Pferde mit Schwierigkeiten

Rund um die klassische Reitkunst

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saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

sinsa hat geschrieben:
saltandpepper hat geschrieben::lol:
Ich riieche, riieche Menschenfleisch!
Ich habe sofort die Märchenschallplatte "Der Teufel mit den drei goldenen Haaren"aus meiner Kindheit in den Ohren :lol:
:trink1:
Wiebs

Beitrag von Wiebs »

Recht hast du, sinsa *SalzindieWunde*
Sie steht inzwischen im Offenstall mit schlechteren Trainingsbedingungen und schlechterem Gelände.
Und ich war lange sehr hin- und hergerissen zwischen 'Bewegung, Bewegung, Bewegung, egal wie' und 'die doofen Muster nicht noch mehr festigen'.
Inzwischen sind die grundsätzlichen Bewegungsmuster deutlich besser und ich gebe mir Mühe, sie mehr zu bewegen.
10x10m Platz bleiben aber klein und ich warte auch noch auf den Tag, an dem ich endlich mal richtig an die Bauchmuckis rankomme, das klappt nämlich auch immer noch nicht.
Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Ich finde eure Vorher-Nachher-Fotos alle super, aber jetzt mal ins Detail bitte: Wie genau waren die Probleme, wie genau habt ihr gearbeitet? Was hat am meisten gebracht, was nix?

Meine Fotos gehen immer noch nicht. Aber es wird wohl dran gearbeitet.
sinsa
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Beitrag von sinsa »

@Rapunzel Ich bin ehrlich, wenn ich das alles aufschreibe, wird es ein Buch :lol:
Ich versuche den nun kommenden Roman kurz zu halten - ahne aber schon den Fehlschlag :mrgreen:

Mal abgesehen vom grundsätzlichen Gebäude, und sonstigen Zipperlein/Problemen die er -unabhängig von den Knien - mitgebracht hat
fasse ich mal zusammen.

gesundheitliche Probleme:
- Weideunfall 2009 von da an mehr Beintheater als alles ander, weil die Ursache nicht rausgefunden wurde. Kann seit dem nicht mehr zweitaktig in der Halle traben
- Anfang 02/2012 Belastungsrehe
- Sommer 2012 Diagnose. Beide mittleren Kniesehnen hinüber. Die bessere Seite hat noch 15 %ige Anbindung, die andere Seite hängt am seidenen Faden.
- August 2012 Stammzellentherapie
- Ende 10/2012 darf er nach 8 Monaten zurück in die Herde

Für bessere Heilungschancen mußte das Pferd vorher auf Diät. So sah die Muskulatur dann auch aus.
Folgeschäden der unerkannten Knie: eine bleibende Beule am Fesselringband vo. links, hinten rechts Neigung zur "Sehnenscheideentzündung". Das ist ausgesprochen blöd, bei einer Linksbanane. Außerdem Arthrose in den Knien, Schmerzgedächtnis, Schon- und Ausgleichsmuskulatur, er kämpft seit dem immer wieder mit Beckenschiefstand.

Wie man "sowas" grundsätzlich überhaupt erstmal wieder ins Laufen bringt schenke ich mir hier mal. Aus dem Beginn des Wiederanreitens sind die Verlaufsbilder von Mai bis Juni 2013
Interessant wurde es, als der TA die Freigabe für Arbeitstempo Trab, Verstärkungen und erste "dynamische" Übergänge gab. Ohne Reiter, also vom Boden aus.

Probleme bei der Arbeit:
* Die HH war stocksteif
* die vorbelastete "stärkere Diagonale" machte nichts leichter
* die innere HH weicht unbeeinflussbar aus, tritt schon bei minimaler Biegung in die Spur der äußeren VH.
* Er findet nur im Geradeaus zum Trab und auch das nur ohne Reiter. Alles andere bleibt Viertaktig.
* in ruhigem Tempo, das er mit fallengelassenem Kopf und Hals gehen kann hängt er auf der VH/geht viertaktig und an schlechten Tagen unrein
* im normalen Tempo ist er rennig, verspannt sich, der Kopf kommt hoch
* grundsätzlich ist er eher mehr als mobil, aber der Rücken macht sich völlig fest

Wie habe ich gearbeitet:
Wenn man es ganz runterbricht, dann trifft es das so am besten:
Augen zu und vorwärts im Trab auch auf dem Kreis. Als Zielbild ein klarer Zweitakt mit Flugphase

Am Boden:
Als Projekt hierfür [das vorwärts] habe ich nach all den Jahren endlich das stinknormale Longieren ohne Schnick-Schnack in Angriff genommen. Das hatte ich bisher vermieden, da es immer in Sandplatzsurfen endete.
Abwechselnd arbeiten: Das spannig bei der "Arbeit"auf dem Kreis hinnehmen und dann wieder Entspannung z.B. an der DoLo.
An der Longe eigentlich das völlig normale Ziel für ein Jungpferd. Er sollte lernen, das er auf dem großen Kreis nicht umkippt und sich erstmal so gerade und ballanciert wie möglich auf der Kreislinie selber findet. So lange, bis er sich so stabilisiert hat, dass ein entspannen überhaupt erst möglich ist und er zu einem Arbeitstempo Trab finden kann.

Von oben:
Im Gelände nicht Tempo steigern sondern Strecke.
Sehr viel Schrittaufbautraining
Ich habe 2014 zwei Wanderritte gemacht. Je 2 und 5 Tage.
Ser wenig Biegen, Keine Seitengänge. Die HH war auch so schon unberechenbar genug.
Die Steigbügel 2 Loch kürzer.
Regelmäßigen "normalen" Unterricht - und damit mit viel Liebe "trabähnlich" auf dem Platz -gab es erst wieder ab Mitte 2014
Gearbeitet habe ich - außer im Unterricht - komplett im Gelände und geradeaus.
Hauptsächlich habe ich an meinem Sitz und der Einwirkung gearbeitet, weil ich ihn mit jedem Mü blöd im Sitz/der Einwirkung aus dem Takt gebracht habe.

Am meisten geholfen hat:
Vorwärts und Arbeitstempo Trab
Das Erarbeiten des vorwärts/des "normalen" longierens und das helfende "Forumsprojektteam" dazu
Das ich über meinen Schatten gesprungen und der Logik gefolgt bin.
Ein Ausbinder. Wenige Male genutzt gab er tatsächlich den entscheidenden Impuls, damit er selber erlebte, dass er nun soweit ist, dass er den Kopf auch im normalen Tempo wieder fallen lassen kann.
Das ich mit dem Braunen eine wirklich tolle Kommunikation an der DoLo als Ausgleich hatte.
Disziplin und grundsätzliche Erfahrung im Aufbautraining. So konnte ich relativ schnell mit gut gesetzten Trainingsanreizen erste Fortschritte erarbeiten.
Jahrelanger Unterricht im CR, so dass ich selbstständig an Sitz und Einwirkung im Gelände arbeiten konnte.
Mein Mantra beim reiten: Mach weniger!
Mein TA, der den Braunen regelmäßig checkte, Trainingfortschritte kontrollierte, neue Trainingsziele gab und mir überhaupt in den Arsch getreten hat, dass ich mich da endlich wieder rauf setze.
Später eine RL die mir folgendes sinngemäß um die Ohren gehauen hat: Ja, das sieht sch*** aus. Wenn Du das immer vermeidest, wird das immer sch*** aussehen. Wenn Du das nicht willst, dann hör auf zu flennen und reite!"
Außerdem ein komplettes Reitverbot auf dem Hufschlag.
Zuletzt gestehe ich: ein Pulsgurt fürs Pferd :oops: der mir geholfen hat sicher zu sein, dass der Braune zwar gute Gründe dafür hat hin und wieder sehr glaubwürdig den sterbenden Schwan zu geben, aber keine Schmerzen hat, die über das leichte Zwicken von Rehatraining hinaus gehen.
Naja, und der Braune an sich. Er hat sich so tapfer Mühe gegeben, verziehen, sich gefreut wie ein Schneekönig und natürlich das wiedergewonnene strahlen, als er z.B. seinen ersten kleinen Wanderritt machen durfte.

Alles zusammen hat ihm die Stabilität und Ballance zurückgegeben die er brauchte, damit er sich wieder bewegen kann und somit auch will.
Angekommen sind wir aber noch immer nicht.
2015 war mehr oder weniger ein "Erhaltungsjahr"
Eigentlich ungünstig, aber es war mehr als nötig nach der langen Zeit einfach auch mal so ein bißchen sowas wie Normalität zu haben und nicht ständig irgendwelchen Zielen oder Trainingsplänen hinterher hecheln zu müssen.
Seit diesem Jahr geht es wieder weiter. Endlich können wir Stellung und Biegung wieder sinnvoll dazu nehmen. Im Trab lernt er gerade wieder mit Reiter und fallengelassenem Hals in der Halle aussenrum zu traben und wir üben Galoppieren in der Halle.

Mist, ich habe noch was vergessen.

Was hat nichts gebracht:
* Das beharren auf eigentlich richtige Dinge, wie ein lockeres Pferd in allen Lebenslagen, immer und um jeden Preis.
* Das falsche Verständnis dafür wo die Lockerheit herkommt/ was es dafür braucht.
* Mitlaufen beim longieren an der Einzellonge
* Der Irrglaube, dass ein bewegliches Pferd bessere Chancen hat sich auf einer Kreislinie auszuballancieren, wenn es über das normale Maß hinaus Schief und krumm ist sowie Baustellen ohne Ende hat
* Jeder Gedanke in der Art von: "Aber das konnte er doch früher alles"
* Das verlieren des Blickes für die enorme Wichtigkeit der allereinfachsten Basisarbeiten
* Seitengänge und Handarbeit
* Sich blöd vorkommen, weil
- man ewig lange nur Schritt und Trab "geradeaus" reitet.
- alle anderen voll tolle Fortschritte machen, während man selber sich über ganze Bahn im Trab freut oder den ersten Zirkel oder, oder, oder....
Ulrike
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Beitrag von Ulrike »

Beeindruckend, sinsa!


Vor allem der Letzte Satz!

Sich nicht von den Fortschritten der "Anderen" treiben lassen, wer auch immer die "Anderen" sind oder was immer deren Fortschritte sind!



LG
Ulrike
Nandor
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Beitrag von Nandor »

Vielen Dank für den aufschlussreichen Roman und auch an alle anderen, die uns hier an ihren Entwicklungen teilhaben lassen!

Mit den Erläuterungen finde ich es super hilfreich. So kann man einfach auch Ideen mitnehmen, was man in seine Arbeit noch einbauen kann, wenn man selbst ein Pferd mit größeren Baustellen sein eigen nennt.

Ich mache die Tage mal ein aktuelles Foto von meinem Problemkind, dann kann ich mich auch beteiligen mit einer Verlaufdokumentation.

Auch ich habe die Erfahrung gemacht, daß ich bei meinem Rehapatienten regelmäßig seine Komfortzone bei der Arbeit verlassen muß, damit er Fortschritte macht bzw. zumindest der aktuelle Zustand erhalten bleibt.

Im Prinzip wie in der Humanmedizin, da ist eine Reha ja auch kein Wellnessurlaub.
Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Ah! Vielen Dank für den Roman!
sinsa
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Beitrag von sinsa »

@Wiebs Ich kenne das, meiner war lange Zeit zu dick :trink1:

@Ulrike Wirklich beeindruckend ist bei der Geschichte nur sowas z.B.:
Bild

Das sind 1,35 Meter Isi über ca. 80cm!
Auf der schlechten Hand bei seinen ersten Sprüngen nach wirklich sehr vielen Jahren.

Ich finde unsere Geschichte eher erhellend!
Ich bin kein guter Reiter und ich habe die normalen "Bordmittel" eines typischen Freizeitreiters mit Hang zum Gelände genutzt. Geradeaus, Schritt und Trab. Viel mehr war es ja nicht. Aus meiner Erfahrung heraus finde ich die ersten 3 Monate beinahe am interessantesten.
Das ist nur Schritt und wenn er unbedingt wollte auch mal ein paar Schritte im Öddeldöddel als zweite Gangart.
Vom Muskelaufbau reden ja viele, verkennen dabei aber, dass die allereinfachsten Dinge stäken - wenn man sie nur halbwegs richtig macht bzw. die gröbsten Fehler einfach mal wegläßt.
Es wird meiner Meinung nach gerade im Freizeitbereich oftmals unnützerweise sehr viel Chi-Chi gearbeitet, anstatt an der Basis weiter zu feilen.
Ebenso erhellend die Ursachen dafür, warum sich Pferde festmachen.
Hier war ein Gespräch mit einer Physio sehr aufschlußreich und erklärend.
Nur allzu oft sind die Körper gar nicht so unbeweglich, sondern eher trifft das Gegenteil zu. Sie sind zu instabil und müssten eiern und schlackern, wenn sie sich nicht festmachen würden. Eine derartig instabile Einheit wird nicht stabiler, in dem man sie dehnt und biegt.
Das merkt man bei unangepasst gearbeiteten Pferden immer dann, wenn man sie aus dem Schlurchtempo auf dem kleinen Kreis auf die große Linie im Arbeitstempo bringt. Die Pferde sind hoffnungslos verloren und die an sich tolle Arbeit war für die Katz, da sie nicht das gewünschte gebracht hat.
Umgekehrt kann man zumeist jedes Pferd nehmen dass auf der großen Linie im Arbeitstempo zur Ballance und Stabilität gefunden hat, das Tempo anpassen und die Kreislinie verkleinern ohne auf allzu große Probleme zu stoßen.
Vereinfacht gesagt muß man erst dann etwas dehnen, wenn es stabil genug ist, um es dehnen zu können.
Ähnlich das lockere: Erst stabil machen, damit es eben nicht aus der Ballance kommt und so in der lage ist sich nicht festhalten zu müssen sondern stattdessen loslassen kann.
Kiruna Karmina
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Beitrag von Kiruna Karmina »

Danke, sinsa, für Deine Erklärungen. Ich finde das hoch spannend.
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Blumee82
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Beitrag von Blumee82 »

Ich mache einfach mal weiter und erkläre ein paar Dinge zu Nervion HM. Wird vermutlich auch ein Buch.......


Gekauft habe ich ihn über eine befreundete Händlerin in Spanien. Die schrieb mir, ob ich nicht Platz für nen Problemfall hätte, da er sonst in die Wurst geht, der arme Bube aber vermutlich einfach nur Zeit benötigt und anderen Umgang. Gesagt getan, er durfte kommen. Er war in Jerez und wurde dort ausgebildet. Seine Mutter ist dort Zuchtstute. Also wirklich ein tolles Pferdchen mit wahnsinnigen Anlagen.

Was da ankam, war aber nicht nur ein Pferd, dass etwas Zeit brauchte, sondern ein total verschüchtertes Tier, das bei jedem Blick erstarrte und Berührungen nur schwer ertragen konnte. Sein Körper bzw. die Narben erzählten ihre eigene Geschichte. Ich war guter Dinge, da er nicht mein erstes Problempferdchen war.... klare Selbstüberschätzung. Ich stellte ihn im Frühjahr auf eine Koppel in eine Herde und konnte ihn drei Monate (in Worten DREI Monate) nicht anfassen. Er blühte zwar in der Herde auf, vermied allerdings jeglichen Kontakt zum Menschen. Anfassen oder gar Nähern bis auf ca 5 m unmöglich.
Also setze ich mich auf den Wasserwagen und las.... und ich las viele Bücher *seufz* Nervion schaute zwar, aber mehr ging nicht...... und ja, es haben sich auch Horseman-Ship Leute an ihm versucht. Man probiert ja irgendwann alles. Aber als der Dritte, der sich probieren durfte, ihn in die Ecke der Koppel stellte und Nervion nur noch panisch hin und her rannte und ein Anfassen trotzdem unmöglich war, entschied ich: ENDE. Keinen Druck mehr, kein er muss, ich muss, warum geht es nicht..... einfach nur versuchen DAS anzunehmen, was von ihm aus geht.
Ich hab sogar mit einer Tierkommunikatorin gesprochen, weil ich einfach total verzweifelt war.... ich habe wirklich in jede Richtung geschaut und probiert.

Irgendwann kam er dann doch bzw. blieb stehen, als ich mich der Herde näherte. Mit noch viel mehr Geduld (absolut NICHT meine Stärke) konnte ich ihn irgendwann aufhalftern, führen und sogar so etwas wie mit ihm auf dem Platz bzw im Gelände arbeiten. Ich bin viel mit ihm spazieren gegangen, einfach nur um etwas mit ihm zu machen, ohne etwas von ihm zu wollen. Das war der Schlüssel.


Ich habe mit ihm sehr sehr behutsam nach dem Longenkurs und der Bodenarbeit von Branderup gearbeitet. Wobei Arbeit das falsche Wort ist, es ging darum ihm zu zeigen, dass er DARF... er DARF und SOLL Fehler machen. Ein Punkt, bei dem er in Angstzustände verfiel. Er war geistig so fest und verschlossen, dass man oft nicht an ihn heran kam (äußerlich und innerlich). Er war zwar da, aber es war kein Durchkommen zu ihm.... also einfach nur stehen lassen und atmen. Gedanklich frei machen und zwar ich mich frei machen... Ich bin SEHR ehrgeizig und das musste ich lernen zu kontrollieren, annehmen was geht und wo (heute) seine Grenzen sind.
Einen Tag konnten wir super an der DL arbeiten und den nächsten Tag riss er sich bei den einfachsten Dingen los... zb ihn aufs Padock bringen und zwar durch den Eingang... Er sprang dann durch den Eingang, ein normales Durchgehen war nicht möglich. Ich habe gelernt das einfach anzunehmen. Sehr schwere Lektionen für mich... vor allem mit den Blicken und Kommentaren von Außen.

Irgendwann lief es so richtig gut und er lief zb. auch unter dem Sattel an der Longe größtenteils locker und zugänglich. Ich entschied mich drauf zu setzten.... und war die ersten zwei Male überrascht, wie gut er dies machte. Er war zwar mehr als fein und sensibel, konnte sich aber loslassen. Wir gingen nur Schritt, aber er blieb ruhig, schnaubte irgendwann sogar ab.
Beim Dritten mal erschreckte er sich allerdings, ich bewegte mich oben drauf etwas hinter seiner scheuenden Bewegung und er geriet absolut in Panik.... wirklich absolut. Er raste auf die viel zu hohe Absprerrung aus Metall zu, ich dachte nur oh Gott. Er drehte ab. Keine Kontrolle, keine Einwirkung, er in schnellstem Galopp über den Platz. Ich ließ die Zügel trotzdem lang und versuchte zu Atmen..... atmen, atmen. Nach einer gefühlten Ewigkeit dieses Zick-Zack-Galopps in Höchsttempo, mit Idee des Überspringens der Absperrung und Hinfallen in Wendungen, stand er zitternd in der Ecke... mit mir oben drauf. Jede kleinste Bewegung ließ ihn zucken. Ich musste da runter, wusste aber dass er los schießen wird. Also Füße aus den Bügeln und langsam abdrücken. Das Geräusch meiner landenen Füße ließ ihn wieder los schießen. Als ich ihn endlich hatte wusste ich, ich muss da nochmal rauf..... für ihn und mich und unsere Angst. So geschehen, er klatsch nass und zitternd.... ich rauf, hinsetzen und lagsam wieder runter. Er rennt wieder los als ich unten bin. Ist mir egal ich rufe ihn und warte, bis er kann und zu mir kommt.

Ich habe dann erstmal wieder nur mit ihm am Boden gearbeitet und bin spazieren gegangen. Schwanger und mit kleinen Kindern hatte ich einfach Angst mich auf ihn drauf zu setzen.Trotzdem habe ich es immer wieder mal probiert. Er hat es ertragen aber die Angst wirklich bekämpfen konnte ich nicht.... weder seine noch meine.

Ich bin einfach an meine Grenzen gekommen. Jedes Gefühl konnte er lesen und an Tagen, an denen ich mich nicht wohl fühlte zb, lies er sich nicht anfassen, egal wie lang er schon bei mir war.
Ich inserierte ihn und erlebte die tollsten Sachen... es tat sich nichts, ein Jahr lang. Dann wollte ich ihn einfach annehmen und verkaufte mein zweites Pferd, Nero. Das war sehr schlimm und ich sagte mir, es soll so sein und hat seinen Grund.
Es rief trotzdem eine junge Frau an.... Da es sich mit Neros Verkauf überschnitt ließ ich sie kommen, nahm die Verkaufsanzeige allerdings aus dem Netz. Nach einem Vierteljahr in denen sie ihn wöchentlich besuchte sagte sie, sie wolle ihn kaufen.
Sie hatte eine ganz andere Ausbildung als ich, kam grob aus der NHS Ecke und verständigte sich gaaaanz fein mit ihm. So ein feines Pferd hätte sie noch nie erlebt und ihre Augen strahlten. Menschlich war sie auch eher introvertiert aber wenn die beiden am Platz zusammen waren (ich will nicht sagen arbeiteten) war es anders. Sie holte ihn zu sich und er steht nun 30 km von mir entfernt. Ich höre ca alle halbe Jahr von ihm und freue mich, dass die beiden sich so zusammen gerauft habe. Ich habe rechtlich noch die Hand drauf, mehr aber nicht.

Ich hatte weder das Wissen, noch die innere Einstellung (ich hatte einfach Angst nach dem Reitvorfall), um ihm zu zeigen, dass er sich öffnen kann. Ich war eine Station und nun ist er angekommen.... so hoffe ich. Sie reitet ihn, aber auch nur sie. Er ist und bleibt schwierig aber ein Pferd, von dem ich so viel gelernt habe wie noch von keinem anderen Pferd.
Je komplizierter und aufwändiger das Instrumentarium an Leder und Metall, desto größer der Stümper, der es bedient."
François Robichon de la Guérinière
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Meg
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Beitrag von Meg »

Schnief, toll, dass die beiden sich gefunden haben! :jump1:
Whenever I feel blue, I start breathing again :-)
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Beitrag von Ulrike »

Was für Geschichten...


Ich glaub, ich muss mal schauen, ob ich ein paar Bilder meines ersten mir allein gehörenden Pferdes abfotografieren kann.


Keine so anrührende Geschichte, wie bei Dir Blumee aber doch die Rekonvaleszens eines Schulpferdes aus B.



LG
Ulrike
Nandor
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Beitrag von Nandor »

Hier mal die Entwicklung von meinem gehandicapten Freiberger. Er hat Shivering und ein sehr, sehr schlechtes Nervenkostüm.


Nachdem Import war er lt. Importeur so durch den Wind, daß er ihn 3 Monate keinem zum Verkauf gezeigt hat. Das glaube ich ihm aufs Wort. Da ich wohl eine Herausforderung gesucht habe, habe ich trotzdem gekauft. Jugendlicher Übermut meinerseits, seufzt.... Außerdem hat er so schöne Augen.

Ich habe auch Fotos 3 jährig , da sieht er besser bemuskelt aus, die kann ich aber nicht einstellen, da ich die nicht selbst gemacht habe.

April 2009, vierjährig, direkt nach Kauf.
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Nandor
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Beitrag von Nandor »

Juni2009
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Nandor
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Beitrag von Nandor »

September2009
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