Philippe Karl gegen Gerd Heuschmann – Link zum Artikel

Rund um die klassische Reitkunst

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saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

weltenbummler hat geschrieben: ...eine Frage des pesönlichen Gechmacks oder eine Frage der Fähigkeit des Ausbilders bzw. vielmehr die Frage danach wieviel Geduld und Wert ich in die Ausbildung der Feinheit investiere udn damit vermeintlich -in den Augen anderer Leute- länger für die Ausbildung brauche :-)
...
der Punkt ist eher der, dass solche pferde nur von Reitern gut gearbeitet werden können, die sich über ihre eigene Muskulatur bewusst sind und wissen was sie von sich, vom Pferd wollen und ein klares Bild im Kopf haben!
Ich denke, Weltenbummler, das alleine ist es nicht nur- wobei das natürlich eine große Rolle spielt- es gibt auch bei Ausbildungsmethoden bestimmte Sachverhalte, die sich auf die Reaktionen des Pferdes - schlicht aufgrund dieser auswirken.
Einfach durch die Art und Weise, wie was ausgebildet wird.
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Blumee82
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Beitrag von Blumee82 »

Zuerst einmal herzlichen Dank an s&p. So verständlich hab ich es noch nicht erklärt bekommen.

Nun zu meiner Frage:
Ist es nur nach der deutschen "Lehre" (FN) möglich, den Spannungsbogen herzustellen und zu erhalten, wenn ich, wie u.a. in dem Artikel beschrieben, das Pferd permanent zwischen Zügel und Schenkel/Sitz einrahme (dort dauerhaftes Treiben) oder entspricht das auch der Realität?
Genauer: MUSS ich permanent mit dem Schenkel treiben um einen Spannungsbogen herzustellen, oder kann ich einen Spannungsbogen auch herstellen, wenn ich den Einsatz des Schenkels reduziere (Minimiere ähnlich wie bei Karl) und quasi nur treibe, wenn ich eine "neue" Reaktion des Pferdes wünsche?
le_bai
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Beitrag von le_bai »

biomech. gesehen dürfte das das Problem kommen, dass das Pferd auch die zügelverbindung in anderer Qualität halten müsste ...
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Das ist kein Problem, Blumee, das wichtige dabei ist, daß das Vorwärts gewährleistet ist und das ist im Rahmen der Légèrté eine reine Erziehungsfrage. Das Pferd wird erzogen, der einmaligen Anweisung ( = treibender Impuls) des Schenkels so lange selbstständig Folge zu leisten, bis eine Änderung des ursprünglichen Komandos kommt.

Die drei Komponenten für den Spannungsbogen sind :
- Vorwärts bei Beuge- und Durchschwungfähigkeit der Hanke
- Aktives Tragen der Oberhals- in Kombination mit der entsprechenden Unterhalsmuskulatur , bei aktiven Rumpfträgern
- und die Fähigkeit, sein Gleichgewicht zu verlagern.

Sind diese drei Fähigkeiten da, steht dem Spannungsbogen nichts im Weg.
Die Fähigkeiten kann man auch mit der Hilfengestaltung der Légèreté vermitteln und dann denselben kommunizieren. Wenn man dies möchte und Wert darauf legt / bzw. die Notwendigkeit dafür sieht.

Der Rahmen wird hier sozusagen "stillschweigend" definiert.
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Blumee82
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Beitrag von Blumee82 »

@s&p: vielen dank.

Da du ja beide Systeme kennst und in der Ausbildung benutzt, wo liegen denn deiner Meinung nach die Grenzen der beiden hier genannten?


Ich selber nutze die Schenkelhilfe nicht mehr (wie mir früher mal begebracht) als "Dauer"hilfe, sondern nur noch begrenzt wohl ähnlich dem Karl-System. Auch ist mein Zügelkontakt, verglichen mit einem "Spannungsbogen"-Reiter, wohl eher zu leicht. Ich hatte kurz die Befürchtung, dass diese Art der Hilfengebung (vor allem des Schenkels) zwar in den anfänglichen Grundlagen funktioniert, aber beim Beginnen mit versammelnden Lektionen an ihre Grenzen stößt.


Was mich interessiert, ich habe aktuell das Bild im Kopf, dass der Dauereinsatz des Schenkels das Pferd abstumpft und der Schenkel so stärker eingesetzt, oder mit anderen Hilfen kombiniert werden muss, damit ich eine Reaktion erhalte.
Wie ist eure Erfahrung hiermit? Denn irgendwie muss ja auch der typische FN-Reiter (hier kein Klischee, sondern auf den Dauereinsatz des Schenkels bezogen) zur Piaffe kommen ohne immer größere Sporen zu verwenden.
horido
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Beitrag von horido »

hallo blumee,

ich habe den Artikel noch nicht ganz gelesen, möchte aber auch kurz auf Deine Frage eingehen.
Ich denke diese Dauertreiben und Dauergegenhalten ist das größte Missverständnis der deutschen Reiterei und wird ja noch nicht mal von jedem Ausbilder verstanden. Allerdings ist deutsches Reiten definitiv auch ohne Schenkel und Dauerdruck möglich, denk doch nur an die Para-Reiter. Oder an das Reiten im Damensattel. Ich nutze den Schenkel oder den Zügel auch nur, wenn ich ihn brauche und nicht ständig und finde nicht, dass das der Reitlehre widerspricht. Dauertreiben wäre mir viel zu anstrengend. Das Gefühl das ich beim Reiten anstrebe ist denke ich dem was Karl unter Legerte versteht schon gleichzusetzen. Allerdings ist es schon so, dass ich bei neuen Übungen oder Lektionen wieder mehr Hilfengebung (egal ob Gewicht, Schenkel oder Zügel, Stimme ...) benötige. Wenn das Pferd weiß was es soll, kann man dann wieder die Hilfengebung reduzieren und bestimmt auch bei einem weit ausgebildeten Pferd ganz aussetzen (so weit bin ich nicht und werde es wohl auch nicht erreichen).

Wenn ich also die Piaffe erst reite, wenn das Pferd mit minimaler Hilfengebung zu versammeln ist, brauche ich zwar am Anfang etwas mehr Druck (auch vom Schenkel) sollte ihn aber schnell reduzieren können. Das ist aber nur Theorie, ich reite keine Piaffen, interpretiere aber so die deutsche Reitlehre (vielleicht auch falsch?).

S&P:Danke ebenfalls für die tolle Eräuterung. Das war sehr erhellend und ich bin gespannt auf Deine Antworten.
Zuletzt geändert von horido am Di, 10. Sep 2013 13:46, insgesamt 1-mal geändert.
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Blumee, für mich hat das französische System keine Grenzen in dem Sinne, als daß ich lediglich mit den selben Hilfen ein anderes Bild kreieren muß um das "deutsche Endprodukt" zu bekommen, aber , das deutsche hat eine großes Manko : die fehlende Möglichkeit, in Form technischer Mittel, aktiv ein Pferd in die Dehnung zu schicken, bzw, die Dehnungsfähig und /oder -Bereitschaft und die Zugrichtung des Pferdes sicher zuverlässig abrufbar anweisen zu können.
Allerdings haben beide Systeme Schwachpunkte und Fehlerquellen in der Anwendung :
im französischen System fehlt mir häufig der Blick / das Gefühl "des Ganzen", die Fähigkeit auch mal abzuwarten und nicht immer sofort aktiv einzugreifen. Oft fehlt mir die deutsche Genauigkeit im Detail.

im deutschen System fehlt dagegen die leider sehr häufig das Wissen, um die Hintergründe und die funktionellen Auswirkungen der Hilfengebung. Die Negierung bestimmter Zusammenhänge schafft viele Probleme. Mir fehlt hier der nachvollziehbare, erlernbare -weil verstehbare Teil der Lehre. Und der Faktor Zeit, der meines Erachtens ganz, ganz wichtig ist im Hinblick auf die Komplexität des Systems für das PFERD !, wird heute leider häufig und für die Pferde mit fatalen Folgen außer Acht gelassen.

Fehler gibt es hier wie dort- mannigfaltig und oft auch schwerwiegend.

Gut, klug und sinnvoll systematisch ausgeführt finde ich beide Systeme gut und effektiv.
Die positiven Erkenntnisse aus dem einen, mit den positiven Erkenntnissen aus dem anderen System zu verknüpfen, bietet für mich die Chance, wirklich individuell und hocheffektiv zu arbeiten. Ein Geschenk für daß ich unglaublich dankbar bin !!!

:D
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

horido hat geschrieben:
Wenn ich also die Piaffe erst reite, wenn das Pferd mit minimaler Hilfengebung zu versammeln ist, brauche ich zwar am Anfang etwas mehr Druck (auch vom Schenkel) sollte ihn aber schnell reduzieren können. Das ist aber nur Theorie, ich reite keine Piaffen, interpretiere aber so die deutsche Reitlehre (vielleicht auch falsch?).

S&P:Danke ebenfalls für die tolle Eräuterung. Das war sehr erhellend und ich bin gespannt auf Deine Antworten.
Nun, horido, ich sehe das ein wenig anders : Ich kann - auch und gerade im deutschen System! , eine Piaffe erst dann reiten, wenn sich das Pferd auf kleinste Hilfen versammeln lässt.

Es geht auch nicht darum, "mehr" ( im Sinne von öfter oder stärker) zu treiben, sondern die Hilfenkombination so zu gestalten, daß die Folge des Gehorsams des Pferdes auf diese einzelnen Hilfen , automatisch zu einer Piaffe führt.
Das setzt beim Pferd Verstehen sowie körperliche und mentale Befähigung voraus- und natürlich beim Reiter entsprechendes Können.

Aber und hier sind wir wieder da, wovon ich schrieb : man muß erst verstehen, WIE eine Piaffe genau funktioniert, denn sonst gibt man die Hilfen so, daß das Pferd nicht entsprechend reagiert und gibt sie dann in Folge von Hilflosigkeit und mangelnder Diagnose des Problems, stärker oder eben mehr.
Und schon sind wir in der Spirale immer mehr zu tun und immer stärker.

Das passiert übrigens durchaus in beiden Schulen, auch wenn in der Légreté die Prinzipien der Leichtigkeit und das dafür erforderliche Konzept explizit mitgelehrt werden. - Mancher kapiert´s auch da net... :wink:
Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Öh, also mein Pferd DARF ich in der Piaffe gar nicht stark treiben, dann kriecht es nur in sich zusammen oder explodiert nach vorn/oben - er hat im Lauf der Ausbildung gelernt, sich am Kreuz und weiter hinten angelegten/nach Bedarf höchstens ganz leicht treibenden Schenkel aufnehmen zu lassen, ohne die Vorwärtsbewegung zu verlieren, und lässt sich so bis zur Piaffe zusammenschieben.
esge
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Beitrag von esge »

Das "Dauertreiben" der deutschen Reiterei wird zu einem Dauereinrahmen - auch am Bein - wenn die deutsche Reitlehre gut, sinnig und fein umgesetzt wurde. "Treiben" ist leider ein viel missbrauchtes Wort.

Man muss sich einmal und dann bitte für immer klar machen, dass die Beine des Reiters mannigfaltige Aufgaben wahrzunehmen haben, vor allem und gerade in der deutschen Reiterei.

Sie sollen das vorwärts initiieren
Sie sollen Stillstand anweisen (!)
Sie sollen den Schwungbogen erhalten
Sie sollen seitwärts anweisen
Sie sollen verwahren (nämlich die evt seitwärts ausweichende Hinterhand)
Sie sollen Tritte verlängern
Sie sollen Tritte verkürzen (!)

Puh! Pferde sind echte Wundertiere, denn sie sind tatsächlich in der lage, das - bei guter Ausführung - zu verstehen.

Entsprechend ist es ziemlich ärmlich, wenn die Reitersprache immer nur das Wort "treiben" für das verwendet, was die Reiterbeine tun. Daraus entstehen dann auch solche Missverständnisse wie "Der Reiter muss jeden Schritt, Tritt und Sprung "treiben".

Beim gut nach deutschem System gerittenen Pferd werden die Reiterbeine zwar um den Pferdebauch liegen und damit erinnern, dass sie vorwärts treiben könnten, sie werden damit ebenfalls daran ERINNERN, dass der Schwungbogen bitte erhalten bleibt, sind aber im übrigen frei, weitere Aktionen auszuführen. Wer tatsächlich dauernd TREIBT, wird niemals über ein Level hinaus kommen, das unter jenem der ersten Ausbildungsstufe - Takt, Losgelassenheit, Anlehnung - liegt, da sich bei Dauertreiben niemals Losgelassenheit einstellen kann.

So, das ist jetzt nur EIN Teilaspekt der vielen angesprochenen, die zu so vielen Missverständnissen in beiden Lagern führen. Rechnet man das mal hoch weiß man, warum sich die Lager nie unterhalten können. Es braucht Leute wie S&P, die sich wirklich viele Jahre mit BEIDEN Systemen aufgeschlossen beschäftigt zu haben, um diese Details aufzudecken.
Loslassen hilft
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Blumee82
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Beitrag von Blumee82 »

Danke esge und s&p.

Also auch hier vielleicht wieder ein Definitionsproblem? Denn ich bin beim Lesen dieser Passage zusammen gezuckt:

"Um gleichzeitig die gerade
Bauchmuskulatur zur rückenhebenden Arbeit anzuregen, muss der Reiter nun zwei Dinge tun: Zum einen muss er dauerhaft mit dem Schenkel einwirken, d.h. auch dann weitertreiben, wenn das Pferd schon vorwärts geht. Das deshalb, weil die treibende Einwirkung mit dem Schenkel auf dem Rumpf, die Bauchmuskulatur anspannen hilft. Probieren sie es bei sich aus: Drücken Sie mit der Faust beim Gehen in Ihren Bauch. Spüren Sie, wie Sie die Bauchmuskulatur aktivieren?"

Vielleicht auch mein "falsches" Bild von dauerhaft treibenden Schenkel im Sinne von jeden Schritt raustreiben mit dem Bein.


So wie es esge beschreibt, klingt es schon logischer. Ein verwahrender, atmender Schenkel, der am Pferdebauch anliegt. Nicht starr nach unten, sondern mit der Bewegung des Pferdebauches mitgeht, ohne eben dieses jene Dauertreiben, was ich im Kopf habe.
Aber gibt es bei diesem "atmenden" Schenkel noch einen Unterschied zu Karl oder ist dies auch seine Art des jeder Zeit bereit sein?

Die (bildlich gesprochen und leicht übertrieben) weggestreckten Beine kenne ich nur von BB... als anderes Extrem. Einen Karl-Schüler habe ich so, bewusst, noch nicht reiten sehen.
Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Wenn wir mal ganz ehrlich sind, sind doch die allermeisten der in den letzten Postings genannten vermeintlichen "Unterschiede" einfach nur Verständnisfehler, Wortwahlnuancen oder Interpretationsspielräume. Das, was S&P am Anfang gesagt hat, ist für meine Begriffe der einzige wirkliche Unterschied, nämlich die Zielsetzung - und mit der auch die Erkenntnis, dass tatsächlich vielleicht alle Wege nach Rom führen, die Legerte-Anhänger aber eher auf dem Weg nach Paris sind. Wo es ja auch sehr schön ist.
Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Noch ein Wort zum Thema Leichtigkeit/Feinheit: Die ist keineswegs an eine Reitweise gebunden. Viele Westernpferde sind so fein geritten, dass die weder ein FN-ler noch ein Pk-ler einfach so nachreiten könnte, ohne unfreiwillige Manöver zu provozieren. Deshalb sind sie aber nicht per se besonders GUT geritten oder gar im Sinne meiner persönlichen Vorstellung davon. Sehr viele Leute, die ohne alles oder nur mit Halsring reiten, haben ihre Pferde extrem fein auf ihre Hilfen abgestimmt, und das meist nach gar keinem bestimmten System. Meinen alten Spanier kann so gut wie niemand ohne Bedienungsanleitung longieren, weil der wirklich auf Augenbrauenheben reagiert. Das ist eine Sache des persönlichen Geschmacks, der Sensibilität und des Könnens, aber nicht des Reitsystems. Und: Mit Feinheit allein ist noch nicht viel gewonnen.
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Beitrag von esge »

Dem letzten Satz gebe ich Recht. Vor lauter Feinheit bleibt die Rittigkeit gelegentlich auf der Strecke.
Aber der Rest: DOCH, es gibt mehr Unterschiede als nur die Zielsetzung, denn die Zielsetzung bedingt einen teilweise KOMPLETT verschiedenen Weg.

S&P (wie ich selbst auch) neigen aber dazu, EdL und Deutsche Klassik zu verbinden - was geht, wenn man weiß was man tut (denn wir erinnern uns an Moshe Feldenkrais' Satz: Wenn du weißt, was du tust, kannst du tun, was du willst"). Darum mag es manchmal so rüberkommen, als wäre irgendwie doch alles das Gleiche. Ist es aber definitiv NICHT.

Hihi, im genannten Fall führen einige Wege nach Berlin und andere nach Paris. Rom kommt eigentlich gar nicht vor, es sei denn, wir orientieren uns an Caprilli... (Kleiner Scherz)
Loslassen hilft
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Blumee82 hat geschrieben:Danke esge und s&p.

Also auch hier vielleicht wieder ein Definitionsproblem? Denn ich bin beim Lesen dieser Passage zusammen gezuckt:

"Um gleichzeitig die gerade
Bauchmuskulatur zur rückenhebenden Arbeit anzuregen, muss der Reiter nun zwei Dinge tun: Zum einen muss er dauerhaft mit dem Schenkel einwirken, d.h. auch dann weitertreiben, wenn das Pferd schon vorwärts geht. Das deshalb, weil die treibende Einwirkung mit dem Schenkel auf dem Rumpf, die Bauchmuskulatur anspannen hilft. Probieren sie es bei sich aus: Drücken Sie mit der Faust beim Gehen in Ihren Bauch. Spüren Sie, wie Sie die Bauchmuskulatur aktivieren?"

Vielleicht auch mein "falsches" Bild von dauerhaft treibenden Schenkel im Sinne von jeden Schritt raustreiben mit dem Bein.


So wie es esge beschreibt, klingt es schon logischer. Ein verwahrender, atmender Schenkel, der am Pferdebauch anliegt. Nicht starr nach unten, sondern mit der Bewegung des Pferdebauches mitgeht, ohne eben dieses jene Dauertreiben, was ich im Kopf habe.
Aber gibt es bei diesem "atmenden" Schenkel noch einen Unterschied zu Karl oder ist dies auch seine Art des jeder Zeit bereit sein?

Die (bildlich gesprochen und leicht übertrieben) weggestreckten Beine kenne ich nur von BB... als anderes Extrem. Einen Karl-Schüler habe ich so, bewusst, noch nicht reiten sehen.
Es ist ein Problem von Sprache und ihren Grenzen, Blumee.
Allerdings entsteht bei deinem obigen Zitat, auch vor meinem inneren Auge genau das Bild, was man doch sehr häufig sieht ( und was offenbar auch dir vorschwebt) :

Ein Reiter, der tatsächlich durchgängig deutlich agiert . Und auch das Bild des gegen die Hand gestauchten Pferdes, das mit den Schenkeln dauerbeschallt wird.

In der Praxis aber, kann dieses "Treiben" durchaus anders umgesetzt werden, nämlich in schlichtem Erhalt des "inneren Vorwärts" des Pferdes. Will sagen, daß das Pferd immerzu- auch im Rückwärtsrichten und im Halten "im Vorwärts begriffen ist" . Und hier nähern sich die beiden Schulen dann deutlich an- auch, wenn Unterschiede bleiben. Rein in der Technik und dem daraus resultierenden Weg.

Und ich wiederhole gerne nocheinmal, um es hervorzuheben :

Man muß unterscheiden zwischen :

-Technik und Form der Reiter-Pferd-Kommunikation und

-dem Bild, welches man damit kreiert.

Daneben aber gibt es tatsächlich innerhalb der deutschen Reiterei die gebräuchliche Form der Umsetzung solcher Anweisungen, wie sie in deinem Zitat stehen, Blumee, des Dauertreibens mit aktivem Schenkeleinsatz und "Spannens" des Pferdes "gegen die Hand".
Es wird innerhalb der FN von vielen- auch renomierten- Ausbildern so gelehrt und landauf, landab auch so geritten-- was ein einziger Besuch auf einem Tunier oder auch nur in einem normalen Reitstall zeigt.

Auch diese Ausbilder und Reiter sind der festen Überzeugung absolut RL-konform zu arbeiten und entsprechend der deutschen Reitlehre - ja, heute wird auch sehr oft dabei die HdV 12 hinter dem Ofen hervorgezerrt. DIE Schrift um Reiten als "klassisch" zu deklarieren und sich als "einer der Guten" einzustufen. Sich auf die SdA und die HdV 12 zu beziehen ist absolut hipp. Früher war man "Klassiker" heute ist man "HdV 12ler" oder "SdAler" um "einer der Guten " zu sein.

Ob diese Form der Umsetzung nun aber tatsächlich "richtig" ist oder nicht, kann ich gar nicht sagen- nur ich verstehe sowohl die deutsche Reitlehre, als auch die HdV 12 anders- mit meinem heutigen Hintergrund und den Erkenntnissen aus vielen Jahren beruflichem Reiten.
Oder anders gesagt, kaum hat man einen neuen Aspekt erfahren, verändert sich auch die Sicht der Dinge und man liest die Texte anders. Die innere Vorstellung, beim Lesen des Textes verändert sich.

In soweit kann ich sogar verstehen, daß ich einen Schreiber in einem Forum lese, der von "klassisch" und "Reiten im Sinne der SdA" schreibt, von "leichten Hilfen" und "feinem Reiten", wenn ich ihn dann aber in Natura sehe, frage ich mich, ob ich lesen kann, oder ob ich vielleicht mit jemand anderem geschrieben hatte.
Meine "Interpretation" -und dieses Wort wähle ich sehr bewußt- und Umsetzung, ist ja das Ergebnis meines ganz individuellen Weges und meiner ganz subjektiven Erfahrungen und die des Reiters, den ich da sehe, ebenfalls.

In soweit bedeuten gleiche Worte mitnichten gleiche Umsetzung.

Das ist schon innerhalb des deutschen Systems so- wie mißverständlich ist dann erst die Kommunikation unter zwei Reitern, die aus unterschiedlichen Systemen stammen und mit beschränkten Worten um Erklärungen ringen, von etwas was der Andere u.U. gar nicht kennt und komplet falsch einordnet....

Natürlich ist das äußerst schwierig und funktioniert im Grunde nur, wenn die beiden Gesprächspartner per se dem anderen wohlwollend und aufgeschlossen gegenübertreten und ihn nicht von vorneherein als " Idioten", "Stümper" o.ä. sehen.

Die Bereitschaft, den Anderen tatsächlich verstehen zu WOLLEN und ihm Wissen, Erfahrung und Erkenntnisse zuzugestehen ( auch wenn es möglicherweise gänzlich andere sind) und somit Respekt ( im wahrsten Sinne des Wortes) aufzubringen, ist im Grunde die einzige Möglichkeit für eine solche Kommunikation.
Und hier stehen sich dann die menschelnden Menschen gerne und ständig selbst im Weg herum.... :wink:
Antworten