Unterhals?

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Amfortas
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Unterhals?

Beitrag von Amfortas »

vorweg: ich habe die suchfunktion bemüht, aber unter den zahlreichen unterhals-threads nichts gefunden, dass meine frage beantwortet hätte. zwar viel nützliches, aber eben nicht DIE antwort ;)

ich bin ständig fleißiger mitleser, aber mangels wissen kein aktiver poster. ich hoffe, dass meine anfrage trotzdem ernst genommen wird bzw würde mich das sehr freuen.

woran erkenne ich, sowohl bei der longenarbeit (ohne hilfszügel) als auch beim reiten (von oben und gerne auch von unten), dass das pferd sich am unterhals abstützt und seine oberhalsmuskulatur nicht benützt?

mein 6jähriger wallach hat einen tief angesetzten hals und ist eher ein vollblütriger typ. seit beginn unserer gemeinsamen zeit (2 jahre) habe ich probleme mit seinem hals. er dehnt sich beim longieren schön nach unten, ich kann zwischen kopf auf buggelenkshöhe und stärkerer dehnung nach unten variieren, an der korrekten längsbiegung arbeiten wir jedenfalls noch.

beim reiten ist er eher der typ, der seinen kopf/hals nett hinstellt. ich kann ihn in v/a-manier nach unten schicken, auch hier wieder korrekt buggelenkshöhe als auch tiefer. durch übergänge und entsprechenden einsatz der treibenden hilfen (bitte hier kein vorne halten, hinten treten) kommt er auch schon ein wenig höher in eine art aufrichtung. ausbildungsgemäß versteht sich. ich achte ständig darauf, dass er nicht hinter die senkrechte kommt, da das zu anfang unser hauptproblem war, und dass er keinen falschen knick aufweist und sich dadurch entzieht. außerdem versuche ich, dass er korrekt im genick gestellt ist und nicht der gesamte hals. er kaut ein wenig, hat leichte "schaumlippen", aber er sperrt das maul nicht auf oder wird zu hektisch. ich habe nicht zu viel und nicht zu wenig in der hand, gerade angenehm (kommt natürlich auf die tagesform an). ich versuche, meine hände ruhig, aber nicht starr zu halten. natürlich gibt es bei mir viele viele sitzprobleme, aber ich arbeite dran. das gesamtpaket ist also nicht soooo katastrophal.

ich verstehe einfach nicht, warum er keine muskulatur aufbaut. er wird ca 3x pro woche dressurmäßig gearbeitet, aber auch ca 1 - 2x pro woche longiert. trotz maßsattel tut sich am rücken und am hals wenig. leider steht mir kein hügeliges gelände zur verfügung, das mir mit klettern weiterhelfen könnte. nur laaaaaange geraden.

ich habe zwei kompetente reitlehrer, die mir auch viele zusammenhänge erklären und auf korrektes reiten achten, aber irgendetwas passt nicht. von dritten höre ich häufig, dass sich mein wallach beim longieren und beim reiten auf dem unterhals abstützt. woran ich das genau erkenne und wie ich es vermeiden kann (ich spüre nämlich von oben den unterschied leider nicht, wenn man mir sagt, jetzt UH und jetzt korrekt), konnte mir bisher noch niemand sagen.

kann mir hier irgendjemand von euch mit fotos o.ä. weiterhelfen? oder mit einem buchtipp? hier stehen unmengen an büchern, aber wirklich schlau bin ich aus diesen auch noch nicht geworden, was das thema "sehen und erkennen" angeht. gibt es irgendeinen trick, wie ich mir auch selbst helfen kann? kann zB ein pferd, das stärker gestellt oder eventuell sogar im hals gebogen ist, sich tatsächlich weniger auf den UH drauflümmeln?


gerade letztere annahme kann ich für mich nämlich nicht bestätigen. das erste jahr hatte ich unterricht durch eine trainerin, die eine sehr starke abstellung des pferdes propagierte. so viel besser war der hals damals nämlich auch nicht.

es ist mir natürlich klar, dass ein pferd ein gesamtpaket ist. aber die hinterhandaktivität und die rückenaktivität kann ich wenigstens halbwegs erfühlen. die korrekte dehnung/anspannung der halsoberlinie spüre ich aber leider einfach nicht :(

falls mir jmd tipps geben könnte, wäre ich seeeehr dankbar.
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

Warum es nun grade bei Euch nicht funzt kann man wohl am besten beurteilen wenn Du einen Film hättestet?

Daß der Unterhals arbeitet sieht man daran daß man ihn eben sehen kann... im Idealfall ist er nämlich nicht angespannt, und der untere Halsteil des Pferdes ist "lose" und "schwabbelt". Verstehst Du was ich meine?
Es grüsst ottilie
~~~~~~~~~
Wo die Kraft anfängt, hört das Gefühl auf (Moshe Feldenkrais)
Paula

Beitrag von Paula »

Der Unterhals ist nicht angespannt, wenn du die Drosselrinne in der Aufrichtung sehen kannst und das Genick den höchsten Punkt bildet, man spürt es beim Reiten, weil das Pferd nach oben drückt wenn der Unterhals angespannt ist außerdem läßt das Pferd dann nicht wirklich sitzen , es nimmt uns nicht mit in die Bewegung.Beim Longieren gebe ich Otilie recht, wenn das Pferd keine Aufrichtung hat ohne Hilfszügel longiert wird, dann soll der Unterhals wabbeln, da locker.
Fotos , hm ,ich kann hier nichts einstellen( Technik) werde aber sehen ob ich verlinken kann.
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Wenn der Unterhals nicht angespannt wird, kann das Pferd nicht laufen. :lol:
Der Unterhals mit seinen Muskeln, ist maßgeblich für das Vorführen der Vorderbeine zuständig, er muß also- wie alle Muskeln, abgestimmt auf seinen Gegenspieler , an- und abgespannt werden- wechselseitig.
Muskeln können bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht "stützen" sie können auch nicht "schieben" oder "drücken" und schon gar nicht kann sich ein Pferd auf einen Unterhalsmuskel "drauflümmeln" . Muskeln können nur ziehen oder wenn sie dauernd gespannt sind : verspannen.

Ein "herausgedrückter Unterhals " ist also nicht die Beschreibung eines "drückenden Unterhalsmuskels" ( das kann er nämlich nicht), sondern durch eine Verspannung der OBEREN Muskelkette, ein nach unten vorne vorfallender Pfederumpf mitsamt der daran angewachsenen Halswirbelsäule.

Der Begriff " herausgehobener Kopf" oder "hochgerissener Hals" trifft es besser.

Somit ist der "herausgedrückte Unterhals" ein sehr irreführender, ein falsches Bild und Verständnis nach sich ziehender Begriff.

Dadurch, daß die Halswirbelsäule nach vorne zwischen den Vordergliedmaßen heraussackt, wird diese zwischen die Unterhalsmuskulatur geschoben ( durch die Verlagerung des Rumpfes nach vorne, nicht durch die Unterhalsmuskulatur !!!)und dabei auch Luft- und Speiseröhre nach vorne hausverlagert.
Dieses Vorfallen bewirkt eine "kräftig " erscheinenden Unterhals, wirkt diese doch durch die Platzierung der HWS zwischen die untere Halsmuskulatur, von vorne und oben breiter . Auch wird die Speise- und Luftröhre oft irrtümlich als Muskulatur angesehen.
Aber es sind eben Speise- und Luftröhre, welche die Optik des Halses an der Unterlinie konvex machen.

Die Muskeln, welche beim "dicken Unterhals" verspannen und verkrampft sind, sind die oberen.

Die unteren Halsmuskeln arbeiten entweder den Hals/Kopf senkend, oder/und indem sie die Vorderbeine nach vorne/oben ziehen.
Sie sind also in der typischen Haltung eines Pferdes mit "dickem Unterhals" gedehnt / lang. Sie sind nicht im Zug und arbeiten nicht. bzw. nur untergeordet.

Der "von unten stützende Unterhals" ist ein echtes, sehr fein gehegtes Märchen.
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

So und nun weiter:
Pferde, die einen tief angesetzten Hals haben, dabei aber keinen schweren, dicken und kräftigen und die eher im Typ flexibel, lang und weich sind, neigen gerne dazu in Vorlastigkeit mit durchgesackter Oberlinie, sich schiebend- hängend fort zu bewegen.

Der Rumpf sackt ab und hängt vor dem stützenden Vorderbein heraus, das Hinterbein schiebt nach hinten heraus, die Oberlinie ermöglichst die, indem die lange Rückenmuskulatur sich anspannt ( mehr als die entsprechende Gegenspieler-Bauchmuskulatur) und damit zum einen das Becken mehr horizontal zieht ( dadurch schiebt das Hinterbein dann hinter den Körper) und gleichzeitig wird der Hals vor dem Körper "hochgeklappt" , das Hochziehen des Vorderbeines zu erleichtern und gleichzeitig eine übermäßige Vorlastigkeit des Pferdes zu verhindern.
Im Grunde "reißt" das Pferd so die Vorderbeine indirekt über den langen Rückenmuskel hoch.
Das passiert bei diesem Typ Pferd deswegen, weil diese die Rumpfhebermuskulatur nicht mit in den Bewegungsablauf einbinden und damit der Rumpf unten vorne durchsackt.
Die Rumpfhebermuskeln bestehen aus dem Ventralis- und dem Brustmuskel, sowie Teilen der oberen Halsmuskulatur, welche in der Lage sind, dem Rumpf zwischen den Vordergliedmaßen nach oben zu ziehen.
Sie tragen im Grunde den Rumpf, den Hals-Kopf -Komplex und schlußendlich auch den Reiter, denn der sitzt ja auf dem Rumpf drauf
:wink:

Zeigt das Pferd dieses Bewegungsmuster, neigt es zu zwei Varianten unguter Reiteigenschaften :
entweder, es ist klemmig, "faul" , schleppend und kurz im Bewegungsablauf, weil die schlechte Balance und die ungünstige Haltung und Funktionalität einen aktiven Antritt und ein freies Durchschwingen des Hinterbeines verhindern, weil der Bewegungsimpuls der Hinterhand nicht zur Vorhand übertragen werden kann, weil die tragenden Funktion der Wirbelsäule außer Kraft gesetzt ist. Weil das Vorderbein nicht nach vorne sondern allenfalls nach oben gezogen werden kann und damit ein Vorwärts das Gleichgewicht vollständig ins Kippen brächte. Und nicht zuletzt, weil auf diese Weise der Hals höchst ungut vor dem Rumpf nach oben abgebogen wird, was im ungünstigsten Fall zum Abklemmen der Nerven der Vordergliedmaßen führt und dann bis hin zur Lahnheit führt.
Desweiteren - weil ja der gesamte Rumpfhebermechanismus außer Kraft gesetzt ist, haben solche Pferde oft massive Verspannungen der Brustmuskulatur ( an denen der Ganze rumpf dann letztendlich hängt) und neigen zu Klemmen und Sattelzwang.

Manche Pferde, begegnen hingegen dieser unguten Situation, in dem sie Gleichgewicht durch Vorwärts schaffen - sprich, mit Tempo begegnen. Diese Pferde rennen vorlastig- eilig bis hektisch, verspannt, steif oft unlenk- und unbiegbar unter dem Reiter weg.

Für das Pferd stellt sowohl die eine, wie die andere Form des Umgangs eine echte Katastrophe dar, denn sie können nicht aus eigener Kraft diesem Teufelskreis entkommen.
Natürlich sind die beschriebenen Situationen die Extremfälle. Es gibt sie aber in abgemildeter Form, in weit weniger starker Ausprägung ganz, ganz oft.
So nun muß ich eben füttern, dann schreib ich weiter.....
wer Fehler findet, darf sie behalten... :wink:
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

so zurück :

Was kann man tun ?

Es gibt drei Punkte, die erfüllt werden müssen, um Funktionalität und Tragfähigkeit herzustellen:

1.) die Rumpfhebermuskulatur muß wieder oder überhaupt aktiviert werden- Warum ?
Der Rumpfhebermechanismus verlagert zum einen den Rumpf weiter nach hinten oben und bringt den Schwerpunkt im Pferdekörper mehr nach hinten, Sie entlastet die Brustmuskulatur und die Rückenmuskulatur und schafft damit die Voraussetzung, daß der Bewegungsimpuls der Nachhand überhaupt übertragen werden kann. Sie schafft die Möglichkeit, die Vordergliedmaßen freier beweglich zu machen.

2.) die Oberlinie muß zur Entspannung gebracht werden. Warum ?

Bewegung lebt von ausgeglichen An- und Abspannen von Muskeln und ihrer Gegenspieler. Eine gleichmäßig, beidseitig verkürzte/ verspannte Rückenmuskulatur fixiert das Becken und verhinder dadurch die funktionelle Bewegung des Hinterbeines und die Rotation und Aufwölbung der Lendenwirbelsäule ( welchen wiederum die Rumpfheber unterstützt).

3.) die Schubkraft der Nachhand muß in ihrer Wirkung näher an den Schwerpunkt des Pferdes kommen. Will sagen : der Punkt des Abfußens und der Punkt des Auffußens müssen weiter unter das Pferd verlagert werden. Warum?

Die Bewegung der Hintergliedmaßen , so sie korrekt übertragen werden kann, wirft den Rumpf nach vorne oben und ermöglicht so, der Rumpfhebermuskulatur störungsfrei ( unbeschwert!) zu arbeiten.
Die Bewegung nach vorne unter den Körper wird großenteils von der Bauchmuskulatur übernommen und bildet damit den Gegenspieler zur Rückenmuskulatur. Entlastet also diesen und bewirkt einen störungenfreien Ablauf im Rücken. Desweiteren "ziehen" die schwingenden Hinterbeine das Becken mit und sind somit maßgeblich an der Beckenfunktion und der Bewegungsübertragung beteiligt.


Wo kann man ansetzen ?
Im Grunde bei allen drei Punkten. Je nach Reitweise, Philosophie, Wissen des Menschen der das Pferd ausbildet. Bzw. des Lehrers, der den Reiter des Pferdes anleitet.

Es kommt auch darauf an, welches das vorrangiste, am schwersten wiegende Problem in diesem Teufelskreis ist. Das wiederum richtet sich nach dem Pferd. Wie ist sein Körperbau ? Wie ist sein Charakter? Wie ist sein Tonus ? und nicht zuletzt nach der Person, die dann reitet : was kann der Reiter bereits und was kann er umsetzen?

Wichtig bei all dem ist es, daß der Reiter/ Ausbilder weiß, was er macht, daß er sieht, was notwendig ist und ein klares, systematisches Vorgehen hat- nenn es eine "Strategie".

Wenn diese stimmig ist und sinnvoll, kommt man sowohl über die starke Biegung, als auch über einen geschickt eingesetzten Vorwärtsimpuls, als auch über eine gezielte Ansprache der Kippfunktion des Beckens zum Ziel. Es muß eben nur sinnvoll aufeinander aufbauen und der Weg muß abgestimmt sein.

Ich persönlich würde bei der von dir beschrieben Problematik warscheinlich auch als Einstieg über die starke seitliche Biegung gehen.
Sicher sagen, kann man das aber erst, wenn man das Pferd sieht.

Sicher ist aber, daß alle drei Punkte irgendwo auf dem Weg der Ausbildung angesprochen werden müssen- nur die Reihenfolge kann variieren.
Gruß von S&P
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Medusa888
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Beitrag von Medusa888 »

saltandpepper hat geschrieben:Ich persönlich würde bei der von dir beschrieben Problematik warscheinlich auch als Einstieg über die starke seitliche Biegung gehen.
Sicher sagen, kann man das aber erst, wenn man das Pferd sieht.
Saltandpepper,

bis zu diesem Satz bin ich Deinen super Ausführungen wie gebannt gefolgt. Aber nun kriege ich ein bißchen Bauchschmerzen. Wir haben ein Pferd im Stall, was Deiner Beschreibung sehr nahe kommt. Der hat irgendwann mal gelernt, dass er entweder klemmt oder rennt und sich am schönsten vor der ehrlichen Arbeit drücken kann, indem er den Kopf bis auf die Brust klappt und das Kinn ans Buggelenk kuschelt.

Wenn ich nun anfangen würde, ihn stark seitlich zu biegen/abzustellen, dann würde ich ihm Tür und Tor dazu öffnen, sein ohnehin viel zu nachgiebiges Genick noch weniger zu stabilisieren und würde ihn auch nie ehrlich an den äußeren Zügel bekommen. Denn durch ständiges Verbiegen und Abstellen wäre er ja in einem Bereich den ich stabil haben möchte, instabil und überbeweglich geworden.
Talent bedeutet Energie und Ausdauer. Weiter nichts. (Heinrich Schliemann, Entdecker Trojas)
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Medusa888 hat geschrieben: Saltandpepper,

bis zu diesem Satz bin ich Deinen super Ausführungen wie gebannt gefolgt. Aber nun kriege ich ein bißchen Bauchschmerzen. Wir haben ein Pferd im Stall, was Deiner Beschreibung sehr nahe kommt. Der hat irgendwann mal gelernt, dass er entweder klemmt oder rennt und sich am schönsten vor der ehrlichen Arbeit drücken kann, indem er den Kopf bis auf die Brust klappt und das Kinn ans Buggelenk kuschelt.

Was ist für das Pferd "ehrliche Arbeit"? Für mich ist dieses Verhalten eher ein Akt der Verzweiflung, denn ein "sich Drücken". Die Antwort auf die Anforderungen durch das Reiten formuliert das Pferd mangels besseren Wissens, so, wie du es beschrieben hast. Wenn die Fragen nicht gut gestellt werden ( vom Reiter!), fallen die Antworten eben entsprechend aus.

Ein Pferd "lernt" nicht zu klemmen und zu zu rennen, "um ehrlicher Arbeit zu entkommen", woher soll das Pferd wissen und verstehen, was ehrliche Arbeit ist ??? Es klemmt und rennt als Ausdruck seiner Unfähigkeit die Aufgabenstellung richtig zu lösen- es kann nicht anders. Ein Pferd versucht es so zu machen, wie es etwas versteht und wie es das kann.

Wenn das Pferd rennt oder klemmt, ist es nicht Aufgabe des Pferdes, hierfür eine Lösung zu finden, sondern die des Reiters- denn ohne diesen würde die Problematik sich für das Pferd gar nicht stellen.

Auch ist die Einnahme einer völlig unphysiologischen Haltung, wie du sie beschreibst, muß einen sehr verzweifelten Hintergrund haben.

In so einer Haltung kann das Gleichgewichtsorgan des Pferdes nicht richtig arbeiten und es sieht fast nichts. Keine Haltung also, in die sich ein Pferd "einfach so" begibt. Für ein Fluchttier ist sie im Gegenteil fatal ! Zum ein in psychischer Hinsicht, von den Schmerzen, die so eine absolut unpassende Haltung durch Verspannung nach sich zieht, ganz zu schweigen


Wenn ich nun anfangen würde, ihn stark seitlich zu biegen/abzustellen, dann würde ich ihm Tür und Tor dazu öffnen, sein ohnehin viel zu nachgiebiges Genick noch weniger zu stabilisieren und würde ihn auch nie ehrlich an den äußeren Zügel bekommen. Denn durch ständiges Verbiegen und Abstellen wäre er ja in einem Bereich den ich stabil haben möchte, instabil und überbeweglich geworden.


Nun, das stimmt so nur bedingt, bzw. passiert dann, wenn die nachfolgende Arbeit nicht auf diesen biegenden Einstieg abgestimmt ist.

Man muß sich eben entscheiden, an welchem Knackpunkt man ansetzt und dann von diesem ausgehend vorgehen. Wenn ich einfach nur biege und dann versuche den Weg, der über den Vorwärtsimpuls ansetzt zu gehen, geht das natürliche in die Hosen !

Die Biegung bietet einige Punkte, die sehr positiv wirken KÖNNEN - ich sage extra nicht dogmatisch, "sie tun es"- es ist eben ein Ansatz, der passen muß. Daher habe ich auch betont, daß ich WARSCHEINLICH so vorgehen würde. Ohne das Pferd zu kennen ist das aber nur eine Mutmaßung.

Über die Biegung komme ich z.B. direkt an die Rumpfheber und den langen Rückenmuskel dran. Nicht über den Umweg über die Hinterhand, sondern direkt.
Wenn ich die Rumpfträger allerdings angesprochen und aktiviert habe und den langen Rückenmuskel vorgedehnt, muß ich natürlich das Pferd rahmen und darf keinesfalls den Vorwärtsimpuls in Folge, der geschaffen Voraussetzungen für ein gutes Wirken desselben, vergessen.

Der Weg muß stimmig sein, dann ist er gut. Man darf die einzelnen Punkte im planvollen Vorgehen nicht wild durcheinanderwerfen- es muß eben wie gesagt, eine Strategie dahinterstecken.

Wenn ich über den Umweg der Hinterhand an die Rumpfheber komme, ist der Aufbau ein völlig anderer - das Pferd bestimmt den Weg.
Zuletzt geändert von saltandpepper am Fr, 06. Jan 2012 18:18, insgesamt 2-mal geändert.
Sheitana
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Re: Unterhals?

Beitrag von Sheitana »

Amfortas hat geschrieben: ich verstehe einfach nicht, warum er keine muskulatur aufbaut. er wird ca 3x pro woche dressurmäßig gearbeitet, aber auch ca 1 - 2x pro woche longiert. trotz maßsattel tut sich am rücken und am hals wenig.
Neben all den (sehr guten) Tips zum Reiten: Fütterung überprüfen. Zum Muskelaufbau muss auch genügens Potential zur Verfügung stehen.
LG
Sheitana
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Jen
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Beitrag von Jen »

S&P

DANKE! :D
Liebe Grüesslis, Jen
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Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

sehr gerne ! :wink:
Amfortas
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Beitrag von Amfortas »

@s&p
vielen herzlichen dank für deine sehr ausführliche und zweifellos sehr kompetente antwort. danke!

ich werde mir deine ausführungen sicherlich noch einige male durchlesen und ein paar anatomiedetails nachschlagen müssen, um sie vollständig verstanden zu haben, aber das macht ja nichts :) ich freue mich, wenn ich etwas dazulernen kann.

was ich bisher so aus dem gesagten destillierten konnte, trifft deine beschreibung auf uns und auf den bewegungsablauf meines pferdes zu. der muskeltonus ist hoch und insbesondere der hals wirkt für mich verspannt (oberlinie). das genick war muskulär immer schon sein schwachpunkt und wurde von masseuren und physiotherapeuten immer schon bemängelt. er ist sehr leicht im genick, fast überbeweglich. aufgrund meiner eigenen verspannungen in der schulter/genick-partie drängt sich hier das prinzip der comparable parts für mich auf *seufz*
er ist eher der typ "dem gleichgewicht davonlaufen".

ich gebe mich der illusion gar nicht hin, dass ich selbst etwas verändern kann. rücksprache mit meinen RL haben ergeben, dass wir den weg über die stärkere biegung wählen. das stellt mich natürlich wieder vor neue reiterliche herausforderungen insb was meine äußeren hilfen angeht.
diese starke biegung haben wir zur anfang unserer arbeit verwendet. erst in den letzten monaten haben wir dann aus diversen gründen auf mehr stabilität im pferd hingearbeitet, was mM auch gut funktioniert hat. aber augenscheinlich war es doch nicht das richtige - sagt seine muskulatur jetzt.

an der longe orientiere ich mich jetzt weniger an dem "wabbelnden" unterhals als vielmehr an der gebogenen oberlinie und dass diese eben weniger gerade nach unten vorwärts geführt wird.

fütterung passt mM, da ich mir diesbezüglich viele gedanken mache. heu satt und hafer + mineralstoffe. aber danke für diesen tipp. solche dinge vernachlässigt man häufig bzw übersieht sie.

zur sicherheit möchte ich trotzdem noch einen check durch einen experten im hinblick auf die muskulatur und etwaige blockaden machen lassen sowie ein blutbild. es schadet sicherlich nicht.

danke auch für die übrigen beiträge!
Jolly
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Beitrag von Jolly »

Aus eigener Erfahrung kann ich noch als Tip geben, auch mal nach anderen Ursachen zu gucken (z.B. Impf-Folgen) zu gucken, bei meinem Pferd haben wir Jahre gesucht und viele Physiotherapeuten, Ostheopathen, Chiropraktiker und Co. verschlissen und Reitlehrer zur Verzweiflung getrieben ;-) Nach einer Auto-Nosodenbehandlung haben sich seine Bewegungen völlig geändert ...
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Amfortas, sehr gerne ! Wenn ihr reiterlich den Einstieg über die Biegung geht, kann ich dir für die Longenarbeit , den "Longenkurs" von Babette Teschen als Hilfe empfehlen. Ihr Ansatz ist dabei wunderbar kompartibel und ergänzend.

Vielleicht ist nicht alles 1 zu 1 , so wie du mit deiner RL arbeitest, aber ich denke, Frau Teschens Ansätze und Vorgehen sind eine gute Ergänzung, um sich ein Gesamtbild zum Aufbau über Einstieg "Biegung" zu machen.
Die Videos haben einen guten didaktischen Aufbau, geben viele Hintergrundinformationen zur funktionellen Anatomie. ohne in "Fachchinesisch" zu verfallen und schulen vor allem auch das Auge. Möglicherweise ist das auch für deine RL ganz interessant.

Als eine meiner Reitschülerinnen damit ankam, fand ich das wirklich prima, auch wenn ich einige Punkte anders sehe und technisch teils anders vorgehe, ist es immer interessant, die Ansichten und Meinungen einer kompetenten Kollegin kennen zu lernen.

Die Zuhilfenahme eines guten Osteopathen ist sicher nicht falsch, denn gerade Pferde mit der von dir beschriebene Problematik, neigen durch den abgesackten Rumpf, zu Senkungs-Rotationsblockaden in der BWS, haben häufig Probleme im Übergang von der HWS zur BWS und nicht selten im Bereich Ileosakralgelenke/ LWS.
Hierbei kann eine physiotherapeutische Begleitung der Arbeit mit dem Pferd sehr hilfreich sein.
Manchmal lösen sich nach einer Behandlung hartnäckige Probleme plötzlich wie von Zauberhand auf, bzw. bringen eben den "Durchbruch" in der Arbeit.
Viel Glück für euch ! S&P
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

S&P: tolle Ausführungen! Dankeschön! :D
Viele Grüße
Sabine
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