Anspruch und Wirklichkeit

Rund um die klassische Reitkunst

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minou
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Beitrag von minou »

Ich war mal zur Generalprobe für die letzte Gala in Waal eingeladen worden. Reiterlich hat mir eigentlich nix gefallen. Zum Schluß jedoch ritt Oliveira mit einem Hengst Lektionen wie man sie vermutlich nur im Stierkampf braucht....und das war einfach nur genial!!!! Gänsehaut pur. Unglaublich, was man aus einem Pferd rausholen kann. Der Mann ist genial, keine Frage. Wenn man das sieht, versteht man auch, warum die Pferde unter Strom stehen müssen.
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Indem uns das Pferd sein Vertrauen schenkt, fordert es uns zu einer disziplinierten Reitweise auf. Charles de Kunffy
Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Ja, aber wozu?

Ein Bekannter von mir hat mal ein Pferd von Oliveira gekauft und hat erstmal ein Jahr gebraucht, bis das Tier einigermaßen alltagstauglich in erkennbaren GGA zu reiten war.

Von daher hat esge sicher recht und es macht einfach nicht so richtig viel Sinn, da als schönreitenwollender Freizi hinzugehen oder vergeblich auf ästhetische Bilder zu hoffen. Wenn ich ein Fahrsicherheitstraining für sinnvoll halte, lass ich mich ja auch nicht auf dem Nürburgring in einen Boliden schnallen.
Puppa99
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Beitrag von Puppa99 »

Manchmal geht es auch umgekehrt: Ich verfolge gerade auf Clip my horse eine Prix St. George Prüfung beim Balve Optimum und muss nach etwa fünf Paaren, die ich jetzt gesehen habe, sagen: ich bin positiv überrascht! :)

Das hat natürlich weniger mit "Anspruch und Wirklichkeit" zu tun als mit "Erwartungshaltung und Wirklichkeit", aber ich wollte mal was positives vermelden. :wink:

Die Pferde liefen größtenteils an der Senkrechten, keine durchfallenden Kandaren, ziemlich korrekte Ausführung der Lektionen, Trabverstärkungen mit aktiver Hinterhand und normal aussehnder Vorhand, sogar Piaffen mit hohem Genick und ohne hüpfende Kruppe gab es zu sehen! Ich freue mich über sowas immer total, nicht nur, weil es für mich schöner anzusehen ist als geknebelte Tiere, sondern weil ich die Hoffnung habe, dass dann wieder ein paar mehr Reiter umdenken, weil sie in der Öffentlichkeit besseres Reiten sehen.
Und wenn bei großen Turnieren so geritten wird, hat ja vielleicht schon ein Umdenken, vor allem auch bei den jüngeren Reitern, stattgefunden.
Puppa99
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Beitrag von Puppa99 »

Leider kamen danach auch noch weniger schöne und korrekte Ritte, womit wir doch wieder beim Thread-Titel wären... :(
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Colloid
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Beitrag von Colloid »

grisu hat geschrieben: mmh, vielleicht reitet er ja deswegen vorne weg ... Dann muss er sich es nicht anschauen Cool
:mrgreen:
Wäre ja nur verständich...
:engel:
Josatianma hat geschrieben:...Die Sequenzen in der Quadrille sind extrem schlecht zu erkennen, aber wenn in der Friesenquadrille, in der ich einige Zeit mitgeritten bin, einer sein Pferd trotz Kandare so durch die Gegend hätte hirschen lassen, hätte es eine Ansage gegeben. Man mag es aber positiv sehen können, dass die Reiterin ihr Pferd nicht mit der Kandare knebelt...

Ich finde das positiv, ich gehöre aber auch zu den wenigen, seltsamen Leuten, denen es lieber ist, WENN der Reiter in der Situation (shit happens) grade überfordert ist und das Pferd nicht an den Zügel geritten bekommt, das Pferd hirschen zu lassen, als ihm mit der Kandare die Nase ranzuziehen. Lieber Badewanne mit Hirsch, als Badewanne mit Kragen. Denn: Die Nase ändert nix an der Badewanne.
minou hat geschrieben: Zum Schluß jedoch ritt Oliveira mit einem Hengst Lektionen wie man sie vermutlich nur im Stierkampf braucht....und das war einfach nur genial!!!! Gänsehaut pur. Unglaublich, was man aus einem Pferd rausholen kann. Der Mann ist genial, keine Frage. Wenn man das sieht, versteht man auch, warum die Pferde unter Strom stehen müssen.
Der Mann ist halt einfach Stierkämpfer. Und auch wenn aus den deutschen Freizeithanseln (da zähl ich mich dazu - nur so zur Info ;) ) bestimmt keine Rejoneadores machen möchte, sein Verständnis von Dynamik und Energie wird da bestimmt mit einfließen. Das das "knirscht" kann ich mir lebhaft vorstellen.
Aber grade aus einer "deutschen" Perspektive heraus finde ich es vermessen ihm mangelndes Können zu unterstellen.
"Sein" Marketing muss mir ja nicht gefallen... :roll:
Und es gibt weisgott noch weitaus mehr Ausbilder mit und ohne Anführungszeichen mit Hofstaat bzw. Harem *hust* ... denen das zu Kopf steigt...
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Beitrag von grisu »

Colloid hat geschrieben:
Josatianma hat geschrieben:...Die Sequenzen in der Quadrille sind extrem schlecht zu erkennen, aber wenn in der Friesenquadrille, in der ich einige Zeit mitgeritten bin, einer sein Pferd trotz Kandare so durch die Gegend hätte hirschen lassen, hätte es eine Ansage gegeben. Man mag es aber positiv sehen können, dass die Reiterin ihr Pferd nicht mit der Kandare knebelt...

Ich finde das positiv, ich gehöre aber auch zu den wenigen, seltsamen Leuten, denen es lieber ist, WENN der Reiter in der Situation (shit happens) grade überfordert ist und das Pferd nicht an den Zügel geritten bekommt, das Pferd hirschen zu lassen, als ihm mit der Kandare die Nase ranzuziehen. Lieber Badewanne mit Hirsch, als Badewanne mit Kragen. Denn: Die Nase ändert nix an der Badewanne.
Da hast du grundsätzlich Recht. Aber in diesem Fall ist es nicht einfach eine Shit-happens-Situation. Eigentlich sollte ja Kandarenreife bei Pferd und Reiter gegeben sein sollte, bevor man überhaupt anfängt damit zu reiten - und auf jeden Fall, bevor man damit öffentlich auftritt ...
Colloid hat geschrieben:
minou hat geschrieben: Zum Schluß jedoch ritt Oliveira mit einem Hengst Lektionen wie man sie vermutlich nur im Stierkampf braucht....und das war einfach nur genial!!!! Gänsehaut pur. Unglaublich, was man aus einem Pferd rausholen kann. Der Mann ist genial, keine Frage. Wenn man das sieht, versteht man auch, warum die Pferde unter Strom stehen müssen.
Der Mann ist halt einfach Stierkämpfer. Und auch wenn aus den deutschen Freizeithanseln (da zähl ich mich dazu - nur so zur Info ;) ) bestimmt keine Rejoneadores machen möchte, sein Verständnis von Dynamik und Energie wird da bestimmt mit einfließen. Das das "knirscht" kann ich mir lebhaft vorstellen.
Aber grade aus einer "deutschen" Perspektive heraus finde ich es vermessen ihm mangelndes Können zu unterstellen.
"Sein" Marketing muss mir ja nicht gefallen... :roll:
Und es gibt weisgott noch weitaus mehr Ausbilder mit und ohne Anführungszeichen mit Hofstaat bzw. Harem *hust* ... denen das zu Kopf steigt...
Unterstelle ich ihm nicht. Ich finde nur meinerseits diese unglaubliche Selbstdarstellung als einzig existierender guter Ausbilder vermessen, wenn man sich vor diesem Hintergrund dieses Filmchen mit den reiterlichen Ergebnissen eben dieser Ausbildung anschaut - das hat schon lächerliche Züge.
xelape

Beitrag von xelape »

Zu Waal kann ich ganz subjektiv berichten.
Eva Steinbach gibt genialen Unterricht - und es macht riesig Spaß bei Ihr.
Die "Schulpferde", zumindest die die ich bist dato geritten bin, sind alles sehr flotte Lusis die sehr gut ausgebildet sind. Aus meiner Sicht wirklich, wirklich fein geritten, keine Selbstläufer aber wenn man in der Lage ist viel über den Sitz zu reiten - kommt man gut klar.
Wäre ich reicher und hätte mehr Zeit, würde ich sehr viel öfter dort reiten wollen. Ich lerne jedes Mal sehr viel für mich und meine Reiterei.

In einigen Gesprächen komme ich zur gleichen Erkenntnis wie esge dass Hr Oliviera genial sein muss, und Lösungen findet und Ideen hat auf die viele andere nicht kommen. Dass die Pferde sehr elektrisch und hochbeweglich sind, das ist sein Wunsch und Ziel denn das braucht er für den Stierkampf.
Inwieweit der Otto Normalverbraucher das umsetzen kann und will, kann ich nicht beurteilen.

Von der Dauergruppe höre ich, dass es extrem aufwändig ist und er wirklich auf kleinste Kleinigkeiten achtet, erklärt, Exteriereur, Interieur, Biomechanik.. sehr viel Theorie und wenig reiten.. zu Beginn. Auch mal nur geführt Schritt reiten und fühlen usw.
Ganz allgemein:
Die Preise sind extrem hoch, Frau Sonntag hat einen guten Geschäftssinn, und ich kann den Hut ziehen, davor was Sie das auf die Beine gestellt hat. Auch Ihre Promotion für Herrn Heuschmann hat doch viel bewirkt in Reiterkreisen.
Nichtsdestotrotz freue ich mich, wenn Sie nicht vor Ort ist wenn ich reite. :wink:
Öffentliche Veranstaltungen dort werde ich nicht besuchen, ich bleibe bei meinen ruhigen Reitstunden und geniesse :P
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Colloid
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Beitrag von Colloid »

grisu hat geschrieben:Da hast du grundsätzlich Recht. Aber in diesem Fall ist es nicht einfach eine Shit-happens-Situation. Eigentlich sollte ja Kandarenreife bei Pferd und Reiter gegeben sein sollte, bevor man überhaupt anfängt damit zu reiten - und auf jeden Fall, bevor man damit öffentlich auftritt ...
Theoretisch... ;)
Da sind wir derselben Meinung, aber, wenn die Damen da nun mit Kandare reiten, dann ist es zumindest mal ein Teil der Kandarenreife, nicht daran zu ziehen, damit es besser aussieht.
Unterstelle ich ihm nicht. Ich finde nur meinerseits diese unglaubliche Selbstdarstellung als einzig existierender guter Ausbilder vermessen, wenn man sich vor diesem Hintergrund dieses Filmchen mit den reiterlichen Ergebnissen eben dieser Ausbildung anschaut - das hat schon lächerliche Züge.
Du warst damit nicht gemeint.
Und es gibt auch noch mehr tolle Ausbilder, deren Schüler weiß gott kein so tolles Bild abliefern. Diese wirklich guten Reiter (die mit dem Zentaureneffekt) sind das aufgrund ihres Gefühls (oder "goldenem Hintern", oder wie immer du es nennen willst) und das lässt sich verd***t schlecht vermitteln....
@Xelape: Danke für deine Einschätzung. Da Herr Oliveira fast ausschließlich über den Sitz reitet, würde ich davon ausgehen, daß von ihm ausgebildete Pferde auch nur entsprechend nachgeritten werden können, was nicht unbedingt trivial ist und wenn's Reiterlein aufgeregt ist wirklich schwierig. Ich habe hier eine Ausbilderin, die ihre Pferde fast ausschließlich mit starkem Sitz reitet, an Schenkel und Zügel sind sie eher taub. Ohne Sitz wird da schon die Lenkung schwierig...
AufTrab
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Beitrag von AufTrab »

CurlyMangas hat geschrieben:Das habe ich in Bückeburg auch erlebt. Eine Freiheitsdressur klappt so gar nicht. Das Pferd tobte sich in der Halle aus und Frau Krischke konnte seine Aufmerksamkeit nicht auf sich lenken. Sie versuchte zwischen durch immer wieder ihn zu sich zu holen. An diesem Tag hat es nicht geklappt und so blieb es dabei. Ich fand das auch sehr sympathisch!
Und das, wo doch laut I.Sonntag alle öffentlich zugänglichen Hofreitschulen Tierquälerei praktizieren... (auf der Homepage des Piaffe-Magazins steht ein öffentlicher Brief an ihre Kritiker).

So ein Quatsch! Habe gerade das Buch "Du entscheidest" von Frau Krischke am Wickel und habe selten so etwas pferdegerechtes gelesen.

Das Video vom Olivera finde ich dagegen abschreckend, da ich dort einen Massenbetrieb sehe, in dem ebenso wie im verteufelten FN-Betrieb der Ehrgeiz des Menschen das Bild dominiert. Schade, denn der Meister kann es sicher besser. Aber irgendwie ist er in eine Vermarktungsmühle geraten, die seine Reitlehre vielleicht jetzt zu unansehnlichen Bröseln verkleinert. :wink:
Puppa99
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Beitrag von Puppa99 »

AufTrab hat geschrieben:
CurlyMangas hat geschrieben:Das habe ich in Bückeburg auch erlebt. Eine Freiheitsdressur klappt so gar nicht. Das Pferd tobte sich in der Halle aus und Frau Krischke konnte seine Aufmerksamkeit nicht auf sich lenken. Sie versuchte zwischen durch immer wieder ihn zu sich zu holen. An diesem Tag hat es nicht geklappt und so blieb es dabei. Ich fand das auch sehr sympathisch!
Und das, wo doch laut I.Sonntag alle öffentlich zugänglichen Hofreitschulen Tierquälerei praktizieren... (auf der Homepage des Piaffe-Magazins steht ein öffentlicher Brief an ihre Kritiker).
Bei solchen Aussagen werde ich auch immer ganz kribbelig. Man kann doch gern mit den Fähigkeiten des Herrn Oliveira werben, aber immer, wenn jemand so zum Rundumschlag ausholt und dann noch andere Leute der Tierquälerei bezichtigt, denkt man sich doch: ja, klar. In meinen Augen disqualifiziert sich derjenige, der diese Aussage macht, weil ihm/ihr die Argumente ausgehen.

Natürlich gibt es in den Hofreitschulen nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen, und gerade die Bilder aus Wien finde ich sehr beunruhigend. Da kann man mit Sicherheit auch schon von Quälerei sprechen. Aber das kann ich doch nicht als Argument liefern, warum die eigene Institution so toll ist??? Nach dem Motto: wir sind spitze, weil der Rest grottig ist?
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

das ist doch aber ganz normales Verhalten : der-/diejenige , der/die es weiß, ist Gott, alle anderen Deppen !
Kenne ich jetzt in allen möglichen Varianten von allen möglichen Ausbildern und auch Ausbilderinnen. Mal sympathischer, mal unsympathischer verpackt. Je nach Ausprägung des absolutären Momentes und der persönlichen Färbung der Aussagen.
:wink:

Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass enorm viele Reiter eigentlich eine Religion brauchen, einen der ihnen sagt, was richtig und was falsch ist und was wie gehört...
bewahre, dass man selber denkt, sich eine Meinung bildet und dann am Ende durch neue Erkenntnisse revidieren muss.... :kopfkratz: :shock:

Die Gutmenschtümelei ist ja gerade in Kreisen der Tierhalter sehr weit verbreitet- habe ich auch mal eine ganze Zeit lang gepflegt :oops: . GsD. wird man ja mit den Jahren (meist) klüger. :lol:

Wenn Leute verzweifelt folgen wollen, sind natürlich Tür und Tor offen, für jemanden, der führen will....

War das jetzt zu fülosofisch ??? :wink: :lol: :lol:
Kiruna Karmina
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Beitrag von Kiruna Karmina »

Nee, eine klare Zustandsbeschreibung heutiger Denke.
Ulrike
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Beitrag von Ulrike »

saltandpepper hat geschrieben:
Die Gutmenschtümelei

Dies ist ein Wort, das aus jedermanns Vokabular gestrichen werden könnte, es sagt nichts aus.
Nichts, worüber man/frau sich unterhalten könnte.

LG Ulrike
Wuschel

Beitrag von Wuschel »

Den Satz mit der Gutmenschtümelei hab ich auch nicht verstanden :)
Viel liegt auch daran, dass das Stellen passender Fragen nicht gelehrt wird bzw bei den Kindern nicht gefördert wird, sondern dass man sich das mühselig selbst erarbeiten muss falls man es zu brauchen meint.
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Ulrike, das Wort bedeutet für mich und viele, mit denen ich mich verbal austausche, das Vorgeben, ein in moralisch-ethischer Hinsicht ein "besserer Mensch" zu sein. Gerne in Zusammenhang mit gesünderes Reiten, gewaltfreieres Reiten usw. .
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