Paul Plinzner: Ein Beitrag zur praktischen Pferdedressur

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Moderator: Josatianma

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Josatianma
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Paul Plinzner: Ein Beitrag zur praktischen Pferdedressur

Beitrag von Josatianma »

Paul Plinzner: Ein Beitrag zur praktischen Pferdedressur

Gebundene Ausgabe: 370 Seiten
Verlag: Olms; Auflage: Reprint der Ausgabe Stendal 1879. (Juni 2007)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3487084414
ISBN-13: 978-3487084411


Der Name Paul Plinzner ist den meisten im Zusammenhang des Buches „Das Gymnasium des Pferdes“ von Gustav Steinbrecht ein Begriff. Doch Plinzner hat nicht nur die gesammelten Unterlagen von Herrn Steinbrecht in eine druckbare Form gebracht, sondern auch selbst Werke über seine Arbeit mit den Pferden verfasst. In Rahmen der Documenta Hippologica wurden vom Olms-Verlag einige seiner Schriften neu aufgelegt. Dazu gehört die Zusammenfassung von drei Schriften Plinzners: „Ein Beitrag zur praktischen Pferde-Dressur“, „Wie ist die Beizäumung des Pferdes zu gewinnen und zu erhalten“ und „Aus meinem Leben“ zu einem Buch. Der Reprint der Bücher erfolgt in altdeutscher Schrift, in die man sich recht schnell einliest.

Im ersten Buch „Ein Beitrag zur praktischen Pferdedressur“ geht Plinzner auf den Wert einzelner Übungen aus der Schulreiterei für die Ausbildung des Gebrauchspferdes ein. Es werden lange Sequenzen aus Guérinière’s „Ecole de Cavalerie“ übersetzt zitiert und anschließend die Einsatzmöglichkeit und Zweckhaftigkeit für die Ausbildung des Gebrauchspferdes diskutiert. Dieses erste größere Werk von Plinzner ist für die Anhänger aller unterschiedlichen Richtungen der Klassik durchaus lesenswert, wobei er sich zur damaligen Zeit durch das letzte Kapitel „Ideen über die Möglichkeit einer sorgfältigen Ausbildung des Pferdematerials der Cavalerie u.f.w“ sicherlich die ersten Feinde gemacht haben dürfte.

Das zweite Buch „Wie ist die Beizäumung des Pferdes zu gewinnen und zu erhalten“ birgt damals wie heute sicherlich ein großes Diskussionspotential. Die zum heutigen Zeitpunkt von internationalen Größen wie Anky van Grunsven und Isabell Werth ausgeübte Methode des „deep and round“ ist der von Plinzner verfochtenen „unbedingten Beizäumung“ gleichzusetzen. Etwas schmunzeln musste ich, als ich später im Rückblick auf sein Leben las, dass Plinzner seine Methode zu einem späteren Zeitpunkt umgetauft hat. Ähnlich wie die Rollkur nach einem großen Protest in Hyperflexion umgetauft wurde. Diese „Namensänderung“ hatte bei Plinzner einen ähnlichen Hintergrund wie bei der FEI: Das System sollte für die Kritiker annehmbarer gemacht werden.

In seinem Buch über die Beizäumung erklärt Plinzner seine Methode sehr klar. Bei einigen Aussagen, vor allem aber bei „Wenn es in der Arbeit des „aktiven Beizäumens“, namentlich, wo es sich darum handelt, in falschen Formen veraltete Muskeln zu biegen und geschmeidig zu machen, Perioden giebt, wo der Reiter keinen Tag ohne Blut an den Sporen vom Pferde steigt, ...“ (S. 42) muss ich doch schon schwer schlucken. Dieses Buch „falsch“ gelesen gibt vielen Reitern den Freifahrtschein für manche Quälerei. Aber Paul Plinzner beschreibt auch das „leichte Reiten“: „Es muß dahin gelangen, dass es nur noch einer Andeutung mit Sporn und Hand bedarf, um das Pferd zur Annahme der „unbedingten Beizäumung“ zu veranlassen in dem Moment, wo der Reiter seinen Rücken stärker belastet, so dass man schließlich sagen kann, dass ein vermehrtes Vorschieben der Mittelpositur und Zurücknehmen des Oberkörpers allein schon im Sinne einer beizäumenden Hilfe wirkt“ (S. 40).

Das dritte Buch „Aus meinem Leben“ ist jedoch kein wirklicher Rückblick auf das Leben von Paul Plinzner, sondern eher ein Lamentieren über seine Nichtbeachtung bzw. Ablehnung durch die Militärreiter und eine Verteidigung seines Systems. Einzig das letzte Kapitel des Buches: „Das Prinzip der absoluten Einstellung in der Geschichte der Reitkunst“ ist noch mal relativ interessant, da Plinzner hier die Quellen seines Systems anführt: Newcastle und Baucher. Baucher ist sicherlich doch eine Überraschung, aber Plinzner hat in den „Méthode d’équitation“ von Baucher sein Goldkorn gefunden.

Da Plinzner in diesem Buch auch auf seine bis dato erschienene Literatur eingeht, wurde ich an einer Stelle jedoch stutzig. Im vierten Kapitel „Fühlbare Abnahme meiner Popularität. – Letzte literatische Erfolge. – Rücktritt aus dem Amte. – Mein verehrter langjähriger Chef“ geht er auf die Neubearbeitung des „Gymnasiums“ ein: „Insbesondere lies ich mir angelegen sein, die Unstimmigkeit zu beseitigen, welche zwischen dem Steinbrechtschen Prinzip einer Biegung des Hinterfußes genau angepassten Aufrichtung der Vorhand mit meinem eigenen Prinzip der Hankenarbeit in „unbedingter Beizäumung am Zügel“ vielleicht gefunden werden konnte, indem ich die zweifellose Wahrheit, dass es nicht die aufrichtende Hand des Reiters, sondern die gebogen untertretende Nachhand des Pferdes ist, welche der Vorhand den Aufrichtungsgrad anweist, in dem das Pferd sich wirklich selbständig tragen kann, noch mehr hervorhob. Ich konnte dies sehr wohl tun, ohne die Steinbrechtsche Eigenart des Buches irgendwie zu schädigen, ...“. Wie nahe ist das „Gymnasium“ nach der Neubearbeitung durch Plinzner noch an der der Arbeit von Steinbrecht?

Genauso wie Bauchers System bis heute Anhänger und Kritiker gefunden hat, tut dies auch das System vom Plinzner. Sinnvoll und wichtig ist es, bevor man das eine oder andere kritisiert, sich damit zu befassen, um dann eventuell auch ein „Goldkorn“ zu finden oder durch stichhaltige Argumente seine Ablehnung auch begründen zu können. Durch die Neuauflage dieser drei Werke von Plinzner durch den Olms-Verlag ist jedem die Möglichkeit gegeben. Ich habe diese Bücher mit großem Interesse gelesen und kann nur jedem, der sich umfassend mit der klassischen Reitweise beschäftigen möchte, empfehlen dies auch zu tun.
Liebe Grüße, Sabine

Ideale sind wie Sterne, man kann sie nicht erreichen, aber man kann sich an ihnen orientieren

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horsman
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Beitrag von horsman »

sehr schön recherchiert und berichtet !
hört sich nicht uninteressant an.
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glovedrider
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Beitrag von glovedrider »

Plinzner hat ja auch gebeten sein eigenes Reiten nicht als Maßstab zu nehmen. Leider hatte er selbst sich in seiner Methode verrant.
Das von ihm geschriebene klingt meist eigentlich ganz logisch.
Wenn mann nun Bilder von ihm zu Pferde heranzieht,
dann geht es einem da wie bei Fillis und Baucher. Andererseits distanzieren sich die Franzosen nicht von ihrem dort gezeigtem Reiten.
Bei Baucher gabs späte Reue, die aber von seinen heutigen Anhängern
nicht oder nur unzureichend wahrgenommen wird. Auch war sein Unterricht anders als in seinen Büchern beschrieben.
Fillis war nach Aussagen deutscher Experten ein sehr begabter Reitlehrer , dessen Lehren noch bis in die 1970er Jahre zu olympischen Erfolgen führte. a
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Ursula Reeber-Isariuk
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Re: Paul Plinzner: Ein Beitrag zur praktischen Pferdedressur

Beitrag von Ursula Reeber-Isariuk »

Josatianma hat geschrieben:Paul Plinzner: Ein Beitrag zur praktischen Pferdedressur


...


... – Mein verehrter langjähriger Chef“ geht er auf die Neubearbeitung des „Gymnasiums“ ein: „Insbesondere lies ich mir angelegen sein, die Unstimmigkeit zu beseitigen, welche zwischen dem Steinbrechtschen Prinzip einer Biegung des Hinterfußes genau angepassten Aufrichtung der Vorhand mit meinem eigenen Prinzip der Hankenarbeit in „unbedingter Beizäumung am Zügel“ vielleicht gefunden werden konnte, indem ich die zweifellose Wahrheit, dass es nicht die aufrichtende Hand des Reiters, sondern die gebogen untertretende Nachhand des Pferdes ist, welche der Vorhand den Aufrichtungsgrad anweist, in dem das Pferd sich wirklich selbständig tragen kann, noch mehr hervorhob. Ich konnte dies sehr wohl tun, ohne die Steinbrechtsche Eigenart des Buches irgendwie zu schädigen, ...“. Wie nahe ist das „Gymnasium“ nach der Neubearbeitung durch Plinzner noch an der der Arbeit von Steinbrecht?
Zur Zeit habe ich "Auf dem falschen Fuß" von Racinet in der Mache. Dieser geht davon aus, dass die Aufrichtung weniger aus den Hanken, als vielmehr aus dem Winkel zwischen Schulter und Oberarm kommt. Dies kann man sehr gut in diesem Video stehen: http://www.youtube.com/watch?v=XiqfhHH5v5c
Ich bin Plinzner nicht böse, wenn er dies bei Steinbrecht korrigierte.

Zur Zeit Plinzners scheint die Schulung der Pferde verlorengegangen zu sein, er beklagt die Einstellung seiner Zeitgenossen, welche wohl nach dem Motto: "Kandare in's Maus und los gehts" ritten.
Ich kann mir gut vorstellen, dass er es mit vielen hirschhälsigen Pferde, welche den Rücken wegdrücken, zu tun hatte.

Ich glaube nicht, dass die "Macher" der Rollkur Plinzner gelesen haben und sich nun darauf berufen. Diese Art der Tierquälerei haben sie sich ganz alleine ausgedacht. Francios Robinchon de la Guérinière beschreibt, wie schwer es ist, ein solches Pferd wieder richtig reitbar zu machen, und Plinzner wusste als Fan und Leser von ihm das mit Sicherheit ebenfalls.

Bitte nicht missverstehen, ich möchte hier keine Lanze für das Reiten mit starker "Anlehnung" brechen, ich selber habe im letzten Jahrtausend, so kurz nach Anbeginn der Zeit gelernt, dass die "Anlehnung" allein durch das Gewicht der Zügel erreicht werden kann. Und dass man dazu nicht den permanenten Einsatz der Schenkel/Sporen benötigt, sondern nur den richtigen Sitz.

Doch ich kann mich nur anschließen: die Bücher von Plinzner zu lesen lohnt sich.
Aufnahme der alten Pfade und doch Beginn einer neuen Reise.
Gast

Beitrag von Gast »

Editiert, da die darin geäußerte Meinung nicht dem allgemeinen Konsens dieses Forums entspricht!
Zuletzt geändert von Gast am Mi, 03. Apr 2013 12:36, insgesamt 1-mal geändert.
horsman
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Beitrag von horsman »

naja, das einhändige Reiten, war auch zu Zeiten la G. nicht unüblich. da brauchts keinen Kaiser Wilhelm für. Wahrscheinlich war er an sich im Sattel kein grosser Held (den Wilhelm meine ich) :wink:
First a relaxed mind, then a relaxed horse.
Gast

Beitrag von Gast »

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