Schadet falsches Ausführen des Schulterherein?

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Abeja
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Schadet falsches Ausführen des Schulterherein?

Beitrag von Abeja »

Hallo, habe gestern auf der Homepage von Emil Scheid (www.klassischereitkunst.de) folgendes gelesen:

"Korrekt ausgeführtes Schulterherein ist die Grundlage der gesamten Ausbildung des Pferdes.
Wird Schulterherein und Konterschulterherein sicher und korrekt ausgeführt, dann kommen nach und nach Renvers, Travers und Traversalen hinzu.

Unzählige Pferde werden durch falsche Ausführung der Seitengänge verdorben und in ihrer Gesundheit massiv geschädigt, denn werden diese Lektionen nicht korrekt ausgeführt, so sind sie schädlich für die Ausbildung und Gesundheit des Pferdes."

Was meint ihr dazu? Ich möchte mit meinem Pferd am langen Zügel, übrigens am hingegebenen Zügel, SH erarbeiten. Natürlich habe ich auch schon gelesen, daß es korrekterweise auf drei Hufschlägen ausgeführt werden soll, und daß es auf vier Hufschlägen halt nicht die richtige gymnastische Wirkung hat, sondern dann eher in Richtung Schenkelweichen geht. Aber daß es schaden kann, war mir schon neu. Und dann gleich "massive gesundheitliche Schädigung"??? Ich war bisher der Meinung, wenn das Pferd - ohne Reiter - frei die Lektionen ausführt, daß man dann eigentlich gar nichts verkehrt machen KANN; schließlich wird das Pferdl schon wissen oder zeigen, wenn was unangenehm ist.

Und vor allem: was IST dann "richtiges" Schulterherein?

Wie habt ihr das mit euren Pferden gemacht?

VG Abeja
acoma
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Beitrag von acoma »

Hallo!
Emil Scheid hat da nicht ganz unrecht. Das Schulterherein - sei es unter dem Sattel oder am langen Zügel - muss korrekt ausgeführt werden. Man denke hier auch daran, dass sich das Pferd beim Übertreten auf den Kronrand treten kann. Deshalb schütze ich beim Arbeiten vom Boden aus die Pferdebeine mit Gamaschen und Hufglocken.
Außerdem kommt es relativ schnell zu Überlastungen der Beine (beim SH das hintere innere Bein) - besonders wenn das Pferd nicht besonders trainiert ist. Bei übermüdeten Pferden kommt es um so schneller zu Verletzungen.
Bei der Ausführung des SH achte ich auf eine entspannte Atmosphäre, jedoch halte ich wenig von der Erarbeitung dieses Seitenganges mit durchhängenden Leinen, da hier schnell ein Kontrollverlust eintreten kann. Muss man schnell eingreifen, weil z.B. das Pferd eine zu große Abstellung einnimmt oder im Begriff ist, sich auf den Kronrand zu treten. Bis man hier die Zügel angenommen hat und die erforderliche Hilfe zum Einsatz bringt, vergeht viel zu viel Zeit.
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birdy
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Beitrag von birdy »

Natürlich kannst du genug bei der Handarbeit falsch machen und sicherlich zeigt es dein Pferd dir nicht unbedingt- das Falsch muss nicht immer unangenehm sein!
Aber wenn man einem PFerd etw beibringt, dann kann nciht gleich alles richtig sein. Das Ziel ist hierbei m.E. nach am wichtigsten- ein korrektes SH.
Und ich denke nicht, dass es massive Schäden hervorrufen kann- eben weil es nicht von Anfang an korrekt laufen wird.
LG
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fraumelzer
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Re: Schadet falsches Ausführen des Schulterherein?

Beitrag von fraumelzer »

Abeja hat geschrieben:in ihrer Gesundheit massiv geschädigt, denn werden diese Lektionen nicht korrekt ausgeführt, so sind sie schädlich für die Ausbildung und Gesundheit des Pferdes.
Ich denke wir sprechen hier auch ganz einfach von sehr häufigen Fehler im SH, nämlich das "Kopf schief ziehen-und über die Schulter weglaufen"...
Dann denke ich kann man klar sagen, dass es sich auf die komplette weitere Ausbildung auswirkt und auch keinerlei gymnastizierenden Effekt hat, bzw. sogar schädlich ist, wenn man das immer so macht.

Also ich persönlich über gerade das SH im langen Rahmen, was nicht heißt hingegebener Zügel - sondern SH in Dehnungshaltung...aber auf den äußeren Zügel kannst Du IMO erstmal nicht verzichten.

Gruß, Anja
Die Dressur ist für das Pferd da, nicht das Pferd für die Dressur.
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Anchy
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Beitrag von Anchy »

Ganz klar, dauerhaft falsch ausgeführte Seitengänge schaden. Es kann zu Überlastungen als auch Schäden an den Kniebändern kommen.

Am losen Zügel wirst Du keine korrekten Seitengänge erarbeiten können, es sei denn, Dein Pferd trägt sich selbst .
:wink:
Was jetzt nicht heissen soll, daß es eine Stütze auf dem Zügel benötigt, aber schon einen führenden Kontakt.
Der äußere Zügel z. B soll die Schulter führen, wie soll das am hängenden Zügel gehen.

Liebe Grüße
Wenn Du es festhalten mußt, hast Du es schon verloren
Unbek. Ecuyer
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Abeja
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Beitrag von Abeja »

Erstmal danke für eure Antworten, das hilft mir schon mal ein Stück weiter. Und eure Erklärungen betr. Führung durch den Außenzügel leuchtet mir ein, auch die Gefahr der Überlastung. Wobei allerdings KFH z.B. das Schulterherein frei erarbeitet am durchhängenden Führstrick. Aber okay, ich bin kein KFH :wink:, ich denke, man braucht dafür eine sehr gute Körpersprache.

Ich muß mir wohl Hilfe holen, wenn es soweit ist; daß es mal jemand begutachtet, der (hoffentlich) mehr davon versteht als ich. Ich bin ja noch eine Weile gar nicht so weit, hat mir nur zu denken gegeben, schließlich will ich ja meinem Pferdchen nicht schaden!

Es ist immer gut, vorsichtig zu sein und solche Dinge im Hinterkopf zu haben. Unterm Sattel hab ich auch schon ein bißchen damit angefangen, aber immer nur ein paar Schritte auf jeder Hand im Gelände; leider weiß ich nicht, ob es völlig korrekt ist. Ich brauche dringend mal jemand, der mich fotografiert, dann könnte ich es wenigstens euch mal zeigen...LG
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Jen
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Beitrag von Jen »

Kann mich anschliessen: mit langfristig falsch ausgeführten Seitengängen kann man ein Pferd ruinieren. Falsch heisst konkret: zu schnell, ohne genügend unter den Körper treten (Stossdämpferwirkung eingeschränkt), schräges auffussen, zu starkes abspreitzen der Hinterbeine (Kreuzdarmbein!), über Schulter fallen, Schulter überlasten, wenn inneres HB nicht genügend unterschwingt und Last aufnimmt etc.

Deswegen ist auch nicht jedes "seitwärtsgekrabbel" ein Seitengang ;)

Natürlich ist bei keinem Pferd der Seitengang von Anfang an perfekt, aber da gilt auch: wie lange, wie häufig, in welchem Tempo wird es vom Pferd verlangt, ist das PFerd losgelassen, hält es sich fest etc.

Je losgelassener das PFerd, desto besser kann es mit den Hanken durchfedern, desto besser kann es schläge abfangen, je ruhiger das Tempo zu anfang, desto weniger hart sind die Schläge, je weniger Abstellung das PFerd hat, desto gerader kann die HH nach vorne fussen, desto weniger ungünstige Scherkräfte gibt es (Knie etc.). Also besser mit Schultervor beginnen, dann SH auf 3 Spuren und erst wenn das sehr gut geht an SH auf 4 Spuren denken. Auch SH auf 4 Spuren kann gymnastizierend sein, aber nur wenn die Biegung beibehalten wird und das innere HB immer noch möglichst weit nach vorne schwingt und nicht das äussere HB zu stark nach aussen greift (starkes spreizen der HH).

Stellung, Biegung, Schulterkontrolle, HH-Kontrolle kann man alles separat trainieren, bevor man mit einem Seitengang beginnt.

Ein SH am langen Zügel "erarbeiten": was heisst das? Kann das PFerd kein SH? Dann ist der lange Zügel nicht das richtige Instrument, dem pferd das beizubringen. Langzügelarbeit ist in dem Sinn kein Ausbildungswerkzeug, sondern man ruft damit bei einem bereits gut ausgebildeten Pferd Lektionen ab, die es schon kann. Falls es noch kein SH kann, dann wäre hier eher Handarbeit oder Arbeit unter dem Sattel angebracht.
Liebe Grüesslis, Jen
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Beitrag von Medora »

Zu dieser Frage habe ich gerade im letzten halben Jahr auch einiges dazu gelernt. Zugegeben, vorher dachte ich immer, dass eine steilere Abstellung auch mehr Gymnastizierung bedeuten würde. :oops:

Jetzt sehe ich das auch anders und versuche sehr gezielt, die Abstellung eher gering zu halten, aber dafür auf ein aktives und möglichst weit untertretendes Hinterbein zu achten (*winkzubabette*).

Medora
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Abeja
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Beitrag von Abeja »

@jen: erstmal danke, deine Beiträge (ich hab schon öfter welche von dir gelesen) sind immer super einleuchtend und fundiert! ich weiß leider nicht, was mein Pferd alles kann, weil ich seine Vorgeschichte nur gerüchteweise kenne (1/2 Jahr in irgendeinem Schulbetrieb, wurde dort auch eingeritten, weiß aber nicht, wo und wie gut). Allzuviel kann er glaub ich nicht. Traben hat er jetzt bei mir gelernt, galoppieren tue ich noch fast gar nicht.

Schenkelweichen kann er z.B. unterm Reiter noch gar nicht gut; das kann aber auch an meinen bescheidenen Reitkünsten liegen. Daher dachte ich, es wäre nicht schlecht, dem Pferd solche Lektionen, also z.B. Vorübungen für Seitengänge und später dann auch Seitengänge erstmal ohne Reiter beizubringen, gerade, damit ich nicht soviel verkehrt mache. LG
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Jen
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Beitrag von Jen »

Hallo

so ein Pferd kann man behandeln wie ein junges PFerd. Das heisst: ausbildung von Grund auf an und was klappt, das klappt, was nicht, muss noch erarbeitet werden. Eigentlich ist es völlig irrelevant, ob man weiss, was das Pferd schon kann oder nicht kann, man findet das so auf dem Weg einfach heraus. Allerdings setzt das voraus, dass du bzw. der Ausbilder auch die Erfahrung hast, ein junges Pferd auszubilden. Dann ergibt sich das von alleine.

Grundsätzlich finde ich es nicht verkehrt, dem Pferd erstmal vom Boden aus die Grundbegriffe beizubringen. Im Gegenteil. Nur ist der Langzügel hier nicht das Richtige. Bodenarbeit, Arbeit am Kappzaum oder Handarbeit zb. nach Hinrichs wäre da besser am Platz. Trotzdem sollte man die Arbeti vom Boden aus nicht unterschätzen, es muss genauso gelernt werden, wie Reiten, denn auch hier kann man ziemlich viel falsch machen und das Pferd verwirren. Am Besten suchst du dir deshalb da auch kompetente Hilfe, die dich immer mal wieder überprüft, bis du sicher genug bist, dass du spürst, wo du stehst, was dein Körper macht, was für Signale du sendest, wie du auf das Pferd reagierst, dein Timing und du ein klares Konzept, einen Roten Faden, in der Ausbildung hast.
Liebe Grüesslis, Jen
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Abeja
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Beitrag von Abeja »

Danke, Jen. Nach den allgemeinen Rückmeldungen hier scheint mir das nun auch das beste für mein Pferdchen zu sein, d.h. daß ich das mit dem langen Zügel lieber mal lasse; sicherlich ergibt sich früher oder später mal die Möglichkeit, an einem Kurs in Boden- oder/und Handarbeit teilzunehmen. Es gibt genug andere "Kleinigkeiten", die ich alleine mit meinem Pferd üben kann. LG
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