Trageerschoepfung- was soll das sein?

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Ulrike
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Trageerschoepfung- was soll das sein?

Beitrag von Ulrike »

Guten Morgen,


es geistert ein neuer Begriff durch das Forum, den ich gerne mal von "Fachseitens" definiert bekommen möchte.

Der Geist heisst "Trageerschöpfung".
Mein Rechtschreibprogramm erbittet auch eine Definition, es will mir immer "Frageerschöpfung" vorschreiben. Die liegt aber nicht vor... 8)

Bitte, wie definiert sich dieser Begriff und wie kann ich das in der Praxis erkennen?

Ist es ein neues Modewort? mit altem Begriff dahinter?


LG Ulrike
grisu
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Beitrag von grisu »

Den Begriff gibt es schon länger (mind. seit 2010). Hier ist ein gute Erklärung:

http://www.wege-zum-pferd.de/2011/09/27 ... fte-pferd/
sinsa
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Beitrag von sinsa »

Jaja. die Trageerschöpfung :roll: Geht doch nichts über einen malerischen Namen für eine große Menge an Symptomen, die tausenderlei Ursachen haben können.
Klingt auch gleich sehr viel besser, als wenn man einfach z.B. sagt: " Schon mal was von einem Sattler/Hufbearbeiter/Reitlehrer/Zahnarzt/etc. ... gehört?"
grisu
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Beitrag von grisu »

sinsa hat geschrieben:Jaja. die Trageerschöpfung :roll: Geht doch nichts über einen malerischen Namen für eine große Menge an Symptomen, die tausenderlei Ursachen haben können.
Klingt auch gleich sehr viel besser, als wenn man einfach z.B. sagt: " Schon mal was von einem Sattler/Hufbearbeiter/Reitlehrer/Zahnarzt/etc. ... gehört?"
Finde ich eigentlich nicht, denn es nennt das Problem beim Namen, das aufgrund schlechter Rahmenbedingungen (unpassender Sattel, falsche Reiterei, schlechte Haltung) entsteht - das Pferd ist durch das Tragen eines Reiters durch längeren Einsatz der falschen Muskulatur überlastet.
Mit dem Wort "Erschöpfung" ist unmissverständlich klar, dass das Pferd nicht mehr kann und ein Herumdoktern an einzelnen Symptomen nicht weiterhilft.
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Na ja, mir geht es da ein wenig wie Sinsa…
Warum um Himmels Willen kann man nicht einfach sagen: Du reitest schlecht, der Sattel passt nicht, Dein Pferd ist schlecht ausgebildet?!
Dazu kommt, dass die Ursachen für die ominöse Trageerschöpfung laut des von Grisu eingestellten links ausgesprochen diffus sind … das kann alles oder nix sein. Diagnostik geht irgendwie anders. :P
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Juniperus
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Beitrag von Juniperus »

Ich sehe es eher wie Grisu und ich finde es auch gut, einen so plakativen Namen zu haben, der auch einem Halblaien klar macht, dass hier was deutlich im Argen ist.
Die Ursachen für eine Trageerschöpfung mögen vielfältig sein, aber das Ergebnis ist (auch körperlich) eindeutig: das Pferd ist eigentlich nicht mehr in der Lage, den Reiter ohne Schaden zu nehmen, zu tragen.

Wobei ich finde, dass wenn man sich mit Biomechanik beschäftigt, das Thema Trageerschöpfung so naheliegend ist, dass man sich eher wundert, dass es nicht schon früher benannt wurde...
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Der Begriff ist ein Fachbergriff der Pferdephysiotherapie.
Ob der sich nun für Leien nach diesem oder jenem anhört, ist dabei relativ wurscht. Er umfasst klare Eckpunkte und definiert einen bestimmten körperlichen Zustand. Die Ursachen dafür können mannigfaltig sein, das Resultat ist jedoch mit diesem Begriff eindeutig benannt.
Man kann auch über den Begriff "Primzahl" in der Mathematik streiten, indem man einen kausalen Zusammenhang zu Kautabak herstellt. :lol:
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

als Anschauungsmaterial kann dieses Bild dienen :
http://www.klassikreiten.de/viewtopic.p ... 05&start=0

Dieser Wallach ist ein Paradebeispiel für diesen Begriff.
Kiruna Karmina
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Beitrag von Kiruna Karmina »

Ich finde es sinnvoll, einen passenden und plakativen Begriff für dieses in Grisus Link (http://www.wege-zum-pferd.de/2011/09/27 ... fte-pferd/) so anschaulich beschriebene sehr typische Geschehen zu verwenden.
Ich kenne jemanden, der glaubt, gut zu reiten und seinen Pferden einen Gefallen damit zu tun, mehrmals in der Woche einige zig km durchs Gelände zu zockeln. Gymnastizierende Arbeit nebenher: Fehlanzeige.
Wichtig ist ihm die Kilometerleistung und die Zeit, die er auf dem Pferderücken verbringt. Dschingis Khan lässt grüßen. Dabei ist er nicht gerade ein Leichtgewicht.
Nach einer Weile entwickelt wirklich jedes seiner Pferde den typischen hoch emporragenden Widerrist mit den Kuhlen dahinter und einen Hängerücken. Einen passenden Sattel zu finden, wird immer schwieriger. Aber wenn das geklappt hat, meint er, nun sei ja alles gut.
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Gawan
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Beitrag von Gawan »

Im Blog von Maren Diehl geht es u.a. um das Thema Trageerschöpfung: http://die-pferde-sind-nicht-das-proble ... rschöpfung (wegen des ös klappt der Link nicht richtig, also entweder den ganzen Link "von Hand" kopieren und in einem neuen Fenster einsetzen oder http://die-pferde-sind-nicht-das-problem.blogspot.ch anklicken, und dann im Blog nach Trageerschöpfung suchen)
Ihr Buch "Die Pferde sind nicht das Problem", in dem es ebenfalls um dieses Thema geht, hat einen etwas "esoterischen" Touch, ist aber sehr anregend zu lesen.
Um zu verstehen, wie man gegen die Trageerschöpfung vorgehen kann, fand ich die biomechanischen Erklärungen in Stefan Stammers "Das Pferd in positiver Spannung" sehr hilfreich. Das Buch wurde hier im Forum besprochen http://www.klassikreiten.de/viewtopic.p ... 181#370181
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Kiruna Karmina hat geschrieben:Ich finde es sinnvoll, einen passenden und plakativen Begriff für dieses in Grisus Link (http://www.wege-zum-pferd.de/2011/09/27 ... fte-pferd/) so anschaulich beschriebene sehr typische Geschehen zu verwenden.
Genau da setzt aber meine Kritik an: Es wird aus dem Link nun m.E. nicht klar ersichtlich, worin die Ursachen für Trageerschöpfung nun liegen. Von Sattel über Reiten bis Haltung ist alles dabei. Und mir persönlich ist das einfach zu wischiwaschi formuliert, sorry. Merkt man übrigens auch an dieser Diskussion, wo die Trageerschöpfung primär als reiterliches Problem gesehen wird (was ich übrigens unterschreibe). Genau das drückt der Link aber nicht aus, sondern gibt gleich eine Vielzahl von Gründen an. Das ist mir schlicht zu beliebig.
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grisu
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Beitrag von grisu »

Cubano hat geschrieben:
Kiruna Karmina hat geschrieben:Ich finde es sinnvoll, einen passenden und plakativen Begriff für dieses in Grisus Link (http://www.wege-zum-pferd.de/2011/09/27 ... fte-pferd/) so anschaulich beschriebene sehr typische Geschehen zu verwenden.
Genau da setzt aber meine Kritik an: Es wird aus dem Link nun m.E. nicht klar ersichtlich, worin die Ursachen für Trageerschöpfung nun liegen. Von Sattel über Reiten bis Haltung ist alles dabei. Und mir persönlich ist das einfach zu wischiwaschi formuliert, sorry. Merkt man übrigens auch an dieser Diskussion, wo die Trageerschöpfung primär als reiterliches Problem gesehen wird (was ich übrigens unterschreibe). Genau das drückt der Link aber nicht aus, sondern gibt gleich eine Vielzahl von Gründen an. Das ist mir schlicht zu beliebig.

Um Ursachen zu finden, muss ich doch erstmal den Ist-Zustand diagnostizieren. Das kann ich - zugegebenermaßen ziemlich übergreifend - mit dem Begriff "Trageerschöpfung".

Damit sage ich: "Dieses Pferd kann keinen Reiter mehr tragen." und außerdem: "Es kann keinen Reiter mehr tragen, weil beim Reiten etwas Grundsätzliches schiefgelaufen ist."

Es muss natürlich als Nächstes die genaue Symptomatik definiert werden, z.B.: "Es hat Kissing Spines."

Klar kann ich auch gleich sagen, der Sattel passt nicht und außerdem ist der Reiter zu schwer und zu ungeschickt. Doch da fehlt einfach die Aussage: "Dieses Pferd ist so dysfunktional unterwegs, dass sich da bitte erstmal keiner mehr draufsetzt."
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Jen
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Beitrag von Jen »

Cubano: die Beschreibung eines Bündels von Symptomen ist das eine, Ursachen dazu etwas anderes. Das darf nicht miteinander verwechselt werden. Auch in der Humanmedizin werden solche "Sammelbegriffe" gebraucht, für eine Zusammenfassung mehrerer Symptome, wobei die Ursachen vielfältigen Ursprungs sein können. Alles was "xyz Syndrom" heisst ist zB so. Für die Diagnose eines Syndroms müssen auch nicht zwingend alle Symptome vorhanden sein, sondern nur eine bestimmte Menge. Deshalb gibt es auch verschiedene Ausprägungen.
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Jen: Das ist aber der Punkt. Hier ist nicht die Rede von einem Syndrom, was in der Tat durchaus ein Bündel unterschiedlicher Ursachen hat, sondern hier wird ein Begriff geprägt, der durch alles Mögliche entstehen kann. Man mag mich da durchaus zu recht Korinthenk*** nennen, aber ich tue mich halt unglaublich schwer damit, wenn in der Reiterei so vage formuliert wird.
@Grisu: Genau das meine ich - es ist halt übergreifend. Aber nehmen wir mal den stinknormalen Reiter, der nun mit Biomechanik und Co. nicht sonderlich viel am Hut hat. Was soll ihm das bringen, wenn jemand sagt: Dein Pferd hat Trageerschöpfung?
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Beitrag von Jen »

Cubano: ich glaube, du verwechselst Symptom mit Ursache. Ein Symptom kann eine oder mehrere unterschiedliche Ursachen haben und manchmal auch unbekannte Komponenten. Der Begriff "Trageerschöpfung" beschreibt ein Symptom bzw. ein Bündel von Symptomen unter einem Sammelbegriff zusammengefasst und keine Ursache. Genau wie "Kopfschmerzen" oder "Rückenschmerzen" ein Symptom und keine Ursache ist, sondern vielerlei Ursachen haben kann.
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