Leicht in der Hand - aber wie?

Rund um die klassische Reitkunst

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Steffen
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Beitrag von Steffen »

Jen hat geschrieben:Wenn ein Fehler in der Hand auftaucht (draufstützen, maulen, lümmeln etc.) dann korrigiere ich das als allererstes am Bein und nicht in der Hand. Sehr oft geht das draufstützen und maulen mit einer verminderten Aktivität der HH einher
Sehr oft? Ich würde sagen fast immer!

Es wird aus meiner Sicht viel zu viel darüber nachgedacht, was man mit den Zügeln macht. Ich frage mich, warum die Frage nach dem richtigen Gebiss und der richtigen Einwirkung der Hand Seiten füllt, wenn man diese doch ohnehin minimieren oder sogar ganz ausschalten will.
Das geht nur, indem man die Hinterhand des Pferdes beherrscht, also alles aber auch alles durch ein bedingungsloses Vorwärts korrigiert. Je langsamer man reitet, desto mehr Vorwärts ist erforderlich.

@ Celloid: Warum sollte ich auf die Anlehnung als reiterliche Hilfe verzichten? Gerade bei all den von Dir zutreffend beschriebenen Gefahren. In den Reitinstituten und der höheren Dressur benutzt man ja sogar 2 Gebisse, um besonders gezielt einwirken zu können.
Ich bin der Meinung, wir sollten alle Hilfen, die uns zur Verfügung stehen nutzen, um mit dem Pferd zu kommunizieren. Je besser die Verständigung wird, desto leiser wird die Stimme. Aber warum etwas aufgeben, was von großem Nutzen ist, zumal es zu großen Problemen führen kann (und bei mindestens 99% aller Reiter führen wird)?
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
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Colloid
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Beitrag von Colloid »

Stoffen: (;))
Ich sage nicht, man soll, ich sage nur man kann.
Mir persönlich ist Selbsthaltung nunmal wichtiger, als Anlehnung an den Zügel...und das schon in der Grundausbildung, nicht erst beim fertigen Pferd.
LG
Colloid
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Richard Hinrichs
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Larry
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Beitrag von Larry »

Hm...ich denke das hängt aber auch vom Stand zwischen Reiter und Pferd mit ab.
Während einem "jungen in der Ausbildung befindlichen Pferd" vielleicht der Zügel richtungsweisend zur Verrfügung gestellt wird- z.B rechte Hand Innenstellung, reicht dem andern Reiterpaar ein leichtes "abstreichen" des inneren Schenkels um das Gleiche zu erreichen.
Beides ist nicht falsch-wird nur zu verschiedenen Zeitpunkten anders umgesetzt.
Das heißt auch, wenn das Pferd mümmelt lasse ich es vorwärts gehen-diese Taktik des GEGENHALTENS finde ich bis heute für mich nicht langfristig effektiv.

Was ich eher für mich überlege: angenommen diese komplette "weg gelassenen" Zügelführung funktioniert zeitweise, arbeitet das Pferd dann wirklich reell? Ich meine, warum sollte es freiwillig sich so anstrengen, wenn es evtl ein bissl schummeln könnte.Nur so ein bissl hier weniger Rücken-klein bissl weniger Bauchmuskeln..wird da nicht aus weniger vielleicht mehr Schummelei?
Mag jetzt eine komische Frage sein, aber mit Sicherheit hat das Pferd andere Ideen bezüglich seiner eigenen Kraftumsetzung als wir.
Zudem ich mir weiter überlegt habe, demnach müßte ein Pferd, mit völlig hingegeben Zügel soweit in seiner Ausbildung und körperlichen Beschaffenheit sein, dass ihm diese "Arbeit gar nicht als solche auffällt". Na ja, wie vorher schon geschrieben, werde das so vielleicht nie persönlich rausfinden können...schade. :(
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horsman
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Beitrag von horsman »

das zeitweise weglassen der Zügelhilfen (descente de mains) funktioniert deshalb, weil man nach und nach immer mehr dazu übergehen kann, die Zügelhilfen durch die Kreuzhilfe zu ersetzen, und weil das Pferd nach und nach lernt, eine einmal eingeleitete Haltung, Energieabgabe und Impulsion eine (kurze) Weile selbst zu erhalten.
Dies ist übrigens für Oliveira z.B. genau die Definition von Schwung (nachzulesen in Klass. Grundsätze..usw..).

Je länger diese Momente andauern, desto besser die Schwungkraft.
Ohne diese Momente ist die Ausbildung noch nicht meisterlich.

Gruss
horsmän
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Larry
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Beitrag von Larry »

Ja,das habe ich soweit verstanden :wink: Aber ich kann mir das weder mittel- noch langfristig vorstellen, OHNE das Pferd immer wieder entsprechend zwischendurch "aufmerksam" machen zu müssen. Sprich eben ab und an gewisse Dinge mit Hilfe der Zügel zu erarbeiten.Bzw dem Gebiss-wie auch immer man es jetzt formulieren mag :wink:

Alleine schon in der korrekten Trabverstärkung-aber vielleicht habe ich auch Knoten im Kopf? Letzten Endes ist es irgendwo immer wieder nötig etwas "aufzuarbeiten", obwohl der Rest gerade anstandslos klappt.
Zumindest kenne ich es nicht anders :lol:
PS: Und auch Du schreibst ja nur von ZEITWEISE. DAS ist ja für mich nachvollziehbar in einzelnen Abhandlungen.
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Beitrag von horsman »

vielleicht hast Du eine falsche Vorstellung von der Dauer dieser Momente.
Es sind nur Sekundenbruchteile, ggf. mal max. 2-3 Sekunden am Stück in sehr versammelten Übungen (Pi, Pa, Pir).
Die dann anschließenden Zügelhilfe wird aber im besten Fall wieder nur ein kurzes nehmen durch schließen der Finger sein. Bei sensiblen Pferden geht das sogar durch den noch hängenden Zügel, für den Betrachter kaum sichtbar. Man sieht (und hört) lediglich ein sehr tätiges Maul
(nicht zu verwechseln mit krampfhaftem Kampfkauen)
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Larry
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Beitrag von Larry »

Nein. Im Gegenteil.
Ich empfinde schon, das es für Reiter aktive Momente gibt und genauso auch reine freudige "Überwachungsmomente..wenn Du weißt, was ich damit meine. Letzteres habe ich immer öfter.

Ich glaubte es aber hier so verstanden zu haben, dass einige meinten, generell einen ganz langen Zeitraum mit hingegebenen Zügeln Reiten zu können-ohne zwischendurch eine Anlehnung oder ähnliches zu benötigen.

An diesem Punkt werde ICH wohl nicht kommen..wie gesagt, wenn was neues klappt, muss irgend etwas "altes" wieder aufgefrischt werden :roll:
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Beitrag von horsman »

Vom Hinrichs hab ich mal auf nem Video gesehen, dass er die Zügel tatsächlich in der Piaffe völlig hingibt (bis zur Zügelschnalle) und einige Sekunden so weiter piaffiert ohne die Anlehnung zu verlieren. War aber sicher nur eine Demo und keine Dauerarbeit.
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Larry
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Beitrag von Larry »

Ach Du, mit dieser Demo könnte ich richtig gut auch bei meinem Pferd leben :wink:
Aber da muss ich noch ganz schön üben :lol:
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Beitrag von Colloid »

Vielleicht sollte ich erwähnen, daß das Pferd Western.geritten war ;) Wobei sich mir nicht erschließt, warum man nur mit den Schenkelhilfen impulsmäßig arbeiten soll und nicht auch mit den Zügelhilfen. Tut das Pferd das gewünschte, kann ich doch auch die Zügelhilfen aussetzen. Die Motivation des Pferdes ist dabei natürlich unerlässlich. Ich kann mir gut vorstellen ein Pferd (irgendwannmal :roll: ) ausschließlich über den Sitz zu reiten.
Zum Thema Gefahr des Selbstbetrugs: Wieviele Reiter glauben denn wirklich, daß die Anlehnung vom Pferd ausgeht? Dazu ein Erlebnis, das ich mit einem jungen Isi hatte: Er war noch nicht lange eingetöltet und konnte die Spannung im Tölt noch nicht alleine halten und hat sich von mir eine Anlehnung "geholt" (ich hatte bis dahin nur das Zügelgewicht in der Hand--was ich allen Pferden anbiete), diese Anlehnung war jedoch nur ein Bruchteil dessem, was ein "normaler Dressurreiter" unter Anlehnung versteht...
Wie soll man also spüren, wieveil "Stütze" ein Pferd wirklich braucht, wenn der Reiter die Anlehnung vorschreibt?
LG
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

Colloid hat geschrieben:Wie soll man also spüren, wieveil "Stütze" ein Pferd wirklich braucht, wenn der Reiter die Anlehnung vorschreibt?
Ich würde sagen, eine "Stütze" braucht ein Pferd gar nicht. Der Unterschied zwischen einer Stütze und einer Anlehnung wie sie in der Dressur gefordert ist, besteht darin, dass die Stütze nach hinten wirkt, also festhält, während die Anlehnung immer die Tendenz nach vorn hat.

Die Aktivität der Hinterhand soll ja mit dem Zügel nicht zerstört werden, sondern, wie horsemän es so schön beschrieben hat, das Pferd soll sich abstoßen. Es geht doch "nur" darum, dass der Schwung von der Hinterhand durch den Körper des Pferdes bis nach vorn geht.

Der Reiter hat eher das Gefühl er schiebt sein Pferd mit dem Zügel nach vorne, allerdings ohne dass die Verbindung verloren geht. Eine Stütze dagegen bedeutet, der Reiter hält das Pferd am Zügel fest, wirkt also zurück.

Beim Aussetzen der Hilfen (damit sind alle Hilfen gemeint) dagegen wird die Verbindung tatsächlich aufgegeben, indem man die Hände sinken (odr nach vorne überstreichen) läßt, wobei die Zügel völlig durchhängen. Dies sind immer nur kurze Momente, in denen das Pferd eine Übung ohne Einwirkung in Selbsthaltung fortsetzt (schießlich piaffiert man nicht 20 Minuten :wink: )

Etwas anderes ist es aus meiner Sicht, wenn die Anlehnung am duchhängenden Zügel vor allem auf dem Respekt des Pferdes vor dem Gebiß beruht (sieht man häufig bei früh auf Kandare gerittenen Pferden). Auch das funktioniert. Das Pferd reagiert dann bereits auf die Andeutung einer Zügelbewegung, weil es die Wirkung der Stange fürchtet. Diese Art der Anlehnung hat den Nachteil, dass sie auch ohne Schwung also ohne Aktivität von hinten funktioniert - anders als bei der dressurmäßigen Anlehnung. Auch diese Art der Anlehnung am durchhängenden Zügel kann als Stütze wirken, wenn die Tendenz nach hinten und nicht nach vorn gerichtet ist, was schnell passiert, da man den Druck, den man ausübt nicht in der Hand spürt.

Dieses weit verbreitete Verständnis von Anlehnung am durchhängenden Zügel hat zu dem Image geführt, dass spanische Pferde "vorne hui und hinten pfui" gehen und die Bewegung nicht durch den Körper geht.
In der Tat sieht man sowohl in Spanien als auch hier sehr viele Pferde, die auf diese Weise ausgebildet sind. Ich glaube auch nicht, dass diese Art zu reiten schädlich ist, vielleicht ist sie sogar für bestimmte Reitweisen, bei denen das Pferd lange Zeit Leistung bringen muss (z.B. Arbeitsreitweisen) viel sinnvoller, als die extrem kraftraubende Dressurreiterei. Insofern ist das absolut keine Wertung, aber man sollte die beiden Formen der Anlehnung zu unterscheiden wissen, sonst argumentiert man aneinander vorbei.
Viele Grüße
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Beitrag von Larry »

Guten Morgen,
Ich würde sagen, eine "Stütze" braucht ein Pferd gar nicht.
ich glaube sie meinte damit eher Unterstützung,Hilfe..die Wortwahl ist etwas unglücklich.
... geführt, dass spanische Pferde "vorne hui und hinten pfui" gehen
leider leider sehr oft ein wahrer Satz!! Habe in Hannover einen Spanier im starken Trab gesehen, da sind selbst dem Manolo die Augen ausgefallen. Der pure Hammer.(Muß dazu sagen, die Dame kam leider nicht aus unsere klass. Richtung). Aber, es war schön.

Das was Du meinst kenne ich noch eher unter dem Begriff rückwärts reiten..was natürlich NIEMAND macht :roll:
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

Vielleicht noch ein Hinweis in die Richtung:

"Man kann doch die Zügelhilfe durch die anderen Hilfen ersetzen."

Natürlich kann man das, aber welcher Sinn sollte darin bestehen?

Man kann auch auf den Sattel verzichten und ich habe gehört, es gibt jetzt auch Reitkurse wo die Reiter auf die Reitbekleidung verzichten, weil das so natürlich ist. :?: Naja, über Geschmack läßt sich bekanntlich nicht streiten.

Der Sitz des Reiters (Kreuz und Gewichtshilfen) ist seine Stimme. Die anderen Hilfen sind aber die Mimik und Gestik. Eine Beziehung, die nur über das Telefon - also ohne Mimik und Gestik - geführt wird, kann nur selten die Qualität einer persönlichen Beziehung erreichen. Also warum soll ich auf einige reiterliche Hilfen verzichten? Weil Reiten sooo einfach ist, dass man auf einige Hilfen verzichten kann oder sogar sollte?

Ich will die Hilfen verfeinern, kaum noch wahrnehmbar gestalten, mich zivilisiert mit meinem Pferd unterhalten..., aber mir ist überhaupt nicht klar, warum ich dabei auf einen Teil der Kommunikationsmittel verzichten soll, vor allem, wenn sie besonders geeignet sind, dem Pferd die gemeinsame Arbeit zu erleichtern.

Die Hoffnung, man werde weniger falsch machen, wenn man weniger Hilfen einsetzt, ist aus meiner Sicht jedenfalls nicht zwingend. :roll:

Man muss schon ziemlich von sich überzeugt sein, wenn man glaubt, ein Pferd mit 50% der Kommunikationsmittel besser ausbilden zu wollen, als andere das mit 100% schaffen. Aber an Selbstbewustsein mangelt es ja den wenigsten :wink: .
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Beitrag von Larry »

:roll: Na Steffen, dann erfülle ich fast alle bösen Details! :lol:
Dafür rede ich dann mehr ..ätsch!

Ohne Sattel-aber nicht gewollt!
Hackemore-aber nicht gewollt(muß das Pony erst langsam ans Gebiss wieder gewöhnen).
Mimik: Muss sehr oft im Unterricht lachen..sie ist nun manchmal recht albern..die kleine Stute.

Na ja, trotzdem führen wir stets gute Telefonate mit immer nettem Abschluss :wink: Und was das Reden angeht, da ist meine Stute genauso aktiv wie ich- je nach Tag wird nach dem Reiten gebrubbelt und mitgeteilt. Auch ungefragt. Und das geht auch sehr lautstark...

Wie gesagt, ob die Zügelhilfe KOMPLETT durch Schenkelhilfe weggelassen werden kann, weiß ich praktisch nicht, wir sind ja nun mal mitten IN der Ausbildung. Und da ich mein Pferd selber ausbilde gibt es eben auch 2 Anlaufstellen! Mich und das Pony. Jeder muss seinen Teil lernen.
Damit haben wir genug zu tun.
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Beitrag von Colloid »

Steffen hat geschrieben: Ich würde sagen, eine "Stütze" braucht ein Pferd gar nicht. Der Unterschied zwischen einer Stütze und einer Anlehnung wie sie in der Dressur gefordert ist, besteht darin, dass die Stütze nach hinten wirkt, also festhält, während die Anlehnung immer die Tendenz nach vorn hat.
Ich habe ganz bewusst dieses Wort gewählt ;) diese Stütze geht allerdings vom Pferd aus und hat in sofern immer eine Tendenz nach vorne.
Die Aktivität der Hinterhand soll ja mit dem Zügel nicht zerstört werden, sondern, wie horsemän es so schön beschrieben hat, das Pferd soll sich abstoßen. Es geht doch "nur" darum, dass der Schwung von der Hinterhand durch den Körper des Pferdes bis nach vorn geht.
Und genau das ist die Stütze, ein in sich balancierter Körper muss sich nirgend "abstoßen".
Dieser Isi hat bei mir eine Stütze gesucht, solange ich diese nicht gewährt habe, hatte er deutlich Probleme mit der Balance.
Der Reiter hat eher das Gefühl er schiebt sein Pferd mit dem Zügel nach vorne, allerdings ohne dass die Verbindung verloren geht. Eine Stütze dagegen bedeutet, der Reiter hält das Pferd am Zügel fest, wirkt also zurück.
Nein. Eine Stütze ist doch nicht gleichbedeutend mit Halten...das ging vom Pferd aus;)
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Und warum sollte dieses Aussetzen der Hilfen nicht länger andauern-solange man nichts anderes vom Pferd fordert? Wie ich schon sagte, warum der Impuls-Gedanke nur am Schenkel?
Etwas anderes ist es aus meiner Sicht, wenn die Anlehnung am duchhängenden Zügel vor allem auf dem Respekt des Pferdes vor dem Gebiß beruht (sieht man häufig bei früh auf Kandare gerittenen Pferden). Auch das funktioniert. Das Pferd reagiert dann bereits auf die Andeutung einer Zügelbewegung, weil es die Wirkung der Stange fürchtet. Diese Art der Anlehnung hat den Nachteil, dass sie auch ohne Schwung also ohne Aktivität von hinten funktioniert - anders als bei der dressurmäßigen Anlehnung. Auch diese Art der Anlehnung am durchhängenden Zügel kann als Stütze wirken, wenn die Tendenz nach hinten und nicht nach vorn gerichtet ist, was schnell passiert, da man den Druck, den man ausübt nicht in der Hand spürt.
Jedes Pferd hat Respekt(allerdings möglichst keine Angst) vor dem Gebiss, spätestens wenn man einmal zugelangt hat (was sich leider in Ausnahmesituationen manchmal nicht vermeiden lässt :( ), was eine Grundlage der Reiterei darstellt. Das Pferd, bei dem ich das erleben durfte, hatte noch nie eine Stange im Maul. Bei durchhängendem Zügel reicht ein leichtes Heben und wieder Senken der Hand als Parade (wohlgemerkt auf Snaffle: einfach gebrochenes Gebiss ohne Anzüge), da diese hauptsächlich über Sitz und Schenkel geritten wird.
Das ein hängender Zügel ein Rückwärtstendenz haben soll, halte ich für ausgemachten Blödsinn *sorry, ist doch so*
Dieses weit verbreitete Verständnis von Anlehnung am durchhängenden Zügel hat zu dem Image geführt, dass spanische Pferde "vorne hui und hinten pfui" gehen und die Bewegung nicht durch den Körper geht.
In der Tat sieht man sowohl in Spanien als auch hier sehr viele Pferde, die auf diese Weise ausgebildet sind. Ich glaube auch nicht, dass diese Art zu reiten schädlich ist, vielleicht ist sie sogar für bestimmte Reitweisen, bei denen das Pferd lange Zeit Leistung bringen muss (z.B. Arbeitsreitweisen) viel sinnvoller, als die extrem kraftraubende Dressurreiterei. Insofern ist das absolut keine Wertung, aber man sollte die beiden Formen der Anlehnung zu unterscheiden wissen, sonst argumentiert man aneinander vorbei.
Das das Pferd aktiv über den Rücken geht und der Schub aus der HH kommt ist bei mir Grundlage und zentrales Element einer jeden Reiterei. Und bester Prüfstein überhaupt. Geht das verloren, läuft etwas ganz gewaltig schief. Vielleicht ist es einfach menschlich, daß man immer meint, was man hinten an Dampf erzeugt, vorne abfangen zu müssen, anstatt das Pferd sein Gleichgewicht selbst finden zu lassen.
Schade finde ich immer, wenn Leute (wie du auch) eines als das einzig Wahre und Echte ansehen und alles andere als "kann ja gar nicht reell sein" abstempeln (soviel Toleranz sie dabei auch an den Tag legen), anstatt sich eingehend und ohne Scheuklappen damit zu beschäftigen. Es gibt doch so viel mehr...
Der Sitz des Reiters (Kreuz und Gewichtshilfen) ist seine Stimme. Die anderen Hilfen sind aber die Mimik und Gestik. Eine Beziehung, die nur über das Telefon - also ohne Mimik und Gestik - geführt wird, kann nur selten die Qualität einer persönlichen Beziehung erreichen. Also warum soll ich auf einige reiterliche Hilfen verzichten? Weil Reiten sooo einfach ist, dass man auf einige Hilfen verzichten kann oder sogar sollte?
Warum nicht? Ist es nicht die konsequente Weiterführung des immer feiner werdens? Einfach ist das überhaupt nicht-im Gegenteil. Keiner von uns möchte sein Pferd mit physikalischen Mitteln zu etwas "zwingen", sondern fein und leicht kommunizieren. So hören die Hilfen irgendwann auf Hilfen zu sein und werden zur Konditionierung. Fein kann man erst sein, wenn ein Pferd verstanden hat, was man möchte und willens und in der Lage ist, das gewünschte auch auszuführen.
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