Feira Oliveira Stables 2017

Allgemeines rund ums Pferd

Moderatoren: Julia, dshengis

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Tossi
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Beitrag von Tossi »

So, gestern Nachmittag war ich also bei „The Square of Oliveira“ in Waal. Die Veranstaltung war angeblich mit 40 Besuchern ausverkauft, jedoch entpuppten sich einige Zuschauer/innen später als Reiter/innen in der Abteilungsstunde.

Vorweg schicken möchte ich, dass mein Fazit nach mehr als 4 Stunden Programm ohne Pause tatsächlich (überwiegend) positiv ausfällt – und glaubt mir, das überrascht mich selbst am allermeisten.

Frau S. stellte gleich bei der Begrüßung heraus, dass dies ein „normaler Arbeitstag“ in den Oliveira Stables sein soll und dass Herr Oliveira gerne auf alle Fragen aus dem Publikum eingehen wird. Dies hat er wirklich sehr gut gemacht, sein Englisch ist sehr gut verständlich, Frau S. hat zwar zwischendrin versucht, zu übersetzen, aber das war eher umständlich bzw. störend und MO hat ihr dann auch beherzt das Mikro abgenommen. Fr. S. hat sich sogar erfreulich zurückgenommen, das hatte ich schon ganz anders erlebt!

Was wir zu sehen bekamen:
- Einzelstunde einer aktiven Turnierreiterin auf S/Grand Prix-Niveau, die regelmäßig mit ihren großrahmigen Warmblütern zum Unterricht kommt.
Die Reiterin musste nach Ansage von MO alle möglichen Lektionen und Übergänge reiten, das gelang meistens ganz ordentlich, Korrektur erfolgte keine. Teilweise kam der Wallach in die absolute Aufrichtung mit deutlichem Unterhals. Im „Half Pass“ (sehr stark abgestelltes Travers entlang der langen Seite) im Galopp hatte das Pferd ziemliche Schwierigkeiten, seine Beine zu sortieren. Dann gab es Übergänge mit starkem Trab („Open the trot“) und da hat sich das Pferd sehr deutlich verspannt, hatte Schlauchgeräusche und genau da hat MO die Stunde beendet. Noch ein paar Piaffetritte an der Bande mit seiner Unterstützung und sofort absteigen…..
Zu dem „Half Pass“ kam dann auch eine Frage, hat er ausführlich erläutert.

- Arbeit mit dem jungen Pferd: 5-jähriger kleiner, sehr „mopsiger“ Lusitano-Hengst aus seiner Zucht mit einer Amateurbereiterin, ca. ein Jahr unter dem Sattel.
Hier ging es um seine wichtigsten Punkte „calm and mobilizing“, sehr langsames Übertreten an der Hand, Halten, usw. dasselbe dann unter der Reiterin. Dann sehr kurze Reprisen (wirklich nur wenige Tritte) Trab usw. Am Schluss Galopp auf dem Zirkel mit einer ganz passiv sitzenden Reiterin, die auch die Zügel praktisch nicht angefasst hat. Den Sinn hinter dieser Arbeit hat er sehr gut erklärt.

- Dann zwei unterschiedliche Pferde: sehr weit ausgebildeter Lusitano mit einem portugiesischen Bereiter (auf einem Dressursattel mit deutlich zu kleiner Sitzfläche) und ein deutscher Bereiter, der erst seit wenigen Tagen im Stall tätig ist und erst auf das „System MO“ umschult, auf dem Wallach „Risky“ aus dem „Warmblut-Projekt“. Auch dieser Wallach ist weit ausgebildet, hat aber noch sehr große Probleme, schlägt mit dem Kopf, knirscht sehr stark mit den Zähnen. Vor allem musste er immer hinter dem (langsamen) Lusi bleiben, der Reiter sollte aber möglichst die Hand weg lassen.

- Danach ritt MO selbst zuerst einen weiteren Warmblüter „Rapallo“ und dann einen Lusi-Hengst in der/dem „Square“, einem Viereck 12,5 x 12,5 Meter. Den großen Warmblüter hat er erst wenige Male geritten und noch nie auf dem Miniviereck. Es war erstaunlich, wie er das Pferd am Sitz hatte und fast alle schweren Lektionen vorführen konnte. Er ist unbestritten ein großartiger Reiter! Allerdings hat auch dieses Pferd sehr deutlich mit den Zähnen geknirscht. Dies wurde auf dessen Vorgeschichte geschoben und darauf verwiesen, dass Knirschen nicht verhindert wird („das Pferd darf sich äußern“), sondern sich mit der weiteren Arbeit verbessern bzw. ganz verschwinden soll.

- Den Lusi-Hengst hatte er nach glaubhafter Versicherung seit Jahren nicht mehr unter dem Sattel. Er konnte vom Moment des Aufsitzens an buchstäblich alles reiten, was man sich vorstellen kann. MO hat dann aus purer Lust Elemente gezeigt, die meines Erachtens aus der Arbeit mit dem Stier kamen, bis hin zu Pirouetten im Außengalopp, alles innerhalb 12,5 x 12,5 oder um die Pylone, war eine wirklich beeindruckende Vorstellung.

- Zu guter Letzt gab es eine Abteilungsstunde: 12 Schulhengste und –wallache mit Schülern. Die Tete übernahm die schon ziemlich schwangere Tochter von Fr. S. Das war dann für mich die „Entdeckung der Langsamkeit“. Über Sinn und Unsinn einer solchen Unterrichtsstunde lässt sich streiten. MO hat nur die Bahnfiguren angesagt und die Reiter hatten dafür zu sorgen, dass ihr Pferd auf Position blieb. Die Pferde und die Reiter waren vom Niveau sehr breit gestreut. Eine Reiterin war mit ihrem Pferd im Abteilungstrab und -galopp deutlich überfordert und wurde dann von der Tetenreiterin regelrecht angeschrien, von Seiten MOs erfolgte praktisch keine Korrektur.

Alles in Allem muss ich sagen, dass ich trotz meiner Vorbehalte einen sehr intensiven Nachmittag erlebt habe und einige Anregungen mitnehmen konnte. MO war von der ersten bis zur letzten Minute 100%ig präsent, äußerst sympathisch und hat sehr gut erklärt. Zu guter Letzt hat er sogar noch geduldig Bücher signiert, wir sind aber gleich aufgebrochen, denn meine Füße waren vom langen Sitzen ziemlich eingefroren – selber schuld.

Was mir nicht gefallen hat, war, dass die Pferde oft in absoluter Aufrichtung mit Unterhals und hängendem Rücken geritten wurden. Im Schritt wurde praktisch ausschließlich dieser stark verlangsamte „Quasi-Schulschritt“ geritten. Ich sah eigentlich kein einziges Mal ein Pferd, das raumgreifend „geschritten“ wäre.

Sehr positiv fand ich, dass er den Pferden immer wieder Pausen am hingegebenen Zügel gegeben hat und das „calm and mobilizing“ war ihm äußerst wichtig. Diese Ruhe und Entspannung im Halten und trotzdem die Bereitschaft, daraus jederzeit aktiv zu reagieren, hat er sehr eindrücklich demonstriert. Die Pferde waren trotz der vermeintlichen Langsamkeit in vielen Lektionen immer hellwach und hochkonzentriert.

Interessant fand ich auch, dass in der Reitbahn einige sehr antiquiert anmutende Regeln zu beachten sind, z.B. ist genau festgelegt, wie die Bahn betreten wird und auf welcher Linie das Pferd wieder zurück in den Stall geführt wird.

Und insgesamt waren 6 oder 7 Pferde aus der Zucht von MO vertreten, deutlich zu erkennen an dem Brandzeichen. Bin absolut kein Kenner der Rasse, aber vom „1,50m-Mops“ bis zum „1,70m-Lulatsch“ war alles vertreten. Auch vom Typ her waren diese Pferde sehr unterschiedlich. Habe da meine Zweifel, ob diese Pferde das Ergebnis einer konsolidierten Zucht darstellen können….

So, nun hoffe ich, dass ihr eine Vorstellung bekommen habt und der Beitrag nicht zu lang geraten ist.

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Die Schönheit der Dinge lebt in der Seele dessen, der sie betrachtet. (David Hume)
mor
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Beitrag von mor »

Vielen vielen Dank für den Bericht!
xelape

Beitrag von xelape »

Danke für den Bericht - deckt sich schon auch mit meinem Eindrücken.
Akasha
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Beitrag von Akasha »

Ja, tausend Dank. Sehr interessant.
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Beitrag von SonjaR »

Vielen Dank für den Bericht, sehr ausführlich und interessant, vor allem auch die eigenen Kommentare zum Gesehenen :-)

Frau S. hat heute auf der Facebook-Seite einen Kommentar einer anderen Zuschauerin veröffentlicht (die wohl die Frage nach dem Half-Pass gestellt haben muss). Eine ganz andere (nicht ganz so reflektierte) Sicht der Dinge ;-)
oecone
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Beitrag von oecone »

Danke Tossi :)
Dein Bericht hat mir die Mittagspause versüßt.

Den Part mit MO als Reiter hätte ich wirklich gerne gesehen.
Und das mit dieser absoluten Aufrichtung, bei der der Rücken weg ist, und die Hinterhand in Bagdad, das beobachte ich mittlerweile auch hier in der Region bei den WE-Reitern mit iberischem Reitlehrer. Das könnte man ggf. mal gesondert diskutieren.

Es scheint ja wirklich so zu sein, dass MO und seine Methoden durchaus gut sind, nur die Marketing-Mutti ...
Mich freut es irgendwie, dass die voreingenommene Haltung (auch von mir) nicht unbedingt bestätigt wurde :D

Grüßle
oecone
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Sehr interessanter Bericht - hat beim Lesen absolut Lust gemacht MO selber mal anzusehen - wäre da nicht der zwingende Zusammenhang mit Frau S. 8)

Wenn du Lust dazu hast, ich würde mich freuen zu lesen, was er zu den einzelnen Dingen gesagt hat.

Die Erklärung, dass das Zähneknirschen erlaubt wird, sich im Laufe der Arbeit von selbst erledigen soll, finde ich grundsätzlich gut und richtig, wenn das Knirschen der Vorgeschichte zuzuschreiben ist. Wäre interessant zu erfahren, wie es sich dann in welcher Zeit tatsächlich erledigt.

Schön zu lesen jedenfalls, dass er offenbar wirklich so "kann" wie Frau S. lobhudelt, und offenbar nicht unbedingt mit ihrer Art d´accord geht. :wink:
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Tossi
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Beitrag von Tossi »

Hier gibt es ein kleinen Live-Ausschnitt aus MOs Vorstellung gestern mit dem Lusitano im "Square":
https://www.facebook.com/OliveiraStable ... 359431833/
(hat Fr. S. mit dem IPad gefilmt und da konnte sie sich natürlich nicht beherrschen und hat lautstark kommentiert).

Leider versteht man MO selbst nicht richtig.

Und das ist der Warmblüter "Risky", den gestern der Bereiter vorgestellt hat:
https://www.facebook.com/OliveiraStable ... 589424310/
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grisu
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Beitrag von grisu »

Vielen Dank für den Bericht, der meine Meinung bestätigt: Netter Mann, guter Reiter, aber kein klassischer Ausbilder. Völlig andere Zielsetzung. Auf FB kann man Ausschnitte aus der Arbeit mit dem Warmblut und einem Schimmel sehen, den Herr Oliviera selbst ausgebildet hat. Beide gefallen mir aus Sicht der klassischen Ausbildung überhaupt nicht.

Für mich gehören Losgelassenheit und Takt zwingend zum klassischen Reiten dazu. Weggedrückte Rücken und Verspannung sind für mich Zeichen von fehlerhafter Ausbildung. Mit so einem Pferd arbeite ich an Grundlagen und nicht an Galopppirouetten. Damit ist das, was in den OS gezeigt wird (sowohl mit dem Korrekturpferd als auch mit dem selbst ausgebildeteten Schimmel) für mich keine gute Reiterei, sondern Show (zugegebenermaßen gute Show).
Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Die OS haben ja nochmal ein Video eingestellt von diesem "Square" mit O auf einem Schimmel - bevor sie die Gruppe schließen, damit keine kritischen Fragen mehr kommen. ;-)

https://www.facebook.com/OliveiraStable ... 359431833/

Das Gezeigte finde ich allerdings eher durchwachsen. Es sind tolle Momente dabei, die Pirouetten zb gefallen mir sehr, aber auch vieles, was ich nicht gut finde. Das sehr laute Klappern mit dem Gebiss und das ständige hinter-denZügel-wegkippen des Pferdes, recht ruckelige Übergänge, das Rauskarren der Hinterhand, knackfester Rücken. Alles wie immer keineswegs schlimm, aber halt auch keine totale Offenbarung. Wenn man einen kleine kompakten Spanier ordentlich heiß macht, ist es nicht sooo schwer, diese Lektionen in dem kleinen Viereck zu reiten - dann werden die aber halt auch rückenlos und kommen über/hinter den Zügel. Das finde ich schlicht nicht erstrebenswert. VIelleicht bin ich da auch einfach vorgeschädigt.

Ich kann mir auch durchaus vorstellen, dass Herr O ein sehr guter Reiter ist, zumindest für Pi und Pa - nur diese gottgleiche Unbeschreiblichkeit kann ich halt einfach nirgends entdecken.
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Beitrag von FNB »

Es tut mir leid, aber ich finde es furchtbar :oops: Da ist ja kaum mal ein Meter Takt drin, ständige Verschiebungen, keine klaren Gänge. Und der Schimmel ist ja anscheinend weit ausgebildet :oops:
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Ich kann grade wegen mal wieder Internet auf Sparflamme nur Stück für Stück schauen, habe die ersten gut 2 Minuten aus dem von Rapunzel eingestellten Video geschaut und denke, dass ich es live "besser" gefunden hätte vermutlich. So am Laptop kommt es mir vor wie manche Pferde aus Videos von Teilnehmern des Kurses von Dr. Ritter, wenn sie noch relativ neue Bewegungsabläufe zeigen. Immer wieder fehlende Balance und etwas eiliges Setzen der Füße, weil es noch nicht so gut koordiniert ist, deshalb auch immer mal Kopf hoch nehmen. Je nach Ausbildungsstand ja absolut in Ordnung. Bei der Schilderung zu diesem Ritt mit dem Schimmel überrascht es mich doch sehr.
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Oh, jetzt Trab.... hörte ich im Video nicht von Frau S (vermutlich), dass "korrekt gerittene Ecken" ein Kriterium sind? Wie definieren die OS denn "korrekte Ecken"? Offenbar anders als ich es kenne, nicht mit gebogenem Pferd im Takt geritten...
Was ist der Zweck der Übung auf der kurzen Geraden zu beschleunigen, dass man meint das Pferd verliert seinen Reiter gleich hintenrüber, und dann vor der Ecke zu bremsen, in Minischritten eher hektisch rumzuschwenken wie um die Mittelachse? :?

Ich dachte Ecken reiten kann ich einigermaßen mit Socke (konnte natürlich), aber ich habe da was völlig anderes von meiner RL gelernt. :wink:
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Ah, der Schimmel von Rapunzel ist der gleiche/das gleiche Video wie der erste Link von Tossi.

Der WB gefällt mir gar nicht, und wo auch immer ist grade ein Schnippsel der Abteilungsreitere zu dritt, zweimal braun, einmal Schimmel hinten dran, aufgetaucht. Grausam.
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KZimmer
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Beitrag von KZimmer »

Ich habe jetzt nur mal den Anfang des Videos mit dem Lusitano gesehen und frage mich, ob das Tier auch normal Schritt gehen kann?! Dieses "Gezockele" gefällt mir überhaupt nicht, und ich sehe auch ausbildungstechnisch keinen Sinn darin. Mit fehlt die Leichtigkeit und die Entspannung beim Pferd - nur so ein erster Eindruck.
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