Wer bildet sein Pferd noch gebisslos aus?

Rund um die klassische Reitkunst

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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Zu DOB gab es hier eine Diskussion durch ein Kursvideo - war vielleicht das von Cubano erwähnte - und mir hat eine Schülerin von DOB dann mal schmunzelnd erklärt, dass DOB sich halt diesen Weg genommen hat: wenn der TN etwas verklärt an der Erkenntnis der eigenen Fähigkeiten vorbei Pi reiten will, dann macht er das. Zahlender Kunde. Und so hat er vielleicht über die Zeit sein Publikum in vielen gefunden, die Arbeit an der Basis im Kurs/für sich nicht wollen/für nicht nötig halten.
Denn versichert bekam ich gleichzeitig, dass derjenige der aufrichtig an der korrekten Reiterei interessiert ist, auch sehr fundierten Unterricht bekommt. :wink:
Denke das wird schon passen.
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Kiruna Karmina
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Beitrag von Kiruna Karmina »

xelape hat geschrieben:Er ist einfach ein Pferdemensch durch und durch - er auch ganz schön unbequem werden kann, wenn er sieht dass man ungerecht zu seinem Pferd ist. ALLE Pferde lieben ihn, du reitest, und er spricht die ganze Zeit mit Deinem Pferd.
Das klingt ja hoch sympatisch! :D
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Finchen hat geschrieben: @Cubano: harte Zeiten! Manchmal beutelt uns das Leben hart. Unfall war aber nicht mit Cubano wegen eines Anfalls?
Nein, der Unfall war wegen Blödheit der Bedieneinheit. :P
Ist schnell erzählt die Geschichte: Frax war an diesem Tag komplett grell (das hat er selten, aber wenn er mal so drauf ist, hat selbst ein deutlich besserer Reiter als ich so seine Probleme), ich kriegte Schiss und machte genau das, was man bei allen Pferden, vor allem aber bei meinem Maulhysteriker, tunlichst vermeiden sollte: Ich kam ins Ziehen. Das Pferd wurde noch greller, ich kam noch mehr ins Ziehen – und dann ging alles sehr schnell. So kurz die Story auch ist, die Geschichte der Unfallfolgen ist deutlich länger (meinem Alter entsprechend): Hüfte verschoben, Prellung der WS und am übelsten: Muskelanriss des langen Rückenmuskels. Sechs Wochen konnte ich nur unter starken Opiaten sitzen, stehen, laufen und als hübsche Langzeitfolge ist dieser Mist-Muskel nun auch noch vernarbt. Was wiederum zu Schmerzen führt.
Aber keine Geschichte ohne Happy-End: WENN ich dann mal aufs Pferd komme, habe ich auch keine Angst. Aber das Kopfkino VORHER ist teilweise schon hoch albern. :-)
Finchen: Stimmt, jetzt erinnere ich mich auch wieder an die Debatte. Das ist immer schwierig, auch ein RL muss ja sehen, dass er seine Brötchen verdient. Ich kann halt nur sagen, dass ich das für mich nicht möchten würde.
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Weia - das ist ein wenig (bzw mehr eher)wie mein gewollter und nicht so wie gewollter Abgang von Ebano. Prellung Steiß und rechte Allerwertestenseite plus "nur" Muskelfaserriß dort hat mir echt genügt, auch was die Dauer betrifft. Da male ich mir so grob dein Dilemma aus. :?
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Lilith79
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Beitrag von Lilith79 »

Cubano hat geschrieben:Xelape: Genau das ist eben FÜR MICh (ganz wichtige Worte, grins) falsch: etwas auszuprobieren, was Pferd und Reiter noch nicht können. Ich weiß, dass das heute landauf, landab so gehandhabt wird, ich glaube aber, dass genau da einer der Knackpunkte der heutigen Reiterei liegt: Wenn Reiter und Pferd noch nicht in der Lage sind, etwas zu reiten, kommt schlussendlich nix Gescheites dabei rum.
Naja, ich verstehe was Du meinst, aber wenn man das auf die Spitze treibt, könnte nie jemand irgendwas Neues lernen :wink:

Wie sollen Pferd und Reiter denn eine neue Lektion lernen, wenn sie nie damit anfangen sie zu üben?

Ich meine alleine Schenkelweichen ist eine Basisübung, die man vermutlich wirklich lernen sollte und die derart schwierig ist, dass sie oft ewig lange falsch ausgeführt wird bis mal was Vernünftiges bei rum kommt...

Worin ich Dir zustimme ist, dass viele Reiter anfangen neue Dinge zu üben obwohl sie viel einfachere Dinge vorher noch gar nicht korrekt gelernt haben.
xelape

Beitrag von xelape »

Lilith, genau das, wenn man nie beginnt auch mal anderes zu reiten, bleibt man immer auf der Stelle.
Und das Pferd wird auch flexibler und beweglicher, stärker durch Neues.. Natürlich in Maßen und immer angepasst an das Niveau von Reiter und Pferd.

Ich meine zum "echt" reiten lernen gehört auch ein "mündiger" Reiter der sich selbst einigermassen einschätzen kann.
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Beitrag von Kiruna Karmina »

Und gerade bei der Boden- und Handarbeit muss man ja ständig experimentieren:
Das eine Pferd braucht meine Grundposition mehr vorn am Hals, das andere neben der Schulter.
Bei dem einen muss ich für das Kurzkehrt mehr bremsend stehen, beim anderen mehr lockend.
Das eine muss ich mehr in Höhe Schenkellage touchieren, das andere an der Hinterbacke.
Die Liste ist beliebig verlängerbar.

Diese Arbeit ist eine ständige wechselseitige Kommunikation und macht uns somit aufmerksam und kreativ. Am meisten lernen wir ja ohnehin vom Pferd (und noch mehr von verschiedenen Pferden). Feste Vorgaben können nur ein sehr grobes Grundgerüst darstellen. Insofern ist das Wort "korrekt" in der Pferdeausbildung m.E. nicht sehr passend.
Korrekt ist alles, was vom Pferd im Sinne der Aufgabenstellung positiv beantwortet wird.
Falsch ist alles, was für DIESES Pferd nicht begreiflich ist.
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Beitrag von Kiruna Karmina »

Und schon an der Longe reicht bei dem einen Pferd das Stimmkommando, wenn es aus dem Schritt oder Halt direkt angeloppieren soll, beim anderen (oder gar den meisten?) muss ich den ersten Sprung mithüpfen, damit es nicht bloß antrabt.
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Beitrag von Motte »

Wie es halt immer so ist im Leben: die Wahrheit liegt meistens in der Mitte.

Sicherlich muss ich mit einem Reiter, der gerade mal einigermaßen geradeaus reiten kann, nicht unbedingt Galopppirouetten üben.

Andererseits kann beim Rantasten an einer neue Lektion durchaus mal das Gesamtbild in den ersten Versuchen völlig in die Hose gehen. Weil Reiter zuviel, zuwenig, das Falsche etc macht und Pferdinger dann ratlso ist.
Lektionen sollten aber zur Verbesserung der Anlehnung, Durchlässigkeit und Rittigkeit führen, was sie in der Regel auch tun, wenn man sich dann mal richtig rangetastet hat :wink:

Und irgendwie muss man ja mal anfangen. Von Nix kommt auch Nix.

Bei meiner Omma gibt es genau 3 Lektionen, die immer funktionieren - auch wenn die Anlehnung vorher eher suboptimal war. Das ist einmal kurzkehrtartig reiten, dann um die Vorhand reiten und daraus antraben und als drittes Außengalopp. Da kann die Anlehnung vorher - wie gesagt - höchst bescheiden gewesen sein - sobald ich das geritten habe, habe ich ein anderes Pferd unter mir.
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Lilith79 hat geschrieben: Naja, ich verstehe was Du meinst, aber wenn man das auf die Spitze treibt, könnte nie jemand irgendwas Neues lernen :wink:

Wie sollen Pferd und Reiter denn eine neue Lektion lernen, wenn sie nie damit anfangen sie zu üben?
Moinsens,
ne, das erlaube ich mir mal anders zu sehen und ich gebe auch gleich ein Beispiel aus der Praxis: Wenn Sitz und Einwirkung stimmen, kannst Du völlig problemlos ein SH reiten, in dem Du einfach ein wenig Stellung und Biegung abfragst, und Deine innere Körperhälfte lang machst. Das funktioniert mit so wenig Mitteln, dass zumindest ich gar nicht mehr anders reiten möchte. Damit möchte ich jetzt übrigens nicht zum Ausdruck bringen, dass die Ausprobierer alle bescheidene Reiter sind. Vielleicht bin ich nur einfach zu schlecht, um das anders reiten zu wollen. :P
Und natürlich sollen Pferd und Reiter eine neue Lektion üben. Aber für mich persönlich (ich bringe mich noch um vor lauter Bemühungen um diplomatische Formulierungen :roll: :wink: ) müssen halt Sitz und Einwirkung stimmen. Und wo Du SW erwähnst – das ist eigentlich eine absolute Basislektion. So lange, bis Du ein ordentliches Schenkelweichen mal mit einem Gummipferd wie meinem Terrorpony reiten willst, dass sich zeitgleich in gefühlte 100 Richtungen gleichzeitig entziehen kann. Da wirst Du ohne vernünftigen Sitz gar nix.
Und mein Pferd kann für seine 11 Jahre wirklich sehr wenig Lektionen, daran werden wir im kommenden Jahr auch arbeiten. Aber WAS er kann, kann er auch richtig. Und den kann (und sollte) man auch tunlichst über den Sitz reiten, weil sonst: Abflug. Da ist er intolerant.
Übrigens hat dieses Pony schon so manchen wirklich versierten Reiter in akute Wohnungsnot gebracht: Galoppzirkel, äußeres Bein nicht da, wo es hingehört – Frax macht dann mal sein eigenes Programm und das heisst: Bltzwendung aus dem Zirkel linker Hand auf die rechte Hand. Da schenkt das verwöhnte Ding Dir echt gar nix.
@Motte: Ich will Dir ja nicht widersprechen, aber Dein Pferd hat eine ganz wunderbare Anlehnung und ist auch sonst gut ausgebildet. Ich glaube, zwischen dem, was Du „Anlehnungsmängel“ nennst und dem, was ich darunter versehe, liegen Welten. Aber das wirst Du sehen, wenn Du Don Zappelo reitest.
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Beitrag von Tossi »

@ Cubano
So, wie du dein Pferd beschreibst, ist das schon ein echt schwieriger Charakter, alle Hochachtung. Wenn das äußere Bein des Reiters beim Galopp nach Meinung des Pferdes nicht korrekt liegt, droht der "Abflug"? Nein, das wäre nicht meins...

Zum Glück sind Pferde so unterschiedlich. Mein Exemplar ist z.B. anscheinend das absolute Gegenteil und äußerst tolerant. Sie würde niemals versuchen, sich des Reiters zu entledigen, braucht dafür aber ständig neuen Input, neue Anforderungen, ungewöhnliche Lektionsabfolgen und auch z.B. im Galopp mal unterschiedliche Hilfegebung, damit sie aufmerksam, engagiert und fleißig bleibt. Ich "spiele" also ganz bewusst mit möglichst vielen Variablen. Meine Ausbilder sind da zum Glück auch sehr kreativ, meine Ideen wären längst erschöpft.
Eintönigkeit und ewige Wiederholungen sind dagegen absolutes Gift, das Pferdchen wird triebig, ausdruckslos und echt missmutig. Bei dem Programm, dass du beschreibst, wäre mein Pferd überspitzt formuliert längst vor Langeweile versteinert.
Die Schönheit der Dinge lebt in der Seele dessen, der sie betrachtet. (David Hume)
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Beitrag von Cubano »

Tossi hat geschrieben:@ Cubano
So, wie du dein Pferd beschreibst, ist das schon ein echt schwieriger Charakter, alle Hochachtung.
Öhem, das war aber kein fishing for compliments. :-)
Hmm, ich persönlich finde den gar nicht schwierig, aber das liegt daran, dass ich den schon mit knapp drei bekommen habe. Man rauft sich halt zusammen. Und bevor ich missverstanden werde: Der lässt sich durchaus von anderen reiten, darauf habe ich von Anfang an geachtet. Und wenn man die Basics beherrscht, also auch den verwahrenden Schenkel, ist das auch völlig unproblematisch. Persönlich halte ich mein Pferd für eine Mischung aus Kasper, ADHS-Pferd und Dampfkochtopf mit Mähne. Der ist schon recht kurzluntig und die angebliche Sanftmut des PRE ist an ihm echt vorbeigegangen. Dazu kommt, dass er einfach nicht akzeptieren will, dass er seit sechs Jahren Wallach ist. Aber dafür ist er halt gut erzogen.
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Beitrag von Finchen »

Lektionen ausprobieren wenn man noch übt ist sicher in gewisser Art sinnvoll, eben, man fängt irgendwann ja an. Aber ich glaube zwischen dieser Variante und dem anderen Extrem - Lektionen statt vernünftig woran auch immer zu arbeiten - gibt es viiiel Spiel. :wink:

@Cubano:
ein Pferd das Wert auf korrekte Einwirkung des Reiters legt ist ja durchaus positiv zu bewerten. Eines dass EINE fehlende bzw nicht korrekte Hilfe für Sperenzchen in der beschriebenen Art nutzt ist mMN einfach in dem Punkt rotzefrech. Glaube da gäbe es einige Reiter bei denen Herr Frax auf den Frack bekäme. 8) Denke das kreiert man sich als langjähriger Reiter ja immer auch ein Stück selbst - eben weil man zusammenwächst und auch Arrangements eingeht.
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Beitrag von Cubano »

Finchen: Das möchte ich einem versierten Reiter besser nicht raten, also mein Pferd zu verprügeln.Nicht nur, weil ich ihn dann vom Pferd holen würde, sondern auch, weil mein Pferd wahrscheinlich genau das täte.
Und zu den Kompromissen: Finde ich nicht. Der verwahrende Schenkel ist ein Basiselement in der Reiterei, das man schon beim Jungpferd braucht. Und was zudem im Galopp irre wichtig ist. Das hat Frax einfach von Anfang an so gelernt. Für mich wäre ein Kompromiss, dass ein Pferd auf irgendwelche willkürlich gegebenen Hilfen anspringt. :-)
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Beitrag von grisu »

Cubano hat geschrieben: ...

Und zu den Kompromissen: Finde ich nicht. Der verwahrende Schenkel ist ein Basiselement in der Reiterei, das man schon beim Jungpferd braucht. Und was zudem im Galopp irre wichtig ist. Das hat Frax einfach von Anfang an so gelernt. Für mich wäre ein Kompromiss, dass ein Pferd auf irgendwelche willkürlich gegebenen Hilfen anspringt. :-)
Verwahrender Schenkel beim Galopp sollte da sein: Stimmt, finde ich auch - aber eine "normale" Reaktion wäre es, dass sein "Heck" ein bisschen ausschwenkt, wenn der Schenkel völlig fehlt. Wenn die Reaktion, wie du beschreibst, eine "Bltzwendung aus dem Zirkel linker Hand auf die rechte Hand" ist, ist das schon ziemlich oppositionell - würde ich jetzt einfach mal als weniger gute Arbeitseinstellung empfinden und für ein elfjähriges Pferd noch ziemlich pubertär ...
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