testende Pferde

Infos und Fragen rund ums Thema "wie Pferde denken"...

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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Gawan hat geschrieben:Vor dem zu Bett gehen noch eine Frage zum Sprachgebrauch: Würdet ihr auch es auch als "testen" bezeichnen, wenn ein Baby nach seiner Mutter schreit, so im Stil, das Baby testet, ob die Mutter auch kommt?
Klar ist das eine Art Test - ein überlegenswichtiger! :shock: Wollen wir doch mal behütete Zweibeinsprößlinge mit anderen Säugetierjungen vergleichen und sind dann verdammt froh, dass soviel "Instinkt" beim Baby noch funktioniert, nämlich durch Laute die Mutter/Eltern auf sich aufmerksam machen. :wink:

Es ist aber nicht testen im Sinne von Austesten der Grenzen und möglicher Erweiterungen dieser, wie es hier ja jetzt von verschiedenen schon beschrieben wurde.

@Phanja:
ich glaube ob ein Pferd testet oder nicht bzw in welchem Umfang, das hängt auch stark von der jeweiligen Persönlichkeit ab. Es gibt Mentalitäten, die sind mit dem gegebenen Rahmen zufrieden, testen gar nicht oder kaum (gilt wohl für Zwei- und Vierbeiner :) ) und dann wieder solche, die gerne die Grenzen regelmäßig erweitern wollen. Ob diese testen stelle ich außer Frage, aber entscheidend für das "wie oft" und "wie nachhaltig" ist erstens deren Willensstärke, die Grenzen zu erweitern, auch die "Intelligenz" (manche brauchen halt fünf mal Nase an einer Wand einrennen, bis klar ist, die gibt nicht nach) und ganz entscheidend aus meiner Sicht aber das Umfeld. So zB der Mensch, wie stark bleibt er, wie konsequent macht das Pferd eine negative Erfahrung und unterläßt weitere Versuche.

So denke ich kommen ohne weiteres auch ganz unterschiedliche Aussagen einiger Pferdebesitzer zustande, die zwar intensive Erfahrung mit einem oder wenigen Pferden haben, aber nicht ganz so viele Vergleiche unterschiedlicher Pferdecharaktere, die sich vielleicht nur auf Beobachtungen von Pferd-Mensch-Beziehungen beschränken etc., ich glaube man durchaus von "klar testen sie, und zwar regelmäßig" bis "neeeein, tun sie gar nicht" alles hören, fragt man unterschiedliche Pferdemenschen. :wink:
padruga
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Beitrag von padruga »

So denke ich kommen ohne weiteres auch ganz unterschiedliche Aussagen einiger Pferdebesitzer zustande, die zwar intensive Erfahrung mit einem oder wenigen Pferden haben, aber nicht ganz so viele Vergleiche unterschiedlicher Pferdecharaktere, die sich vielleicht nur auf Beobachtungen von Pferd-Mensch-Beziehungen beschränken etc., ich glaube man durchaus von "klar testen sie, und zwar regelmäßig" bis "neeeein, tun sie gar nicht" alles hören, fragt man unterschiedliche Pferdemenschen
Da hast du schon Recht, interessant ist dabei aber, dass die Leute, die von stark testenden Pferden berichten, komischerweise auch über Jahrzehnte hinweg beobachtet immer wieder nur Pferde zu haben scheinen die massiv "testen". Es liegt somit nicht nur an den Pferden, sondern viel auch an der Persönlichkeit des Menschen.
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

@Padruga: klar gibt es diese "ständig testenden Pferde". Die meisten davon sind oft total brav und kooperativ, wenn sie einfach nur mal normal behandelt werden und nicht durch widersprüchliche Ansagen seitens ihrer (meist sehr unsicheren) Besitzer durcheinandergebracht werden. Oft sind das gar nicht mal so sehr charakterstarke Pferde, sondern sie sind eher rangniedrig.

Wirklich intelligente, charakterstarke, selbstbewusste und ranghohe Pferde stellen (durchaus berechtigt) Ansprüche an ihren Besitzer und Reiter. Die sind keine Ja-Sager, sondern stellen durchaus auch mal Dinge in Frage. Die muss man überzeugen und für sich gewinnen, und das hat - neben den technischen Aspekten, die z. B. beim Reiten, Longieren, in der Bodenarbeit, zum Tragen kommen - durchaus auch psychologische Aspekte.
Viele Grüße
Sabine
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

padruga hat geschrieben:
So denke ich kommen ohne weiteres auch ganz unterschiedliche Aussagen einiger Pferdebesitzer zustande, die zwar intensive Erfahrung mit einem oder wenigen Pferden haben, aber nicht ganz so viele Vergleiche unterschiedlicher Pferdecharaktere, die sich vielleicht nur auf Beobachtungen von Pferd-Mensch-Beziehungen beschränken etc., ich glaube man durchaus von "klar testen sie, und zwar regelmäßig" bis "neeeein, tun sie gar nicht" alles hören, fragt man unterschiedliche Pferdemenschen
Da hast du schon Recht, interessant ist dabei aber, dass die Leute, die von stark testenden Pferden berichten, komischerweise auch über Jahrzehnte hinweg beobachtet immer wieder nur Pferde zu haben scheinen die massiv "testen". Es liegt somit nicht nur an den Pferden, sondern viel auch an der Persönlichkeit des Menschen.
Volle Zustimmung - drum ja mein Hinweis, dass ein eher zur Abcheckerei neigendes Pferd auch stark dadurch beeinflußt wird, wie sein Gegenüber damit umgeht. Wie Max auch schreibt, ist das Gegenüber unsicher oder auch "nur" widersprüchlich in seinem Verhalten, wird es bei bestimmten Typen Pferd (gilt dann aber auch für deren Hunde, Kinder, andere Menschen ggf.... ) deutlich mehr Austesten hervorrufen als ein Mensch, der sehr gradlinig und klar auftritt.
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Und da wären wir dann wieder bei der Aussage von Josa, dass das Wort "testen" oft im falschen Zusammenhang benutzt wird.

Aber die Tatsache, dass ein Wort inflationär benutzt wird, heißt trotzdem nicht, dass Pferde nicht doch mal von Zeit zu Zeit anfragen, ob sie etwas zu ihren Gunsten verändern können. :wink:
Viele Grüße
Sabine
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Gawan
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Beitrag von Gawan »

Habe mit meiner Frage ja ne Rechte Diskussion ausgelöst.
Es folgen einige Antworten, da ich aber noch zu meinem Pferdl muss, kann ich erst am Abend weiter machen.
Tanja Xezal
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Beitrag von Gawan »

Max1404 hat geschrieben:Zum Tränkenbeispiel: das Pferd, das ranghöher ist, schiebt das rangniedrigere weg. Das ist das Recht des Ranghöheren.
Wenn der Rangniedrige in dem Moment ganz grossen Durst hat, wird er versuchen, den Ranghohen wegzuschieben.
Max1404 hat geschrieben:Zum Longierbeispiel: vermutlich kann's Teilnehmer 3 technisch am besten und Teilnehmer 2 am wenigsten gut.
Warum sollte ein Pferd auf jemanden hören, den es auf Anhieb als rangniedriger erkennt (Pferde lesen unsere Körpersprache hervorragend!) und der vielleicht noch dazu ungeschickt herumfuhrwerkt und widersprüchliche Signale gibt? :wink:
Seh ich auch so, gilt für mich aber auch, wenn eine Person das gleiche Pferd an drei Tagen longiert, und an zweien klappt es, an einem nicht. Dann war die Person vielleicht an diesem Tag weniger konzentriert bei der Sache und daher in der Körpersprache unklar.
Max1404 hat geschrieben:Pferde haben unter sich in der Herde durchaus ziemlich komplizierte soziale Strukturen. Das wird jeder feststellen, der die Gelegenheit hat, eine größere Herde mit gut funktionierender Sozialstruktur, die Tag und Nacht zusammen ist, über längere Zeit zu beobachten. Da gibt es sowas wie Arbeitsteilung, Freundschaften, "Bemuttern" von kranken Pferden, Beschützen von anderen vor "Gefahr" usw.
Das Schaffen und Erhalten solcher Sozialstrukturen erfordert einen gewissen Intellekt. Vielleicht ist das aus wissenschaftlicher Sicht der falsche Begriff, ich empfinde es jedoch so. Nur Instinkt ist es jedenfalls nicht.
Das wird man jedoch nicht bei 4 Pferden, die nur für ein paar Stunden am Tag zusammen auf Koppel gehen, beobachten können.
Nun, das ist vielleicht nicht der wissenschaftlichste Ansatz, aber die Summe von Einzelbeobachtungen machen ja schließlich die Statistik aus, nicht wahr? :wink:
Einverstanden, ich glaube auch nicht, das Pferde nur aus Instinkt handeln, dann wären sie nicht lernfähig.
Allerdings unterscheide ich zwischen Denken und über eine Sache reflektieren. Denken (in Bildern) beim Pferd stelle ich mir etwa so vor: Durst - Trinken - zum Wasser gehen - dort steht BigBoss - hmhm (kratzt sich am Bein) DURST - Ohren anlegen - BigBoss angifteln. Was ich dagegen für unwahrscheinlich halte ist eine Überlegung im Stil “BigBoss geht allen auf die Nerven, wir müssen uns mal organisieren und ihn gemeinsam verprügeln”.
Max1404 hat geschrieben:@Gawan: Welchen Ausdruck würdest Du denn für dieses Verhalten wählen?
Ich glaube nicht, dass es sich um ein bestimmtes Verhalten handelt, das ist nur eine Kategorisierung, die wir Menschen vornehmen. Um ein Beispiel aus einem ganz anderen Bereich zu nehmen: Viele Menschen sehen bei Ereignissen in islamischen Ländern Den Islam als Ursache, obwohl diverse soziale, ökonomische, politische Probleme die Ursachen sein können.

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Beitrag von Gawan »

Lilith79 hat geschrieben:Bei meiner Stute würde ich unter "testen" folgendes verstehen.
Wir gehen spazieren auf einem Grasweg:
Sie läuft neben mir her und plötzlich schüttelt sie den Kopf oder versucht schneller zu werden.
Wenn ich darauf sofort reagiere, dafür sorge dass sie an ihrem Platz hinter meiner Schulter bleibt oder das Kopfschütteln mit einem kurzen "Nein" quittiere, macht sie das gleiche vielleicht noch 1-2 mal und dann ist gut.
Wenn ich auf so eine Anfrage nicht schnell genug reagiere oder sie übersehe hab ich innerhalb kürzester Zeit ein Pferd das versucht ins Feld zu hüpfe um Gras zu fressen (wenn sie keine Angst hat) oder umzudrehen und nach Hause zu wollen (wenn sie Angst hat) oder das das Tempo bestimmt.
Das wäre für mich ein Beispiel für Testen wobei man es denke ich auch als "Anfragen ob der Mensch auch aufpasst" beschreiben könnte. Einmal um sich die Sicherheit zu holen, dass man mit dem Menschen auch unbedenklich spazieren gehen kann und andererseits um zu gucken ob man nicht doch lieber tun kann was man möchte.
Ich sehe hier nicht ein “Anfragen ob der Mensch auch aufpasst”, sondern eine Reaktion auf einen Menschen, der in diesem Moment schon nicht mehr ganz bei der Sache ist. Dazu kommt gerade im Frühling der Drang, das frische Gras zu fressen, der stärker sein kann, als die Gewohnheit, mit dem Menschen mitzugehen.
Was das “bei der Sache sein” des Menschen angeht, ich habe mal eine sehr ängstliche Stute geritten, die reagierte schon, wenn mir für eine halbe Sekunde ein Gedanke durch den Kopf ging, der nichts mir ihr zu tun hatte (der Gedanke “muss noch Milch einkaufen” reichte schon, dass sie sich für den “Fluchtmodus” lang machte); war echt anstrengend (und lehrreich) mit dem Pferd lange Ausritte zu machen.

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Beitrag von Gawan »

Josatianma hat geschrieben:Für mich bedeutet der Begriff testen: der Versuch gesetzte Grenzen zu erweitern.
Viele Reiter scheinen den Begriff so zu brauchen, das ist dann aber eine andere Bedeutung als der allgemeine Sprachgebrauch.
Josatianma hat geschrieben: In meinen Augen möchten Pferde die testen die Sozialstrukturen zwischen Mensch und ihm in Frage stellen, wie in dem Fall mit dem Führen. Das von dir beschriebene Beispiel mit dem Longieren ist für mich kein testen. Der zweite TN kann die Kommandos einfach noch nicht korrekt. Er kann seine Körpersprache und Hilfen noch nicht so einsetzen, dass das Pferd die gestellte Aufgabe ausführt. Ähnliches gibt es für mich beim Reiten. Mir dem einen Reiter geht ein Pferd ein korrektes Schenkelweichen, mit dem nächsten rennt es über die Schulter weg.
Stellt sich mir die Frage, warum das Pferd beim Longieren den Teilnehmer nicht versteht, beim Führen dagegen die Sozialstruktur testen soll. Auch beim banalen Führen gibt es so etwas wie eine Hilfengebung auf die das Pferd jeweils reagiert, Mensch denkt dabei allerdings häufig nicht mehr daran und wundert sich dann über das Benehmen des Pferdes. Ich glaube auch nicht, dass die Sozialstruktur zwischen Mensch und Pferd ein für alle Mal fix eingestellt werden kann.
Josatianma hat geschrieben:Für mich wird das Wort testen oft in einem falschen Zusammenhang genutzt. Ein Pferd möchte durch eine Ecke der Halle nicht durchgehen, ca sich dort etwas verändert hat. Testet es seinen Reiter? Nein, es findet diese Veränderung einfach gefährlich. Für viele wäre das ein Testen des Reiters.
Einverstanden.

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Beitrag von Gawan »

Phanja hat geschrieben:Ich persönlich glaube ja, dass wir den Pferden mehr "Test" anhängen, als sie eigentlich tun.
(...)
Testen ist finde ich, eine sehr vermenschlichtes Wort für Anfragen von Pferden an z.B. den Menschen, die eigentlich überflüssig sind. Beispiel: Das Pferd ist dazu erzogen, nicht zu grasen, wenn der Mensch es nicht vorher erlaubt hat. Man hat also das Pferd bereits darauf konditioniert, dass vorher die Erlaubnis des Menschen kommen muss. Aus Sicht eines Menschen ist also eine klare Regelung vorhanden - und an der Stelle geht der Mensch ja gerne dazu über, dass er glaubt, dass sei damit bis in alle Ewigkeit geklärt. Das Pferd ist da denke ich anders gestrickt und fragt immer wieder von Zeit zu Zeit an, ob nicht doch Grasen drin wäre.
Zum Beispiel Grasen wollen: Bei uns im Stall muss jeder Besitzer sein Pferd angrasen, bevor sie alle etwa ab Mitte April gemeinsam auf die Weide kommen, daher sieht man ab Mitte März die Leute mit ihren Pferden am Halfter an den Wegrändern rumstehen. Mein Pferdl hat schon ganz am Anfang bei den Führübungen im Gelände gelernt, dass Grasen mit Kappzaum nicht drin ist, das Angrasen mit dem Halfter aber möglich ist. Das hat zur Folge, dass er in der Zeit, wo das frische Gras im Frühling rauskommt, er sowieso ganz versessen aufs Gras ist, aber noch nicht auf die Weide kann, bei jeder Gelegenheit versucht, an ein Büschel Gras zu kommen, interessanterweise aber vor allem dann, wenn er ein Halfter an hat (Halfter = Grasen erlaubt), viel seltener wenn er den Kappzaum anhat. Das heisst für mich, wenn ich ihn am Halter vom Putzplatz zum Offenstall führen will, muss ich extrem aufmerksam sein (ihn “zwischen den Hilfen haben”), damit er erst dort frisst, wo ich ihn auch fressen lassen will. Dieses Verhalten verschwindet wieder, sobald die Pferde auf die Weide kommen.
Meine Interpretation ist nun nicht, der will mich testen, sondern dass
- das Bedürfnis zu Grasen in dem Moment (Frühling) sehr gross ist,
- es nur befriedigt werden kann, wenn er bei mir ist (im Offenstall hat er keinen Zugang zu Gras, da die Weiden zu sind),
- er weiss, dass er immer wieder mal grasen darf, während er das Halfter trägt,
- und ich nicht immer so aufmerksam bin wie ich sein sollte.
Da er sich sonst ganz manierlich benimmt (kommt im Offenstall zu mir, sogar vom Futterplatz weg, lässt sich putzen, longieren, reiten etc.) sehe ich hier auch kein Infragestellen unseres Verhältnisses.
Phanja hat geschrieben:Übrigens sind Pferde durchaus in der Lage abstrakte Konzepte zu entwickeln :wink:
Dass Pferde z.B. lernen können, eine gefüllte Fläche von einer umrahmten Fläche zu unterscheiden, ist mir bekannt. Überlegungen im Stil “Ich will doch mal herausfinden, ob Mensch reagiert, wenn ich meine Nase Richtung Gras bewege” (Motiv: Erkenntnisgewinn zum Verhalten des Menschen) scheinen mir dagegen etwas weit hergeholt, das Pferd bewegt seine Nase nicht Richtung Gras, weil es herausfinden will, was Mensch tut, sondern weil es, ganz banal, Gras fressen will (Motiv Gras fressen); aus der Reaktion des Menschen lernt es dann eventuell (wenn der Mensch einigermassen klar in seinen Reaktionen und Signalen ist), dass das keine so gute Idee war, bzw. das dass Kopf-Richtung-Gras-senken unangenehme Folgen haben kann.

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Beitrag von Max1404 »

Gawan hat geschrieben:
Max1404 hat geschrieben:Zum Tränkenbeispiel: das Pferd, das ranghöher ist, schiebt das rangniedrigere weg. Das ist das Recht des Ranghöheren.
Wenn der Rangniedrige in dem Moment ganz grossen Durst hat, wird er versuchen, den Ranghohen wegzuschieben.
Das habe ich anders erlebt, normalerweise warten die Rangniedrigeren mit etwas Abstand, bis sie dran sind. Wegdrängeln, wie Du es beschreibst, passiert nur bei Pferden, die in etwa auf der gleichen Rangstufe stehen.

Ansonsten sind wir uns, glaube ich, in den wichtigsten Punkten einig. :wink:
Viele Grüße
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Beitrag von Finchen »

Gawan hat geschrieben:
Max1404 hat geschrieben:heinlich halte ist eine Überlegung im Stil “BigBoss geht allen auf die Nerven, wir müssen uns mal organisieren und ihn gemeinsam verprügeln”.
Max1404 hat geschrieben:@Gawan: Welchen Ausdruck würdest Du denn für dieses Verhalten wählen?
Ich glaube nicht, dass es sich um ein bestimmtes Verhalten handelt, das ist nur eine Kategorisierung, die wir Menschen vornehmen. Um ein Beispiel aus einem ganz anderen Bereich zu nehmen: Viele Menschen sehen bei Ereignissen in islamischen Ländern Den Islam als Ursache, obwohl diverse soziale, ökonomische, politische Probleme die Ursachen sein können.

Tanja Xezal
Unwahrscheinlich ist ja nicht gleich unmöglich, und siehe da, das findet man in festen Herdenstrukturen durchaus, einen Zusammenschluß von Gruppen gegen ein Pferd, welches von keinem der Gruppenmitglieder alleine gemaßregelt werden kann. :)

Was das Grasenlassen angeht:
außer dem Halfter spielen halt noch andere Dinge eine Rolle - nimmt mich mein Pferd ernst, dann ist es frei auf saftiger Wiese auch am ersten Tag nach Winter-Paddock-Zeit auf mich konzentriert und läßt sich leicht vom Grasen abhalten. Dass es in dieser Situation testet ist klar, "lernt" aber in der Situation ebenso klar, dass ein Test eine negative Konsequenz zur Folge hat und wird sich gem. meiner Körperspannung und Erwartung verhalten, auf mich konzentrieren.
Wenn ein Pferd beim Führen am Halfter also öfter versucht ans Gras zu kommen, dann hat das mitnichten nur mit dem Halfter zu tun. :wink:
Phanja

Beitrag von Phanja »

Also noch ein Wort zum Grasen. Wir weiden auch an der Hand an.
Meine beiden haben gelernt, dass nur gegrast wird, wenn ich mit der flachen Hand das Gras berühre.
Klar - sie fragen auch mal ohne dieses vorherige Signal - aber sie versuchen nicht mich wegzuziehen oder dergleichen. Ich fasse das eher als Vorschlag á la "Guck mal - soooo tolles Gras!" auf. Das sind minimale Zeichen der Pferde und ich verstehe die nicht als Test, sondern als Frage - was dann wieder Kommunikation wäre. Solange ich also mit minimalem Aufwand sagen kann "Jetzt nicht" seh ich das nicht als Testen von Grenzen sondern als Gespräch.

Ich will gar nicht sagen, dass Pferde nicht testen. Ich denke aber, dass insgesamt viel zu viele Situationen vom Menschen als Test des Pferdes ausgelegt werden und wie padruga so schön formuliert hat, vom Menschen als negative Absicht des Pferdes ausgelegt werden.

Kommunikation heißt eben nicht, dass der Mensch Signale gibt und das Pferd diese befolgt. Kommunikation heißt auch, dass das Pferd mal seine Ideen kundtun darf und auch mal einen Wunsch äußern kann. Dass heißt ja nicht, dass es sich respektlos oder völlig daneben benimmt.
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Beitrag von Finchen »

Phanja hat geschrieben:Ich will gar nicht sagen, dass Pferde nicht testen. Ich denke aber, dass insgesamt viel zu viele Situationen vom Menschen als Test des Pferdes ausgelegt werden und wie padruga so schön formuliert hat, vom Menschen als negative Absicht des Pferdes ausgelegt werden.

Kommunikation heißt eben nicht, dass der Mensch Signale gibt und das Pferd diese befolgt. Kommunikation heißt auch, dass das Pferd mal seine Ideen kundtun darf und auch mal einen Wunsch äußern kann. Dass heißt ja nicht, dass es sich respektlos oder völlig daneben benimmt.
Daumen hoch für die eigene Meinung und die Kommunikation.

Meine Idee:
testen wird hier im Thread scheinbar oft negativ ausgelegt, so sehe ich das gar nicht. Wenn ein Pferd testet heißt das ja zunächst mal, dass es nicht zwangsläufig eine Situation als gegeben hinnimmt, sondern - da ist es wieder - auch eigene Ideen hat. :) Geht der Mensch zB damit klar und verständlich um, dann kann sich ganz leicht eine harmonische und bereichernde Kommunikation entwickeln.
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Jarit
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Re: testende Pferde

Beitrag von Jarit »

Interessanter Thread.

Meiner Erfahrung nach wird das Wort testen im Kontext mit Pferden häufig in negativer Bedeutung wie "veralbern, austesten, (Grenzen) infragestellen" verwendet.

Ausgehend von Gawans Definition im Ursprungsposting:
Gawan hat geschrieben:Ich gehe beim Wort "testen" aus von der Bedeutung "Feststellen, ob ein Prüfobjekt eine Forderung erfüllt oder nicht".
sage ich, jawoll, klar tun sie das. Das geht los beim Prüfen eines ungewohnten Untergrundes: Das Pferd testet, wie tief der Matsch ist, ob der Boden trägt, was das für eine Oberfläche ist. Und geht weiter bei der Interaktion mit dem Menschen.

Ich persönlich bevorzuge das Wort Anfrage statt Test, eben wegen der negativen landläufigen Bedeutung. Mein Pferd fragt an. Und dann bekommt es eine Antwort.

Um auf die Frage einzugehen, was dabei in dem Pferd vorgeht: Ich denke, das Pferd versucht sich selbst, sein Leben zu optimieren. z.B. Wollen wir hier lang gehen? Da gehts nach Hause und zuhause gibts Futter. Oder das Beispiel mit der Reithallenecke. Uahh, hier ist es gruselig, lass uns in einem größeren Abstand vorbeigehen, das ist sicherer. Testen, so wie häufig in Reiterkreisen verwendet, im Sinne von "ich gucke mal, wie ich meinen Reiter in den Wahnsinn treiben kann", das halte ich für eine rein menschliche Eigenschaft.
LG
Jarit

Erfahrung heißt gar nichts. Man kann etwas auch 35 Jahre lang falsch machen. - Tucholsky
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