Anreiten von älterem Pferd

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Belfigor
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Anreiten von älterem Pferd

Beitrag von Belfigor »

Liebe User,

könnt ihr mir bitte eure Meinung, Erfahrung zu folgendem zukommen lassen:

Ich habe ein älteres Pferd angeboten bekommen, es "soll weg"...
Es handelt sich um eine 16-jährige WB-Stute aus der Zucht.
Das Pferd ist topfit, wirkt eher wie ein 5-jähriges... ist völlig unverbraucht.
Aber: es ist mehr oder weniger roh, wohl mal als dreijährige kurz unterm Sattel gewesen, ich glaube aber nicht, dass da eine wirkliche Grundlage vorhanden ist.
Vom Wesen her ist die Stute sehr dominant und temperamentvoll...

Hat jemand von Euch schon mal ein ähnliches Pferd angeritten und wie sind eure Erfahrungen, eure Empfehlungen?

Ich kann nicht genau sagen weshalb, aber die Stute gefällt mir einfach sehr gut, ist ein ganz ein tolles Pferd, aber ich bin halt wegen dem Alter ein wenig zurückhaltend...

Danke schon mal für eure Gedanken!

Lieber Gruß, Lena
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Stef
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Beitrag von Stef »

also ich habe mal vor ewigen Zeiten (grins) eine 11-jährige Zuchtstute vorm Metzger gerettet und die war auch roh...

sie war aber sehr dominant, weil sie auch die Leitstute war :?

ich denke, wenn man sich viel Zeit lässt dürfte es wohl keine größeren Probleme geben...es braucht halt VIEL Zeit und Geduld!!!
Mein Pferd ist als Pferd eine Katastrophe, aber als Mensch unersätzlich (Johannes Rau)
Mary
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Anreiten älteres Pferd

Beitrag von Mary »

Ich selbst habe keine Erfahrung, hab aber im Freundeskreis jemand der ein 8 o. 9 jähriges Pferd angeritten hat. Es gab nicht mehr u nicht weniger Probleme wie beim jungen Pferd. Da die Stute aber über ihre Pupertät hinaus ist kann das ein plus in der Ausbildung sein. Wenn man sie liebevoll und konsequent ausbildet wie eine Remonte, ist sie bestimmt
kooperativ und dankbar für die Abwechslung im Leben.

mfg mary
Schulterherein ist das Aspirin der Reitkunst.
Nuno Oliviera
Belfigor
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Beitrag von Belfigor »

Danke für eure Antworten!
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Kerstin-K
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Beitrag von Kerstin-K »

Hello !

Eines meiner Schulponys habe ich mit 8 Jahren bekommen. Sie kannte NICHTS ! Hat 8 Jahre mit ihrer Mama in einer Paddockbox ohne Koppelgang gewohnt. Kannte kein Longieren, keine Bodenarbeit, kein spazieren gehen, kein Zaumzeug, keinen Sattel, gar nichts. War das erste Mal auf Reisen als sie zu mir gebracht wurde. Ihre Mama war völlig eingerostet, die konnte gar nicht mehr richtig laufen, war zu dem Zeitpunkt 25 Jahre alt und stand ebenfalls 8 Jahre.

Haben die beiden super langsam an alles gewöhnt, und die Bewegung wirklich Minute für Minute gesteigert, damit es keinen Muskelkater gibt. Die Kleine ist nach 1 1/4 Jahren ihre ersten Reitstunden mitgegangen, die Mama nach 1 Jahr.

Hach - eigentlich wollte ich gar nicht sooo ausholen 8). Was ich sagen wollte - wenn Dir das Pferd gefällt, greif zu, ich bin mir sicher, das wird gut klappen und 16 ist doch eigentlich noch kein Alter. Wenn es DEIN Pferd ist, hört es sich nach vielen Jahren Spaß und Freude an :D !

Erzähl doch bitte, wie es weitergeht !

Lieben Gruss
Kerstin
Wir sind, was wir denken.
Alles, was wir sind, entsteht in unseren Gedanken.
Mit unseren Gedanken erschaffen wir die Welt...
(Buddha)
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Filzi
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Beitrag von Filzi »

Ich habe auch so einen Fall!!!

Mein Tipp gleich mal, das "Anreiten" eines älteren Modells ist schwieriger als mit einem Jungen. Vor allem wenn du die Süsse als dominant und temperamentvoll beschreibst.

Ich habe bei meiner Stute sehr viel kaputt gemacht, da ich keine Ahnung hatte und herum gemurkst habe.

Daher: Entweder selbst recht viel Erfahrung haben, was Umgang und auch reiten angeht oder einen sehr fähigen und einfühlsamen Trainer hinzu ziehen.

Grund: Ältere Pferde sind gefestigt, wenn die Stute ihr Leben lang nicht wirklich was leisten musste (wie meine!), dominant, selbstbewusst und temperamentvoll ist, brauchst du VIEL Geduld, Know How, Können, Geduld, Geduld, Geduld, Geduld, Geduld, Geduld, einen langen Atem, Geduld, Geduld, Geduld, Geduld, Geduld...........

Vielleicht magst du dir mal mein TB durchlesen, damit du einen Vorgeschmack bekommst was dich eventuell erwartet. :wink:

Meine Stute war schon über 10 als meine Freundin sie gekauft hatte. Sie wurde nicht richtig eingeritten, nur ab und zu zum Ausreiten von der Koppel geholt. Sie hatte wenig Menschenkontakt, stand auf einem Bauernhof mit allen möglichen.
Da sie sehr temperamentvoll ist und die Besitzer nicht so viel Ahnung von Pferden hatten, hat sie scheinbar einige Schläge kassiert.

Als meine Freundin sie kaufte, kannte sie fast gar nichts. Sie konnte nicht geführt werden, Halfter kannte sie aber. Füsse waschen war unmöglich, Hufe auskratzen auch nicht, ausser du wolltest dich auf der anderen Seite des Stalles wieder finden.
Sattel und Zaumzeug kannte sie zwar, hatte aber Sattel und Gurtenzwang. Kam man mit dem Sattel hat sie alles kurz und klein gehauen. Und das ist kein Witz!!!!!! Sie hat alle Halfter abgerissen, einen Halsriemen bis zum Anschlag durch gerissen, mir meine Schulter beinahe ausgekugelt und einige blaue Augen hatte ich ebenfalls, da sie permanent mit dem Kopf schlug.

Sie war Kopf scheu, da sie wenig Menschekontakt hatte, hatte sie Angst vor Menschen, rannte immer davon. Man brauchte 3 Leute um sie in eine Box zu bekommen. Sie rannte alles um, stieg und buckelte.......

Sammy hätte in die Hände eines "Profis" gehört, der sein Fach versteht.
Dann hätte sie weniger leiden müssen.
"Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg." Mahatma Gandhi
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susiesonja
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Beitrag von susiesonja »

Ich reite gerade einen 9 jährigen Friesen-Mix an. Er ist ziemlich dominant, verzogen und versucht immer erstmal mit seinem Kopf durch die Wand zu kommen. Aaaaber..... er ist auch unwahrscheinlich gelehrig und ich habe den Eindruck er freut sich wenn er eine Ansage bekommt.
Es macht Spaß!
Für unmöglich halte ich so ein Projekt nicht.
xelape

Beitrag von xelape »

Ich habe mir sagen lassen, dass gerade Stuten die schon mehrere Fohlen hatte sehr dominant sind, und sich nicht mehr wirklich zum Reitfpferd machen lassen.
Und gerade wenn Du beschreibst, dominant und temperamentvoll - ist die Frage ob Du Dir das "antun" möchtest.
Auf der anderen Seite, gibt es ja auch immer die Ausnahmen... und es läuft super.
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-Tanja-
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Beitrag von -Tanja- »

xelape hat geschrieben:Und gerade wenn Du beschreibst, dominant und temperamentvoll - ist die Frage ob Du Dir das "antun" möchtest.
*zustimm* Ich würde abwägen und grundsätzlich eher mal vom schlechteren Fall ausgehen: da brauchst Du 2-3 Jahre und hast dann ein fast 20-jähriges Pferd, das dann vielleicht anfängt, Zipperlein zu bekommen. Wie gesagt: schlechtester Fall, muß nicht sein. Aber vom Kosten-Nutzen-Faktor her wäre mir das glaube ich zu lau.
lg, Tanja

Reiten ist nicht weiter schwierig, solange man nichts davon versteht.
Aus: "Vollendete Reitkunst", Dr. Udo Bürger, 1959
Belfigor
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Beitrag von Belfigor »

Danke für eure Mitteilungen!

LG, Lena
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hanska
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Beitrag von hanska »

Sehr interessantes Thema. Ich habe ja im November erst eine 13-jährige Lippizanerstute gekauft, die zwar sehr gut gefahren, aber noch nie geritten wurde. Als ich sie probe ritt war sie erst zweimal unter dem Reiter. Sie hat wunderbare Gänge und ging recht schnell im Schritt und Trab in eine Dehnungshaltung. leider konnte ich sie seither nur noch zweimal reiten (Wetter sei dank).
ich denke das schwierige dabei ist, das man es mit einem gefestigten, erwachsenen Pferd (körperlich und im Kopf) zu tun hat, der aber reiterlich wie ein Jungpferd behandelt werden muss.
Sobald das Wetter hier mit spielt, werde ich euch auf dem Laufenden halten.
Hier seht ihr sie, nachdem ich sie das zweite Mal geritten habe. Bei mir ging sie, gemäss den Ausagen meines Reitlehrers mehr etwas vor die Senkrechte und mit mehr Schwung. Davon gibt es aber keine Fotos :( , weil meisten ich Fotos mache. Ich liess noch eine Freundin kurz drauf, dabei entstand dann dieses Foto :wink:
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Hanska.JPG (58.87 KiB) 8478 mal betrachtet
Belfigor
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Beitrag von Belfigor »

Schönes Bild, danke! Unglaublich...

Würde wirklich noch viel mehr zu der Thematik erfahren!

Meist bekomme ich auf Nachfrage zu hören, dass ein "so altes Pferd" nicht mehr geritten werden könne oder solle, aus den auch hier erwähnten Gründen..., die sicherlich auch ihre Berechtigung haben. Um so mehr freut es mich aber zu hören, wenn ein Pferd in dem Alter nochmal eine Chance bekommt... LG, Lena
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Jen
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Beitrag von Jen »

Ein älteres Pferd ist nicht grundsätzlich anders zu behandeln als ein junges Pferd. Die Lerntheoretischen Mechanismen gelten genau gleich und auch ein junges Pferd wird seinen Ausbilder immer mal wieder in Frage stellen, auch da gibt es renitentere und nachgiebigere Exemplare. Deshalb kommt es nicht auf das alter, sondern die Ausbildungsmethode an! Sehr viele ältere Pferde werden auch noch in späteren jahren umgeschult, korrigiert oder überhaupt erst mal erzogen und das geht wunderbar. Es ist immer einfacher einem Pferd etwas neu zu lernen, als etwas umzulernen. Geht uns ja genau gleich.

Was jedoch sicher mehr berücksichtigt werden muss, ist dass bei einem älteren Pferd, der Körper sich nicht mehr ganz so schnell an neue Belastungen anpasst. Deshalb muss der Aufbau schrittweise seriös aufgebaut werden und nicht von Null auf hundert in wenigen Wochen. Auch muss bedacht werden, dass gerade bei einer Zuchtstute, die schon mehrere Fohlen gehabt hat, das Bindegewebe weicher ist, was eine stabile Rückentätigkeit erschwert. Deshalb sollte so ein Pferd bevor man es reitet am besten gründlich vom Boden aus gearbeitet und gymnastiziert werden, damit die Muskulatur diese Schwächen kompensieren kann.

Die Frage, die du dir also stellen musst ist nicht, ob du so ein altes Pferd noch anreiten kannst. Sondern ob du überhaupt ein Pferd anreiten und ausbilden kannst. Hast du Erfahrungen in diesem Bereich?`Wenn nicht, hast du kompetente Unterstützung, die sich auch mti der Arbeit vom Boden aus kennt (gymnastizierendes Longieren, Bodenarbeit, Erziehungsarbeit etc.)?

Ich freue mich für jedes Pferd, das auch noch in älteren Jahren eine Chance bekommt! Man kann von jedem Pferd unglaublich viel lernen und wenn du sie gut gymnastizierst und sie sonst gesund ist, könnt ihr noch locker 10 Jahre oder mehr gemeinsam verbringen.
Liebe Grüesslis, Jen
***
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Beitrag von hanska »

Ja, Jen, sehe ich ähnlich, wenn das Pferd gar nicht gearbeitet wurde.
Gut, Hanska hat natürlich den Vorteil, dass sie gefahren wurde. Sie ist an Zaumzeug und irgendwas auf dem Rücken gewöhnt, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob sie regelmässig bewegt wurde.
Und da liegt auch der Unterschied, wenn ich sie mit meiner 3-jährigen PRE vergleiche:
Die Kleine kommt ohne Vorurteil auf mich zu und ist ständig neugierig, wenn etwas neues kommt (sie wird noch nicht geritten, erst etwas an die Longe gearbeitet und an Zaum und Sattel gewöhnt). Ist schnell müde und man muss aufpassen, dass sie psychisch nicht überfordert wird.
Die Grosse hingegen weiss, dass es an die Arbeit geht und lässt sich bitten (lässt sich oft nicht gut einfangen :roll: wir arbeiten dran). Sie weiss, wie sie sich entziehen kann, halt das bereits erwachsene Pferd mit Erfahrung. Wird sie aber konsequent geführt, macht sie sofort mit und kann auch ohne Probleme 45Minuten geistig folgen.
Umso komischer ist es dann, wenn man drauf sitzt: Da hat mein ein Remontepferd unter dem Popo :lol:
Belfigor
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Beitrag von Belfigor »

Jen, Hanska und alle anderen: danke für eure Unterstützung in meiner Entscheidungsfindung.

Jen, ich denke, du hast es auf den Punkt gebracht: ich habe eben keine Erfahrung im Anreiten von Pferden, all meine Pferde waren mehr oder weniger gut geritten als ich sie bekam und sind auch vom Wesen her keine schwierigen Pferde.

Aber gerade das macht eben den Reiz für mich aus: ich würde selber gerne dazulernen, mir freilich auch helfen lassen. Ein Anfänger der Reiterei bin ich sicherlich nicht, aber eben auch nicht erfahren genug, um zu wissen, worauf ich mich da einlassen würde... weshalb mich zunächst mal eure Erfahrungen interessiert haben und auch weiterhin interessieren.

Wahrscheinlich wißt ihr ja wie schwierig es ist einen guten Ausbilder zu sich an den Stall zu bekommen... Ich kenne zwar eine gute, klassische RLin mit viel Erfahrung, die würde ich halt bitten zu mir zu kommen...

Letztlich geht es mir aber einfach auch um dieses Pferd. Was ist das richtige für diese Stute, einem älteren Pferd? Ich habe den Eindruck, dass sie etwas machen möchte, nicht nur auf Koppel rumstehen; scheinbar hat sie beim Züchter nicht mehr aufgenommen, weshalb sie von dort weg mußte...

Sie ist sehr menschenbezogen, kommt schon, wenn sie mich sieht/hört...
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