Klassische Ausbilder und ihre Vor- und Nachteile..Diskussion

Rund um die klassische Reitkunst

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*Claudius*
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Beitrag von *Claudius* »

Max1404 hat geschrieben:Claudius, schwerere Fragen kannst Du nicht stellen? :wink:
Ach, ich geb mir Mühe :lol: vllt fällt mir noch was ein

Aber das war doch eine prima Antwort! Zumindest hört sich das nach einem grundsätzlichen Unterschied der beiden an, also was die beiden Lehren unterscheidet.

Mag vllt noch jemand was zu Steinbrecht sagen? Was war seine Grundidee für die Reitkunst?
Auch das unerfahrenste Pferd kann dem besten Reiter noch etwas lehren.
-----------------------------------
Das mir mein Pferd das Liebste sei,
sagst du oh Mensch, sei Sünde.
Das Pferd blieb mir im Sturme treu,
der Mensch nicht mal im Winde.
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Steinbrecht: "Reite Dein Pferd vorwärts und richte es gerade" - der am meisten missverstandene Satz der Reitliteratur (zumindest gefühlt von mir).
Steinbrecht (sein Werk kann man sicherlich als eine der Grundlagen für dei deutschen Schule verstehen) arbeitet von hinten nach vorne, erreicht Gleichgewicht und Hankenbeugung über das Arbeiten im Gang (nicht über Vorwärtsschrubben!). Geraderichtung erfolgt über Seitengänge, das Kapitel zum Schulterherein ist fantastisch!
Steinbrecht schätzte übrigens Newcastle (der den Vorläufer zum SH "erfand") mehr als Gueriniere. Trotzdem bewegt er sich in der Tradition von Gueriniere.

Der Steinbrecht ist einer meiner Lieblinge (und bekommt derzeit schwere Konkurrenz vom Dreyhausen, der sich allerdings in Steinbrecht'scher und Wiener Tradition bewegt)

Bitte erneut um Korrekturen/Ergänzungen! :D
Viele Grüße
Sabine
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horsman
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Beitrag von horsman »

na, na,
nu mal nicht vorschnell die alten vorgefertigten Urteile ansetzen.

Ob und wer nu von vorne nach hinten oder von hinten nach vorne arbeitet ... dazu müßte man erst mal genau erklären, was man damit meint. Ich schätze, dass dieser Ausdruck überhaupt erst viel später "erfunden" wurde.


Nur mal zwei, drei Punkte so in den Raum gestellt:

la Gueriniere hat die Arbeit im Schritt auch sehr betont, und zu Zeiten vor la G. gab es einen seiner Vorgänger in der Versailler Schule, der die Pferde (lt. Aussage l Hotte) beinahe komplett nur im Schritt ausbildete.

auch Steinbrecht spricht von der "Arbeit auf der Stelle"

Steinbrecht zerlegt sein Werk in die Bearbeitung einzelner Körperteile und zumindest von der textlichen Abfolge steht das Genick vor den Hinterbeinen.

Deswegen sag ich ja:
um das mal halbwegs korrekt und unabhängig von den allseits gängig kursierenden Schnellurteilen darzustellen, bedarf es wohl einer Doktorarbeit.
First a relaxed mind, then a relaxed horse.
moreno
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Beitrag von moreno »

horsmän,

für diese Klarstellung ein großes "DANKE".

Ich hatte schon teif eingeatmet und wäre sicher nicht so elegant mit obigem Beitrag umgegangen.

Gruß

Dörr
Reiten sie ihr Pferd glücklich. (N. Oliveira)
Gast

Beitrag von Gast »

moreno hat geschrieben:
Ich hatte schon teif eingeatmet und wäre sicher nicht so elegant mit obigem Beitrag umgegangen.

Das macht nichts. Glücklicherweise kann man davon ausgehen, dass Steinbrecht auch posthum nicht zum Baucheristen wird. Auch wenn manch einer das gerne so sehen möchte :)
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Nun, bei allem Respekt: ich hatte wenigstens den Mut, mal was zu schreiben, auch wenn es zugegebenermaßen sehr einfach und simpel heruntergebrochen ist. Wer meckert, sollte auch bitte beweisen, dass er es besser machen kann! :wink:

Und dann möchte ich Horsmän, dem meine Zusammenfassung offenbar zu simpel war, an sein eigenes Post aus August erinnern, und zwar aus dem "Alte Meister - Sanft oder Grob" Fred:
Ich pers. finde es erstaunlich und faszinierend, wie doch trotz allem Fortschritt und (angeblichen) wissenschaftlich neuen Erkenntnissen (die oft auch nur pseudowissenschaftliche sind), im Grunde immer noch alle Reitlehre auf die drei klass. Gedankensäulen
- de la Gueriniere (Schule der gymn. und versammeln mit Seitengängen)
- Steinbrecht (Schule vom ständigen Vorwärtsimpuls)
- Baucher (Schule von Losgelassenheit durch Gleichgewicht)
Nun frage ich mich nur, wer von uns jetzt mit Allgemeinplätzen um sich wirft ... :boxen:
Viele Grüße
Sabine
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gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

egal wie, ich bin froh um die gemeinplätze - mir hilft dies sehr
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Klara
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Beitrag von Klara »

mir auch :D
LG
Maren
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horsman
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Beitrag von horsman »

Max, hast schon Recht. Will man diese drei grundlegenden Meister mal voneinander abgrenzen, hat man es nicht leicht und kommt erst mal um eine zunächst etwas pauschal anmutende Aussage nicht umhin. Oder eben man verfasst eine 400 Seiten umfassende Doktorarbeit :lol:

Meine von dir noch mal zitierte Einteilung, die in wenigen Worten zwangsläufig etwas grob daher kommt, find ich hier durchaus immer noch passend, und ich finde sie nach wie vor durchaus stimmig.

Aber mit dem Begriff "von hinten nach vorne vs. von vorne nach hinten" steh ich etwas auf Kriegsfuss, weil er allzu oft sehr wertend daher kommt (ersteres ist gut und richtig, zweites ist falsch und schlecht). Dabei seh ich dann Reiter, die vermeintlich von hinten nach vorne reiten, indem sie ihr Pferd auf die Hand treiben, und weils dann vorne immer fester und enger wird immer noch mehr treiben, damit die HH unter kommt usw. Korrekt ?? Warum nehmen sie die Zügel überhaupt auf, wenn sie vorne angeblich nichts beeinflussen wollen??

Überhaupt lässt sich das Pferd nunmal nicht in Einzelteile zerlegen und vorne ist nunmal auch da, ebenso wie hinten. Desweiteren passt dieser Satz wohl auf keine Reitlehre richtig, oder auf jede. Im Grunde auch eher einer dieser bedeutungsschwangeren Allgemeinplätze, mit denen man Eindruck bei Leichtgläubigen schinden kann.

Ich seh durchaus einen Sinn in diesem Ausdruck, jedoch ist es auch einer dieser Ausdrücke, der für sehr viel Unsinn herhalten muss und für viel Unsinn verantwortlich ist.

Sagt man, "Impulsion steht über allem", sagt man m.E. viel mehr. Und ob Baucher die Impulsion weniger im Auge hatte, als Steinbrecht, das seh ich durchaus nicht, zumindest nicht nach der 2. Manier. Stichwort: Autoimpulsion usw ... ein weites, interessantes Feld eben.
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Rosana
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Beitrag von Rosana »

horsmän hat geschrieben:Max, hast schon Recht.
Horsemän ich muss dir einfach mal ein dickes Kompliment machen für deine Diskussionskultur. Es ist so erfrischend, dass jemand einfach mal sagt, "da hast du Recht" und ohne Aggression und sich auf die Füße getreten fühlen, seinen Standpunkt ruhig und sachlich noch mal erklärt. Und das von einem Mann :wink: !
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Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Horsmän, aber das, was Du beschreibst, ist die falsch verstandene Variante von Steinbrecht's Lehre.

Ich wollte auch nichts werten. Es ist nur eine Art, es zu beschreiben, und ich stelle mir dann gerne vor, dass das Pferd eine Waage ist, in deren Mitte der Reiter sitzt. Senkt er das eine Ende der Waage, muss das andere hochgehen, und umgekehrt. Baucher und Steinbrecht arbeiten am unterschiedlichen Ende dieser Waage, Baucher (und auch PK) hebt vorne an, um hinten zu senken (etwas, was in der "deutschen" Reiterei durchaus auch in Form von Aufwärtsparaden beim weiter ausgebildeten Pferd genutzt wird), und Steinbrecht senkt hinten, indem er das Hinterbein heranholt, die Aufrichtung vorne entsteht als logische Konsequenz.

Beides funktioniert - Baucher jedoch nur, wenn man hervorragend reitet. Steinbrecht war klug genug, das zu lehren, was jeder mittelmäßige Schüler nachreiten konnte. Die Feinfühligkeit, das Timing und die Reaktionsschnelligkeit von Baucher kann man nicht erlernen, das ist Talent, das nur sehr wenige haben.

Folglich sind so einige derjenigen, die ihn nur aus dem Buch gelernt haben, kläglich gescheitert (z. B. Beudant und Bacherach, und zuerst auch der Bacherach-Schüler Henriquet, der dann sein reiterliches Ideal in Oliveira fand - und den Weg zurück zu Steinbrecht, der von Oliveira sehr geschätzt wurde, auch wenn er die Stilrichtungen nach Bedarf mischte).

Genau aus diesem Grund finde ich PK sehr interessant, weil er Baucher's System in eine für mittelmäßige Reiter nachreitbare Lehre umgewandelt hat. Das Prinzip Baucher erkennt man u. a. wieder in den Abkau- und Abbiegeübungen, im Einwirken auf die Maulwinkel mittels der hohen Hand (und einer damit verbunden Aufrichtung vorne und dem Leiten des Gleichgewichts mittels dieser Aktion auf die HH). PK vernachlässigt das Vorwärts dabei aber nicht und arbeitet auch junge Pferde von Anfang an in den schwungvollen Gangarten.

Übrigens: Steinbrecht wetterte intensiv gegen die "Rückwärtsschule" von Baucher: "Ich warne daher vor allem, was nur irgend dem Rückwärtssystem zuneigt also besonders vor der Arbeit auf der Stelle und der ohne Reiter." Insofern finde ich meine Beschreibung "von vorne nach hinten" oder "von hinten nach vorne" eigentlich ganz in Ordnung :wink:
Viele Grüße
Sabine
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horsman
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Beitrag von horsman »

@Rosana THX
@Moreno Bitte, gern geschehen :)

nunja, ich denke kategorisch oder falsch weil gefühllos angewandter Baucherismus, führt ebenso in eine Sackgasse, wie kategorisch oder falsch weil gefühllos angewandte Steinbrecht Schule. Das nimmt sich nicht viel :wink: Welche dieser Sachgassen nun schlechters fürs Pferd ist, ich denke auch das nimmt sich nicht viel.

Und es wäre mal interessant zu erfahren, inwieweit Henriquet und Bacharach damals (vor Oliveira) in die Sackgasse geraten sind. Was hat ihnen nicht gefallen, dass sie sich da sahen? Was haben sie konkret gemacht, was haben sie ggf. falsch gemacht, was haben sie danach verändert und was haben sie daraus gelernt? Leider kann ich zu wenig französisch um da in irgendwelchen Texten zu forschen, falls es die überhaupt gibt. Oliveira schrieb selber mal irgendwo (ich glaub im Briefwechsel mit H.) selbstkritisch, bei dem einen oder anderen Pferd, habe er mit den Halsaufrichtungen auch übertrieben. Übertreibung heißt aber nicht, dass der generelle Weg falsch war. Und letztlich hat O. den Baucherimus dann auch nicht verteufelt, sondern hat das gute davon behalten und aus den Fehlern gelernt.

Und nu ist das ja mit Baucher auch so, dass niemand so ganz genau weiß, was der gute Mann denn nu gemacht hat und was nicht. Was entspricht seiner Lehre und was nicht? Was der 1. manier und was der 2. Manier ? Und Racinet sieht den "modernen" Baucherismus (quasi 3. Manier) ja eher in einem offenen Denksystem mit dem einzigen Ziel, in einem feinen Stil und gefühlvoll zu Reiten. Kann ja so falsch auch nicht sein, sich daraüber Gedanken zu machen :wink: Klaro, die Fehler derer, die sich daran versucht haben, muss man nicht noch mal machen. Dennoch gibt es gute Ansätze, die muss man ja nicht ignorieren.

Und eins ist ja auch mal zu erwähnen: ob die derzeitge FN-Lehre der Steinbrecht´schen Lehre wirklich so nahe kommt ??? Und warum werden die Empfehlungen la Guerinieres vielfach auch irgnoriert ???
First a relaxed mind, then a relaxed horse.
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

horsmän hat geschrieben:Und eins ist ja auch mal zu erwähnen: ob die derzeitge FN-Lehre der Steinbrecht´schen Lehre wirklich so nahe kommt ??? Und warum werden die Empfehlungen la Guerinieres vielfach auch irgnoriert ???
Sag ich doch die ganze Zeit! :D

Von Henriquet weiß ich nur, dass er unzufrieden war mit den Ergebnissen der Arbeit mit Bacherach, dass er mit dem "deutschen Weg" im Turniersport nicht glücklich war und dass er nach den runden lebhaften Pferden suchte, die er auf den alten Stichen und Gemälden bewundert hat - und dass er in Oliveira jemanden gefunden hat, der Pferde genau so ritt. Und Oliveira hat gewaltig gegen Bacherach gewettert. Vielleicht müsste man sich mal Fotos aus der Zeit anschauen, um das genauer zu verstehen.

Du weißt, ja, dass ich Baucher äußerst interessant finde. Dennoch muss man sich seinen Lehren mit Bedacht nähern und sofort aufhören, wenn der Vorwärtsimpuls nicht mehr da ist. Und welcher schwächere Reiter spürt wirklich, wann der richtige Moment ist, um wieder umzuschalten? Sehr schwierig ...

PK hat die Lehre stark vereinfacht, seine eigenen Ideen dazu eingebracht und hat sie damit auch für schwächere Reiter anwendbar gemacht. Er wird Baucher in seiner Komplexität damit zwar nicht gerecht, aber sein System ist weniger fehlerbehaftet. Das muss man ihm lassen. Ob seine Schüler gut sind oder nicht? Naja, vielleicht würde sich Steinbrecht auch im Grabe herumdrehen, wenn er wüsste, wie manch einer heute reitet und sich dennoch auf ihn beruft :wink:
Viele Grüße
Sabine
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

moreno hat geschrieben:horsmän,

für diese Klarstellung ein großes "DANKE".

Ich hatte schon teif eingeatmet und wäre sicher nicht so elegant mit obigem Beitrag umgegangen.

Gruß

Dörr
Hm, ist o.g. vielleicht auch der Grund für die noch ausstehende Antwort (ich erinnere gerne an Seite 7... oder ggf. war es Seite 8) zur Definition "Sportreitere"? Ohne diese bleibt da leider auch nur ein Eindruck von Pauschlisierung, die doch hier von vielen sehr engagiert versucht wird zu vermeiden durch ausführliche und detaillierte Kommentare.

Gruß,

Silke
esge
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Beitrag von esge »

horsmän hat geschrieben:
Überhaupt lässt sich das Pferd nunmal nicht in Einzelteile zerlegen und vorne ist nunmal auch da, ebenso wie hinten.
Das finde ich einen sehr entscheidenden Satz.
Seien wir froh, dass wir die relativ extrem diametral verschiedenen Ansätze a la Steinbrecht und Baucher haben. für das eine Pferd passt das eine besser, für das andere, das andere. Wohl dem, der möglichst viel in seiner Werkzeugkiste hat. Warum, warum, warum muss da immer eine wertende Diskussion draus werden? Mal sehr salopp gesagt: Wer geschickt baucheristisch balancieren kann und schwungvoll steinbrecht'sch vorwärts reitet ist sicher kein schlechter Reiter.
Im übrigen würde man Steinbrecht nicht gerecht, würde man ihn nur auf das "vorwärts" reduzieren.
Das derzeitige goldene Kalb der Turnierreiterei hat weder mit dem einen noch mit dem anderen was zu tun.
Loslassen hilft
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