Wer bildet sein Pferd noch gebisslos aus?

Rund um die klassische Reitkunst

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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Nach wie vor interessanter Thread - ich kenne bisher auch kein "schönes" Beispiel von völlig gebisslos gerittenem Pferd was durchlässig, dressurmäßig gymnastiziert ist - und würde das wirklich gerne revidieren!

Mit Bosal bin ich selber einige Pferde phasenweise geritten, es erschien mir aber immer zu unpräzise, ich fand es dann super hilfreich, wenn ein Pferd "gebißsauer" war oder wenn wie mit meiner eigenen Stute die Feinabstimmung gut war und die Zäumung immer weniger Bedeutung hatte. Allerdings würde ich aus heutiger Sicht sagen hat es mir in Sachen Anlehnung eher so gar nichts gebracht. :wink:

Und das ist der Punkt der mich interessiert:
wie wichtig ist diese, kann ich ein Pferd ohne ausbilden?


Ich schließe mich also dem Wunsch nach guten Beispielen an, ebenso der "Warnung" alle unschönen Szenen mit Gebiß auf eben dieses im Gegensatz zur gebißlosen Zäumung zu reduzieren. :)
"Das Herz mit dem Verstand begreifen zu wollen, ist so ähnlich, wie mit den Ohren sehen zu wollen." Safi Nidiaye
chantesse
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Beitrag von chantesse »

ich hatte schonmal einen interessanten Film zum Thema altcalifornisch / Jeff Sanders eingestellt:

http://www.youtube.com/watch?feature=pl ... MZlGKm3knw

es handelt sich um eine recht junge Stute in Ausbildung.
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Das ist für mich leider gar kein Positivbeispiel. :(
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Kiruna Karmina
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Beitrag von Kiruna Karmina »

Hier kommt ab 3.45 min etwas zu Zäumung und Zügelführung.
http://www.youtube.com/watch?v=pjBondpRaz4
padruga
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Beitrag von padruga »

Wen es interessiert: Es gibt von Jean Claude Dysli ein Bücherl "Hackamore" Einführung und Deutung, da wird alles schön dazu erklärt. mit Bildern und netterweise in Deutsch. Ist aus der Reihe "Das besondere Thema" Verlag Freizeit im Sattel.
gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

klasse, danke.
skywalker

Beitrag von skywalker »

Finchen hat geschrieben:Das ist für mich leider gar kein Positivbeispiel. :(
Warum? Zu solchen Einzeilern hätt ich halt immer gern eine Begründung.

Und ad gutes/schlechtes Reiten mit/ohne Gebiss: Klar sollte man gutes Reiten nicht mit schlechtem Reiten vergleichen. Ich frag mich aber schon, ob schlechtes Reiten ohne Gebiss nicht doch etwas weniger schlimm ist als schlechtes Reiten mit Gebiss. Hat ein Reiter z.B. unruhige Hände, ist z.B. ein deshalb ruckelndes Knotenhalfter auf der Pferdenase wahrscheinlich weniger schmerzhaft als ein auf den Laden hin- und herruckelndes Metallgebiss.

Es ist ja hierzulande auch immer noch völlig selbstverständlich, dass man jedem Reitanfänger, der sich gerademal auf dem Rücken halten kann, Zügel mit Trense in die Hand gibt. Und gleichzeitig Dinge wie Knotenhalfter als scharf und ein Bosal nur für Profihände bezeichnet.

Ich finde das tw. doch sehr unlogisch und es zeigt halt, wie "normal" reiten mit Gebiss und wie "exotisch" reiten ohne Gebiss immer noch ist. Und daher bin ich nicht sicher, wie weit dieses tief verankerte Denken darauf Einfluss hat, dass man Reiten mit Gebiss als "feiner", "präziser" usw. empfindet. Die meisten haben wahrscheinlich das Reiten einfach auch von Anfang an mit Gebiss gelernt (d.h. auch da, als von "fein" und "präzise" vermutlich lange noch nicht die Rede war ;-) - gilt zumindest für mich). Ich denke schon, dass das noch ein Faktor ist, den man erwägen sollte - die meisten Reiter wurden nie wirklich gut "gebisslos" ausgebildet; damit will ich sagen: Wer hat schon wirklich guten gebisslos-Reitunterricht genossen? Die meisten probieren ja gebisslos dann irgendwie auf eigene Faust aus, weil es schlicht keinen wirklich guten und darauf spezialisierten Reitunterricht gebisslos gibt.
Das ist also quasi auch wieder ein ewiger Zirkel: Reiter lernt den gebisslos-Zaum slebst erst auf eigene Faust und (oft) als ERwachsener kennen, nachdem er ursprünglich mit Gebiss reiten lernte (oft ja auch noch als Kind, wenn die Motorik sich viel schneller entwickelt). Er ist also ohne Gebiss u.U. nie so gut wie mit Gebiss. Er versucht ein Pferd gebisslos auszubilden, das klappt nicht so recht, daher geht er zurück zum GEbiss, das er - weil früh und besser gelernt - besser bedienen kann. Auch daraus ließe sich dann leicht ableiten, dass Gebiss-Reiterei halt doch besser oder wenigstens einfacher ist, aber die Frage bleibt trotzdem, ob das nicht an der eigenen Ausbildung liegt.

Ich habe, wie oben gesagt, mein Pferd die ersten paar Jahre mit Knotenhalfter geritten. Dann bin ich auf Trense umgestiegen. Zu dem Zeitpunkt ließ sich Pferd definitiv besser mit Knotenhalfter stellen und biegen als mit Trense. Ich fühlte mich nach jahrelangem Knotenhalfter-Reiten mit Trense ziemlich unfähig. Viel Reitunterricht hat das ganze jetzt umgekehrt, mittlerweile lässt sich PFerd besser mit Trense als mit Knotenhalfter stellen.
Auch nur so als Beobachtung...
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Kosmonova
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Beitrag von Kosmonova »

Oft kommt es mir auch so vor als ob man belächelt wird, wenn man "richtig" ohne Gebiss reiten will, während es scheinbar eher akzeptiert wird, dass sich wackelige oder grobe Reiter an der Kandare austoben. Aber am Ende sind es nur festverankerte Stereotypen.

Tatsache bleibt, dass jedes Gebiss/Kopfstück eine andere Wirkungsweise hat und das Pferde unterschiedlich darauf reagieren. Ich verweigere mich manchmal der Tatsache, das ein Pferd keine Trense akzeptiert, genau wie es andersrum angeblich nicht gebisslos geht. Wenn kein Trauma oder körperliche Probleme vorliegen, sollte ein Ausbilder dem Pferd alles "schmackhaft" machen können. Auf einem anderen Blatt steht, was der Besitzer will, so ist eine Turnierteilnahme nur mit LG Zaum wohl in den seltensten Fällen erlaubt, oder?
Es grüßt Nadine

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so schwer wie die freiheit, so leicht ist der zaum der sie hält... (frei nach and one - krieger)
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

skywalker hat geschrieben:
Finchen hat geschrieben:Das ist für mich leider gar kein Positivbeispiel. :(
Warum? Zu solchen Einzeilern hätt ich halt immer gern eine Begründung.
Für mich sind folgende Punkte - unabhängig von der Zäumung übrigens - eher kritisch zu sehen:
- das Pferd hat keine zufriedene Anlehnung
- die HH kann für meinen Geschmack wesentlich besser sein
- für diese nicht solide Basis wird für meinen Geschmack dann viel zu früh an den "Lektionen" geritten
- Unzufriedenheit des Pferdes (Kopfhaltung sehr unruhig, wenig locker im Rücken, Schweifschlagen)
- die Mecate ist streckenweise recht straff geführt, dadurch drückt das nicht weiche Bosal unter die Unterkieferäste, was für mich ebenso wenig erstrebenswert ist wie unnötiger Druck auf dem Unterkiefer von oben durchs Gebiß - und was offenbar auch die Unruhe hinsichtlich der Kopfhaltung verursacht

Daher bitte ich jeden Freund der gebißlosen Reiterei ganz fair zu überlegen, wie das Urteil ausfallen würde, wäre ein Gebiß im Maul des Pferdes. :wink:

Gerne würde ich mich von gut gebißlos gerittenen Pferden überzeugen lassen, dass auch reelle Dressurarbeit bzw die Ausbildung gebißlos möglich ist - dieses Beispiel ist für mich aus o.g. Gründen kein gutes, wäre es allerdings auch nicht mit Gebiß im Pferdemaul. :wink:
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coverke
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Beitrag von coverke »

Ich habe so ein Exemplar, der kein Gebiss akzeptiert. Mir bleibt also gar nichts anderes übrig, als Gebisslos zu Reiten. Und glaubt mir, ich würde gerne mit Gebiss reiten – allein schon, weil ich dann mehr Reitunterricht nehmen könnte, weil ich dann nicht automatisch in die falsche Schublade gesteckt werden würde, weil ich wesentlich feiner einwirken könnte. Aber was soll ich machen? Wir haben an die 15 verschiedenen Gebisse ausprobiert, mit allen dasselbe Spiel: mit aller Gewalt das Ding loswerden auch wenn wir deshalb im Matsch liegen – zweimal passiert!

Wir haben geröntgt, der TA hat festgestellt, dass die Unterkieferknochen sehr eng stehen. Er bekommt kaum zwei Finger dazwischen, also ist der Platz für die Zunge zu wenig. Bei 10 Vergleichspferden passten locker 3 Finger dazwischen. Dazu noch eine kleine Maulspalte.

Ich hab ihn vierjährig mit Kappzaum angeritten, bin dann auf den LG-Zaum umgestiegen. Wir sind ambitionierte Freizeitreiter die vorwiegend im Gelände unterwegs sind. Gymnastizierende Übungen gehören trotzdem zu unseren Ausritten – völlig korrekt geritten natürlich nicht! Denn ich habe einfach keine so genaue Einwirkung mit dem LG-Zaum, wenn er sich z. B. im Genick verwirft. Zumindest habe ich noch keinen kennen gelernt der sie mir zeigen könnte. Klar, kann ich versuchen es über Impulse zu schaffen, aber bis er weiß was ich meine ist´s vermutlich schon rum um´s Eck ;-)

Wir fahren ein bis zweimal im Jahr zum Kurs, wo es kein Thema ist, das wir gebisslos unterwegs sind. Keine Ahnung bis wohin wir mal kommen werden, aber ich denke über die gesunderhaltende Basis werden wir nie weit hinaus kommen.

Sagen wir mal so – ich arrangiere mich damit und hab meinen Kasi trotzdem lieb ;-)
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-Tanja-
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Beitrag von -Tanja- »

Coverke: Hab gerade auf Deiner HP gesehen, daß Du zu Oliver Hilberger als Teilnehmer gehst. Mit Kasi? Dann würde ich mich sehr über einen Bericht freuen, gerade im Hinblick auf gebißlos. :D
lg, Tanja

Reiten ist nicht weiter schwierig, solange man nichts davon versteht.
Aus: "Vollendete Reitkunst", Dr. Udo Bürger, 1959
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coverke
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Beitrag von coverke »

Ich fahr seit 4 Jahren zu Oliver Hilberger auf Kurs. Dazu gibt es auch Berichte - jeweils im September eines Jahres :wink:
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-Tanja-
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Beitrag von -Tanja- »

Supi! *suchengeht*
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Kosmonova hat geschrieben:Oft kommt es mir auch so vor als ob man belächelt wird, wenn man "richtig" ohne Gebiss reiten will, während es scheinbar eher akzeptiert wird, dass sich wackelige oder grobe Reiter an der Kandare austoben. Aber am Ende sind es nur festverankerte Stereotypen.
Das ist übrigens wieder das bekannte Äpfel-mit-Birnen-vergleichen. Stereotyp, ja. :?
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Beitrag von Max1404 »

Man kann doch nicht einerseits bei Gebissreitern "eingerollte Hälse, feste Rücken, untaktmäßige Gänge, hektisches Gekaue/Klappern mit den Zähnen" bemängeln, und andererseits dieses Video hier als Positivbeispiel für großartige Gebisslosreiterei feiern:
http://www.youtube.com/watch?feature=pl ... MZlGKm3knw
Denn auf diesem Video sehe ich ein über weite Strecken überfordertes, verspanntes Pferd mit immer wiederkehrenden Taktstörungen, das ständig mit dem Kopf schlägt und mit dem Schweif zwirbelt. Trotz des hervorragenden Reiters.

Eines der wenigen Videos, wo mir gebissloses reiten uneingeschränkt gut gefällt, ist das von Uta Gräf. Dieses Pferd wurde aber auch mit Gebiss ausgebildet, und die Basis stimmt. :wink: http://www.youtube.com/watch?v=A5XUq56P_I0
Viele Grüße
Sabine
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