Faules Pferd

Rund um die klassische Reitkunst

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Poetin
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Faules Pferd

Beitrag von Poetin »

Hallo ihr Lieben,
ich möchte gerne von meinem Pferd berichten, mit dem ich ganz tolle Fortschritte gemacht habe, wo aber leider immer noch ein für mich anstrengendes Problem vorliegt.
Es handelt sich um einen 14 Jährigen Friesenhengst, vom alten Schlagt. Er war zeit seines Lebens nur im Deckeinsatz und genau vor einem Jahr fing ich an ihn zu arbeiten. Er kannte Reitergewicht, links und rechts ziehen bedeutete links und rechts zu gehen und an beiden Zügeln zu ziehen bedeutete anhalten. Anfangs war es eine Katastrophe, er konnte nicht gerade auf dem Hufschlag gehen, so schief war er. Außerdem extrem triebig, wobei er natürlich Hilfen einfach nicht kannte und sie dementsprechend auch nicht umsetzen konnte. Galopp war sein größtes Problem. Er bockte immer beim angaloppieren, konnte seine Beine nicht sortieren und ging in Schräglage um die Kurve. Den ließen wir dann auch erst mal aussen vor und arbeiteten and Grundsätzlichem wie Dehnungshalung, vorwärts gehen und Geschmeidigkeit. Mittlerweile nach einem Jahr, hat er sich echt toll gemacht. Er geht SH, Travers, Renvers im Schritt und Trab, auf geraden und gebogenen Linien, sucht immer wieder die Dehnungshaltung, lässt sich aus dem Schritt angaloppieren, auf der linken Hand galoppiert er auch schon schön gesetzt. Er zeigt erste Piaffetritte und heute haben wir angefangen, an der Levade zu arbeiten, um einfach seine HH Muskulatur noch mehr zu stärken.
Nun ist es so, dass er ein extremer Energiesparer ist und ich immer, wenn es um anstrengendes geht, sprich Versammlung, muss ich enorm viel machen, um ihn in Gang zu halten. Das schlaucht auf Dauer und so möchte ich ihn auch nicht die ganze Zeit pentrieren. In der Piaffe ist es z.B. so, dass er, wenn ich nicht dran bleibe, einfach ausgeht. Und keine diagonalen Tritte mehr zeigt. Witzigerweise fällt ihm vom Boden aus alles viel viel leichter. Ich arbeite gern und oft mit ihm am Boden, habe auch die ganzen Seitengänge am Boden erarbeitet und das hat echt Früchte getragen. Am Boden kann er z.B. auf einer sehr engen Volte super versammelt auf beiden Händen galoppieren, was ihm unterm Reiter nie einfallen würde. Am Boden hält er die Piaffe auch wesentlich länger von alleine, ich muss ihn seltener wach machen.
Habt ihr Ideen, was ich unterm Sattel machen kann, damit er besser die Stange hält? Ich arbeite schon immer nur in sehr kurzen Reprisen mit ihm und auch schon garnicht jeden Tag. Das Training besteht aus max. 30 min und zwischen anstrengenden Phasen, lasse ich ihn immer wieder pausieren, arbeite mit Leckerlies (dafür tut er fast alles) usw.
Ich bin mit meinem Latein am Ende :-(

Würde mich sehr über aufschlussreiche Tipps und co. freuen.

Viele liebe Grüße,
Poetin
bärli
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Beitrag von bärli »

Du hast ja schon sehr viel erreicht mit dem Herrn! Vielleicht fehlt ihm noch Kraft, die geforderten Sachen auch unter dem Sattel so auszuführen, wie am Boden. Sollte man eventuell einen kleinen Schritt zurückgehen und z.B. mehr Piaffe-vorbereitende Übungen(Schritt-Trab Übergänge im Schulterherein) machen? Vielleicht blockierst du ihn unbemerkt, wenn du reitest. Oder es ist ein Sattelproblem? Hast du ihn schon mal einem Osteopathen vorgestellt?
Viele Erfolg weiterhin!
Poetin
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Beitrag von Poetin »

Danke dir für deine liebe und schnelle Antwort.
Ja, letztes Frühjahr hatte ich eine Physiotherapeutin da, die auch auf meinen Sattel geschaut hat und den für in Ordnung befand und mir einige unterstützende Maßnahmen für ihn wie Dehnungen und Massagen erklärte und zeigte. Das beschränkte sich aber lediglich darauf, dass er sehr fest im Hals war und wenig Schulterfreiheit hatte. Das mit der Flexiblität im Hals ist weitesgehend weg und die Schulterfreiheit ist auch besser geworden, durch Dehnen und viel vorwärts traben. Was noch ein bisschen mager ist, ist der spanische Schritt. Er hebt zwar schön die Beine, aber er streckt sie nicht richtig nach vorne, was sicherlich ein Zeichen auch dafür ist, dass die Schulterfreiheit noch nicht optimal ist. Aber wir arbeiten dran :-)
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Hallo Poetin, normalerweise wird für die Grundausbildung (d. h. bis zu den Lektionen Klasse L) etwa 2 Jahre veranschlagt. Danach sollte das Pferd imstande sein, ausbalanciert und losgelassen unter dem Reiter zu gehen und erste Versammlung zu zeigen. Ich halte es nicht für verkehrt, bereits früh mit Seitengängen zu beginnen, weil sie das Pferd geschmeidig machen und die Geraderichtung fördern.

Deine Probleme mit der Balance unter dem Reiter und vor allem die Triebigkeit zeugen meiner Meinung nach ganz deutlich davon, dass Du zu wenig gründlich an der Basis gearbeitet hast und zu schnell in der Ausbildung vorgehst. Das sind ganz essentielle Probleme und sollten nicht ignoriert werden.

Das Mittel dagegen ist Arbeit an der Basis, und nicht noch irgendwelche weiteren Lektionen, die ohne solide Grundlagen dem Pferd eher schaden als nützen.
Viele Grüße
Sabine
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Ielke
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Beitrag von Ielke »

Hallo,

du schreibst überwiegend von versammelten und gesetzten Lektionen... aus eigener Erfahrung mit meinem Friesen weiß ich, wie wichtig es ist, das "Vorwärts" zu installieren.

Mit einer früheren RL haben wir viel zu früh an vermeintlich versammelten Lektionen gearbeitet, dabei war mein Pferd extrem triebig und jede Zirkelrunde Galopp war eine Herausforderung. Dann - bei einer anderen RL - haben wir zunächst daran gearbeitet, das untertourige Tempo in ein reelles Arbeitstempu umzuwandeln und seitdem ist mein Pferd fleißig und z. B. auch längere Phasen mit Galopparbeit sind kein Thema mehr.

LG
Ielke
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Beitrag von Poetin »

@ Max: Grundsätzlich stimme ich dir zu. Jedoch ist es so, dass versierte Ausbilder immer wieder die Ansätze der Piaffeerarbeitung in die frühe Ausbildung des Pferdes mit aufnehmen, da dies eine Schlüssellektion ist, die dem Pferd in der weiterführeunden Arbeit massiv unterstützt. Das war auch der Grund, warum ich mit ihm recht früh mit der Piaffe angefangen habe. Gerade auch um die Tragfähigkeit im Galopp zu verbessern. Und es ist z.B. so, dass ich ihn sehr lange im versammelten Trab im SH z.B. reiten kann, ohne viel treiben zu müssen. Es ist dann erst der Fall, wenn es ums eingemachte geht.

Liebe Grüße,
Poetin
charona
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Beitrag von charona »

Ielke hat geschrieben:Dann - bei einer anderen RL - haben wir zunächst daran gearbeitet, das untertourige Tempo in ein reelles Arbeitstempu umzuwandeln und seitdem ist mein Pferd fleißig und z. B. auch längere Phasen mit Galopparbeit sind kein Thema mehr.
kann bei Ielke nur unterschreiben! Meine, zwar noch junge Friesen Stute, war vor einigen Wochen noch extrem triebig. Habe das Training angepasst und wie Ielke versucht ein frisches Vorwàrts zu installieren. Heute, einige Wochen später, hat sich die Gehfreude schon sehr verbessert. Jetzt kann mit Spasse an der Sache an der Kondition gearbeitet werden. Seitengänge frage ich nur kurz ab zwecks Schenkelgehorsam, mehr noch nicht.
Poetin
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Beitrag von Poetin »

Stimme dir da auch zu, Charona. Das fleißige Vorwärts mussten wir auch erst einbauen und jetzt funktioniert es super. Allerdings nur im Vorwärts. Es ist im allgemeinen aber auch so, dass er recht langsam reagiert. Vielleicht ist es sein Character oder auch einfach die Rasse? Meine Stute (Araber-Knabstrupper) ist so fein, da brauche ich im Trab nur noch mein Becken zu drehen, um vom SH ins Travers zu kommen und wieder zurück. Das funktioniert bei dem Hengst auch, aber immer erst dann, wenn ich ihn einmal dran erinnert habe (und das in jeder Trainingseinheit einmal), dass ich das auch wirklich so haben möchte...
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Hallo Poetin, es geht mir nicht um die Piaffe, sondern um das grundsätzlich zu schnelle Vorgehen, dessen Auswirkung sich deutlich in den geschilderten Schwierigkeiten zeigt: Triebigkeit und deutliche Balanceprobleme unter dem Reiter. All diese Probleme treten, (wie Du schreibst:) "witzigerweise" in der Bodenarbeit nicht auf.

Du hast ein 14jähriges Pferd, das 10 Jahre lang nichts anderes kannte als ein Reitergewicht auf dem Rücken und einige rudimentäre Signale. Nach bereits einem (!) Jahr Ausbildung bist Du auf dem Stand, den Du jetzt beschreibst. Es geht nicht um das "Was", sondern um das "Wie". Und das "Wie" verbessert man nur durch Zeit und Basisarbeit. Gut Ding will Weile haben!

Eine Levade z. B. wird aus einer guten, gesetzten Piaffe entwickelt - ein Pferd, das erst "erste Piafftritte" zeigt, kann nicht korrekt levieren, bestenfalls steigen, und das hat keinerlei werthaltigen Effekt auf den Ausbildungsweg.

Zur Kräftigung der Hinterhand gibt's doch genügend solidere Mittel, z. B. Tempiunterschiede in den einzelnen Gangarten und Schulterherein oder die Schaukel. Gerade Tempiunterschiede sollten doch einen schönen "hallo wach!"-Effekt auf Dein Pferd haben, außerdem fördern sie die Durchlässigkeit.
Viele Grüße
Sabine
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Poetin
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Beitrag von Poetin »

Du hast ein 14jähriges Pferd, das 10 Jahre lang nichts anderes kannte als ein Reitergewicht auf dem Rücken und einige rudimentäre Signale. Nach bereits einem (!) Jahr Ausbildung bist Du auf dem Stand, den Du jetzt beschreibst. Es geht nicht um das "Was", sondern um das "Wie". Und das "Wie" verbessert man nur durch Zeit und Basisarbeit. Gut Ding will Weile haben!
Doch, schau mal hier: http://www.youtube.com/watch?v=_b-PENR0r7A

Das sind nicht mehr als Ansätze zur Piaffe und wirklich schöne Ansätze zur Levade.

Was meinst du denn genau, mit zu schnell vorgehen?

Liebe Grüße,
Poetin
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Poetin hat geschrieben:Meine Stute (Araber-Knabstrupper) ist so fein, da brauche ich im Trab nur noch mein Becken zu drehen, um vom SH ins Travers zu kommen und wieder zurück. Das funktioniert bei dem Hengst auch, aber immer erst dann, wenn ich ihn einmal dran erinnert habe (und das in jeder Trainingseinheit einmal), dass ich das auch wirklich so haben möchte...
Ich habe das gerade erst gelesen, und jetzt verstehe ich Dich besser: es ist sehr schwer, von einem leichtrittigen Pferd auf ein weniger rittiges umzusteigen. Umgekehrt geht es leichter.

Man kann auch einen kleinen "Büffel" fein bekommen, aber das braucht Zeit und Geduld.

Ich weiß, wovon ich spreche, ich habe ebenfalls ein (hochblütiges) sehr leichtrittiges Pferd und einen über 1,80 m Riesen, der früher genau wusste, er mich verhungern lassen konnte. Zu groß für mich, eigentlich ein typisches Männerpferd. Mittlerweile ist er traumhaft leichtrittig - der Weg dahin war lang, schwer und von vielen Rückschlägen geprägt. Aber es hat sich gelohnt! :D
Viele Grüße
Sabine
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Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Poetin hat geschrieben:
Du hast ein 14jähriges Pferd, das 10 Jahre lang nichts anderes kannte als ein Reitergewicht auf dem Rücken und einige rudimentäre Signale. Nach bereits einem (!) Jahr Ausbildung bist Du auf dem Stand, den Du jetzt beschreibst. Es geht nicht um das "Was", sondern um das "Wie". Und das "Wie" verbessert man nur durch Zeit und Basisarbeit. Gut Ding will Weile haben!
Doch, schau mal hier: http://www.youtube.com/watch?v=_b-PENR0r7A

Das sind nicht mehr als Ansätze zur Piaffe und wirklich schöne Ansätze zur Levade.

Was meinst du denn genau, mit zu schnell vorgehen?

Liebe Grüße,
Poetin
Ja, das ist wirklich schön - aber Dein Friese ist das nicht :wink:
Viele Grüße
Sabine
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Poetin
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Beitrag von Poetin »

Ja, das ist wirklich schön - aber Dein Friese ist das nicht
Ne :D leider nicht...

Was hast du denn für Tipps parat, um ein schweres Pferd feiner zu kriegen?
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Oh, das hört sich simpel an, braucht aber Durchhaltevermögen, Zeit, Geduld, Konzentration und Disziplin :wink:

Eigentlich geht man nur ständig und immer wieder vom "Schweren" zum "Leichten":
Anfangs gibt man die Hilfen mit dem Kraftaufwand und in der Deutlichkeit, die notwendig sind, damit die Lektion korrekt ausgeführt wird. Mit der Zeit (und das geht über Monate, wenn nicht Jahre) wird die Hilfengebung immer mehr verfeinert, man wird immer leichter und leichter - und korrigiert sofort mit dem notwendigen Mehr an Kraftaufwand nach, falls die Lektion nicht mehr korrekt ausgeführt wird, und wird dann sofort wieder leichter. Gegebenenfalls muss man auch die Lektion abbrechen, korrigieren und dann erneut anfragen. (Z. B. wenn der Rücken im SH immer fester wird, sollte man besser abbrechen und erneut ansetzen, weil man das in der Lektion nicht mehr korrigiert bekommt.)

Noch mehr Geduld braucht man, wenn man dann anfängt Lektionen (die einzeln für sich gut funktionieren) dann zu kombinieren (z. B. SH - Volte - Travers). Aber auch da gilt dann das gleiche Prinzip.

Im Grunde genommen sollte in jeder Reiteinheit die Skala der Ausbildung jederzeit vollständig abrufbar sein. (OK, das ist das Ideal) Wenn es irgendwo hakt, muss man einen Schritt zurückgehen und an diesem speziellen Punkt arbeiten. Sicherlich können auch Lektionen ein Mittel zum Zweck sein, aber nur, wenn sie auch korrekt ausgeführt werden.
Viele Grüße
Sabine
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Beitrag von Poetin »

Vielen Dank für deine Antwort.
Das ist exakt die Art und Weise, wie ich meine Pferde reite. Wahrscheinlich ist es dann wirklich so, wie du sagst: Ich bin "feines-Pferd-verwöhnt" :)
Ich überlege, bei schwierigen Lektionen mehr darauf zu horchen, was er anbietet und weniger zu fordern, wobei ich aber befürchte, dass er freiwillig nicht unbedingt mehr anbietet, getreu dem Gesetzt des effizienten Energiesparens :wink:
z.B. hatte ich ja bereits geschrieben, dass er sich beim sp. Schritt schwer tut, seine Beine nach vorne zu bewegen und es erst auf mangelnde Schulterfreiheit zurückgeführt. Manchmal frage ich mich aber auch, ob es nicht doch nur Faulheit ist. Z.B. dann, wenn ich sehe, dass er mit seinem Kumpe auf der Weide Machtspielchen austrägt und dabei seine Haxen gen Himmel fliegen 8)

Liebe Grüße,
Poetin
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