Main fixe - Stellung der Reiterhand

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louise
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Main fixe - Stellung der Reiterhand

Beitrag von louise »

Hallo,

ich habe gerade den Kursbericht mit P. Berthier gelesen und zur main fixe.

Ich habe leider keine Ahnung davon und kann mir den Unterschied zur konventionellen Hand nicht so recht vorstellen, wenn es denn einen gibt.

Aus meiner eigenen Reitausbildung (Western und klassisch) kenne ich nur ruhig am Platz stehende Hände, die sich dem Pferd anbieten und über die Aktivierung der Nachhand ein Nachgeben des Pferdemaules erwarten und diesem mit dem Öffnen der Finger folgen, aber nicht unbedingt ihren Platz verlassen (z.B. durch nach vorne gehen).

Über nach hinten arbeitende Hände (also schlechtes Reiten) muss man in diesem Zusammenhang wohl nicht sprechen?

Über Erklärungen freue ich mich.
Louise
lalala

Beitrag von lalala »

Wie sagte Podhajsky so schön: die Hand ist ruhig und bewegt sich doch :wink: Eine ruhige, feine Hand steht nicht am Platz, sie bewegt sich...

Lässt sich im Schritt immer gut darstellen, weil Taktunreinheiten während des Treibens und eine falsch oder gar nicht mitgehende Hand sich immer schön am Gangbild des Pferdes ablesen lassen.
louise
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Beitrag von louise »

Ja, richtig, sie ist am Platz und für den Betrachter dort stehend. Die Bewegung ist also nicht in der Bewegung der Hand sondern eher der Finger zu suchen, "sichtbar" und fühlbar nur für das Pferd, als Kontakt zum Pferdemaul.

Bezeichnet denn das nun die main fixe?Ist dies "nur" ein Ausdruck der "Légèreté"? Oder doch übergreifend auf diese unbeweglich scheinende, nicht nach hinten arbeitende Hand?

Nur um das auszuschließen: mit stehender Hand meinte ich die ruhige Hand.

Louise
lalala

Beitrag von lalala »

Nein, so meinte ich das nicht.

Meine Hand bewegt sich durchaus sehr deutlich vom Platz weg. Vor-zurück....ganz wie es die Nickbewegung des Pferdes verlangt.Aber sie ist gleichzeitig ruhig, weil sie das Pferd nicht stört.

Eine ruhige Hand ist keine Hand die am Platz "steht".
louise
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Beitrag von louise »

Mit am Platz stehender Hand meinte ich eigentlich eine ruhige Hand, die weiss (bzw. von der der Reiter weiß), wohin sie in einer bestimmten Situation gehört und wie sie sich in Kommunikation zum Pferd zu verhalten hat.

Keine, die nach hinten zieht, keine, die starr ist, unbeweglich, unnachgiebig, eben alles, was man negativ in eine stehende Hand hineininterpretieren kann. Darum geht es mir nicht.
Es ging mir nur um Abgrenzung zu unruhiger Hand.

Und um Differenzierung, Definition etc. zu main fixe.

Weil dies doch übersetzt zunächst bedeutet: fixierte Hand. Was bedeutet fixiert: fest stehend.
Und wieso wird das benutzt, um die deutsche Hand, die ja oft als feststehend, betonartig, interpretiert wird, zu kritisieren?

Louise
Lala
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Beitrag von Lala »

louise hat geschrieben:M

Und um Differenzierung, Definition etc. zu main fixe.

Weil dies doch übersetzt zunächst bedeutet: fixierte Hand.
Louise
Aber fixiert woran? Am Sattel oder Widderist? Dann wäre es tatsächlich eine feststehende, unnachgiebige Hand und für mich sicherlich nicht erstrebenswert.
Allerdings könnte man die Hand ja auch mit dem Zügel so quasi am Pferdemaul befestigen, sprich die Hand folgt dem Pferd? So sieht es doch schon ganz anders aus *nur so laut denk, keine Ahnung hab* :wink:
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maline
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Beitrag von maline »

Hallo Louise,
die main fixe ist eine Hand, die tatsächlich wie eine Wand an ihrem Ort steht, sobald das Pferd Widerstand leistet, also die Leichtheit aufgibt und gegen den Zügel drückt oder zieht.

Diese Funktion hat sie aber nur momentan, nur solange das Pferd aktiv gegen den Zügel arbeitet.

Die andere, wohl noch wichtigere Eigenschaft ist aber: Sobald das Pferd nachgibt, darf sich diese Hand -egal wieviel Druck sie vorher aushalten musste- keinen Millimeter zurück bewegen! Das ist technisch nicht einfach. Wird das Pferd dann wieder leicht, nimmt es sich augenblicklich selbst den Druck aus dem Zügel und der aha-Effekt ist fürs Pferd sehr deutlich.

Anschließend werden die Finger der Zügelhand leicht geöffnet und der Zügel sogar etwas gleiten gelassen (=verlängert). Dadurch bekommt das Pferd eine Belohnung für seine Nachgiebigkeit. Die Hand selbst bewegt sich dabei nicht.

Habe ich Deine Frage damit beantwortet? Ansonsten, schreib einfach nochmal, falls etwas unklar ist.

Viele Grüße :)
Stephanie
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jolly_roger
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Beitrag von jolly_roger »

Maline erklärt die main fixe hervorragend.

Welche Bedeutung Baucher der main fixe als Technik der Légèreté beigemessen hat wird deutlich, wenn man bedenkt, dass er ihr auf seinem Sterbebett seine letzten Worte widmete, wiedergegeben von General L'Hotte:
"Dann nahm er meine Hand und gab ihr die Kandarenhaltung [...] und sagte zu mir:'Denken Sie immer daran: Immer das' - und er stellte meine Hand fest - 'nie das' - und während des 'nie das' führte er meine Hand in Richtung meines Brustkorbs."

(Zitiert nach: Jean-Claude Racinet: François Baucher - Enfant Terrible oder Genie? Olms Hildesheim, Zürich, New York 2005)
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silence
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Beitrag von silence »

Hallo Zusammen, dankt den PC-Chirurg:bin wieder online.
Danke für die vielen konstruktive Beiträge über die Légèreté nach die französische Reittradition.

Ja die main fixe hat die Qualität die Hand eines Mimes. Einen Mimen welchen gerade -z.B.- mimt jemand der seine Hände auf einen (unexistierende) Fensterscheibe auflegt und versucht dabei oben, unten und an die Seite durch den Fenster durch zu schauen. Er schaft seinen ganzen Körper dabei zu bewegen aber seine Hände bleiben, in bezug auf sich/ihr selbst festgestellt.

Auf dem Pferd, im Schritt z.B., wenn die Hand festgestellt in Bezug auf das Pferdemaul ist, dann geht sie da vor und zurück. Wenn sie festgestellt in Bezug auf sich selbst, egal wie da sich das Pferd bewegt: sie bewegt sich absolut nicht. Das Pferd wird dabei seinen Kopf und Hals festellen aber und -dadurch- seinen Hanken beugen. Es versammelt sich.

Wenn die versammlung im Schritt nicht in der Moment für Bedeutung ist, dann kann der Reiter seine Hände in Bezug mit das Pferdemaul fixiert/feststellen.
Ansonstens, wenn die Versammlung gesucht ist, auch in die Verstärkungen, dann soll der Reiter seiner Hand nur in Bezug auf dieser Hand festellen.
Das ist eine Hand welche erlaubt das Pferd "sich selbst nach zu geben" zu können. Und schneller als diese Reaktion, die von Pferd kommt, kann kein Menschenreaktion sein. Deswegen ist dieser Handqualität von die höchste Sanftheit geprägt. Sie lässt die Finger stricken und klavier spielen.
Nuno Oliviera hatte auch "la main fixe". Ich denke Otto Lörke und Lt Polay auch.
LGP
"Die Pferde versuchen immer uns zu verstehen, das aber muss ihnen erlaubt werden; nur Gehorsam zu fordern, macht sie dumm." Jean-Claude Racinet
horsman
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Beitrag von horsman »

schöne Beiträge.

@louise
im Grunde ist es aber doch auch genau das, was du beschrieben hast, gelernt zu haben. Nur hast du vielleicht diese Bedeutung und Erklärung und auch die Nähe zu Baucher noch nicht so gesehen.

BTW
Ich denke auch das la Guerirniere auch mit der main fix ritt, wenn er die Pferde in Versammlung reiten wollte (insofern ist keinen "Erfindung" von Baucher, aber vielleicht hat er es besonders beobachtet
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summer
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Beitrag von summer »

maline hat geschrieben:Hallo Louise,

Diese Funktion hat sie aber nur momentan, nur solange das Pferd aktiv gegen den Zügel arbeitet.

alles bis auf dieses ist mir klar - aber was, wenn es eben kein "momentanes gegen den zügel arbeiten" ist?

geht man dann zurück in den stand und stellt wieder "nachgiebigkeit" und "balance" her? wahrscheinlich ist ein "gegenarbeiten" auch ein ausdruck von balanceproblemen, oder bringe ich gerade alles durcheinander? (ich bringe jetzt einfach mal auch etwas aus dem "balance vor bewegung threat" mit rein)
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horsman
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Beitrag von horsman »

deine Frage kann ich gut nachvollziehen.

Das ganze fängt damit an, wenn du die Zügel aufnimmst, wie kurz du nun das Zügelmass wählst.

Hierbei ist es ganz wichtig, dass du zunächst nur leichten Zügelkontakt suchst, und nicht mit der Hand schon den Kopf des Pferdes bei bringen willst. Die Beizäumung (Rundung im Genick) wird das Pferd Dir erst nach und nach geben, sobald es mit der Kieferlockerung vertraut ist und sich auch mit den Hanken sammeln kann. Dann kannst du das Zügelmass nach und nach weiter anpassen auf ein kürzeses Mass und die Hand steht wieder still, immer am selben Platz.

Das genaue anpassen des Zügelmasses ist eine wichtige Sache dabei, sodass die Hand an einem zu Dir gut passenden Fixpunkt vor deinem Bauch steht. Ein Stück zu lange Zügel, und die Ellenbogen geraten zu weit zurück und die Gefahr des unbewussten ziehens ist groß.

Es ist immer sehr interessant faszinierend die Organisation einer guten "main fixe" bei einem geübtem Reiter zu studieren. Ich habe Stunden damit am Video und an der Bande verbracht, und es ist bis heute immer noch ein kleines Mysterium. Die gute Organsisation der "main fixe" korrespondiert nämlich sehr mit der, ich nenn es mal "losgelassenen "Festigkeit" des Reitersitz, insbeso. des Schultergürtel und des Reiterrückens. Denn irgendwo muss der Arm an der Hand ja seine Festigkeit bekommen.

Das ganze ist natürlich um so leichter und eleganter je besser das Pferd sich schon an die festgetsellte Hand stellt und sammelt und "abkaut", sprich gute U-Kiefer-Lockerungen gibt.

Mit einem jungen Pferd geht das nicht von Anbeginn - logisch.
Deshalb wichtig auch die Vorarbeit an der Hand/Longe.
Übigens sind feststehende Ausbinder (ohne Gummielement) eine sehr präzise "main fixe", denke ich.


Besonders schwieirg ist es, zu unterschieden, ob nun das Pferd zieht, oder doch schon Du. Denn im ersten Fall gilt es solange zu Widerstehen, bis das Pferd nachgibt. Aber widerstehen darf kein Gegenziehen sein.

Ich empfehle mal Trockenübungen mit ein paar Zügel, die eine zweite Person in diemal Hände nimmt und zieht, gegenhält, losläßt usw. Dann mal deine Hände gut beobachten und kontrollieren lernen.

ME ist die gute"main fixe" eine der alles entscheidenden Kriterien für leichtes Reiten. Es klingt paradox, aber so hab ich es erfahren.
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summer
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Beitrag von summer »

danke für deine schnelle und ausführliche erklärung, ein paar fragen hab ich trotzdem immer noch (oder schon wieder :wink: ) - damit ichs richtig verstehe:
- die main fixe kann man mit feststehenden ausbindern ohne gummieinlage vergleichen -> lümmelt sich das pferd da nicht drauf?
- was setze ich dem pferd entgegen, wenn es gegen den zügel geht? du schreibst: "gilt es solange zu Widerstehen, bis das Pferd nachgibt." - widersteht man dann wirklich minutenlang? oder geht man dann doch einen schritt zurück, bis das nachgeben im UK wieder wiederhergestellt ist? ich kann mir das so schwer vorstellen, dass man einfach gegenhält und "wartet" bis das pferd nachgibt.
- in welchen situationen wird das bei jungen pferden angewendet, bzw. ab wann wendet man das an?
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jolly_roger
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Beitrag von jolly_roger »

horsmän hat das m.E. sehr treffend beobachtet und dargestellt, danke dafür.
Zuletzt geändert von jolly_roger am Mi, 18. Nov 2009 13:27, insgesamt 1-mal geändert.
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maline
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Beitrag von maline »

Hallo summer,

erstmal - ja, wenn das Problem wirklich im dauernden Gegenziehen oder auf den Zügel drücken besteht, ist es tatsächlich leichter im Halt zu lösen als in der Bewegung. Und wenn sich tatsächlich minutenlang nichts tut, braucht man einen "Plan B".

Es gibt viele Pferde- vor allem die auf dauernde mehr oder weniger starke Anlehnung konditionierten- die auf die Kontaktaufnahme eben gerade nicht mit dem Lockern des UK reagieren, sondern mit einem (dauerhaften) Gegendrücken.

Für solche Fälle - in denen das Pferd ja erstmal verstehen lernen muß, was der Reiter mit der Kontaktaufnahme erreichen will, nämlich eine Unterkieferlockerung (nicht Festigung) - gibt es ergänzende Techniken. Z.B. gehören einige bei Baucher beschriebene Abkauübungen dazu.

- in welchen situationen wird das bei jungen pferden angewendet, bzw. ab wann wendet man das an?
Junge Pferde lernen recht schnell, dass auf eine Flexion / korrektes Nachgeben ihrerseits (nebenbei, nicht jedes Kauen /Nachgeben ist eine korrekte Flexion!) ein Nachgeben und Gleitenlassen seitens des Reiters erfolgt. Im Prinzip unterscheidet sich die Handhabung nicht von der Vorgehensweise bei älteren Pferden. Horsmän merkt korrekt an, daß es am Anfang mehr auf die korrekte Flexion ankommt (das Loslassen des Gebisses) als auf die Haltung, in der Kopf und Hals dabei stehen. Meist ist es anfangs sogar einfacher, mit etwas erhobenem Hals und vorgestreckter Nase eine korrekte Flexion zu erreichen.

- die main fixe kann man mit feststehenden ausbindern ohne gummieinlage vergleichen -> lümmelt sich das pferd da nicht drauf?
Die main fixe wirkt nur momentan so ein - wie oben beschrieben - solange das Pferd widersteht. Angenommen, im nächsten Moment gibt es nach und "kaut" korrekt, gibt also eine Flexion. Dann vermeidet der Reiter nicht nur, mit der Hand zurück zu ziehen, sondern läßt seinerseits noch etwas Zügel herausgleiten (cm-weise), quasi als Bestätigung und Belohnung fürs Pferd. Die Zügellänge wird dabei je nach Bedarf immer wieder neu eingestellt. (Die Handposition ändert sich dabei normalerweise wenig.) So entsteht kaum ein Anreiz fürs Pferd, sich erneut auf den Zügel zu legen - Ausnahmen, die schon oben erwähnten Korrekturfälle, die viel Anlehnung gewohnt sind.

Grüße, Stephanie
Antworten