Coaching mit Pferden

Infos und Fragen rund ums Thema "wie Pferde denken"...

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Lilith79
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Beitrag von Lilith79 »

Finchen hat geschrieben:Und du siehst wirklich keinen Unterschied darin, dass das Pferd in einer Situation frei entscheiden kann, ob es in Kontakt geht oder nicht, in der anderen gezwungen wird, den Kontakt zu ertragen?

Na gut... da ist das ÄHM dann auf meiner Seite tatsächlich groß.

Wenn du das so kritisch siehst, darfst du nie mit Besuchern zu deinen Pferden gehen und auch nicht mit den Pferden an Veranstaltungen (Kursen, Turnieren etc.) teilnehmen, denn immer sind da viele Menschen in der Nähe und die haben auch alle ihre Probleme und Baustellen und Energien im Gepäck, denen das Pferd dann ausgesetzt ist.
Aber DU bist doch diejenige die argumentiert, dass es beim Coaching im Gegensatz zu so ziemlich jeder anderen Art Arbeit oder menschlichen Kontakt das Pferd plötzlich angeblich "frei entscheiden" kann, was auf mich (und vermutlich andere) total willkürlich wirkt.

Das Pferd ist da aus meiner Sicht genauso wenig frei wie bei jeder anderen Art Nutzung, völlig egal ob es dabei ein Halfter, Knotenhalfter, nix oder sonstwas trägt.

Coaching ist also eine Art Nutzung des Pferdes - ganz wertfrei - genau wie viele andere auch, ob man die für sich mit seinem Pferd ausüben möchte, muss ja jeder für sich selbst entscheiden. Ich kenne mich damit nicht so aus. Das was die Leute die in meiner Umgebung Management-Coaching anbieten so machen, ist aber auch vermutlich was anderes als das wovon Du und manche andere hier sprechen, denn das sah für mich von außen eher wie stinknormale Freiarbeit, Bodenarbeit und Longieren aus (war auch teils mit Halfter und Strick). Deswegen kann ich da nicht so mitdiskutieren inhaltlich über diese Form des Coachings, über die ihr hier redet. Die eine die ich meine ist jedenfalls zum Beispiel die hier:

https://miriam-heidt.de/mehtode/

Da sie das was sie tut auch als pferdegestütztes Coaching bezeichnet, haben die Leute die das tun wohl auch unterschiedliche inhaltliche Definitionen. Ist vermutlich ja auch kein irgendwie "geschützter Begriff"?
FNB
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Beitrag von FNB »

Mein Pony geht ja u.a. als Therapiepferd mit. Und das ist KEINE freie Entscheidung, sich mit den Menschen dann auseinander zu setzen. Je nach Kind (bei uns nur Kinder bis Jugendliche) und je nach Gruppenstärke (1-4 Kinder) kann das sehr, sehr anstrengend fuer das Pferd sein und ja, da sollte man tunlichst nur in sich ruhende, sehr selbstbewusste und "sich schützende" Pferde nehmen (mit schuetzen meine ich nicht treten oder beissen, aber durchaus Unwillen zeigen, wenn es denn zuviel ist). Nicht ohne Grund hat mein Pony "nur" 2 Therapieeinheiten pro Woche, zumal er in der Gruppentherapie eingesetzt wird. Nicht ohne Grund wird durchaus sehr viel Ruecksicht auf das Pferd genommen, wie es an dem Tag drauf ist und danach auch die Stunde geplant. Es ist ein grosser Unterschied, die ungelenkten Emotionen, den teils emotionsgeladenen körperlichen Kontakt vom Pferd zu "erdulden" (hört sich schlimmer an, als es ist, aber ja, teilweise Spastiken auf dem Pferd sind nur von erfahrenen Pferden auszugleichen) oder sich entscheiden zu können, einfach ans andere Ende der Reithalle / Platz gehen zu können und dem Klienten den Stinkefinger zeigen zu können, wenn Pferd das will (so nämlich beim Coaching).

Bei der Therapie "muss" das Pferd Spannungen, Probleme etc. ausgleichen und "verarbeiten" können. Beim Coaching hat es die Entscheidung, sich damit auseinanderzusetzen oder auch nicht.

Nur meine Meinung aus dem täglichen Praxisleben :-)
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Abeja
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Beitrag von Abeja »

Das hast du super ausgedrückt! Ich glaube, das Problem ist einerseits, dass wirklich die Begriffe nicht klar abgegrenzt sind, und sicherlich oft eine Art angeleitete Freiarbeit unter dem Namen "Coaching" angeboten wird, nach dem Motto: Das Pferd kann mir durch seine Reaktion zeigen, wo ich Defizite habe, wie ich meine Führungspersönlichkeiten noch entwickeln kann/muss.

Und - klar - mir zeigt mir mein Pferd das sowieso, jeden Tag. Trotzdem sehe ich da einen großen Unterschied. Bei mir ist das Pferd "zu Hause, vertraut" während es bei "Gebrauch als Therapiepferd" ständig wechselnden Begegnungen mit fremden Menschen ausgesetzt wäre. Ich glaube zwar nicht direkt, dass ein Pferd dadurch Schaden nimmt. Aber sehr wohl. dass es sich vielleicht innerlich verschließt, vieles nicht mehr voll an sich ranlässt, halt genauso, wie wir Menschen das eben auch machen, und uns unsere Offenheit einfach nicht jedem Menschen gegenüber bewahren (können), der uns auf der Straße begegnet.

Die zweite Sache ist es, wenn jemand mit Coaching, und sei es auch noch so rücksichtsvoll dem Pferd gegenüber, sein Geld verdient. Man stelle sich vor: Ich als Therapeut gehe mit einem Menschen in die "freie" Herde. Die Pferde reagieren nicht. Was wäre die Message? Genau: Du (Klient) bist offensichtlich uninteressant. Das macht 60 EUR für diese Erkenntnis. Komm wieder, wenn du gelernt hast, interessant zu sein. Welcher Therapeut hätte diese Geradlinigkeit und wäre so konsequent? Aber nur dann wäre das Pferd annähernd wirklich frei. Oder ist diese Sichtweise doch zu radikal?

Zum Vergleich: Manchmal bitten mich Kunden in ihren Garten zum Bäume und Sträucher schneiden. In manchen Gärten würde ich Schnittmaßnahmen für unnötig halten. Sage aber normalerweise nie: "Das ist nicht nötig, das macht 60 EUR für die Beratung und für die Vermittlung meines Know How, welches ich mir im Lauf vieler Jahre erworben habe." Nein, stattdessen sage ich, dass man nicht viel machen muss, schnipple ein bißchen rum, ohne allzu großen Schaden anzurichten, rechne einen Kleinauftrag ab, und alle sind zufrieden.

Ich könnte mir vorstellen, dass es manchmal im Coaching genauso läuft, nur, damit der Klient das Gefühl hat, dass wunder weiß was passiert.
Liebe Grüße Birgit
FNB
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Beitrag von FNB »

Ganz klar ist es bei Therapie oder auch Coaching sehr abhängig von dem "Trainer" der es anbietet.

Und beim Coaching ist es ja nicht unbedingt so, dass es mit der Erkenntnis einfach aufhört. In deinem Beispiel könnte man z.B. erarbeiten, wie Mensch interessant wird und dies z.B. dann auf ein Team in der Arbeitswelt uebertragen.

Reittherapie (zumindest ist es hier so) ist "Arbeit" fuer den Therapeuten, für den Patienten und fuer das Pferd. Es kommt ja immer auf die Einschränkung der Patienten an, klar. Aber z.B. bei feinmotorischen Problemen wird z.B. Knoten in Stricke machen während des Reitens geuebt. Damit verbessert man das Gleichgewicht und die Motorik. Dabei muss das Therapiepferd brav weitergehen und den Patienten ausgleichen. Der Therapeut ist mit der Aufmerksamkeit auch überwiegend beim Patienten, um ihn auch anzuleiten. Das Pferd hat dabei schon einen grossen Part eigenständig zu erfuellen.
Lilith79
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Beitrag von Lilith79 »

Dass Therapiepferde nochmal deutlich mehr beansprucht werden, glaub ich natürlich schon. Das ist sicher ein extrem anspruchsvoller Job.

Unsre Stallnachbarn haben ja Lamas und da macht die Besi auch eine Ausbildung in Richtung tiergestützte Therapie. Und in ganz kleinem Rahmen Lama-Wanderungen wollen sie auch anbieten.

Da bin ich aber auch mal gespannt wie sich das ausgeht, weil aktuell sind diese Lamas alle noch sehr jung und extrem sensibel. Die erscheinen mir sehr viel ängstlicher und sensibler als Pferde (z.B. reagieren sie sehr empfindlich auf Geräusche, mögen es nicht wirklich wenn man vor ihrem Stall steht und sie direkt anspricht, erschrecken aber sehr schnell wenn man sie nicht anspricht udn sie einen dann doch bemerken (ich muss da immer hin, weil das Heu daneben lagert), lassen sich ungern putzen und es ist nach ca. 7 Monaten noch nicht wirklich möglich ein Tier von der Herde wegzuführen ohne dass die massiv jammern. In der Gruppe gehen sie spazieren, aber sind schon arg guckig und nervös. Da kommen mir unsre Ponies richtig abgeklärt vor im Vergleich. Aber vllt. liegt es daran, dass es noch Jungtiere sind.
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