKUNST ausüben.
Man muß die Schönheit des Pferdes präsentieren wollen, nicht sich selber beweihräuchern.
Es grüsst ottilie
~~~~~~~~~
Wo die Kraft anfängt, hört das Gefühl auf (Moshe Feldenkrais)
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lancia
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Beitrag von lancia »

ottilie hat geschrieben: Man muß die Schönheit des Pferdes präsentieren wollen, nicht sich selber beweihräuchern.
*zustimm*
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Beitrag von sinsa »

@ottilie Mir muß man nur erstmal den Beweis bringen, dass jeder, der schlecht reitet nach FN reitet.
Ich denke nämlich, dass diese Reiter eben NICHT nach FN reiten, weil sie entweder die RL der FN gar nicht kennen oder sie gar nicht erst verstanden haben - sonst würden sie ja anders reiten ;-)
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Beitrag von gimlinchen »

dasist schwierig aufrecthzuerhalten, wenn solche leute in hohen klassen von FN-richtern gut bewertet werden, oder?

das ist nun aber die ewig wiederkehrende öde diskussion....
Carmen
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Beitrag von Carmen »

Warum sollte man denn nicht die eine oder andere Ausbildungsmethode der alten Meister anwenden? Bloß weil ich kein Meister bin, heitß das noch lange nicht, dass es mir nicht gelingen würde, bestimmte Dinge umzusetzen.

Es ist noch kein Meister von Himmel gefallen, und jeder hat einmal klein angefangen. Wenn man immer nur bei seinem eigenen eingefahrenen, vielleicht mittelmäßigen Weg - da ja nur mittelmäßiger Reiter - bleibt, wird man nie zu höherem aufsteigen. Ein Pferd auszubilden, heißt jeden Tag etwas Neues dazuzulernen. Einige Dinge wird man begeistert in sein Konzept aufnehmen, anderes wird man verwerfen, weil es einfach nicht passt oder weil es so nicht umsetzbar ist. Aber je mehr Wege man kennt, umso besser wird man auch ausbilden können. Und jeder Reiter ist nun einmal auch Ausbilder seines eigenen Pferdes.
Ok, wenn die FN-Richtlinien alle so toll sind und einfach erklären, warum sieht man dann so viele unschöne Reiterei?
Die Richtlinien sind tatsächlich einfach, aber weisen sie tatsächlich den Weg zu einer guten, feinen Reiterei? Ich wage ja zu behaupten, dass selbst die wirklich guten FN-Reiter eben nicht schwarz auf weiß das umsetzen, was in den RL steht.

Ich bleibe nach wie vor dabei: Egal, welchen Weg man geht, das Pferd muss im Mittelpunkt bleiben und darf nicht zu einer Nebensächlichkeit degradiert werden. Ansonsten ist der Weg das Ziel, und ehe ich eine Pseudo-Piaffe auf der Vorhand reite, um sagen zu können "Ich piaffiere", verzichte ich lieber und bleibe bei gut gerittenen, korrekten Seitengängen oder ähnlichem.
"Es gibt schon viel zu viele Pferde, die Gefangene sind. Wenn wir unser Pferd lieben, müssen wir [...] ihm so viel wie möglich von seiner Freiheit zurückgeben." Sylvia Loch
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lancia
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Beitrag von lancia »

und war nicht Thema dieses Threads....
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Beitrag von sinsa »

Wenn mir mal bitte einer zitieren würde, wo in den RLs steht, dass vorne ziehen und hinten stechen gewünscht ist oder wo da angeblich erklärt wird, dass Pferde hinter der Senkrechten erwünscht sind oder wo beschrieben ist, dass man in drei Monaten zur Piaffe kommen sollte und wie man das macht, dann gebe ich gerne Recht.
Das alles steht aber irgendwie in meiner Ausgabe nicht drin :kopfkratz:
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lancia
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Beitrag von lancia »

Ob FN gut oder schlecht ist, war NICHT das Themas dieses Thread. Es ging eigentlich mal um was ganz anderes:
Irgendwie stelle ich mir in letzter Zeit immer öfter die Frage, was uns dazu bewegt zu sagen: wir reiten nach klassischen Grundsätzen und beschäftigen uns mit der klassischen Reitkunst.

Was bedeutet das für euch. Ich möchte jetzt keine Beschreibungen haben, daß man mehr Seitengänge reitet oder das Pferd anders Gymnastizert als andere Gruppierungen.

Ist Reitkunst für euch "nur" das Reiten von Seitengängen? Wer beschäftigt sich mit den ganzen alten Meistern und hat diese vielleicht auch gelesen? Wer kann ohne Nachzuschauen erklären, was ein Redopp ist (nur als Beispiel). Worin seht ihr die falsche Entwicklung der klassischen Reitkunst. Welche Literatur bildet die Grundlage für die Reitkunst?

Lese ich insgesamt die Themen hier im Forum, so unterscheiden sie sich oft nicht, von dem was in anderen Foren diskutiert wird. Ist das Beschäftigen mit der Reitkunst bei euch eine Lebenseinstellung oder einfach nur weil es "In" ist?
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