Mein Hafli geht Terre à Terre, statt Piaffe. Annehmen?

Rund um die klassische Reitkunst

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Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Du hast nicht Unrecht, nur sind es halt keine Geschenke, wenn das Pferd Dinge vorschlägt, die schlichtweg weniger anstrengend sind als das Gewünschte. Du sollst ihn ja auch nicht abstrafen dafür, aber eben auch nicht freudestrahlend darin bestätigen.

Das Ausschachten finde ich persönlich einfach unästhetisch und peinlich, vor allem wenn man das Pferd vielleicht auch mal irgendwann öffentlich zeigen will. Zuschauende Kinder sind da stets besonders begeistert, vor allem über die rotköpfigen Erklärungsversuche der Erwachsenen. Es ist eigentlich auch recht einfach, dem Pferd verständlich zu machen, das man das nicht so toll findet. Bei meinem Hengst (der zum Glück nur sehr selten mal ausschachtet) unterbinde ich das ganz unaufgeregt, indem ich ihn stark abgestellt übertreten lasse, was er ziemlich anstrengend findet, und schon ist das Ding weg.
esge
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Beitrag von esge »

Spielnase hat geschrieben:. Es ist ein Frage- und Antwort-Spiel, jeder darf Vorschläge machen und auch laut Nein sagen, wenn es zu weit geht (also auch das Pferd), es darf auch diskutiert werden. )
ei dem Punkt: Es darf auch diskutiert werden, würde ich persönlich geistig die Grenze ziehen. Ich diskutiere, wenn irgend möglich, grundsätzlich NICHT mit meinen Pferden. Diskussionen tragen, anders als in der zwischenmenschlichen Beziehung, mit Tieren niemals zur Entspannung bei, sondern stiften lediglich Frust oder Agressionen. Frage-Antwort-Spiel ist für mich auch ok. Aber ich steuere das.
ich finde es wichtig, dem Pferd auch zuzuhören - es darf sogar Vorschläge machen. Aber nur solange, wie es auch meine Ablehnung des Vorschlags absolut akzeptiert.
Ich bin der Meinung, dass sich Losgelassenheit beim pferd erst einstellen kann, wenn es KEINE Diskussionen mehr gibt. Solange Diskussionsspielraum da ist, wird das Pferd einen Teil seiner Kraft auf Abwehr verschwenden. Das wirklich gute Reitpferd zeichnet sich aber dadurch aus, dass es seine ganze kraft FÜR mich, bzw. FÜR die aufgabe die ich als Reiter stelle, verwendet.

Spielerisches Herangehen, Raum für ein bisschen Blödeln, Vorschläge vom Pferd mal anschauen - alles ja. Aber ICH mache die Regeln und ICH beende, wann immer ich möchte, Blödeln und Vorschläge.
wie weit das ganze gehen kann, hängt von der Beziehung ab, die Mensch und Pferd haben. Mein Saltim darf eine große Menge an Vorschlägen und auch Blödeleien abziehen, bis hin zu wilden Buckeleskapaden über den Platz oder Wegevorschläge im Gelände. Da dieses Pferd NIE über ein "jetzt ist es aber genug" diskutiert, kann ich das machen.
Aber ich würde das nicht mit vielen Pferden machen.
Loslassen hilft
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Ich unterschreibe vollumfänglich bei Esge.
Auch ich setze meinen Pferden Grenzen, innerhalb derer sie sich bewegen können. Bei dem einen sind die Grenzen etwas weiter gesteckt, bei dem anderen etwas enger. Das liegt einfach am Charakter und der Art und Weise, wie sie mit den Grenzen umgehen. Da ist genügend Platz für Spaß, Spiel und Entspannung, aber wenn ich sage, dass jetzt die Arbeit anfängt, dann wird gearbeitet und nicht geblödelt.

Und ich möchte zusätzlich anmerken, dass ich persönlich ebenfalls auf einem Pony gewisse "Spässchen" auch noch durchaus lustig finde, je größer aber das Pferd wird, desto unangenehmer (und teilweise auch gefährlich für den Reiter) können solche Spielchen werden. Deshalb würde ich Ansätze zu gewissen "Spässchen" auch sofort im Keim ersticken - egal bei welchem Pferd.

Ich finde nicht, dass hier im Fred und generell im Forum ein "harscher FN-Ton" herrscht. Aber das liegt vielleicht daran, dass ich in den 70er Jahren reiten gelernt habe, und zwar bei einem von der preußischen Kavallerie beeinflussten RL. Der Kommandoton war damals völlig normal, aber er ist mittlerweile nicht mehr zeitgemäß, und das spiegelt sich auch bei den meisten FN-RL wider. Unverzichtbar finde ich jedoch die Disziplin und gewisse Prinzipien, die damals im Umgang mit Pferden selbstverständlich waren, und die heute in dieser Form oft nicht mehr gelehrt werden. :wink:
Viele Grüße
Sabine
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Junito
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Beitrag von Junito »

Das mit dem Diskutieren...das kann bei manchen Pferden klappen. Bei meinem hätte ich da fürchterlich Schiffbruch erlitten. Er hat mich immer wieder in Frage gestellt. Und das zuzulassen - aua. Nein, bei ihm als Gewerkschaftspferd "45 Minuten und dann Schluss (seine Vorstellung von Arbeit)" - er war übrigens nie Schulpferd - hätte ich auf Dauer keinen Stich landen können.

Er war stellenweise schon recht anstrengend (man könnte auch sagen, quengelig), aber ich musste unsere Beziehung so gestalten, dass auch unbdarfte Pferdeleute mit ihm problemlos umgehen konnten. Wenn ich nicht da war, wollte der Herr ja auch seine saubere Box, täglich Koppelgang, etc.

Ich kenne dein Pferd nicht, vielleicht ist er ein selten kooperatives Exemplar von Hafi, aber das würde ich mir schon überlegen. Das mag im Moment noch lustig sein, auf die Dauer kann es halt lebensgefährlich werden. Etwa im Straßenverkehr. Er muss dann wissen, dass es da keine Diskussionen geben darf. "Soll ich vor der Straße jetzt anhalten oder nicht?"

Bei Junito bin ich über solche "Angebote" immer hinweggeritten und habe sie ignoriert. Weder gelobt noch gestraft. Musste man halt aussitzen können. Einfach ruhiggeblieben. Irgendwann bekam ich dann die Piaffe geschenkt. Funktioniert übrigens bei meinem Kind genauso. Sie lenkt auch sehr gerne ab, wenns anstrengend wird oder um ein Thema geht, was ihr nicht behagt.

Und ja, auch ich habe Reiten auf "altmodische" Art gelernt. Also auf die harte Tour, mit sehr viel Disziplin (wehe, man hatte schmutzige Reitstiefel, oder das Pferd war nicht ordentlich zur Reitstunde geputzt. Dann war Hoffegen angesagt.) Doch, das waren noch Zeiten. Aber es war nicht alles Schlecht...
Pferde sind wie guter Sekt - es braucht Zeit und Erfahrung, damit sie perlen können.
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Junito hat geschrieben: Und ja, auch ich habe Reiten auf "altmodische" Art gelernt. Also auf die harte Tour, mit sehr viel Disziplin (wehe, man hatte schmutzige Reitstiefel, oder das Pferd war nicht ordentlich zur Reitstunde geputzt. Dann war Hoffegen angesagt.) Doch, das waren noch Zeiten. Aber es war nicht alles Schlecht...
Grins, ging mir auch so. Aber ich finde, dass hatte auch eine ganze Menge mit Respekt vor dem Pferd zu tun. Wehe, diese wurden nicht ordentlich versorgt, bevor Reiterlein sich um sich selbst gekümmert hat…Ich wüsste auch nicht wirklich, was gegen Disziplin im Umgang mit dem Pferd einzuwenden wäre. Ebenso wenig betrachte ich klare Regeln als Unterdrückung des Pferdes.
zum Thema Diskutieren unterschreibe ich ebenfalls voll und ganz bei Esge.Ich möchte gar nicht wissen, wie mein 7-jähriger das interpretiert hätte, wenn er freien "Diskussionsspielraum" gehabt hätte… :P
„Steinbrecht ist nur schwer für den leichten Geist." (Nuno Oliveira)
Nach der SdA unterwegs :-)
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Tossi
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Beitrag von Tossi »

Vielleicht liegt es am Alter, aber ich unterschreibe auch bei esge, Max, Cubano und Junito. Natürlich „horche“ ich beim Reiten ins Pferd, fühle, wie es die geforderten Aufgaben aufnimmt und umsetzt, aber „diskutieren“ geht gar nicht. Wenn ich spüre, dass etwas nicht geht oder vollkommen in die falsche Richtung läuft, setzte ich mich entweder durch oder breche möglichst ab, noch bevor es überhaupt zu einer „Diskussion“ kommt. Ich habe bei der Ausbildung zur Piaffe zum Glück immer meine Trainerin an der Seite und mein Pferd hat dabei diverse Varianten angeboten, von der Levade bis zur Kapriole à la Cadre Noir. Sie gehört eher zu der Sorte, die leicht übermotiviert reagiert. Wir haben derartige Varianten nie gestraft (wer weiß, wann wir es doch noch mal wollen), aber eben auch nicht belohnt. Bei der richtigen Vorarbeit und der nötigen Konsequenz bleiben dann schließlich die Halben Tritte und letztendlich die Piaffe übrig.

Noch zum Thema Ausschachten. Da hat der Haflinger wohl mal etwas falsch verknüpft, jedenfalls würde ich das nicht als Indiz für besondere Entspannung oder Spaß an der Arbeit verstehen. Da ich die Piaffe immer im „Vorwärts“ sehe, also das Pferd jederzeit nach vorne ziehen muss, ist das Ausschachten sogar als äußerst kontraproduktiv anzusehen. Wie soll der Wallach so aus der Versammlung in den Trab wechseln können? Auf einem Pferd zu traben, das ausgeschachtet hat, ist für den Reiter ein ziemlich bescheidenes Gefühl und für das Pferd nicht viel besser….

LG Lisa
Die Schönheit der Dinge lebt in der Seele dessen, der sie betrachtet. (David Hume)
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Danke besonders an Tossi, aber auch Esge, Junito, Max, Cubano!

Diskussion gibt es nicht beim Reiten, Reiten ist keine Demokratie (so kürzlich erst gelernt :lol:, aber immer so gehandhabt). Was nicht heißt, dass ich nicht wie von den vorher schreibenden Usern klar auch hinhöre, was das Pferd will, über "Angebote" nachdenke, sie ggf. annehme. Aber wenn ich entscheide sie nicht anzunehmen, dann meine ich genau das und nicht vielleicht, hätte wenn und aber oder so ähnlich.
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Blumee82
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Beitrag von Blumee82 »

Hallo,

nein, das liegt nicht nur am Alter :wink: Ich unterschreibe vollumfänglich bei esge aber auch bei den anderen Vorrednern.

Diskussionen gibt es nicht und ich handhabe es auch wie Tossi. Was aber nicht heist, dass ich nicht hinhöre was mein Pferd mir sagt und ich die Fehler immer bei mir bzw beim Reiten in meinem Sitz suche und mich zu verbessern versuche, damit wir das Ziel erreichen.
esge
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Beitrag von esge »

Tossi hat da was gutes geschrieben, finde ich: "... bis letztlich nur noch die halben Tritte übrig bleiben".
Das Pferd darf Vorschläge einbringen, es muss nicht fürchten,d afür bestraft zu werden (!!!), aber durch Konsequenz und zielgerichtetes Vorgehen sieben sich die "falschen" Vorschläge heraus, bis nur das übrig bleibt, was man haben will. Genau so!

Das Gegenbeispiel ist mein jüngeres Pferd, das offensichtlich in seinem früheren Leben für jeden falschen Vorschlag heftigsten Stress bezogen hat. Dieses Pferd wird sofort hektisch und auch z.T. heftig, wenn es merkt, dass es auf dem falschen Dampfer ist. (Ein anderer grundtyp wäre vermutlich stumpf geworden) Bei diesem pferd muss ich durch sorgfältige Planung und ein Führen in engen Grenzen dafür sorgen, dass es erst gar nicht in falsche Vorschläge geraten kann. Dieses Pferd fühlt sich nur dann sicher, wenn es keinen diskussionsspielraum - und damit keinen spielraum für Fehler - für ihn gibt.
Loslassen hilft
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