Älteren Hengst kastrieren?

Ratschläge rund ums Thema Gesundheit - die allerdings keinen Tierarzt ersetzen!

Moderatoren: ninischi, Janina

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amara
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Beitrag von amara »

Ich sehe wenig Probleme einen sozialisierten Hengst auch etwas später (5, 6 Jahre) zu kastrieren und einzugliedern wenn sie länger in der Herde waren, es gibt wirklich Fälle in denen Pferde dann annähernd depressiv werden, aber ich glaube das sind die wenigsten. Bei meinem WB hat man gar nix gemerkt, AUSSER dass er sich nicht mehr total aufgearbeitet hat und nicht wegen jedem vermeintlichen Konkurrenten völlig ausgetickt ist. Er blieb gleich dominant, pferdesammlerisch veranlagt und mutig. Nur hatte er Zeit zu fressen, keinen Grund mehr 24h rastlos rumzurennen und sah nicht bei jedem (und sei es nur halb-)männlichen Tier einen zu bekämpfenden Rivalen. Nunja, war er als Hengst ein tierschutzverdächtiges Klappergestell war er danach eher Mr. Pummel. :wink: Was wirklich schön war!
Integration in den Offenstall war problemlos, allerdings stand er nur 4 Monate alleine als Hengst, davor immer in der Herde.
Ab einem Alter von 8, 9 Jahren allerdings kann es schon sein, dass man stärkere Wesensänderungen wahrnimmt.
Weißnase

Beitrag von Weißnase »

FoxOnTheRun hat geschrieben:Mein Kompromiss wäre, keinen Hengst zu kaufen, bei dem ich nciht weiß, wie er aufgewachsen bzw. sozialisiert ist. Aber wird schön langsam Offtopic.
Yep - das würde ich jetzt auch nicht mehr tun! Ist aber vielleicht nicht so Offtopic - vielleicht doch hilfreich für die Fragestellerin bei der Auswahl ihres zukünfigen Pferdes :)
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ninischi
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Beitrag von ninischi »

Das würde ich auch so sehen. Die Integration eines unsozialen Pferdes in eine Herde ist sehr schwierig - Hengst bzw. Ex-Hengst hin oder her!
"Reiten ist die Suche nach Schönheit, Geradlinigkeit und Wahrheit."
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Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Einen Hengst in eine Herde integrieren zu wollen hat sehr wenig mit der Aufzucht zu tun. Bei "meinen" Züchtern sind die Hengstfohlen bis fast 1-jährig in gemischten Herden (Hengst mit Stuten und Fohlen) und danach in bis zu 20-köpfigen Junghengstherden ohne Fremdeinfluss und ohne Veränderungen der Gruppe. So um die 3 Jahre fangen die fast ausnahmslos an, sich ernsthaft zu bekämpfen, trotz hunderten Hektar Weidegröße. Ganz selten können da zwei besonders gute Kumpel noch zusammenbleiben, bei anderen geht´s noch ne Weile mit dem bewährten Hengstbegleiterpony, aber die ganz große Masse ist ab 3-jährig nicht mehr wirklich für ne Männergruppe zu haben. Und besser, natürlicher und sozialer können Hengste kaum aufwachsen. Ich glaube eher, dass das was mit dem individuellen Charakter zu tun hat. Meinen einen Hengst (sehr hengstig vom Gebaren, aber absolut kein Alphatier) konnte ich gut mit einem oder zwei dominanten Wallachen zusammen halten, meinen anderen (kaum Hengstmanieren, aber absolutes Alphatier) gar nicht.
Sheitana
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Beitrag von Sheitana »

@ Rapunzel

Da würde ich mir als Züchter aber mal ganz schnell Gedanken machen, ob die Pferde mit denen ich da züchte wirklich gute Zuchttiere sind. Denn dieser Charakterzug scheint sich ja doch sehr dominant zu vererben.

Sicherlich gibt es mal Tiere, die sich so aufführen trotz guter Sozialisierung. Trotzdem sehe ich es wie die meisten Vorschreiber, die Sozialisation ist das A und O. Allerdings kann die eine schlechte Wahl der Zuchttiere auch nicht verändern.
LG
Sheitana
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Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Sheitana: Klar, man sollte auch bei den Mustangs und anderen natürlich lebenden Pferden mal ganz dringend die Zuchtlinien überdenken, da ist es nämlich genauso.

Das ist ein völlig normales, angemessenes und artgerechtes Verhalten für Hengste. Die sind nicht als nette Knuddeltierchen gedacht, die man in Gruppen auf kleinen Flächen hält, am besten noch mit Wallachen, die es natürlich in der Natur zuhauf gibt. Ein normaler Hengst, der in freier Wildbahn die Chance auf eine eigene Herde haben will, MUSS ab diesem Alter anfangen, Konkurrenten zu verdrängen, notfalls auch zu töten. Hengste, die lieb und brav in der Gruppe mitlaufen, werden ganz natürlich herauselektiert, weil sie nämlich schlichtweg nie zum "Schuss" kommen bzw. schon vorher draufgehen, weil sie zu schwach sind.
Sheitana
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Beitrag von Sheitana »

Nun, in der Natur will sie auch niemand reiten oder halten, oder.... :wink:

Nichtsdestotrotz kenne ich sehr viele Pferde die so aufwachsen wie deiner und wo es wunderbar klappt. Sicher, man hat mal den ein oder anderen Hengstigeren dabei, aber grundsätzlich klappt es doch so.

Und ich finde es gehört zu der Verantwortung eines Züchters seine Pferde so zu züchten, dass sie in der heutigen Welt überleben können.
Die ist nun mal nicht mehr die weite Wildnis! Von daher ist dieser Vergleich irrelevant.
LG
Sheitana
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Kiruna Karmina
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Beitrag von Kiruna Karmina »

Ja, Rapunzel, ich habe mal mit einem ausgesprochenen Pferdeexperten, der auch anerkannter Gutachter vor Gericht ist, über dieses Thema gesprochen. Seine Aussagen trafen Deine ziemlich genau. Ich war ziemlich platt, als er direkt betonte: "man muss sich immer bewusst sein, dass jeder Hengst grundsätzlich seine Rivalen töten kann".

Ich selber war erstaunt, wie mein - den Menschen gegenüber - super liebes Tierchen noch Monate nach der Kastration unter dem starken Triebdruck stand, Gegner fertig machen zu müssen. Ein ihm körperlich eigentlich weit überlegener Wallach hat sich vor Stress "eingepinkelt", wenn er ihn nur von weitem sah. Mehrere Wallache hat wurden von meinem Macho durch den Zaun gejagt. Auf einen hat er sich wie ein Raubtier gestürzt, sich im Mähnenkamm verbissen und mitschleifen lassen. Nach mehreren Jahren wurde es dann durch die Erziehung größerer, stärkerer und mental überlegener Leitwallache besser. Und erst jetzt, fünf Jahre nach der Kastration ist er endlich herdenfähig (Wallachherde). Noch einmal würde ich das nicht durchmachen wollen.

Ich vermute aber, dass es einen Unterschied macht, ob und wie lange der frühere Hengst gedeckt hat. Trotzdem wird es große individuelle Abweichungen geben (Gene, Sozialisation, wie angesprochen).
Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Ja, die haben schon ein ganz anderes Aggressionpotenzial als ein Wallach. Was einem aber auch beim Reiten zugute kommt. Ich kenne jedenfalls keinen guckigen Hengst :D

Sheitana, meine befreundeten Züchter haben momentan rund 100 Pferde aus ganz verschiedenen Zuchtlinien, aber die werden sie sicher gern alle abschaffen und künftig nicht mehr so auf Rittigkeit, Korrektheit, gutes Fundament, gute Gänge und topgesunde Genetik achten, sondern lieber versuchen, Hengste zu züchten, die eigentlich Wallache sind. *toktok*

Ich kann nur immer wieder empfehlen, den unglaublich spannenden Dokumentarfilm um "Cloud", einen Mustang in den USA, anzuschauen, da wird einem so manches klar, was natürliches Verhalten von Pferden angeht. (Es gibt mehrere Teile, weiß nicht, welcher das hier ist:)

http://www.youtube.com/watch?v=RUxK-rpE2DI


Oder sich die Bilder hier ansehen:

http://www.nevadawilds.com/
Sheitana
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Beitrag von Sheitana »

Es nützt das tollste Pferd nix, wenns beschissen händelbar ist. Zu einer guten Zucht gehört eben auch der Charakter

Aber das ist auch nur meine Meinung, die muss man nicht teilen... :wink: Besagten Dokumentarfilm habe ich gesehen. Aber nochmal: Wir sind haben hier keine Mustangs. Sicherlich ist es wichtig über ihre Herkunft Bescheid zu wissen, doch trotzdem sind die Ansprüche an ein Hauspferd anders.

Ich kenne eine Menge Hengst und die Meisten, die eine gute Sozialisierung genossen haben sind ohne Problem gut zu händeln. Natürlich sind es Hengste und das muss man wissen, aber keiner sollte austicken, wenn er ein anderes Pferd sieht. Solche Pferde gehören kastriert und keinesfalls in die Zucht.

Edit: Es geht nicht darum, aus einem Hengst einen Wallach zu machen. Trotzdem bin ich der Meinung, dass ein Hengst - auch wenn er Hengst ist - bis zu einem gewissen Grad händelbar mit anderen Artgenossen sein sollte.
LG
Sheitana
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Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Also bitte, um "nicht händelbar" oder "austicken, wenn er ein anders Pferd sieht" ging es doch überhaupt nicht - natürlich muss ein Hengst immer händelbar sein, wenn er von Menschen "bedient" wird. Das ist aber zum größten Teil Erziehungssache.

Einen erwachsenen Hengst in eine Gruppe mit anderen Hengsten/Wallachen integrieren zu wollen ist dagegen eher unnatürlich und klappt nur in seltenen Fällen, wenn der betreffende Hengst besonders wenig Testosteron hat und/oder ein sehr schwaches Tier ist.
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

@Sheitana, sorry, aber das ist wirklich Quatsch: Jeder Züchter in Spanien, der genügend Fläche hat, hält seine Junghengste in der Herde – bis sie ca. 3 Jahre alt sind. Dann funktioniert das eben nicht mehr und wie Rapunzel schon schrieb: Das ist ein vollkommen normales Verhalten für einen Hengst und sagt über den Charakter erst mal überhaupt nichts aus. Und so gern der Mensch das auch hätte: die Natur lässt sich auch tausende von Jahren nach der Domestizierung von Tieren nicht austricksen.
@Kiruna: Unser Schimmel war ja schon 13, als ich ihn habe legen lassen und der hatte nicht gerade wenig gedeckt. Dennoch: Der ist nach der Kastration im Prinzip genauso geblieben wie vorher – ruhig und sozusagen in sich ruhend. Gelegentliche Temperamentsansfälle mal außen vor. Der Lütte wurde mit 4,5 kastriert. Auch bei dem hat sich sein dominanter Charakter überhaupt nicht verändert. Der hatte sich als Junghengst schon zum Chef einer über 20köpfigen Hengstherde aufgeschwungen, von denen etliche älter und/oder größer waren als er. Und auch heute – knapp drei Jahre nach der Kastration – hält er sich für den Größten. :roll:
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Beitrag von Sheitana »

Cubano hat geschrieben:@Sheitana, sorry, aber das ist wirklich Quatsch: Jeder Züchter in Spanien, der genügend Fläche hat, hält seine Junghengste in der Herde – bis sie ca. 3 Jahre alt sind. Dann funktioniert das eben nicht mehr und wie Rapunzel schon schrieb: Das ist ein vollkommen normales Verhalten für einen Hengst und sagt über den Charakter erst mal überhaupt nichts aus. Und so gern der Mensch das auch hätte: die Natur lässt sich auch tausende von Jahren nach der Domestizierung von Tieren nicht austricksen.
Trotzdem gibt es jede Menge Gegenbeispiele
Ja, es mag sein, dass es irgendwann nicht mehr geht. Es wäre für mich trotzdem immer auch ein wichtiges Merkmal, wie sich das Pferd in der Herde/mit anderen Pferden benimmt, wenn ich damit züchten will...

Gut, wahrscheinlich muss man da auch nochmal von Rasse zu Rasse zu unterscheiden, sich anschauen, wieviele Hengste in einer Herde leben würden etc.

Edit:
Besonders erschreckend fand ich eigentlich diesen Satz hier:
So um die 3 Jahre fangen die fast ausnahmslos an, sich ernsthaft zu bekämpfen, trotz hunderten Hektar Weidegröße
Wenn jetzt 20 Hengste auf wenigen Hektarn ständen und es eng wäre, ich könnts verstehen.
Wenn mal der Ein oder Andere dabei wäre, der solch ein Agressionspotential zeigt, könnte ich auch verstehen.

Aber mit 20 Pferden auf einer solch riesigen Fläche und ausnahmslos jeder (!) will sich bekämpfen?
Nun, das empfinde ich schon als erhöhtes Aggressionspotential. Aber wie gesagt, ich kenne es auch anders und sehr viele Hengste, die sehr sozial und verträglich sind. So und nicht anders sollte es sein.
LG
Sheitana
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Sheitana:
Doch, doch, das ist schon so, wie Rapunzel schreibt. Es gibt ja schon in ausnahmslos jeder Herde - egal ob Stuten oder Wallache – Rangordnungskämpfe. Das ist normaler Pferdealltag. Und natürlich gibt es diese auch in Junghengstherden. Wobei diese Kämpfe hormonell bedingt deutlich aggressiver ausfallen. Auch das ist vollkommen normal.
Magst Du mal etwas Genaueres über die „…jede Menge Gegenbeispiele“ erzählen?
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Beitrag von Sheitana »

Natürlich sind Rangordnungskämpfe normal.

Mich wundert es jedoch, dass bei soviel Platzangebot auf so wenig Pferde die Kämpfe so aggressiv ausfallen, dass die Pferde getrennt werden müssen. Ich kann mir das fast nur vorstellen, wenn Stute in der Nähe sind?

Ich kenne mehrere Hengste, die problemlos mit Wallachen zusammen stehen. Auch welche mit Hengsten in jeder Altersstufe.
Je nachdem wird das unterschiedlich gemacht, entweder stehen die Hengste während der Decksaison alleine und gehen danach wieder zurück in die Herde, oder aber sie werden nur zum Decken rausgeholt.
Bestes Beispiel ist wohl der Tinkerzüchter hier um die Ecke, dessen Hengste vom hochprämierten Deckhengst bis zum Jährling im Winter zusammen in einem viel zu kleinen Laufstall standen. Da gab es keine Aggressionen. (Auch, wenn die Haltung nicht wünschenswert war). Die Stuten standen übrigens 2 Laufställe weiter, zumindest also noch in Riech- und Sichtweite.

Sicherlich ist es auch ein Stück weit rassebedingt. Während Shetties z.B. sogar mehrere Hengste in einer Herde akzeptieren, haben Südpferde in der Regel einen viel größeren Individualabstand.
Shettyherden bestehen aufgrund der Klimabedingungen häufig aus viel größeren Herden. Ein Hengst alleine könnte die Anzahl der Stuten gar nicht bewältigen.

Trotzdem hat es denke ich auch mit der Zuchtselektion zu tun.
Quarter z.B. werden u.a. auch auf einen ruhigen, gelassenen Charakter mit viel Gemütsruhe gezüchtet. Da gibt es zuhauf Hengste, denen man das Hengst sein kaum anmerkt.
Hingegen könnte ich mir vorstellen, dass z.B. bei Showarabern gerne ein wenig mehr "Hengstsein" in Kauf genommen wird.
LG
Sheitana
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