testende Pferde

Infos und Fragen rund ums Thema "wie Pferde denken"...

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Jen
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Beitrag von Jen »

Gawan, betr Zitat: nein dieser Ansicht bin ich nicht, das ist doch Quatsch. 1. Ich bin kein Pferd und mein Pferd verwechselt mich auch nicht mit einem. 2. Als Mensch verlange ich sehr viele unnatürliche Dinge, die Pferde aber bei entsprechender Schulung problemlos lernen können, wie Hunde auch. Mein Beispiel betrifft nicht das stillstehen, sondern in dieser Situation aus Sicht des Pferdes das Prinzip 'wer weicht vor wem weg / wer bewegt wen'.

Ich verlange auch kein Strammstehen von meinen Pferden. Nur einfach angenehmen Umgang. Und da gehört mein Beispiel auch dazu. Mein Pferd darf auch rumgucken, einen Schritt zur Seite machen etc. Aber es darf mir nicht auf die Pelle rücken und mir meinen Platz streitig machen (ein sehr häufig vorkommendes Problem bei unerzogenen Pferden, wo Besitzer ein Problem haben). Das ist eine Situation, wie sie x-fach im Alltag vorkommt. Zb erklärt mir der RL etwas. Ich warte auf dem Kurs mit meinem Pferd vor der Halle, ich werde auf dem Spaziergang von anderen Spaziergängern angesprochen etc. Ich bewege mich nicht in einer sterilen Blase mit meinem Pferd und deshalb muss es lernen mit diesen Situationen umzugehen. Und das ist auch keine besondere Leistung, sowas kann jedes Pferd problemlos lernen.

Man muss hier unterscheiden, zwischen Akzeptanz vom Pferd gegenüber dem Menschen und dem Lernen von Kommandi/Übungen/Verhaltensweisen etc. Das heisst, ein Pferd muss erst überhaupt mal akzeptieren, dass es sich vom Mensch was sagen lässt, es muss 'ja' sagen, aufmerksam und aufgeschlossen sein. Wie man das erreicht, ist wieder eine andere Geschichte. Erst dann kann man dem Pferd überhaupt was beibringen.
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

@Gawan:
du kannst doch nicht ernsthaft jeden Umgang des Menschen mit den Pferden gleichsetzen mit Verhalten von Pferden untereinander? :shock:
Kein Pferd würde ein anderes Reiten, nicht mal halftern, in einen Anhänger stecken, geschweige denn eine Boxenhaltung verordnen. 8)

Sorry, aber wenn ich mit meinem Pferd irgendwo lang gehe, dann gehe ich irgendwo lang, mit Pferd, dann erwarte ich nicht "volle Aufmerksamkeit" sondern nur einen normalen, gepflegten Umgang mit mir. Dieser und nicht die volle Aufmerksamkeit regelt dann auch, dass das Pferd sich mir anschließt und nicht umgekehrt, dass ich nicht gerempelt oder überrannt werde etc - und wenn ich dann stehe und "ruhe", dann tut es das Pferd auch, so wie in einer Herde auch Bewegung und Ruhe abwechseln.
Dass ich dann als ein Pferd beeinflussendes Menschlein vom Pferd durch Halfter und Strick oder Trense verbunden verlange, dass es neben mir stehen bleibt, hat mit der Nutzung des Pferdes zu tun. Da einen Vergleich mit einem Herdenumgang zu ziehen finde ich mehr als an den Haaren herbeigezogen und völlig unrealistisch.
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Gawan
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Beitrag von Gawan »

Finchen hat geschrieben:@Gawan:
du kannst doch nicht ernsthaft jeden Umgang des Menschen mit den Pferden gleichsetzen mit Verhalten von Pferden untereinander? :shock:
Hab ich das irgendwo getan?
Finchen hat geschrieben:Kein Pferd würde ein anderes Reiten, nicht mal halftern, in einen Anhänger stecken, geschweige denn eine Boxenhaltung verordnen. 8)
Genau, darum geht es mir gerade. (Das war jetzt wohl eine Art reductio ad absurdum.)

Mir geht es um dieses ständige “Pferd stellt Ranghöhe des Menschen in Frage”. Da 99% dessen, was wir mit dem Pferd machen, eben etwas ist, was Pferde miteinander nicht machen, ist es meines Erachtens unsinnig, Probleme dabei als Rangordnungsfrage zu deuten. Verlange ich vom Pferd etwas, was seiner Natur widerspricht, z.B. in eine Höhle zu klettern, und das Pferd weigert sich, dann stellt es nicht meinen “Rang” in Frage, sondern es verhält sich einfach seiner Natur gemäss (Höhlen sind gefährlich); ein ranghöheres Pferd würde auch nicht von ihm verlangen, in eine Höhle zu klettern, weil es ebenfalls weiss, dass Höhlen gefährlich sind.

Mir ist sehr wohl bewusst, dass ich kein Pferd bin, und dass mich das Pferd auch nicht als ein solches sieht. Aber genau aus diesem Grund kann ich auch nicht einfach “ranghöher” als das Pferd sein, sowenig wie der Stallhund oder die Katze auf dem Dach. Es gibt aber eine ganze Menge Reiter, die das Gefühl haben, es reiche, ein Pferd in einem Käfig rumzuscheuchen, um zur “Leitstute” zu werden, oder die es normal finden, ihr Pferd immer wieder weichen zu lassen, um ihren “höheren Rang” zu etablieren, weil das Pferde untereinander angeblich auch machen.
Finchen hat geschrieben:Sorry, aber wenn ich mit meinem Pferd irgendwo lang gehe, dann gehe ich irgendwo lang, mit Pferd, dann erwarte ich nicht "volle Aufmerksamkeit" (...).
Zum Thema Aufmerksamkeit werde ich was schreiben, wenn ich mehr Zeit habe.
Finchen hat geschrieben:Dass ich dann als ein Pferd beeinflussendes Menschlein vom Pferd durch Halfter und Strick oder Trense verbunden verlange, dass es neben mir stehen bleibt, hat mit der Nutzung des Pferdes zu tun. Da einen Vergleich mit einem Herdenumgang zu ziehen finde ich mehr als an den Haaren herbeigezogen und völlig unrealistisch.
Die Behauptung, es gehe um die Rangordnung, wenn das Pferd dabei nicht stehen bleibt, stammte auch nicht von mir. Mir ging es hier ebenfalls darum zu zeigen, dass wir dabei etwas vom Pferd verlangen, was in der Herde in dieser Form eben nicht vorkommt; und wenn ein Pferd das dann nicht so mitmacht, wie wir erwarten, es damit nicht unseren angeblichen “Rang” in Frage stellt, denn ein höherrangiges Pferd in der Herde würde dieses Verhalten nicht verlangen.

Ich weiss, ich wiederhole mich, aber ich hoffe, damit ist klar, was ich meine.


Tanja Xezal

PS1: Ich habe den Verdacht, dass diese Rang- oder Dominanz-Geschichte bei manchen Leuten so beliebt ist, weil es wie eine Abkürzung erscheint: Ich muss dem Pferd nur mal richtig klar machen, dass ich der Ranghöhere bin, dann kann ich alles von ihm verlangen (als wäre eine Pferdeherde eine Diktatur). Da ist der Weg über langsames Gewöhnen, geduldiges Beibringen, immer wieder in kleinsten Schritten eine ungewohnte neue Übung Wiederholen, nichts als selbstverständlich Nehmen (er gibt das Vorderbein links und rechts, hinten aber nur das linke Bein), immer wieder Nachdenken (hat er beim Traben an der Longe noch ein Problem mit der Biegung? vielleicht versuch ich’s mal mit einem Quadrat oder einem Oval statt einem Zirkel), Akzeptieren, dass was letzte Woche ging diese Woche nicht ebenso gehen muss - doch soo viieel mühsamer.

PS2: Mal gelegentlich darüber nachdenken, wie sich unsere Forderungen aus Sicht des Pferdes wohl anfühlen, kann nichts schaden...
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sab
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Beitrag von sab »

Hallo,

ich halte diese Rangordungs-und Dominanz-geschichten bei Pferden für völlig überschätzt. Die Dominanztheorien halte ich bei Pferden für eher Quatsch , ich glaube auch, dass sie oft die Rechtfertigung zum >Durchgreifen> liefern. Und zur Rangordnung; Pferde sind nicht in einer strengen Hierachie wie deutsche Beamte organisiert. Die Rangordnung - so man diesen Begriff gebrauchen will - ist viel, viel durchlässiger. Und zu dem viel zitierten Beispiel des -wer-darf-zuerst-fressen; im Gegensatz zu z.B. Fleischfressern sind die Ressourcen für alle Pferde gleich. Entweder ist genug Futter / Wasser für alle da oder eben gar nichts. Es gibt also in der Natur sehr wenig Grund für diesen Dominanz-Unsinn. Richtige Streitereien dürfte es eher um die Frage der Paarung / Stutenaneignung geben.

Wenn ein Pferd seinen Reiter >austestet > ("Muss ich jetzt wirklich dieses tun"), dann halte ich das für einen angelernten Vorgang. Das Pferd - z.B . ein Schulpferd, dass häufig unterschiedlcihe Reiter tragen muss - hat gelernt, dass es sich unangenehmen Aufgaben entziehen kann. Mit Dominanz a la Raubtier hat das nix zu tun, dass ist einfach ein Lernprozess.

LG

Sabine
gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

ich fürchte, dass menschen da einfach dazu neigen, viel zu einfach zu denken, indem sie beziehung zu pferden auf dominanz reduzieren - und das tun viele, egal ob parelli-anhänger oder sonstige.
leider ist das im umgang mit anderen menschen ja ähnlich.
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Jen
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Beitrag von Jen »

Nein, eine Beziehung zwischen Mensch & Pferd darf auf keinen Fall auf die Dominanzfrage reduziert werden. Ich bin ja gar kein "Dominanzlerin" und gegenüber Parelli und Co. eher negativ eingestellt. Im Gegenteil, ich bin ja eher die clickertante ;) Aber man darf das Thema Autorität und Souveränität halt doch auch nicht komplett von der Hand weisen. Pferde brauchen eine Führung, um sich sicher zu fühlen. Diese Führung kann von einem erfahrenen Pferdemenschen so subtil gestaltet werden, dass sie gar nicht auffällt, weil eben schon die winzigen Unklarheiten durch präzise Gesten geklärt werden, ohne dass man hier grosses "Cowboy-gehabe" sieht. Aber im Freizeitreiteralltag, gibt es halt viele Situationen oder Pferd-Mensch-Paare, wo die Situation nicht so einfach geklärt wird, weil es eben Mensch gar nicht bewusst ist, ob das jetzt eine Anfrage war, oder ob es einen anderen Grund hatte. Kommunikation vom Pferd ist auch komplex. Das gleiche Verhalten kann unterschiedlichen Ursprungs sein. Das braucht etwas Erfahrung, um hier die Unterschiede zu erkennen. Aber ich kann euch versichern, dass wenn man diese Anfragen nicht erkennt, dann kann das zu grossen Problemen führen, das sehe ich in meinem Arbeitsalltag sehr häufig. Und das kann dann zu gefährlichen Situationen führen, bis hin zu Durchbrennen, Buckeln oder offensive Aggression. Wenn ein Pferd beim Longieren plötzlich den Longierführer angreift, dann hat man schon einiges im Voraus verpasst. Diese Situationen kommen durchaus vor und da muss man schon an der Basis der Kommunikation anfangen. Es ist mir aber zu aufwendig und zu kompliziert hier jede einzelne Situation zu analysieren und jede mögliche Alternativsituation zu erläutern. Es ist halt wie immer: nicht so einfach ;)

Zur Ausgangsfrage: natürlich Pferde testen. Aber nicht jedes Verhalten vom Pferd ist ein Testverhalten.
Liebe Grüesslis, Jen
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Alix_ludivine
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Beitrag von Alix_ludivine »

Ich würde das "Testen" auch als Austesten/Bestätigen der bestehenden Grenzen sehen.

Es geht ja auch nicht immer darum, dass das Pferd "testet" um die Chefposition des Menschen oder eines anderen Pferdes in Frage zu stellen, sondern ob der Mensch/das andere Pferd überhaupt noch in der Lage ist Chef zu sein. Als Pferd wünsche ich mir ja nun auch einen Chef, bei dem ich mich sicher fühlen kann und dem ich vertrauen kann.
Und wenn ich als Mensch einfach unkompetent auftrete (siehe die Longierfrage am Anfang) warum soll ich mich dann als Pferd unterordnen?

Und zu der Tränkesache.. Ich habe noch nie erlebt, dass ein rangniedriges Pferd ein Randhöheres vertreibt. Die trinken normalerweise immer schön der Reihe nach. Und wenn der Ranghöhere an der Tränke stehenbleibt, dann hat der Rangniedrige immer noch zu warten. Nur eben, wie schon genannt, wenn sie sehr dicht beeinander sind in der Rangfolge, dann wird auch mal gedrängelt, wenn denn die Tränke nicht groß genug ist.

LG Alix
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

@Gawan:
du hast das Spazierengehen und Stehenbleiben, mit Menschen reden zB gleichgesetzt mit dem was Pferde voneinander verlangen, DARAUF habe ich mich bezogen, das zu vergleichen ist in meinen Augen Quatsch.

Und es geht doch bei weitem nicht nur um Dominanz, wenn man von "Grenzen austesten" spricht - Tiere (nicht nur Pferde) und auch Kinder testen ganz sicher nicht ihre Grenzen immer und nur aus um zu dominieren! Grenzen kennenlernen bedeutet auch eine Form von Sicherheit - u.a..

Man muss also - wiederum u.a. - fein auseinanderhalten, wann es um was genaug geht. Rangordnung klar zu stellen ist aus meiner Sicht unabdingbar um zu klären, dass NIE ich meinem Pferd ausweiche, wenn es das möchte, sondern klar ist, dass ich was so etwas angeht, respektiert werde, Anrempeln etc. tabu ist.
Was das Austesten von Grenzen angeht wie zB beim Stillstehen, das werde ich bei einem halbwegs ich nenne es mal "denkaktivem" Pferd wohl nie zu 100% abstellen können (außer vielleicht ich drille kleine Maschinchen, statt Pferde zu schulen :? - daran möchte ich lieber nicht denken).
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Gawan
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Beitrag von Gawan »

Finchen hat geschrieben:@Gawan:
du hast das Spazierengehen und Stehenbleiben, mit Menschen reden zB gleichgesetzt mit dem was Pferde voneinander verlangen, DARAUF habe ich mich bezogen, das zu vergleichen ist in meinen Augen Quatsch.
Nö, ich habe gezeigt, dass das, was Menschen mit Pferden machen etwas ist, was Pferde mit Pferden eben gerade nicht machen.
Finchen hat geschrieben:Und es geht doch bei weitem nicht nur um Dominanz, wenn man von "Grenzen austesten" spricht - Tiere (nicht nur Pferde) und auch Kinder testen ganz sicher nicht ihre Grenzen immer und nur aus um zu dominieren! Grenzen kennenlernen bedeutet auch eine Form von Sicherheit - u.a..
Man muss also - wiederum u.a. - fein auseinanderhalten, wann es um was genaug geht. Rangordnung klar zu stellen ist aus meiner Sicht unabdingbar um zu klären, dass NIE ich meinem Pferd ausweiche, wenn es das möchte, sondern klar ist, dass ich was so etwas angeht, respektiert werde, Anrempeln etc. tabu ist.
Was das Austesten von Grenzen angeht wie zB beim Stillstehen, das werde ich bei einem halbwegs ich nenne es mal "denkaktivem" Pferd wohl nie zu 100% abstellen können (außer vielleicht ich drille kleine Maschinchen, statt Pferde zu schulen :? - daran möchte ich lieber nicht denken).
Ich vermute, dass wir einfach nicht die gleiche Philosophie haben, was das Verhältnis zum Pferd angeht.
Ich sehe mich in der Welt des Pferdes erst mal als ein Fremder, sozusagen ein Gast, daher sollte ich auch gewisse “Höflichkeitsregeln” einhalten, dazu gehört u.a., dass ich die “Privatsphäre” oder Individualdistanz des Pferdes erst mal respektiere, und dann mit zunehmender Vertrautheit darin eindringe. Bei Gawan hat es beispielsweise beinahe ein Jahr gedauert, bis ich seine Ohren anfassen konnte, heute geniesst er es, wenn ich ihn an und in den Ohren kraule.
Ich bin zudem vorsichtig mit Manövern, die auf Pferde aggressiv wirken, dazu gehört z.B. das rückwärts weichen lassen, während ich frontal vor dem Pferd stehe. Und es gibt sogar Übungen, bei denen weiche ich, etwa wenn Gawan beim Longieren durch den Zirkel wechseln soll (ist schon aus geometrischen Gründen gar nicht anders möglich).
Es gab durchaus schon Situationen, in denen Gawan sogenannt “seine Grenzen ausgetestet” hat, und ich im Nachhinein sagen musste, er hatte recht, mir den “Mittelhuf” zu zeigen. Wenn wir etwa von einem unserer langen Ausritte zurückgekommen sind, ich ihn abgesattelt und abgespritzt habe, ihn dann zur Weide führe und zehn Meter vor dem Tor stehenbleibe, um mit jemandem zu reden, dann hat er recht, wenn er dagegen protestiert (und hierhin gehört mein Beispiel aus der Menschenwelt).
Ob Gawan mich als ranghöher ansieht? Keine Ahnung, vielleicht sieht er mich als Zweibein, das sich etwas seltsam und manchmal unklar ausdrückt, das komische Ideen hat, mit dem er mehr von der Welt kennenlernen kann als nur seine Weide, das ihm zeigt, wie er seine Beine verknoten kann, ohne sein Gleichgewicht zu verlieren, das eine besonders schöne Weide auf der anderen Seite des Hügels kennt, das ihn an Stellen kratzen kann, an die er selber nicht hinkommt ... Er scheint jedenfalls durchaus mit mir zufrieden zu sein, sonst würde er wohl kaum zu mir kommen, wenn ich ihn aus dem Offenstall oder von der Weide hole.

Bevor mich jetzt jemand für eine weichgespülte Tüdeltante hält: Ich kann durchaus zackig und rabiat reagieren, wenn eine Situation dies verlangt. Allerdings nicht wegen des Gefühls, von einem Pferd in Frage gestellt zu werden, dieses muss mir irgendwie vor :kopfkratz: bald dreissig Jahren abhandengekommen sein.

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Jen
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Beitrag von Jen »

Hä? Es geht doch dabei nicht um ein angekratztes Ego. :lol: nein, schlussendlich geht es um Sicherheit. Und dazu gehören klare Regeln und Verhaltensweisen (auf beiden Seiten), die das Zusammenleben einfacher machen. Sorry, aber wenn man Leute kennt, die im Krankenhaus landen, weil sich das 'liebe' (aka unerzogene und respektlose) Pferdchen gerade bei irgendwas gestört gefühlt hat, dann bekommt man wohl eine etwas...hm...pragmatischere Einstellung. Wie gesagt... Ich bin gar keine "Dominanzlerin", aber den verklärten Wendyschmus muss man auch nicht gerade glauben ;)

Übrigens, mein erstes Pferd war das allerliebste Pferd auf Erden. Quasi ein Golden Retriever auf Hufen. Einfach eine Seele von Pferd. Ja, das gibt es auch. Aber trotzdem würde ich aufgrund dieser Erfahrung keine verallgemeinernden Aussagen machen. Es gibt auch fordernde Exemplare. WIE man damit umgeht, ist eine andere Geschichte. Ich zb beantworte nicht jeden 'Test' eines Pferdes, wenn es sich um einen Zwergenaufstand handelt. Dann kann es durchaus sein, dass ich diese Anfrage ins Leere laufen lasse und ignoriere. Aber deine Frage war ja nicht: wie beantwortet ihr einen Test, sondern ganz allgemein: testen Pferde überhaupt? Deswegen verstehe ich dein 'Problem' bzw auf was du konkret hinaus willst, irgendwie nicht...?
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Gawan
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Beitrag von Gawan »

@Jen
Als erstes wollte ich einfach mal hören, was die Leute, die den Begriff benutzen, eigentlich damit meinen, und wie sie das begründen. Die Frage nach dem Testen scheint eine gute Testfrage zu sein, um herauszufinden, wie jemand sein Verhältnis zum Pferd sieht. Und ehrlich gesagt, kann ich mit der Idee, dass die Rangordnung das wesentliche Element im Verhältnis Pferd - Mensch ist, immer noch nichts anfangen. Ich interpretiere das Verhalten der Pferde viel weniger auf den Menschen bezogen.
Ein Beispiel: Ich reite den Waldrand entlang und mein Pferd nimmt einen Satz zur Seite. Interpretiere ich das nach dem Pferd-testet-Mensch-Modell, wäre etwa folgendes abgelaufen: Das Pferd nimmt ein Rascheln im Gebüsch zum Vorwand, um zu Prüfen, ob Zweibein zum Chef taugt, falls Zweibein cool bleibt, wird es Chef, falls nicht, schmeisst Pferd ihn runter. Meine Interpretation ist: Das Pferd hört ein Rascheln im Gebüsch und nimmt deswegen einen Satz zur Seite. Bleibt der Reiter cool, läuft im Kopf des Pferdes etwas im Stil “Schreck hier - ok beim Gefährten - Alles halb so wild” ab. Wiederholt sich diese Erfahrung, verfestigt sich beim Pferd das “Alles halb so wild”, d.h. sein Sicherheitsgefühl wird grösser. Ist der Reiter aber unsicher, entwickelt sich das in die andere Richtung.
Du kannst es gerne als wendymässig bezeichnen, wenn ich auf die Befindlichkeiten meines Pferdes Rücksicht nehme. So halte ich bei längeren Ritten immer wieder mal an wenn ich an einer schönen Wiese vorbeikomme, damit Gawan das Gefühl hat, diese Herumlauferei hat einen praktischen Zweck, nämlich von einer guten Wiese zur nächsten zu gehen (öhm, ist das nicht etwas, was Leitstuten machen, die führen doch die Herde von einer Weide zur nächsten?).

Tanja Xezal

Vielleicht sollte ich der Göttin Epona mal ein Opfer bringen dafür, dass sie mich trotz meiner wendymässig sentimentalen Einstellung die letzten vierzig Jahre vor machtgierigen Pferden beschützt hat ...
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Gawan hat geschrieben:
Finchen hat geschrieben:@Gawan:
du hast das Spazierengehen und Stehenbleiben, mit Menschen reden zB gleichgesetzt mit dem was Pferde voneinander verlangen, DARAUF habe ich mich bezogen, das zu vergleichen ist in meinen Augen Quatsch.
Nö, ich habe gezeigt, dass das, was Menschen mit Pferden machen etwas ist, was Pferde mit Pferden eben gerade nicht machen.

[Bevor mich jetzt jemand für eine weichgespülte Tüdeltante hält: Ich kann durchaus zackig und rabiat reagieren, wenn eine Situation dies verlangt. Allerdings nicht wegen des Gefühls, von einem Pferd in Frage gestellt zu werden, dieses muss mir irgendwie vor :kopfkratz: bald dreissig Jahren abhandengekommen sein.

Tanja Xezal
Gut, aber du wolltest doch mit dem Zitat des Artikels sagen, dass du der gleichen Meinung bist, dass man das nicht verlangen sollte von einem Pferd, dazu doch der englischsprachige Text, oder?

Wenn du keinen "Bedarf" hast, dich von einem Pferd in Frage gestellt zu sehen, ist es doch prima. Aber es gibt eben solche und solche Pferde. Und wenn es Pferde gibt, die Menschen klar und nachhaltig in Frage stellen, dann kommst du da mit Wattebäuschchenwerfen eben nicht weit, und noch schlimmer ist dann Inkonsequenz.

Viele "gefährliche" Pferde, die so auf dem Markt rumgeistern, sind im Grunde nicht schwierig, verlangen aber schlicht klare und deutliche Vorgaben, und wenn es im Umgang daran scheitert, fehlt die Basis, auf der dann mit feiner und kommunikativ reduzierter "Erziehung"/Training/Umgang überhaupt etwas gemeinsames geschaffen werden kann. Hat man aber auch mit diesen fordernden und forschen Pferden eine solide Basis, geklärt, wo sich das Pferd im Umgang wie zu benehmen hat, öffnen sich Möglichkeiten für sehr feinen und weit führenden Umgang. Und letzteres streben wir ja alle irgendwie an.

Fazit mal wieder:
es hängt sehr vom individuellen Typ Pferd ab, ob das Dominanzwort überhaupt zum tragen kommt in aller Ausführlichkeit, oder nur ganz am Rande durch klare Erziehung schon völlig erledigt ist und somit gar nicht groß auffällt. Geben tut es das aber immer in irgendeiner Form, das ist der Herdenstruktur und dem Naturell des Pferde geschuldet - nur klingt das Wort immer gleich als ginge es um bedrohliche Rangkämpfe, und die sind ja nun Gott sei Dank eher höchst selten zwischen Mensch und Pferd. :wink:

Nicht unwichtig in allem Umgang mit allen Pferde ist auch das Individuum Mensch. Wo sich mancher mit vielen Wiederholungen deutlich machen muss, hat ein anderer eine fürs Pferd erkennbarere Ausstrahlung, vermittelt dem Pferd die von ihm "gesuchte" Grenze, damit Sicherheit und Vertrauen, und manche Dinge sind dann viel einfacher und ohne groß zu üben schlicht vorhanden und selbstverständlich, wo ein anderer Mensch, der nicht so in sich ruhend sicher/souverän auftritt, ggf. öfter etwa wiederholen muss, gar womöglich einem Pferd doch mal zeigen muss, dass es zu frech ist.
Manchmal tauchen bestimmte Verhalten von Pferden, bei denen mich die Besitzer um Hilfe bitten, schlicht bei mir nicht auf - weil ich nicht wie die Besitzer ängstlich/zurückhaltend/abwartend/vorsichtig oder whatever neben den Pferden agiere, sondern immer mit sehr großer Sicherheit genau zu wissen was ich tue. Diese "nur" andere Ausstrahlung bzw das andere Auftreten reicht schon, "machen" brauche ich dann gar nichts groß - außer dann halt direkt den nächsten Schritt, den Menschen das zu vermitteln, was ohnehin den großteil der Sache ausmacht.

@wegspringen beim Reiten wegen Rascheln im Gebüsch:
da interpretiere ich meist gar nicht viel rein, außer schlichtem Erschrecken. :wink: Ich reagiere in einer Schrecksituation völlig ähnlich, das gestehe ich absolut auch jedem Lebewesen zu.
Was dann folgt hängt wieder davon ab, wie das Individuum Pferd ist, eher forsch, neugierig, oder ängstlich und unsicher. Auch davon was es "gelernt" hat wie es damit umgehen soll - diese Kombi wird dann entscheiden, ob es sich von alleine der Sache zuwendet, um das Gefahrenpotenzial abzuklären, eher sofort die Flucht ergreifen will, sich quasi hinterm Mensch "verschanzt" und an diesem orientiert (ausgehend von geführtem Pferd wie o.g. Beispiel Spazierengehen) etc...

Individualität ist meiner Meinung nach das, was es nicht zu unterschätzen gilt.
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Beitrag von Max1404 »

Sag mal Gawan, wie soll ich denn Dein letztes Mail verstehen?

Jen und viele andere auch betonen lediglich, dass eine gute Erziehung Pflicht im Umgang mit 500-800 kg Lebendgewicht ist und nicht zuletzt wichtig für die Sicherheit von Mensch und Tier ist.
Zur Erziehung gehören selbstverständlich Liebe, Verständnis, Vertrauen, Respekt, aber auch die notwendige Portion Konsequenz.
Viele Grüße
Sabine
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Beitrag von Jen »

Gawan, für mich siehst du das etwas zu schwarz-weiss und undifferenziert und ich finde, du vermischst Dinge. Deine Beispiele sind für mich keine Testbeispiele. Ich kann mich ja nur wiederholen: nicht jedes Verhalten vom Pferd ist ein Testverhalten. Wenn ein Pferd erschrickt, dann erschrickt es einfach. Dass es aber überhaupt dann zu dir horcht, um deine Reaktion zu sehen, zeigt, dass es sich an dir orientiert. Das heisst, du hast - vielleicht ohne es zu wissen - in vielen anderen Alltagssituationen gezeigt, dass du eine verlässliche Quelle für Information bist (sprich: "Tests" bzw. "Anfragen" bestanden). Ein Pferd aber, das seinen Menschen nicht als verlässliche Quelle wahrnimmt und sich selbst überlassen fühlt, wird nach dem erschrecken nicht zu dir horchen und fragen, sondern ohne abzuwarten einpacken und gehen, wenn das erschrecken stark genug war. Das ist dann kein Test mehr. Sondern die Konsequenz. Und da muss man nicht erst in dieser Situation reagieren, sondern weeeeeit vorher. eben in den kleinen subtilen Situationen und vielleicht in vielen ähnlichen Situationen vorher.

Wie interpretierst du denn Pferde, die den Menschen immer wieder abdrängen? Egal ob beim Stehen, führen, longieren etc. Oder wie interpretierst du mein Beispiel von dem Hengstfohlen, das den älteren Wallach bei der Begrüssung in den Mähnenkamm beisst? interessanterweise hast du da gar keinen Bezug drauf genommen.

Ich finde es ja schön, dass du auf die Befindlichkeit deines Pferdes Rücksicht nimmst. Das ist für mich auch eine Selbstverständlichkeit. Innerhalb gewisser Grenzen, die Sicherheit für mich, mein Pferd und die Umwelt bieten. Ich glaube, man wird es sich erst bewusst, wenn man eben Mensch & Pferd-Paare kennenlernt, wo all das halt eben nicht so selbstverständlich funktioniert. Man muss kein Macho-Gehabe an den Tag legen, um die Führung zu übernehmen. Hier noch ein kleines Beispiel für dich von einer Stute, die ich in Pflege und Ausbildung hatte: Sie war grundsätzlich eher die gemütliche Sorte. Eines Tages nahm ich mit ihr an einem Zirkuslektionenworkshop teil. Es war bitterkalt, Schnee, Bise, das volle Programm. Die Kleine war extrem aufmüpfig. Hat (scheinbar) ihre ganze gute Erziehung vergessen, hüpfte um mich rum, war einfach lustig drauf, hat mich zwischendurch kopfschüttelnd und stampfend etwas herausgefordert. Und ich.... reagierte nicht. Die ZL-Trainerin war ganz irritiert und fragte mich sogar, ob es mein erstes Pferd sei :lol: Ich aber wusste ganz genau, in welchem Bereich und in welchen Grenzen, ich die Stute sich austoben liess und liess sie gewähren. Ich freute mich, dass sie aus sich herauskam. Weil ich es mir aber bewusst war, hatte ich nachher auch nie Probleme mit ihr. Mit etwas Geschick kann man allfällige Testsituationen umgehen und ins Leere laufen lassen.
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Beitrag von Janina »

Tanja, ich finde es ein bisschen unfair es mehr oder weniger so darzustellen, als wären allen, die nicht genau deiner Meinung sind, die Befindlichkeiten ihrer Pferde egal.
Ich denke auch, dass es sehr unterschiedlich ist, wie sehr man bei jedem einzelnen Pferd auf dieser "Dominanzgeschichte" bestehen muss.
Wir haben ja jetzt den dritten Hengst und alle drei sind super unterschiedlich. Unterschiedlich auch mit verschiedenen Personen.
Und so sehr ich sie liebe, wenn man auf bestimmte Sachen nicht wirklich Acht gibt, können die auch wirklich körperlich gegen dich gehen. Und da spreche ich jetzt nicht von "mal einen Satz unter´m Sattel machen" (was ich übrigens wie Jen auch überhaupt nicht unter dieser Thematik betrachten würde).
Pferde wissen, dass wir keine Pferde sind. Dementsprechend können (und müssen) sie lernen, dass im Umgang mit uns andere Regeln gelten als innerhalb einer Herde. Wichtig ist nur, dass wir dies dem Pferd verständlich machen können, dafür braucht es kein gezieltes "Dominanztraining", sondern einfach richtiges Handling im Alltag. Ganz unspektakulär und ohne gekränktes Ego oder Emotionen (deswegen verstehe ich das Theater um das Wort "Testen" auch überhaupt nicht, das Pferd testet, wir liefern ein Ergebnis (wie auch immer das ausschaut), das Pferd fragt an, wir antworten, keine große Sache und schon gar kein Drama).
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