PM Regionalfachtagung zu dem Thema "Lang, eng oder tief

Rund ums Thema Pferd und die klassische Reitkunst

Moderator: Josatianma

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chica
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PM Regionalfachtagung zu dem Thema "Lang, eng oder tief

Beitrag von chica »

PM Regionalfachtagung zu dem Thema "Lang, eng oder tief"? Martin Plewa klärt auf.

Gespannt auf Herrn Plewa, machte ich mich auf den Weg nach Grimma. Letztes Jahr hatte ich Herrn Plewa auf einem Seminar über Jungpferdeausbildung sehen dürfen und war sehr angetan. Das diesjährige Motto der PM Regionalfachtagung war "Lang, eng oder tief"? Martin Plewa klärt auf. "Die optimale Lösungsphase für harmonische Zusammenarbeit".

Nach einer kurzen Begrüßung einer Sprecherin der FN, stieg Herr Plewa sofort ins Thema ein. Er machte auf aktuelle Missstände im Reitsport aufmerksam und sprach sich deutlich gegen den Einsatz der "Rollkur" aus. Herr Plewa selbst hat von Methoden gehört, wo Pferde vor dem Reiten ausgebunden zwei Stunden in der Box stehen. Solche Methoden seien als tierschutzwidrig zur Anzeige zu bringen.

Im Anschluss erklärte er am Pferd die wichtigsten Muskelgruppen der Oberlinie und deren Zusammenspiel. Während die junge Stute longiert wurde, verdeutlichte er, welche Teile des Pferdes er betrachtet, um die Losgelassenheit des Pferdes zu beurteilen. Hier nannte er vor allem das Muskelspiel des langen Rückenmuskels, der Hals - und Gesäßmuskulatur.
Er ließ sich die Stute in verschiedenen Tempi vorführen und erklärte, dass ein Arbeitstempo für jedes Pferd individuell gefunden werden muss, ebenso wie ein vorwärts/abwärts. Vorn am Hals sollte das Resultat zu sehen sein, was die HH an Schwung bringt. Es würde keinen Sinn ergeben, wenn die HH schlurft, das Pferd sich aber mit dem Kopf "unterhalb der Grasnarbe" befindet. Die junge Stute untermauerte Herrn Plewas These. Kaum war das richtige Arbeitstempo gefunden, lief sie in einem schwungvollen Trab mit nahezu bilderbuchhaften v/a und freien Spiel des langen Rückenmuskels.

Longiert wurde mit Dreieckszügeln. Sie sollten der Stute etwas Anlehnung und Sicherheit geben. Bei dieser Gelegenheit machte Herr Plewa noch einmal darauf aufmerksam, dass es Anlehnung und nicht Anziehung heißt.

Nach 30 Minuten Mittagspause folgte der praktische Teil. Als erstes kam eine junge Reiterin mit einem Wallach in die Halle. Das Alter des Pferdes wurde leider nicht genannt. Der Wallach war Marke "Sternengucker" und die Reiterin wirkte recht hilflos. Schon beim Einreiten der erste Kommentar von Herrn Plewa: "Sie führen uns grad die schlechteste Methode vor Schritt zu reiten und ihr Pferd bestätigt es." Die Reiterin ritt am halblangen Zügel. Herr Plewa meinte, für ihn gäbe es zwei Methoden Schritt zu reiten, am völlig hingegebenen Zügel oder in Anlehnung. Mit allem dazwischen könnte das Pferd nichts anfangen und schon gar nicht wenn eine starre Hand die Nickbewegung des Kopfes nicht zulässt.
Er erklärte der Reiterin immer wieder wie wichtig es sei, auch bei Pferden die zu Hirschhälsen und davonrennen neigen, zum Treiben zu kommen. Die Reiterin argumentierte, dass ihr Pferd sehr guckig sei. Herr Plewa meinte, dass er wohl immer gucken wird solang er nicht blind ist und er das nutzt um ihr nicht zuzuhören. Mit Hilfe Herrn Plewas gelang es der Reiterin ihre Hilfen richtig und platziert einzusetzen. Er wurde nicht müde, ihr immer wieder zu erklären und in den Zügel zu greifen. Das Resultat konnte sich sehen lassen, der Wallach fand die Arbeit seiner Reiterin auf einmal interessant und ließ sich auf sie ein. Von Sternengucker konnte nicht mehr die Rede sein und auch die GGA des Wallachs verbesserten sich sichtbar.

Als nächstes dann ein Reiter mit einem 14 jährigen, recht großrahmigen, Wallach. Hier das ganze Gegenteil, das Pferd kam viel zu tief und zu eng sobald der Reiter den Zügel aufnahm. Herr Plewa erklärte, dass beides, das Hochnehmen des Kopfes und das Verkriechen, sobald der Zügel aufgenommen wird, als Angstreaktionen des Pferdes zu deuten seien. Herr Plewa ließ den jungen Mann vor sich einparken und "spielte" im Stand etwas mit dem Gebiss des Pferdes um es zum Abkauen zu bringen.
Die Einheit mit dem Reiter war etwas kurz, da er vorher schon maßlos überzogen hat. Er verdeutlichte hier nur, dass es eine falsche Form des v/a sei und auch hier der Schlüssel im richtigen Treiben liege und dem Pferd mehr Vertrauen zur Reiterhand zu geben. Immer wieder betonte er, dass der Zügel nicht zum Halten da sei ("weder Pferdemaul noch Zügel sind Bremspedale"), sondern die Gewichtshilfen und dass die Reiterhand niemals rückwärts wirken dürfe.

Die junge Stute von heute morgen, war das dritte Pferd. Die Reiterin war sehr bemüht und offensichtlich erfahren, sie wurde von Herrn Plewa nur ab und an über den Einsatz ihrer Hand ermahnt. Herr Plewa ließ die Reiterin viele Übergänge reiten und im Trab immer wieder das Zügelmaß variieren. Die Stute dehnte sich rasch an den Zügel und war nahezu ein Paradebeispiel für Losgelassenheit. Herr Plewa selbst war ganz stolz auf die Kleine. Im Galopp, so betonte er, würde er junge Pferde noch nicht in die Tiefe reiten wollen. Hier sei es für junge Pferde am Schwierigsten Balance zu finden und Anlehnung nötig. Im Galopp bevorzuge er das wiederholte Überstreichen der Zügel.

Das letzte Pferd war ein schon fortgeschrittener Wallach. Herr Plewa erklärte, wie man bei fortgeschrittenen Pferden z.B. die Seitengänge zum Lösen verwenden könne und das bei so fortgeschrittenen Pferden das v/a nicht mehr so deutlich ausfalle wie bei jungen Pferden. Er ließ die Reiterin immer wieder Wechsel zwischen Seitengängen und frischen Vorwärts reiten, versammelter Galopp und Zulegen und ein paar fliegende Wechsel. Das Pferd entspannte sich sichtlich. Hier konnte schön verdeutlicht werden, dass ein so weit ausgebildetes Pferd eine deutlich andere Lösungsphase hat als eine Remonte.

Zum Abschluss richtete Herr Plewa noch einmal sein Wort ans Publikum. Er hoffe, dass heute jeder etwas hat mitnehmen können und es bewusst geworden ist, dass manche Sachen eben Zeit brauchen. Es wäre ein Widerspruch in sich, Losgelassenheit mit Zwang erreichen zu wollen und eine bodenlose Unverschämtheit gegenüber dem Pferd, ihm den Hals als Balancierstange durch zu tiefes Einstellen nehmen zu wollen.
Alles in allem ein tolles Seminar mit einem sehr engagierten Herrn Plewa.

Autorin: Etienne
LG Ines
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kallisto
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Beitrag von kallisto »

DANKE für den Bericht Sus! :)

LG Susi
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Rosana
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Beitrag von Rosana »

Wow, das klingt ja super!
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Susetti
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Beitrag von Susetti »

Herr Plewa konnte all dies mit einem Satz auf den Punkt bringen:

"Richtig reiten reicht"

Wo er Recht hat, hat er Recht. Ein tolles Seminar gewesen, sehr informativ. Und Etienne hat es so gut beschrieben, da bedarf es keiner weiteren Ergänzung ;-)
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emproada
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Beitrag von emproada »

Danke für den Bericht!
Mir hat Plewa letztes Jahr in Marbach auch ausgesprochen gut gefallen.
Viele Grüße Tina
horsman
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Beitrag von horsman »

Hört sich nicht schlecht an, wobei ich mit der Auffordung "man muss zum treiben kommen" nicht mehr allzu viel anfangen kann. Was genau meint er/man damit?? - Ok, das Pferd soll nicht rennen (richtig und wichtig), aber wozu ständig teiben? Und wenn nicht ständig treiben, was bedeutet dann, "man muss zum treiben kommen"? Oder meint er damit nur eine gute Vorwärtsreaktion bei sanften Beindruck im Falle, dass das Tempo oder die Aktion nicht der gewünschten des Reiters entspricht? Dann bin ich einverstanden. Und welche Form des "treibens" meint er damit und findet sie in diesem Fall richtig? Diejenige die sich das Pferd selbst abholt, wenn man nur das Bein hängen läßt (in dem Fall würde ich nicht von treiben sprechen, weil man tut ja als Reiter nix), oder meint er ein drücken mit dem Schenkel? Will er also ein ständiges drücken mit dem Schenkel??? ODer meint er gar ein schieben mit der Hüfte???
Also an dem Punkt wäre mir Herr Plewa zu wischiwaschi.
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susiesonja
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Beitrag von susiesonja »

Vielen Dank für diesen Bericht. Es hört sich an, als wäre Herr Plewa sehr direkt und deutlich. :wink: Sehr schön!
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Etienne
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Beitrag von Etienne »

@horsmän

In dem Zusammenhang wie es Herr Plewa da erwähnt hat, habe ich es so verstanden, dass er die allgemeine Reaktion des Pferdes auf den Reiter gemeint hat. Das Pferd stand in jeglicher Hinsicht nicht an den Hilfen und stakste einfach durch die Halle. Es war weder eine Reaktion auf Schenkel- noch auf Gewichtshilfen zu erkennen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Herr Plewa irgendwann von einen permanenten Einsatz der treibenden Hilfen gesprochen hat. Vielleicht fällt Susetti dazu noch etwas ein.

@Susetti
Du warst auch da? Vielleicht haben wir uns ja unbekannterweise gesehen.

LG Sus
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Ielke
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Beitrag von Ielke »

Klingt wirklich gut :D Habe heute mit Bedauern festgestellt, dass ich nicht zum Seminar "Gezerrt, gerollt, gezogen / wo bleibt das Pferd?" in Dillenburg fahren kann... das klingt auch spannend.

Das Stichwort "Zum Treiben kommen" kenne ich, bin früher (in meinen Anfangszeiten) mal eine sehr guckige Stute geritten die dazu neigte, unter mir davonzulaufen... Ich saß regelmäßig nur als Passagier drauf und versuchte, das Tempo "herunterzuregeln" - die Reaktion auf zu schnell war instinktv halt bremsen, heute weiß ich dass das falsch war. Wenn es mir aber gelang, sie auf die Hilfen aufmerksam zu bekommen und dass sie abwartete, ob ich z. B. Treibe oder nicht, war das ein gaaaanz anderes und tolles Reiten.
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Ich kenne den Ausdruck "zum treiben kommen" ebenfalls so, dass das Pferd die Hilfen bereitwillig annehmen soll. Gerade bei Pferden, die extrem sensibel auf's Bein zu reagieren, neigen viele Reiter dazu, die Beine einfach wegzustrecken. Das Pferd muss aber lernen, die Beinhilfen anzunehmen, und der Reiter "kommt zum treiben", und zwar so viel wie nötig, so wenig wie möglich.
Viele Grüße
Sabine
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horsman
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Beitrag von horsman »

ok, dann meint man damit anscheinend:
das Pferd soll nicht rennen, die Reiterbeine sollen locker herab hängen (und liegen damit ohnehin sanft am Pferd), und wenn man treibt ,also etwas mit dem Bein drückt, soll das Pferd prompt nach vorwärts reagieren. Mehr nicht? That´s all ?! Warum sagt man es dann nicht so. Das wäre doch viel verständlicher.
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LordFado

Beitrag von LordFado »

das hat er eben genausowenig gesagt wie dauerpressen. Warum meinst Du, dass alle seine Zuhörer es "falsch" verstehen, statt richtig?
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

@horsmän: das ist ein "alt-deutscher" Ausdruck, so wie der, dass der Reiter "zum sitzen kommt". Jeder, der in der deutschen Reiterei beheimatet ist, dürfte diese Begrifflichkeit kennen.

Damit ist definitv kein Dauerbohren mit den Sporen gemeint, jedenfalls nicht im ursprünglichen Sinn.

Es geht wirklich vielmehr darum, dass das Pferd sich auf den Reiter und seine Beinhilfen bereitwillig einlässt - und dann "kommt der Reiter zum treiben".
Viele Grüße
Sabine
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horsman
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Beitrag von horsman »

@Max
Dein Wort in Gottes Ohr. Nur erstens, warum sagt man/Reitlehrer dann nicht konkret was man/Reitlehrer will und hilft damit Pferd und Reiter wesentlich direkter und konktreter und zweitens kenn ich genau diesen Ausdruck aus zahlreichen dt. Reithallen, der dann genau dazu führt, dass ständig mit dem Bein gedrückt und mit dem Sporen geprokelt wird.

Für mich ist dieser Ausdruck (auch wenn er durchaus richtig ausgelegt werden kann) eher geeignet den Reiter auf eine falsche Fährte zu führen, als auf die richtige, und gehört damit in der Mülleimer.

In dem oben geschilderten Fall schien mir auch eine konkrete Hilfe, wie jetzt der Reiter nun "zum treiben kommen" kann nicht gegeben durch Herrn Plewa. Aber gut, es ist ja nur ein kurzer Abriss und ich war nicht live dabei. Er gab ja u.a. den Tip, "der Schlüssel liegt im richtigen treiben". Wie hat er denn dann folgerichtig erklärt und bestenfalls sogar den Reiter dazu bekommen, "richtig zu treiben"?
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Ielke
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Beitrag von Ielke »

@horsmän:

Warst du dort und hast die Erläuterung nicht verstanden?

Aus dem Bericht schließe ich, dass es Herr Plewa nicht bei den "Floskeln" gelassen hat sondern durchaus diese auch ausgelegt hat:


Mit Hilfe Herrn Plewas gelang es der Reiterin ihre Hilfen richtig und platziert einzusetzen. Er wurde nicht müde, ihr immer wieder zu erklären und in den Zügel zu greifen. Das Resultat konnte sich sehen lassen, der Wallach fand die Arbeit seiner Reiterin auf einmal interessant und ließ sich auf sie ein.
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