Stefan M. Radtke – Pferde gymnastizieren mit der Doppellonge

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Moderator: Josatianma

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Josatianma
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Stefan M. Radtke – Pferde gymnastizieren mit der Doppellonge

Beitrag von Josatianma »

Stefan M. Radtke – Pferde gymnastizieren mit der Doppellonge

Gebundene Ausgabe: 143 Seiten
Verlag: Kosmos (Franckh-Kosmos); Auflage: 1., Aufl. (10. Juni 2010)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3440120635
ISBN-13: 978-3440120637
Größe und/oder Gewicht: 25 x 17,4 x 1,6 cm
Preis: 26,90 Euro

Ich mag Bücher, die Lust auf die entsprechende Zusammenarbeit mit dem Pferd wecken. Dieses von Stefan Radtke gehört definitiv dazu.

Nach einer kurzen Einführung zum Sinn und Zweck der Doppellonge bietet er einen Einblick in die Historie der Doppellonge. So soll nicht Federigo Mazzuchelli der Erfinder der Doppellonge gewesen sein, sondern es bereits auf römischen Vasen entsprechende Abbildungen geben.

Die Ausbildungsskala bei der Arbeit an der Doppellonge wird von Herrn Radtke natürlich auch besprochen, allerdings in der von ihm präferierten Reihenfolge. So kommt die Losgelassenheit vor dem Takt, da Taktfehler oft durch einen Mangel an Losgelassenheit entstehen. Auch die Geraderichtung wird vor den Schwung gezogen, da Schwung durch Federkraft entsteht und Federkraft erst entstehen kann, wenn das Pferd gerade gerichtet ist.

Die Beschreibung der Ausrüstung ist sehr kompakt gehalten und klar, wie eigentlich das ganze Buch. Herr Radtke longiert generell nur mit Sattel unter dem Doppellongengurt, da der Longengurt doch meist eine eher schlechte Passform aufweist. Bei einfacher Longe verwendet er generell nur den Kappzaum, für die Doppellonge nutzt er diesen nur am Anfang oder zu Beginn des Springtrainings.

Auch dem Longenführer widmet er sich und verlangt, dass dieser erst die Doppellonge in die Hand nimmt, wenn er die einfache Longe nahezu perfekt beherrscht.

In dem längsten Kapitel „Grundlegende Arbeit an der Doppellonge“ bekommt der Leser nun einen Einstieg in den weiteren Umgang mit der Doppellonge. Sehr interessant ist hier, dass entgegen allgemeinem Vorgehen nicht auf der linken Hand begonnen werden sollte, sondern auf der rechten, da Pferd auf dieser oftmals ruhiger sind. Dies wurde erstmals von Oberbereiter Regenthal der Spanischen Hofreitschule 1710 festgehalten. Doppellonge heißt für Herrn Radtke nicht, fest an einem Ort zu stehen, sondern immer wieder mit dem Pferd mitzulaufen, da dies die Aufmerksamkeit des Pferdes erhöht. Die Vorschläge der FN, die Doppellonge um die Hinterhand zu führen, wird von ihm als unbrauchbar eingestuft und führt zu einer harschen Kritik seinerseits. Das Argument der Gegner der Doppellongenarbeit, dass bei der Führung um die Hinterhand das Pferd ständig außen ungewollte Paraden erhält, entkräfigt Herr Radtke durch den Einsatz von Umlenkrollen. Diese sollen dazu führen, dass dies deutlich entschärft wird und sie einen Großteil des Gewichts der Doppellonge übernehmen. Auch der mittlerweile ziemlich unbekannte „Langhals-Kurztrab“ wird von Herrn Radtke gerne genutzt.

Das Kapitel zur Cavalettiarbeit beginnt erst mal mit einem Exkurs über Ausbilder und deren Qualität. Sehr amüsant fand ich dort vor allem die Aussage: „Ich persönlich unterhalte mich nur sehr ungern mit „Reitern“, die grundsätzlich alles besser wissen, aber nichts besser können. Jeder Ausbilder von Pferden sollte auch immer wieder eine Reitlehre zur Hand nehmen und diese gründlich studieren.“ Nach diesem Exkurs weist Herr Radtke vor allem auf die wertvolle Unterstützung der Cavalettiarbeit bei der Ausbildung hin.

Die Beschreibung des Springens an der Doppellonge macht richtig Lust es mal auszuprobieren. Immer wieder wird auf die positive Wirkung auch für das Dressurpferd hingewiesen. Ein Ausflug in seine Jugend und seine damalige Erfahrung zum Freispringen lässt mich schmunzeln, da hier unsere Beobachtungen doch extrem übereinstimmen. Sicher ist die von ihm beschriebene Springarbeit nicht so einfach nachzumachen, wie es der Text vermittelt, aber er nimmt auch deutlich gewissen Ängste sich überhaupt darin zu versuchen.

Die Seitengänge an der Doppellonge sind relativ kurz gehalten, aber werden klar beschrieben. Ebenso die fortgeschrittenen Dressurlektionen. Wer mit seinem Pferd bis hierhin gut an der Doppellonge gearbeitet hat, wird wohl nach Herrn Radtkes Vorstellung auch das Gefühl besitzen für diese Arbeit.

Wie schon eingangs bemerkt: ein Buch, dass Spaß beim Lesen macht, und Lust darauf zu seinem Pferd zu fahren, und es nachzumachen. Die Sprache ist klar und die Übungen und Vorgehensweisen sind verständlich beschrieben. Die Fotos sind sehr gut ausgewählt. Absolut empfehlenswert.
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ottilie
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Re: Stefan M. Radtke – Pferde gymnastizieren mit der Doppell

Beitrag von ottilie »

Sehr schwungvoll geschrieben!
Hört sich wirklich richtig gut an.
Zuletzt geändert von ottilie am Fr, 05. Nov 2010 09:27, insgesamt 1-mal geändert.
Es grüsst ottilie
~~~~~~~~~
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Martina
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Beitrag von Martina »

Super, danke für die Beschreibung, das Buch bekomm ich doch dann mal
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Beitrag von Butterfly1 »

Danke für die Rezension, da freue ich mich umso mehr auf den Lehrgang mit ihm nächstes Wochenende :D
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susiesonja
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Beitrag von susiesonja »

Ein schöner und interessanter Bericht. Danke! :D Ich habe ein paar Fragen zu diesen Sätzen.

Die Vorschläge der FN, die Doppellonge um die Hinterhand zu führen, wird von ihm als unbrauchbar eingestuft und führt zu einer harschen Kritik seinerseits.

Warum findet er diese Verschnallung unbrauchbar und wie paßt das mit dem Satz zu den Umlenkrollen zusammen?

Auch der mittlerweile ziemlich unbekannte „Langhals-Kurztrab“ wird von Herrn Radtke gerne genutzt.

Was verbirgt sich dahinter?
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

Die FN gibt (soweit ich das richtig im Kopf habe und auch den Text so verstanden habe) vor die Longe ohne Umlenkrollen vom Longiergurt zur Trense zu führen. Dadurch geht die Bewegung des Hinterbeines direkt zum Maul. Da es oft beim ersten Einsatz der DL um die Hinterhand zu heftigen Reaktionen von Seiten des Pferdes kommt, wird auch hier jeder Ruck ungefiltert an das Maul weitergegeben. Der Weg von Herrn Radtke ist wesentlich langsamer und durch die Umlenkrollen soll ein Großteil der wirkenden Kräfte verpuffen.

Der Langhals-Kurztrab ist auch durch Herrn Neindorff bekannt. Es ist ein langsamer aber aktiver Trab mit ziemlich weit nach vorne gestreckter Nase, der die Rückenmuskulatur optimal lockern soll.
Liebe Grüße, Sabine

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susiesonja
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Beitrag von susiesonja »

Josatianma hat geschrieben:
Der Langhals-Kurztrab ist auch durch Herrn Neindorff bekannt. Es ist ein langsamer aber aktiver Trab mit ziemlich weit nach vorne gestreckter Nase, der die Rückenmuskulatur optimal lockern soll.
Danke. Diese Bezeichnung habe ich nur noch nie gehört. Aber ich kann mir, glaube ich, etwas darunter vorstellen.
gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

Josa, denkst du das buch ist nützlich, wenn man mal wieder von vorn anfängt mit dem pferd? (ich hatte viele stunden DL, wir sind nur aus der übung....)

lieben dank für die tolle rezension
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

@gimlinchen: Sorry, ich hatte deine Frage völlig überlesen. Ich habe in dem Buch viele Anregungen gefunden für meine Arbeit mit der DL. Und ich mache sie relativ regelmäßig.
Liebe Grüße, Sabine

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