Totilas - Eine eigene Klasse?

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kallisto
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Beitrag von kallisto »

horsmän hat geschrieben:Der Ritt war sehr ansehnlich, aber am Ziel aller Reiterträume war das nicht.
Warum muss denn ein Grand Prix Ritt das Ziel aller Reiterträume sein? Mal abgesehen, dass Träume immer subjektiv sind.
Egal ob bei "Augenschmausritten" oder bei privaten Videos... Solch ein Niveau von Gal sieht man nicht mal annäherungsweise. Weder sitzmäßig noch so eine feine Einwirkung bei solch schwierigen Lektionen vor so einem Publikum. Immerhin trabt er nicht nur ganze Bahn leicht...

Ich meine mich an einen Wettbewerb aus einem anderen Forum zu erinnern, bei dem ein Video mit ganze Bahn aussitzen auf beiden Händen verglichen werden sollte. Komischerweise war die Beteiligung bei der simpelsten Übung die größten Kritiker und Feines-Reiten-Anhänger komplett verschwunden :) Manchmal habe ich das Gefühl, die graue Theorie lebt mehr als die praktische Umsetzung...

LG Susi
horsman
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Beitrag von horsman »

kallisto hat geschrieben:
horsmän hat geschrieben:Der Ritt war sehr ansehnlich, aber am Ziel aller Reiterträume war das nicht.
Warum muss denn ein Grand Prix Ritt das Ziel aller Reiterträume sein?
LG Susi
Muss er ja auch gar nicht. Aber er wird dazu hoch stilisiert, zb vom TV-Kommentator usw.
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Ielke
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Beitrag von Ielke »

horsmän hat geschrieben:
Muss er ja auch gar nicht. Aber er wird dazu hoch stilisiert, zb vom TV-Kommentator usw.
Das heißt ja auch nur, dass es vielleicht seine Meinung darstellt und die einer bestimmten Zuschauergruppe.

Ist doch bei anderen Reportagen genauso... ob ich jetzt Sport einschalte, ne Kochsendung oder eine Reisedoku.
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

horsmän hat geschrieben:Muss er ja auch gar nicht. Aber er wird dazu hoch stilisiert, zb vom TV-Kommentator usw.
...hattest Du nicht eben noch geschrieben, dass es durchaus in Ordnung sei, wenn absolute Ausnahmeerscheinungen ein wenig verehrt würden, wie in deinem Beispiel N.O. Du kannst Dir sicher sein, dass auch Herr Olievera regelmäßig "die Tür geschlossen" hat und es sehr wohl verstanden hat, auch mal richtig zuzupacken, Gott sei Dank stand da aber niemand mit der Videokamara dabei.

Zitat aus dem Vorwort von Nuno Oliveira: "Gedanken über die Reitkunst":
"Wenn Nuno Oliveira, wie einige seiner berühmten Vorgänger, zuweilen mit an Gewalt grenzenden Methoden ausgebildet hat, so bleibt er ..."

Soweit also zu unseren klassischen Supervorbildern...

Der oft so bewunderte absolute Gehorsam des Pferdes auf die durchhängende Kandare, bei denen das Gewicht der Kandare auszureichen scheint, um das Pferd gehorsam arbeiten zu lassen, ist oft nichts anderes als der 100%ige Respekt, den das Pferd - teilweise mit wenig freundlichen Methoden - erlernt hat.

Jeder der Pferde bis in die höchste Klasse ausbildet weiß, dass man dabei auch Widerstände überwinden muss. Hohe Dressur ist extrem kraftraubend und eine gymnastische Herausforderung die kein Pferd freiwillig und freudig von alleine ausführt. Es muss systematisch dahin geführt werden und wird dann einsehen, dass die korrekte Ausführung der geforderten Übungen auch die für das Pferd angenehmste ist, bis es das aber gelernt hat, wird es immer und immer wieder Situationen geben, in denen der Reiter auch einmal von der reinen Lehre der Reitkunst abweicht, um einen Widerstand zu überwinden. Wenn das gelingt, wird das Pferd auf dem neuen Niveau wieder im Sinne der reinen Lehre zu reiten sein.

Was mich stört, ist das unterschiedliche Maß, mit dem hier gemessen wird. Natürlich kommen bei den Bewegungen von Totilas Fragen auf, ob dies noch natürlich sein kann. Aber muss man nicht zur Kenntnis nehmen, dass dieses Pferd eine extrem tätige Hinterhand hat (die natürlich nicht soweit hoch kommen kann, wie die Vorhand, da ist der Rest des Pferdes im Weg :wink:), dass er eine Elastizität hat, als liefe er auf Federn, dass er sich für die Aufgabe und die Umgebung sehr ausgeglichen zeigt, dass er die Lektionen mit einer Perfektion ausführt, die fantastisch ist, dass er dabei aber gerade nicht wie eine Maschine wirkt, sondern vor Ausstrahlung und Brillianz so glüht, dass es dem Betrachter abwechselnd heiß und kalt den Rücken herunter läuft, dass der Reiter eben nicht ständig mit dem Sporn im Pferd ist, sondern mit sehr viel Gefühl diese wahnsinnige Energie beherrscht ... kann man wrklich über all das hinwegsehen und sagen: Naja, aber da ist so ein Schimmel der geht ganz lieb Schritt, Trab und Galopp und den fand ich ja viel besser???

Vergleiche machen nur Sinn, wenn sie auf dem gleichenNiveau stattfinden. Es bringt nichts, ein Rentnerpaar beim langsamen Walzer zu bewundern und es mit dem "verspannt wirkenden" Tangotanzpaar einer Weltmeisterschaft zu vergleichen.

100% gibt es nie, weder beim Reiten, noch bei der Wahl des Ausbilders. Aber, so wie Herr Oliveira - trotz vieler Schwächen und Momente von wenig schöner Ausbildung - sicher ein absolut genialer Reitmeister war, so halte ich Totilas als Dressurpferd mit seinem Reiter und Ausbilder EG für das genialste, was es in diesem Bereich je gegeben hat. Er hat sicher trotzdem noch eine Reihe von Fehlern, an denen er noch arbeiten kann, aber verglichen mit dem, was in dieser Disziplin überhaupt realistisch möglich ist und bisher zu sehen war, ist die Leistung dieses Paares einfach "über 90%" :wink:
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
Motte
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Beitrag von Motte »

Linski hat geschrieben: Abgesehen davon das es wieder das klassische Richterproblem gibt. Wenn man für richtig miese Ritte schon über 70% vergibt, wo sollen die denn mit dem dicken schwarzen Tier noch hin?
:D
Dieser Satz, in dem soviel Wahres steckt, hat mich grad so richtig fett grinsen lassen....

:wink:
horsman
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Beitrag von horsman »

Steffen hat geschrieben: Der oft so bewunderte absolute Gehorsam des Pferdes auf die durchhängende Kandare, bei denen das Gewicht der Kandare auszureichen scheint, um das Pferd gehorsam arbeiten zu lassen, ist oft nichts anderes als der 100%ige Respekt, den das Pferd - teilweise mit wenig freundlichen Methoden - erlernt hat.
Wenn damit sagen willst, dass die leichte Anlehnung von guten Legerete-Reitern mit Gewaltmethoden herbei geführt wurde, dann sage ich Dir, da bist Du auf dem Holzweg. Er beruht vielmehr auf dem empfindlich halten des Maul vom ersten Tag an und dem Wissen und Können, das Pferd ohne zu starke Handeinwirkung sehr wirkungsvoll von der HH ausgehend zu gymnastizieren. Mach diesbezüglich mal richtig schlau und schau solchen Reitern einige Jahre bei einigen Pferden über die Schultern.


Das was Dich bei Totilas und EG so fasziniert, nämlich dass das Pferd immens arbeitet, der Reiter aber oben drauf nicht, ist übrigens genau das, was mich an gutem Legerete-Reiten so fasziniert. In dem Punkt sind wir uns einig.
First a relaxed mind, then a relaxed horse.
LordFado

Beitrag von LordFado »

horsmän hat geschrieben:
Steffen hat geschrieben: Der oft so bewunderte absolute Gehorsam des Pferdes auf die durchhängende Kandare, bei denen das Gewicht der Kandare auszureichen scheint, um das Pferd gehorsam arbeiten zu lassen, ist oft nichts anderes als der 100%ige Respekt, den das Pferd - teilweise mit wenig freundlichen Methoden - erlernt hat.
Wenn damit sagen willst, dass die leichte Anlehnung von guten Legerete-Reitern mit Gewaltmethoden herbei geführt wurde, dann sage ich Dir, da bist Du auf dem Holzweg.
Ach, warst Du bei NO live dabei bei jeder Einheit? Wie kannst Du Dir da so sicher sein??
Lilith79
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Beitrag von Lilith79 »

Steffen hat geschrieben: Vergleiche machen nur Sinn, wenn sie auf dem gleichenNiveau stattfinden. Es bringt nichts, ein Rentnerpaar beim langsamen Walzer zu bewundern und es mit dem "verspannt wirkenden" Tangotanzpaar einer Weltmeisterschaft zu vergleichen.
Also als Tanzsportfan muss ich hier mal anmerken, dass ich noch nie ein wirklich gut tanzendes Tangopaar auf Weltniveau gesehen habe, dass "verspannt" wirkt :shock: So was sieht man höchstens bei den WM/EM-Teilnehmern, die sich im mittleren bis letzten Drittel der Platzierungen befinden, also unter den Leuten, die zwar die notwendigen Schwierigkeiten können um gut genug für einen Spitzenwettkampf zu sein, aber denen die Perfektion fehlt um das Ganze dann auch noch dynamisch, und trotzdem flüssig und mühelos wirken zu lassen. Das ist ja grad das, dass die Siegerteams von denen dahinter unterscheidet. Und so sollte es im Reitsport sicher auch sein, zumindest theoretisch.
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Ich bin der gleichen Meinung wie Steffen: in der Ausbildung geht es nicht immer wie im Lehrbuch zu, und auch berühmte Ausbilder verwenden sicherlich nicht nur sanfte Methoden, um zum Ziel zu kommen.

Natürlich hinken Vergleiche zwischen Totilas mit seinem sehr dynamischen Gangpotential und anderen Pferden. Wenn man Vergleiche ziehen möchte, kann man das vermutlich nur mit anderen herausragenden Sportpferden aus der Vergangenheit tun (beispielhaft genannt: Ahlerich, Rembrandt, Rusty ...).
Viele Grüße
Sabine
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Lilith79
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Beitrag von Lilith79 »

Max1404 hat geschrieben:
Natürlich hinken Vergleiche zwischen Totilas mit seinem sehr dynamischen Gangpotential und anderen Pferden. Wenn man Vergleiche ziehen möchte, kann man das vermutlich nur mit anderen herausragenden Sportpferden aus der Vergangenheit tun (beispielhaft genannt: Ahlerich, Rembrandt, Rusty ...).
Mich erinnert das Gangbild im Trab von Totilas recht stark an einige der Großpferderassen aus der Gangpferdeszene , z.B. an die American Saddlebreds die auf unsrem Isi-Turnier als Gäste aufgetreten sind (die übrigens ganz ordentlich vorgestellt wurden, das ist nicht mit dem Saddlebred Reiten zu vergleichen, das in den USA teilweise betrieben wird). Bei Gangpferdeturnieren würde er mit seinem Trab finde ich generell gar nicht auffallen ;)

Das die Dressur-Warmblutzucht sich in diese Richtung bewegt, finde ich allerdings schon interessant.

Ansonsten finde ich an den Video nichts Unschönes, aber das Gangbild im Trab gefällt mir halt persönlich nicht, das gefällt mir bei Gangpferden generell auch nicht. Wobei viele 08/15 Isis (inkl. meiner Stute) im Trab im Freilauf ihre Vorderbeine in die Waagrechte schmeissen wie Bolle, deswegen sehe ich trotzdem nicht unbedingt einen Grund diese Vorhandaktion "unnatürlich" zu finden.
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Rioja
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Beitrag von Rioja »

Aber muss man nicht zur Kenntnis nehmen, dass dieses Pferd eine extrem tätige Hinterhand hat (die natürlich nicht soweit hoch kommen kann, wie die Vorhand, da ist der Rest des Pferdes im Weg ), dass er eine Elastizität hat, als liefe er auf Federn, dass er sich für die Aufgabe und die Umgebung sehr ausgeglichen zeigt, dass er die Lektionen mit einer Perfektion ausführt, die fantastisch ist, dass er dabei aber gerade nicht wie eine Maschine wirkt, sondern vor Ausstrahlung und Brillianz so glüht, dass es dem Betrachter abwechselnd heiß und kalt den Rücken herunter läuft, dass der Reiter eben nicht ständig mit dem Sporn im Pferd ist, sondern mit sehr viel Gefühl diese wahnsinnige Energie beherrscht ... kann man wrklich über all das hinwegsehen und sagen: Naja, aber da ist so ein Schimmel der geht ganz lieb Schritt, Trab und Galopp und den fand ich ja viel besser???
Nun, alles liegt halt im Auge des Betrachters und was dieser als erstrebenswert ansieht. Ich freu´ mich für Dich, dass Dich dieses Paar so begeistert, aber Du kannst nicht erwarten, dass alle anderen ebenfalls so empfinden (oder Deiner Meinung nach: empfinden sollten).
Nakim

Beitrag von Nakim »

Steffen hat geschrieben:...hattest Du nicht eben noch geschrieben, dass es durchaus in Ordnung sei, wenn absolute Ausnahmeerscheinungen ein wenig verehrt würden, wie in deinem Beispiel N.O. Du kannst Dir sicher sein, dass auch Herr Olievera regelmäßig "die Tür geschlossen" hat und es sehr wohl verstanden hat, auch mal richtig zuzupacken, Gott sei Dank stand da aber niemand mit der Videokamara dabei.
und genau das schätze ich an Herrn von Neindorff so sehr. Ich war 7 Jahre fast täglich da und habe nie wirklich nie solche "Gewaltmethoden" gesehen. Da ich wirklich zum Inventar gehörte, hätte ich es sonst ohne Frage mitbekommen wenn er sie benutzt hätte. Es gab nie solch unschöne Bilder. Und ich bin sicher er hätte eher Menschenmisshandlungen im Institut geduldet als daß ein Pferd "angefaßt" wird.

Und seinen Jaguar habe ich oft genug auf blanker Kandare gesehen. Immer ein Bild von gelöster Kraft und Anmut. Das Pferd war einfach am Sitz. Er mag nicht der bester Lehrer gwesen sein, aber ein begnadeter Reiter der das zeigte was er von seinen Schülern verlangte und anstrebte.
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Ielke
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Beitrag von Ielke »

@ Lilith:

Schön möglich, dass sich da ein paar Gene von seinen Vorfahren mütterlicherseits nach vorn gekämpft haben... über die Mutterlinie geht er nämlich auf Groninger zurück, und diese führen u.a. Hackneys und Friesen im Geenpool.
horsman
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Beitrag von horsman »

@Lord Fado
Nein, natürlich nicht bei NO. Aber es gibt noch weitere Reiter, die diesen Reitstil pflegen.
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stjärnskott
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Beitrag von stjärnskott »

Lilith79 hat geschrieben:
Mich erinnert das Gangbild im Trab von Totilas recht stark an einige der Großpferderassen aus der Gangpferdeszene , z.B. an die American Saddlebreds die auf unsrem Isi-Turnier als Gäste aufgetreten sind (die übrigens ganz ordentlich vorgestellt wurden, das ist nicht mit dem Saddlebred Reiten zu vergleichen, das in den USA teilweise betrieben wird). Bei Gangpferdeturnieren würde er mit seinem Trab finde ich generell gar nicht auffallen ;)
Hier mal ein Video von einem o.g. Saddler, die werden auch in Gangpferdekreisen oft als extrem angesehen, daher hier mal einer im Freilauf und unter dem Reiter:
http://www.youtube.com/watch?v=lcNU0p8y ... tube_gdata
Interessant um etwa 3Min:
http://www.youtube.com/watch?v=Ud0cwy3P ... tube_gdata
Nicht ganz so extrem (Trab um etwa 1min):
http://www.youtube.com/watch?v=btVMCk2f ... tube_gdata
Ziemlich extrem(besonders die Sattelung):

http://www.youtube.com/watch?v=GKuV62sL ... tube_gdata
Solange Menschen denken, dass Tiere nicht fühlen, werden Tiere fühlen, dass Menschen nicht denken
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