2. Themenrunde "Freiarbeit"

Alles was ihr vom Boden aus mit Eurem Pferd machen könnt

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Finchen
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Beitrag von Finchen »

susiesonja hat geschrieben:
Finchen hat geschrieben:, schaue ob sich ein Pferd auf mich einlassen mag,
Was machst Du, wenn sich das Pferd überhaupt nicht einlassen mag? Ich denke da an Pferde, die viel schlechtes erlebt haben und in sich gekehrt oder sehr zurückhaltend/ ängstlich sind..... wartest du einfach ab, startest an einem anderen tag neu oder oder oder?
Am anderen Tag neu starten im Sinne von abwarten, bis das Pferd - vielleicht - seine durch Fehlverhalten der Menschen hervorgerufene Scheu/Skepzis/Zweifel ablegt? Nein, das wäre nicht mein Weg.
Ich gehe dann eher in einer Art Join-Up vor - was weit mehr ist als "Pferd im Kreis scheuchen".

Das ist es ja was ich meine, ich muss mich jedem Pferd erstmal als jemand präsentieren, der von ihm akzeptiert und respektiert wird, nur dann habe ich das Vertrauen der Pferde. Das alles herzustellen ist der Anfang.
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Phanja

Beitrag von Phanja »

@susiesonja
Ich habe so ein sehr skeptisches Pferd, dass mit Sicherheit in der Vergangenheit nicht so schöne Erlebnisse mit dem Menschen hatte und der auch bei der Freiarbeit schnell weg ist, wenn es ihm zu viel wird - er ist aber auch genauso schnell wieder da, weil er durchaus motiviert ist, mitzumachen. Letztlich habe ich erstmal - unabhängig von der Freiarbeit - versucht, "Aufgaben" zu finden, die er wirklich sehr einfach lösen kann und diese belohnt. Um grundsätzlich in einen Modus zu kommen, bei dem das Pferd das Gefühl bekommt, das Richtige zu tun und das Lernen als positiven Prozess betrachtet. Sprich - ich versuche alle meine Anfragen so zu platzieren, dass es dem Pferd leicht fällt, meinen Wunsch zu erfüllen und ihm so ein positives Erlebnis zu geben. Mit der Zeit kann man dann auch schwierigere Aufgaben verlangen, ohne dass das Pferd die Motivation verliert.
Ich finde, dass ist eine grundlegende Einstellungssache, die sich nicht auf die Freiarbeit beschränkt. Aber sie führt dazu, dass das Pferd auch bei der Freiarbeit gerne mit mir arbeiten mag.
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Lirio
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Beitrag von Lirio »

Julia hat geschrieben:Ich ergänze meine obigen Post mal um noch mehr Fragen ;) :

Arbeitet ihr mit Leckerlies oder ohne?

Wenn mit - warum?
Wenn ohne - warum?

Was kann man als Laie als einfach Übungen zum Anfang machen die beiden leicht fallen um einen guten Einstieg zu bekommen?

Bin sehr gespannt ;)
Ja ich arbeite mit Futterlob - 1. weil wir noch ganz am Anfang stehen und 2. weil bei Flori die Liebe (auch) über den Magen geht. :lol:

Meine Anfangsübungen:
Pferd hinstellen und sich dann entfernen und das Pferd zu sich rufen
Auf Körpersprache rückwärts, seitwärts, mitkommen
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susiesonja
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Beitrag von susiesonja »

Phanja hat geschrieben: Ich finde, dass ist eine grundlegende Einstellungssache, die sich nicht auf die Freiarbeit beschränkt.
Das sehe ich allerdings genauso so.

@finchen

Ja, genau. Das ist der Anfang. Aber ich habe da zum Teil schon echt abenteuerliche Sachen erlebt.
Vielleicht darf ich mal eine Geschichte erzählen. Hier war ich zur Freiarbeit gezwungen, weil das Pferd sich nicht anfassen ließ.... Der Bursche war/ist so eine Mischung aus Mißtrauen, Neugier und geballter Energie.

Und zwar geht es um Bruno. Bruno ist ein 2,5 Jahre alter Wallach und ein Mix aus Schleswiger Kaltblut und Hannoveraner. Als Bruno zu seinen Besitzern kam war er kaum etwas älter als ein halbes Jahr. Er wurde vom "Züchter" quasi vom Anhänger gekippt..... das war das Absetzen. Da trug er wohl ein Halfter, aber dieses war eingewachsen. Dann wurde er ziemlich bald kastriert und das eingewachsene Fohlenhalfter wurde entfernt. Wegen der Wunden bekam er dann ein zu großes Halfter. Aus Angst vor Verletzungen hat die Besitzerin dieses wieder entfernt und seitdem hat Bruno nie wieder erlaubt, dass etwas an seinem Kopf befestigt wurde. Kein Halfter, kein Strick usw. Die Besitzer und so einige andere Leute haben es wohl schon versucht. Die Folge: Rippenbrüche, Tritte usw. Und ein bruno, der immer mehr wusste, was er nicht wollte..... nämlich angefasst oder fixiert werdfen. Egal wie und von wem.

Nun kamen die Besitzer an meine Telfeonnummer. Bei unserem ersten Termin war Bruno eher Nebensache. Ich sollte ihn und seine Geschichte erstmal kennenlernen. Beim zweiten Termin hatte ich ein Konzept. Ich wollte Bruno erstmal die ersten Regeln des Miteinander erklären und ihn dann für das Clickern begeistern. Er war auch Feuer und Flamme und wurde etwas zudringlich. Als ich es dann wagte ihn ein wenig zurück zu schicken, drehte er sich blitzschnell um und kam rückwärts ausschlagend auf mich zu. Schöne Aussichten. Was für ein Früchtchen. Leider hatte ich zu diesem Zeitpunkt nichts mehr weiter bei mir, ausser meinem Clicker und dem Target um mich zu wehren. Die Besitzer waren keine große Hilfe. Standen hinterm Zaun und riefen:"Paß auf Dich auf!" Ich habe dann mit der Fußspitze Sand aufgewirbelt und ihm an den Kopf geschossen. Da war die Attacke kurz vorbei und ich konnte mich mit einer Longierpeitsche bewaffnen. Dann habe ich es drauf ankommen lassen und wir haben ca 3x darüber verhandelt wer wen und warum schicken darf und wer nicht. Ich hatte Recht! Dann konnten wir arbeiten und auch clickern.

So ging es ein paar Mal, allerdings dann schon in gemäßigter Form. Bruno hat gelernt höflicher zu sein, Pausen meinerseits zu akzeptieren und ist trotzdem neugierig genug geblieben damit wir arbeiten können.
Einmal die Woche fahre ich da nur hin. Das schien mir aussichtslos, aber mein Ehrgeiz war geweckt. Nach diesem Angriff sowieso. Das wurde ab da ein reiner Egotrip meinerseits.

Und dann, ca. 6 Wochen später, ließ Bruno sich von mir und seinen Besitzern das Halfter anlegen und wir konnten sogar das erste Mal am Strick ein paar vorsichtige Runden drehen. Das ist alles noch ganz fragil. Die Stimmung darf nicht kippen, aber ich bin guter Dinge und vor allem so stolz! Auf Bruno, aber auch ein bißchen auf mich.

Und spätestens in diesem Moment hätte ich auch gern einen Exklusivvertrag mit einem großen Fernsehsender....

Lange Rede, kurzer Sinn. Im Fall Bruno hat mir die Freiarbeit, wenn auch gezungener Weise, einen Zugang zu ihm verschafft.
Aber seine Skepsis ist eine schwierige Sache, weil die Stimmung schnell kippt und er dann echt gefährlich werden kann.
dies ist er übrigens nach 6 Wochen Training.
Bild

Bild


Daher würde ich schon die nächste Frage anhängen..... Wie geht ihr mit deutlicher Aggression um?
Solange ein Pferd lebt, bleibt es seinem Charakter treu. (unbekannt)
Phanja

Beitrag von Phanja »

@susiesonja
Ich finde, da kannst du echt stolz sein! :D

Und ich finde ebenso, dass das ein super Beispiel dafür ist, dass es wichtig ist, am Thema Respekt / eigene Position gegenüber dem Pferd dann zu arbeiten, wenn es nötig ist und wenn das geklärt ist, kann man "Aufgaben erarbeiten".
Ich stelle das deshalb fest, weil es leider immer noch Menschen gibt, die mit der Einstellung "heute arbeite ich mit dem Pferd daran, dass es mich mehr respektiert". Das hilft aber gar nichts, wenn das Pferd an diesem Tag gar nicht respektlos ist.
Bei Bruno ist der Kontrast total klar - ist er respektlos, klärst du erstmal deine Position neu. Und wenn er das akzeptiert kann man auch an eigentlichen Aufgaben per Clicker arbeiten.
Na ja - ich hoffe, man versteht was ich meine (habe grade gefühlt eine Wortgewandtheitsblockade)
xelape

Beitrag von xelape »

Ich finde das sehr spannend und freue mich über Eure Erfahrungen zu lesen.

"Freiarbeit" mache ich mit meinem Pferd nicht, aber ich behaupte mal wir haben ein sehr gutes Verhältnis.
Ein paarmal hat es sich ergeben, dass wir die Halle für uns hatten - dann mache ich ihn gerne frei und lasse ihn einfach vor sich hindümpeln.
Oft funktioniert es, dass er kommt wenn ich ihn rufe - er dreht sich dann um und kommt gemütlichen Schrittes zu mir her.

Ich kann ihn in der Halle frei, laufen lassen und sein Tempo bestimmen - auch Handwechsel funktionieren ganz gut.

Wir können auch frei nebeneinander her traben - für den Galopp bin ich zu langsam ;)

Ob er so richtig Spaß dabei hat.. weiß ich nicht, oft habe ich das Gefühl er macht mir zu Liebe mit.
Eher ist er gern in meiner Nähe oder in menschlicher Nähe, und kommt immer gerne um sich Schmusereien abzuholen.

Wie kann ich es schaffen, dass er so richtig aufmerksam und voll dabei ist? Oder gibt es einfach Pferde, die so o la la finden??
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Ich sehe hier einen Unterschied oftmals zu dem was ich unter dem Begriff Dreharbeiten verstehe. Dabei geht es mir wirklich erstmal um eine reine Kommunikation, da gehört für mich dann auch kein konditionieren rein, ob nun mit oder ohne Clicker :)

Bei einem Pferd wie Bruno ist auch mein Mittel der Wahl nicht clickern, weil ich wichtiger finde die Kommunikation aufzubauen, mehr verstehen und verständigen als lernen. Das sind dann aus meiner Sicht zuverlässigere Stützen als positive Erfahrung durch sammeln positiver Lernmomente, denn im zweifel wiegen einige Bedürfnisse wichtiger als der Keks, der zur Belohnung wartet
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Phanja

Beitrag von Phanja »

@Finchen
Aber da wir alle keine Pferde sind, ist jede Kommunikation auch eine Konditionierung.
Konditionierung bedeutet letztlich nur, dass die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Verhaltens auf einen bestimmten Reiz zu reagieren, erhöht wird. Sprich - wenn du das Pferd aufforderst, dir zu weichen, konditionierst du das Pferd auf die Art und Weise, wie du das Pferd aufforderst. Letztlich lernen die Pferde die Körpersprache des Menschen zu interpretieren - aber auch das ist Konditionierung.
Ich denke z.B. nicht, dass nur weil wir versuchen, uns pferdeähnlich zu verhalten und auf bestimmte Situationen in bestimmter Weise körpersprachlich reagieren, die Pferde das automatisch wie bei einem Pferd interpretieren können. Ich denke viel mehr, dass Pferde aufgrund dessen, dass sie viel über Körpersprache kommunizieren, sehr gut darin sind, abgewandelte Formen davon zu erlernen. Dennoch ist es ein Lernprozess bei dem auf einen bestimmten Reiz eine bestimmte Reaktion erfolgt.
Das soll nicht heißen, dass nicht auch Emotionen oder Bindung zwischen Mensch und Pferd ausgetauscht werden. Aber die Kommunikation an sich wird durch Lernen ermöglicht.
Julia
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Beitrag von Julia »

Danke Phanja, der letzte Post ist wirklich gut - den unterschreibe ich total!
*geradenickendvorderBildschirmhockt*

Und die Wortgewandtheitsblockade ist wohl auch wieder wech :P
Liebe Grüße, Julia
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Kosmonova
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Beitrag von Kosmonova »

Super Beispiel mit Bruno und Ja endlich eine wahre Pferdeexpertin im Fernsehen *gg*

Phanja, gut erklärt, so sehe ich das auch. Wir sind keine Pferde - punkt und jegliche Art von Kommunikation bewirkt auch einen Lernprozess-Konditonierung. Das sind doch alles nur Begriffe, es ist doch eigentlich klar, was wir meinen.

Ich habe den besten Zugang zu Hannes über das Clickern und Spielen gefunden. Freilaufen haben wir von Anfang an gemacht. Klick (im wahrsten Sinne) hat es erst gemacht, als eine liebe Freundin (Warren hier) gesagt hat sie möchte mal mit Hannes spielen. Da ich da gerade schwanger war und eh Heidenrespekt vor dem "wilden" Hannes hatte, habe ich mich rausgehalten. Es hat dann noch mal 1,5 Jahre gedauert, bis ich mich getraut (ja!) habe mit Hannes zu spielen. Und es war wie eine Offenbarung. Mein Pferd ist ja eher Phlegmatiker mit der Tendenz zu explodieren, wenn ihm was nicht passt. So durfte er mal Power zeigen, sollte diese aber im Zaum halten. In respektvollem Abstand erst Anspringen und dann vor mir stehen bleiben. Er durfte hinter mir her jagen, aber wenn ich mich zu ihm umdrehte, blieb er stehen und sah mich aufmerksam an. Mittlerweile steigt er vor mir auf Kommando und ich hab null Angst! Er ist immer darauf bedacht mich nicht zu verletzten und er wird richtig "wach" wenn wir spielen, egal wie "träge" er vorher beim Reiten oder so noch wirkte. Inzwischen überprüfe ich damit sein Gemüt und Gesundheitzustand *gg* Will er spielen ist alles gut :-) Seitdem spielt er übrigens auch wieder mit anderen Pferde, was ich vorher selten bis nie bei ihm beobachtet habe. Ausserdem ist er aus seiner arg introvertierten Art herausgekommen, zeigt nun seine "Gefühle" und ich kann entsprechend reagieren. Explosionen gibt es so zwar noch 1-2 Mal im Jahr, aber ich kann sie "meilenweit" vorausahnen. :P Das hat uns das Zusammenleben erleichtert.
Es grüßt Nadine

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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Phanja hat geschrieben:@Finchen
Aber da wir alle keine Pferde sind, ist jede Kommunikation auch eine Konditionierung.
Konditionierung bedeutet letztlich nur, dass die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Verhaltens auf einen bestimmten Reiz zu reagieren, erhöht wird. Sprich - wenn du das Pferd aufforderst, dir zu weichen, konditionierst du das Pferd auf die Art und Weise, wie du das Pferd aufforderst. Letztlich lernen die Pferde die Körpersprache des Menschen zu interpretieren - aber auch das ist Konditionierung.
Ich denke z.B. nicht, dass nur weil wir versuchen, uns pferdeähnlich zu verhalten und auf bestimmte Situationen in bestimmter Weise körpersprachlich reagieren, die Pferde das automatisch wie bei einem Pferd interpretieren können. Ich denke viel mehr, dass Pferde aufgrund dessen, dass sie viel über Körpersprache kommunizieren, sehr gut darin sind, abgewandelte Formen davon zu erlernen. Dennoch ist es ein Lernprozess bei dem auf einen bestimmten Reiz eine bestimmte Reaktion erfolgt.
Das soll nicht heißen, dass nicht auch Emotionen oder Bindung zwischen Mensch und Pferd ausgetauscht werden. Aber die Kommunikation an sich wird durch Lernen ermöglicht.
Alles richtig, aber welches Pferd braucht zur Verständigung untereinander Halskraulen oder Keks für das andere Pferd?

Das ist für mich der Punkt. Will ich die Kommunikation verbessern - was logisch auch immer mit Lernen zu tun hat, auch bei Pferden untereinander so wie bei jedem Artgenossen mit gleichartigen Artgenossen eben auch - kann ich Umwege gehen und es verkomplizieren, oder mich mit so wenig wie möglich Schnickschnack am Rande aufhalten.

Und ich persönlich wähle den anderen Weg, weil es nicht nötig ist. Schlicht weil ich anders sein möchte mit meinen Tieren, als Keksspender.

Schaut mal wie oft zu lesen ist "mit Keksen muss ich vorsichtig sein, da wird das Pferd gerne mal fordernd" - ähm, wo ist da dann noch die erarbeitete Basis des respektvollen Umgangs? Wieso also Mittel nutzen, die es nicht braucht. Nur das ist meine Überlegung.

Wie gesagt, immer dahin ausgerichtet was ich will. Ich persönlich mag halt mehr als Keksspender sein. Und setze drum Belohnung - u.a. in Form von Keks - nur bei wenigen Sachen ein.

Hier werden im Verlauf des Threads ja aber zig verschiedene Arten/Formen der Freiarbeit beschrieben - bis zu Freiarbeit am Seil :wink: .
So definiert es jeder anders und verfolgt andere Ziele oder geht mit anderer Intention ran.

@Kosmonova:
genau das was du mit Hannes beschreibst ist mein "Ding" mit Pferden - eben auch fremden, einfach so, weil mir das für den Umgang miteinander viel bringt.
Clicker ist einfach nicht mein Werkzeug, ich mag gerne mit so wenig Hilfsmitteln wie nötig auskommen, und für das was ich erreichen mag, reichen mein Körper samt Bewegung und die entsprechende Energie/Stimmung sowie Stimme aus.
Was vielleicht auch eine "Übungssache" ist - ich sehe es bei den Pferdebesitzern, die es lernen wollen, dass oft zB eine Gerte ein nicht unwichtiges Hilfsmittel ist, um den Weg zu dieser Art der Kommunikation lernen zu können, sie sind es nicht gewöhnt, ein Pferd so gut zu lesen und so punktuell fein zu agieren, dass eine passende Reaktion hervorgerufen wird.
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Traumdauterin
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Beitrag von Traumdauterin »

Das Thema Konditionierung vs. Kommunikation/Lernverhalten hatten wir ja schon mal...dazu verweise ich gern nochmal auf Jens wunderbaren Beitrag zu diesem Thema. Besser könnte ich es nicht in Worte fassen.

Auch das Pferd muss uns ja erst verstehen lernen (siehe Phanjas Beitrag). Ich bin kein Pferd und kann nicht wie eines kommunizieren. Kommunikation heißt ja erstmal, dass Information zwischen zwei Kommunikationspartnern ausgetauscht wird. Damit Kommunikation erfolgreich ist, muss die Information für beide den gleichen Bedeutungsinhalt haben. Wenn mich jemand auf Japanisch anredet, dann weiß ich zwar, dass er mir eine Information geben will, aber noch lange nicht, was deren Bedeutung ist. Dazu müsste ich erst die Sprache lernen ;)

Wenn ich nun ein Signal (sei es nun durch Stimme, Gerte, Körpersprache) mit einem für das Pferd verständlichen Bedeutungsinhalt füllen will, dann muss es das ja auch erstmal lernen. Der Mensch agiert, das Pferd reagiert und das Verhalten wird positiv bestärkt (durch Futterlob z.B.) oder negativ bestärkt (ich habe versucht, das Pferd von mir wegzuschicken, sobald es reagiert, höre ich auf). Genauso kann Verhalten auch positiv bestraft werden (Pferd beißt, ich haue zu) oder negativ bestraft (ich nehme etwas Angenehmes weg).

Bei Parelli z.B. wird eigentlich nur negativ bestärkt (das ist das, was ich erlebt habe, ich möchte damit keinen angreifen, der das anders sieht), bis auf gelegentliches Kraulen oder mal ein Futterlob. Wenn die Hinterhand weichen soll, wird halt hingeschaut oder mit dem Stick gewedelt und am Halfter gezuppelt. Pferd tritt weg, Druck hört auf = negativ verstärkt. Pferd hat gelernt, wenn ich nicht reagiere, wird's unangenehm. Je schneller ich reagiere, desto weniger Druck muss ich erfahren. Und selbst wenn ich nur auf die HH starre oder mich vorlehne, mache ich Druck. Wenn auch nicht viel, aber das ändert an der grundlegenden Sache nichts.

Selbst wenn ich frei mit dem Pferd arbeite (ohne Strick und Gerte), muss ich mich ja irgendwie verständlich machen. Und da lernt das Pferd genau auf eine oder mehrere der oben beschriebenen Weisen, das Verhalten des Menschen zu lesen, auch wenn man da selbst vielleicht nicht bewusst drüber nachdenkt. Dann mag es Leute geben (um mal Finchens Anmerkung aufzugreifen), die unglaublich viel Aufwand betreiben, weil sie nicht wissen, wie sie ihren Körper einsetzen sollen und wie sie ihr Pferd lesen und auf dieses reagieren können. Und dann gibt es welche, die können das sehr gut und alles wirkt von Anfang an sehr harmonisch, weil diese sich sehr gut auf das Pferd eingehen können und kleinste Reaktionen bestärken, indem sie z.B. Druck wegnehmen.

Und nochmal zum Thema Futterlob allgemein: Da stellt sich mir erstmal die Frage, warum nicht? ;) Warum sollte ein Pferd für ein Verhalten, das ich gerne hätte, nicht belohnt werden? Das ist doch toll und motvierend. Ich würd auch nicht arbeiten gehen, wenn ich kein Geld bekommen würde.
Die Arbeit mit Futterlob setzt natürlich voraus, dass man auch an Futtermanieren arbeitet. Wer ein bettelndes Pferd hat, hat das in der Regel selbst verursacht. Und nur weil man mit Futterlob arbeitet, hat man nicht gleich ein bettelndes Pferd.

Beim Clickertraining gibt es übrigens nicht nur Futter als Belohnung, sondern z.B. auch Kraulen, gerne ausgeführte Verhalten vom Pferd, die es dann zeigen darf, toben oder spielen (wenn man bspw. grad am ruhig stehen arbeitet) undundund. Das ist nicht nur auf Kekse beschränkt.
Außerdem wird die Belohnung und der Click nach und nach ausgeschlichen, sobald ein Signal richtig sitzt. Es geht also nicht darum, ein ganzes Pferdeleben lang für alles Clicks und Kekse zu verteilen.

Und noch eine kurze Erklärung, warum ich mit dem Clicker arbeite: Für mich ist das eine Frage der Motivation. Wenn ich das Pferd z.B. von mir wegschicken möchte, dann könnte ich mich groß machen, oder es wegschieben oder mit der Gerte wedeln oder im gar eine verpassen. Dann geht das Pferd vllt irgendwann weg, dann höre ich auf und das Pferd lernt, wenn ich dem zu nahe komme, wird es unangehm, ich halte lieber Abstand (negative Verstärkung). Wenn ich aber z.B. ein Bodentarget (Matte) hinlege und jede kleinste Reaktion (das fängt schon beim Hinschauen an) bestärke, dann wird das Pferd denken, hey, da drüben ist es vielleicht auch ganz nett, es lohnt sich für mich, dort hinzugehen, das mach ich mal. Die Matte wäre dann ein Hilfsmittel, das ausgeschlichen wird. Das Weggehen kann ich natürlich mit einem Signal belegen und damit das Pferd dann auch ohne Matte von mir wegschicken (das wäre eine Methode, so was zu erarbeiten - bin leider nicht so gut darin, Beispiele zu bringen ;) ).

Dann hab ich am Ende dasselbe Verhalten, aber die Motivation wird eine ganz andere sein. Habe ich es positiv aufgebaut, wird mein Pferd das Verhalten gerne ausführen und es wird interessiert mitarbeiten wollen - auch in Zukunft.

Wenn man geschickt clickert (z.B. im freien Spiel), kann man ganz einfach angebotenes Verhalten des Pferdes einfangen und nach und nach unter Signalkontrolle stellen - ohne sonstige Hilfsmittel. Warum? Weil der Click dem Pferd sekundengenau sagt, DAS Verhalten war gut - zeig das nochmal. Denn es wurde ja positiv verstärkt und danach tritt ein Verhalten öfter auf.
Und deswegen ist der Click auch keine Krücke, sondern ein Kommunikationsmittel. Denn der Click hat für das Pferd eine Bedeutung bekommen. Ich habe eine Grundlage geschaffen, auf der ich mich mit dem Pferd verständigen kann und auf der ich mein restliche Kommunikation aufbaue. Und so ganz nebenbei ist das Pferd auch noch unheimlich motiviert ;)

Ich hoffe, mein Beitrag ist jetzt nicht zu weit weg vom Thema
:oops: . Ich weiß nur, dass gerade bezüglich des Clickerns und/oder Futterlob immer die gleichen Fragen und Vorurteile auftauchen. Ich will hier keinen bekehren oder überzeugen. Ich hab durchaus Verständnis dafür, dass das jemand nicht möchte. Hab ich kein Problem mit ;)
Ich wollte nur ein bisschen erklären, was eigentlich für ein Gedanke dahintersteht und warum ich den Clicker einsetze.
Frage mich nach der Poesie in der Bewegung, Schönheit, Intelligenz und Kraft und ich zeige Dir ein Pferd.
gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

dem beitrag schließe ich mich mal an :-)

genau.teddy war für mich beweis dafür, warum clickern zumindest für mich super funktioniert. der hat sichtlcih gestrahlt, wenn der clicker auftauchte. bei luke is tes ähnlich , dabei arbeiten wir durchaus auch mal ohne...
ich liebe die methode
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Kosmonova
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Beitrag von Kosmonova »

Ich clickere nur mit "Keks!" - benutze das eigentliche Gerät also schon lange nicht mehr, war für uns praktikabler und habe ich bei Jarit abgeschaut, die es eben so macht.
Es grüßt Nadine

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Beitrag von Finchen »

@Traumdeuterin:
du zielst ja mit deiner Begründung, wieso positiv erarbeitetes Verhalten lieber gezeigt wird wieder darauf ab, dass etwas beigebracht werden soll. DAS habe ich ja ausdrücklich rausgenommen und rein von der Freiarbeit zur Kommunikations- und Bindungsverbesserung gesprochen.
Wenn man Kunststückchen oder was auch immer beibringen will, ist das noch ein ganz anderes Thema.

Was das Strahlen angeht, die Bereitschaft vom Pferd aus mitzumachen:
ganz ohne Clicker kenne ich das durchaus von Pferden - nicht nur von meinen. :wink: Pferde sind durchaus auch froh und dankbar, wenn sie in einen Dialog mit einem Menschen gehen können, grade die Pferde, die das von Menschen sonst nicht so doll kennen.

Wenn ich Pferdehaltern zeigen soll, was ich mache, weil sie es auch tun wollen, erlebe ich aber, dass es eben weit einfacher ist eine Lernmethode ähnlich wie zB Clicker, nach Paralli, wie Herr Welz oder was auch immer zu erlernen, weil da mehr Struktur in Form von konkreter Anweisung vorhanden ist. Vielleicht fällt es so leichter schneller Fortschritte zu erarbeiten!? Jedenfalls haben damit die Pferdehalter oft weniger Schwierigkeiten offenbar. Bei Hundehaltern ist es ähnlich. Vielen Menschen fällt es leichter mit konkreten Vorgaben Verhalten zu zeigen und zu erzeugen, als sich selber einfach mal gefühlt ganz drauf einzulassen und sich vorzustellen, dass sie auch so etwas "bewegen" können.

Ich mache auch ZL mit meinem Pferd - auch alles immer frei - und die sind klar durch Konditionierung mit Bestätigung für korrektes Verhalten (Stimme und gelegentlich Keks) erarbeitet.

MICH persönlich berührt aber noch viel mehr, wenn ich mit einem wildfremden Pferd ganz frei spielen kann, sich sehr schnell quasi ein Band herstellen läßt, sich das Pferd frei in einer Halle oder auf einem Platz dirigieren läßt, auch in größerem Abstand. Und das geht halt immer und sofort, ohne dass erst ein bestimmtes Verhalten beigebracht werden muss.

Beispiel freies im Kreis um mich rum laufen, zwei Wege es zu erarbeiten:
- normales Longieren mit Körpersprache, bestimmten Gesten, Kommandos untermalen, so allmählich das Verständnis für das Pferd wecken, was es tun soll, auch ohne Longe, die Übersetzung klappt dann irgendwann
- ganz frei in eine gemeinsame Bewegung, Bindung herstellen, Körpersprache einsetzen, und ich kann i.d.R. jedes Pferd relativ gut "mitziehen" und animieren frei um mich herum zu laufen - nicht bei allen gleich gut beim ersten oder zweiten Mal, insgesamt nicht alle gleich gut, es braucht halt je nach "Vorschädigung" durch Fehlkommunikation durch die Menschen teils länger, teils unterschiedlich lange, bis ein Pferd sich einlassen mag, aber grundlegend kann ich jedes Pferd so ohne mehrtägiges Erlernen frei bewegen

Beides nutze ich, beides hat unterschiedliche Berechtigungen, aber das zweite ist das was ich als Freiarbeit liebe, und da unterscheide ich eben nach mit oder ohne Leckerlilob z.B..
"Das Herz mit dem Verstand begreifen zu wollen, ist so ähnlich, wie mit den Ohren sehen zu wollen." Safi Nidiaye
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